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review 2017-12-05 09:15
Ein Autor, der Worten Taten folgen ließ
Tausend strahlende Sonnen - Michael Windgassen,Khaled Hosseini

Khaled Hosseini wurde 1965 in Kabul als Sohn eines Diplomaten geboren und wuchs als Asylant in Kalifornien auf, da seine Familie nach einigen Jahren in Paris aufgrund der politischen Lage nicht nach Afghanistan zurückkehren konnte. 2001 begann er, „Drachenläufer“ zu schreiben, das 2003 veröffentlicht wurde und die weltweiten Bestsellerlisten im Sturm eroberte. 2007 folgte sein ebenso erfolgreiches zweites Werk „Tausend Strahlende Sonnen“. Hosseini schreibt über die Menschen Afghanistans, öffnet den Blick der Welt für ihr unfassbares Leid. Seine Stiftung The Khaled Hosseini Foundation unterstützt afghanische Frauen, Kinder und Flüchtlinge mit Bildung und Wohnungsbau. Kaum zu glauben, dass ich „Tausend Strahlende Sonnen“ auf der Straße fand.

 

Mariams Welt zerbricht 1974, als sie 15 wird. Gezwungen, den 30 Jahre älteren Raschid zu heiraten und in die afghanische Hauptstadt Kabul umzuziehen, beginnt für sie ein Leben voller Leid und Schmerz. Raschid betrachtet sie als sein Eigentum. Er schlägt sie, demütigt sie bei jeder Gelegenheit. Die Zeit vergeht für Mariam hinter dem Schleier einer Burka, ungesehen und stumm. Die politischen Erschütterungen in Afghanistan – blutige, furchtbare Kriege – haben wenig Einfluss auf ihre persönliche Hölle. Erst nach 18 Jahren einer lieblosen, gewalttätigen Ehe tritt Laila in ihr Leben. Lailas gesamte Familie wurde bei einem Bombenanschlag ausgelöscht. Sie hat keine andere Wahl, als Raschids Ehefrau zu werden. Anfangs betrachtet Mariam Laila als unerwünschten Eindringling. Doch schon bald erkennt sie, dass das junge Mädchen ebenso eine Gefangene ist wie sie. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Gemeinsam trotzen sie allen Grausamkeiten, die ihnen ihr Ehemann und der Krieg entgegenschleudern.

 

Ich kann nicht verstehen, wie jemand ein wundervolles Buch wie „Tausend Strahlende Sonnen“ auf der Straße aussetzen konnte. Hat dieser Mensch denn kein Herz? Ich bin sehr froh, dass ich Khaled Hosseinis zweiten Roman retten und ihm ein neues Zuhause geben konnte, weil mich die Lektüre wirklich berührte. Das Buch ist ein feinfühliges, ehrliches, liebevolles Portrait eines kriegsversehrten Landes und seines Volkes. In Afghanistan herrscht seit 40 Jahren Krieg. 40 Jahre. Europäer_innen können sich vermutlich gar nicht vorstellen, was das bedeutet. Ich kann es nicht. Aber dank Khaled Hosseini, der sich überzeugend in seine weiblichen Protagonistinnen hineinversetzt, sie glaubwürdig charakterisiert und Mariams und Lailas Schicksal fest mit der Geschichte des Landes verschweißt, habe ich zumindest eine Ahnung davon, wie sehr die Bevölkerung seit Jahrzehnten leidet, speziell Frauen und Kinder. Teile der politischen Historie Afghanistans waren mir bereits bekannt; ich wusste von der sowjetischen Besatzung und den Bemühungen, den Kommunismus zu etablieren. Ich wusste jedoch nicht, dass mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989 erst recht Chaos ausbrach. Rivalisierende Mudschaheddin-Gruppen bekämpften sich bis aufs Blut, natürlich auf dem Rücken des Volkes. Die Situation wurde so schlimm, dass die Taliban, die Kabul 1996 eroberten, als größte Hoffnung auf Frieden verstanden wurden. Es ist traurig, wie schnell sich diese Hoffnung ins Gegenteil verkehrte. Die radikal-islamischen Taliban erließen Gesetze, die jegliche Kreativität unterdrückten, strenge religiöse Vorschriften diktierten und die Rechte der Frauen massiv beschnitten. Hosseini zeigt diese hässliche Seite des Islams, die aus westlicher Sicht oft paradox, ungerecht und schlicht grausam ist, authentisch und eindringlich. Es ist schwer zu begreifen, wie viel Elend Mariam und Laila aushalten, ohne zu zerbrechen. Weder ihr Ehemann, noch die Mudschaheddin, noch die Taliban vermögen, ihre Stärke, die sich aus ihrer kostbaren, tiefen Beziehung zueinander nährt, zu verkümmern. Bevor sie sich kennenlernen, werden beide Frauen ausführlich vorgestellt, sodass die Leser_innen nachvollziehen können, dass sie sich aufgrund ihrer Unterschiede ergänzen. Mariam, die ältere der beiden, wurde als uneheliches Kind geboren. Ihr wurde stets vermittelt, wertlos zu sein, weshalb sie sich zu einer stillen, introvertierten und unsicheren Frau entwickelte. Es erschütterte mich, dass sie trotz all der Jahre unter Raschids Misshandlungen, der den Albtraum eines muslimischen Ehemanns verkörpert, keinen Funken Bitterkeit in sich trägt. Ihre sanfte Persönlichkeit steht in krassem Kontrast zu Lailas mutigem Selbstbewusstsein, die aus einem liebenden, progressiven Elternhaus stammt und fortwährend gefördert wurde. Sie besitzt ein Feuer, das nicht einmal Raschid ersticken kann. Ich fand es nicht überraschend, dass Laila am Ende des Buches eine von einer Million Afghanen ist, die 2003 den Wiederaufbau ihrer Heimat vorantrieben. Es brach mir das Herz, zu wissen, dass all das Leid und die Gewalt bis heute kein Ende gefunden haben.

 

„Tausend Strahlende Sonnen“ ist ein ergreifendes, bestürzendes Buch, das die tiefe Liebe des Autors Khaled Hosseini zu seinem Geburtsland intensiv abbildet. Tragischerweise ist die fiktive Geschichte von Mariam und Laila vermutlich kein außergewöhnliches Schicksal. Zwangsehen, brutale häusliche Gewalt, Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen sind noch immer Realität in Afghanistan. Umso wichtiger ist es, dass sich Menschen wie Khaled Hosseini für Aufklärung und humanitäre Hilfe einsetzen. Es ist bewundernswert, dass er seinen Worten Taten folgen ließ und seine Stiftung gründete. Tatsächlich beeindruckt mich seine Konsequenz sogar ein wenig mehr als „Tausend Strahlende Sonnen“, dem meinem Empfinden nach das gewisse Etwas zu einer 5-Sterne-Bewertung fehlt. Es ist zweifellos aufwühlend, doch es brachte mich widererwartend nicht zum Weinen. Trotz dessen kann ich euch das Buch wärmstens empfehlen. Das Leid des afghanischen Volkes muss gehört und gesehen werden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/12/05/khaled-hosseini-tausend-strahlende-sonnen
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review 2017-10-31 10:42
Krisentango in Lichtgeschwindigkeit
Trapped - Kevin Hearne

Kevin Hearnes „Iron Druid Chronicles“ ist eine der wenigen Reihen, die mit Buch-Merchandise veredelt wurde, obwohl es (noch?) keine Verfilmung gibt. Der Onlineshop The Tinker’s Packs bietet neben Hearnes Büchern Klamotten und allerlei Kinkerlitzchen an, die von der Geschichte des Eisernen Druiden inspiriert wurden und das Fan-Herz höherschlagen lassen. Ich werde mir zum Abschluss der Reihe ein T-Shirt gönnen, weil ich verrückt nach Buch-Merchandise bin und The Tinker’s Packs mit jedem gekauften Artikel ein Wohltätigkeitsprojekt unterstützt. Nerd sein für den guten Zweck! Bis ich mir diese Belohnung gestatte, wird allerdings noch einige Zeit vergehen, denn ich habe mich erst bis zum fünften Band „Trapped“ vorangelesen.

 

Atticus O’Sullivan wusste, dass er sich eines Tages den Schäden, die er in Asgard anrichtete und die alle Welten beeinflussen, stellen muss. Die Inszenierung seines eigenen Todes war niemals als langfristige Lösung gedacht. Sie sollte ihm lediglich Zeit kaufen. Zeit, die Lehre seiner Auszubildenden Granuaile abzuschließen, die nun, 12 Jahre später, beinahe eine vollwertige Druidin ist. Er hätte den Zeitpunkt seiner wundersamen Wiederauferstehung allerdings gern selbst gewählt, statt kurz vor dem letzten und wichtigsten Schritt in Granuailes Ausbildung, ihrer Bindung an Gaia, von seiner Vergangenheit überrumpelt zu werden. Leider kann man sich nicht aussuchen, wann das Ende des Universums droht. Ragnarök naht und Atticus hat keine andere Wahl, als die Götter wissen zu lassen, dass er noch lebt. Dummerweise liegen „Vergessen und Vergeben“ nicht in der Natur der Götter. Bacchus, die dunklen Elfen, ein uralter Meistervampir – die Liste seiner Feinde ist lang und hochkarätig und sie alle wollen ihn tot sehen. Vielleicht sollte er anfangen, Buch zu führen.

 

Das ist er also, der fünfte Band der „Iron Druid Chronicles“, der eine neue Ära für Atticus, Granuaile und Oberon einläuten sollte. Ich muss gestehen, ich bin ein bisschen enttäuscht. Ein Zeitsprung von 12 Jahren ist keine Kleinigkeit und ich habe angenommen, dass die Handlung durch die Jahre, die verstrichenen sind, eine neue Richtung und neuen Schwung erhält. Leider war das nicht der Fall. Der einzige Unterschied zu den vorangegangenen Bänden besteht darin, dass Granuailes Ausbildung erfreulicherweise nun so gut wie beendet ist. Ansonsten setzt „Trapped“ genau an der Stelle an, an der wir das Trio Infernale im vierten Band „Tricked“ verließen. Es ist im Grunde nicht erkennbar, dass mehr als ein Jahrzehnt vergangen ist. Natürlich weiß ich Kevin Hearnes inhaltliche Konsequenz zu schätzen, doch ich finde, dass ein Zeitsprung dieser Größenordnung spürbar sein sollte. Sowohl die Figuren als auch das Universum sollten sich weiterentwickelt haben. Diesen Anspruch erfüllt „Trapped“ nicht; Atticus ist noch immer derselbe und plagt sich mit denselben Konflikten, die ihn bereits seit Beginn der Reihe begleiten. In 12 Jahren machte er emotional überhaupt keine Fortschritte, was ihn einige Sympathiepunkte kostete, weil ich erwartet hatte, dass er sich zumindest mit seiner Schuld an der drohenden Apokalypse auseinandergesetzt hätte. Er verursachte unfassbares Leid und kümmert sich scheinbar nicht die Bohne darum. Das ist schockierend ignorant. Ich habe ihm mehr zugetraut. Meine Beziehung zu ihm hat sich dadurch definitiv verändert, da ich mich mittlerweile frage, ob seine guten Absichten all den Schaden, den er anrichtet, rechtfertigen. Wann immer er versucht, seine Verfehlungen in Ordnung zu bringen, macht er es nur noch schlimmer, was meiner Ansicht nach der Grund dafür ist, dass sich die Liste seiner Feinde ständig erweitert, wodurch „Trapped“ chaotisch und unübersichtlich wirkt. Es ist ein unruhiges Buch, das mit zahllosen Schauplatzwechseln ein mörderisches Tempo diktiert, mit dem ich mich trotz des hohen Actionlevels nicht mehr so recht anfreunden konnte. Kämpfe hier, Kämpfe dort, überall sind sie hinter Atticus her, zwischendurch werden neue Komponenten des Universums vorgestellt und nebenbei erhalten die Leser_innen auch noch Einblicke in die druidische Lebensweise. All das auf nicht einmal 300 Seiten. Obwohl mir Kevin Hearnes Freigiebigkeit mit Informationen per se gut gefiel, konfrontierte er mich innerhalb kürzester Zeit mit extrem viel Input und ich hatte Schwierigkeiten, Schritt zu halten. Ich fühlte mich gehetzt, getrieben und am Ende des Buches völlig außer Atem. „The Iron Druid Chronicles“ war von Anfang an eine äußerst temporeiche Reihe, aber „Trapped“ erreicht beinahe Lichtgeschwindigkeit. Muss es denn immer so sein? Ich würde Atticus, Granuaile und Oberon gern einmal unter entspannteren Bedingungen treffen, weitere Facetten ihrer Persönlichkeiten kennenlernen und sie nicht permanent beim Krisentango beobachten. Vielleicht war der immense Zeitsprung nicht die beste Idee, weil die Vergangenheit auf die drei einstürzt wie eine Lawine. Ein sanfterer Übergang wäre vielleicht besser gewesen.

 

Mit „Trapped“ wagt Kevin Hearne keinerlei Experimente. Obwohl der fünfte Band einen neuen Handlungsbogen einleitet, bleibt er seinem Stil treu und hält sich an Altbewährtes, um die „Iron Druid Chronicles“ fortzuführen. Grundsätzlich ist sein Hausrezept für die Reihe natürlich nicht schlecht – ich hatte durchaus Spaß an der Lektüre – doch ein wenig Abwechslung täte der übergreifenden Geschichte meiner Meinung nach wirklich gut. Von mir aus könnte Hearne auf die Bremse treten und den verschiedenen Komponenten mehr Raum zugestehen, um sich zu entfalten. Ich habe das Gefühl, dadurch, dass alles rasant und gleichzeitig geschieht, nimmt er sich selbst die Möglichkeit, bestimmte Entwicklungen eingehend zu erforschen und deren Implikationen abzuwägen. Deshalb bleibt „Trapped“ trotz der mythologischen Vielfältigkeit oberflächlich. Für mich war es der bisher schwächste Band der Reihe und ich kann nur hoffen, dass mich die Folgebände mehr überzeugen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/10/31/kevin-hearne-trapped
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review 2017-10-05 19:22
Das Morden muss aufhören
Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch: Essays - Cem Özdemir,Aslı Erdoğan

Wie gut kennt ihr euch mit der aktuellen politischen Situation in der Türkei aus? Versteht ihr, was dort zurzeit passiert? Begreift ihr, warum der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf hervorragende Zustimmungswerte in der Bevölkerung blickt, obwohl ihm von westlichen Ländern der Status eines Diktators und menschenrechtsverletzende Politik vorgeworfen wird?
Ich habe die Nachrichten aus der Türkei stets aufmerksam verfolgt, habe versucht, zu erfassen, was in diesem Land am Bosporus geschieht. Ich habe die Bilder der Putschnacht vom 15. zum 16. Juli 2016 gesehen und den Prozess gegen Jan Böhmermann beobachtet. Ich erlebte, wie die Meinungsfreiheit mehr und mehr eingeschränkt wurde. Immer öfter trudeln Meldungen von verhafteten Deutschen ein, denen vorgeworfen wird, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen. Sie sitzen heute in den gleichen Gefängnissen ein, in denen türkische Akademiker_innen, Journalist_innen und unbequeme Staatsangestellte inhaftiert sind. Ich setzte mich mit diesen Nachrichten auseinander – doch völlig verstanden habe ich sie nicht. Keine der Mitteilungen vermochte es, mir zu erklären, wieso sich die Türkei plötzlich in einen rückständigen Staat verwandelt und Niemand. Etwas. Dagegen. Unternimmt.

 

Dieser Eindruck täuscht. Es gibt sehr wohl zahllose Menschen, die sich gegen die Regierung Erdoğans auflehnen – wir kriegen das hier in Deutschland nur nicht ausreichend mit. Die Verhaftungen erscheinen uns willkürlich, dabei sind sie für den türkischen Präsidenten ein praktikables Mittel, seine politischen Kritiker_innen mundtot zu machen. Eine von ihnen ist die Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die bis August 2016 für die kurdisch-türkische Zeitung Özgür Gündem arbeitete. Sie wurde verhaftet, weil ihr „Propaganda für eine illegale Organisation“, „Mitgliedschaft bei einer illegalen Organisation“ und „Volksverhetzung“ vorgeworfen wurde. Ihre Kolumnen und Essays sind hochpolitisch; sie spricht sich seit Jahren aktiv für die kurdische Minderheit in der Türkei aus und verarbeitet ihre Empfindungen literarisch. Ihr Schaffen ist preisgekrönt, doch da sie regierungskritisch ist, kann sie ihre Texte seit ihrer Verhaftung nicht mehr in der Türkei veröffentlichen. Stattdessen nahm sich der deutsche Verlag Knaus ihren Werken an. Im März 2017 erschien dort eine Sammlung ihrer Essays unter dem Titel „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“, angedickt mit einem Vorwort des türkischstämmigen Bundesvorsitzenden der Partei Bündnis 90/Die Grünen Cem Özdemir.

 

Ich stolperte auf der Arbeit über dieses Buch. Einige von euch wissen mittlerweile, dass ich bei der größten deutschen überregionalen Tageszeitung mit den vier Buchstaben angestellt bin. Ja, genau die. In den Tiefen unseres Systems entdeckte ich einen Artikel, der die bald anstehende Veröffentlichung der Essay-Sammlung thematisierte und das Vorwort von Cem Özdemir abbildete. Ich las es und hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass mir dort jemand wirklich begreiflich machen konnte, warum sich die politische Situation in der Türkei in einer schwer aufzuhaltenden Abwärtsspirale befindet und wieso Präsident Erdoğan von der Mehrheit seines Volkes glühend verehrt wird, obwohl er aus deutscher Sicht ein Despot ist. Ich sah eine Möglichkeit, endlich Antworten auf all meine Fragen zu erhalten, den historischen Zusammenhang zu verstehen und darüber hinaus der Stimme einer Systemgegnerin zu lauschen. Der Knaus Verlag gehört zur Random House Gruppe, also bat ich um ein Rezensionsexemplar von „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ beim Bloggerportal von Random House. Meine Anfrage wurde angenommen.

 

Ihr könnt euch sicher denken, dass diese Rezension angesichts des Buches, das sie bespricht, meinen gewöhnlichen Richtlinien nicht folgen kann. Dieser Text wird keine Charakteranalysen enthalten, ich werde kein Wort über Worldbuilding oder Spannungsbögen verlieren. Tatsächlich weigere ich mich sogar, für diese Essay-Sammlung Sterne zu vergeben, weil das meiner Meinung nach nicht angemessen wäre. In dieser Rezension geht es um Politik und vermutlich wird es die schwierigste Besprechung, die ich jemals geschrieben habe. Ich werde nicht vollkommen objektiv bleiben können. Ich muss Stellung beziehen. Das hier wird unangenehm, schmerzhaft und bedrückend realitätsnah. Wer darauf keine Lust hat, sollte genau jetzt aufhören zu lesen. Wer hingegen einen ersten Schritt hin zu einem umfassenderen Verständnis der politischen Situation in der Türkei wagen möchte, sollte meinen Worten über Aslı Erdoğans Essays Aufmerksamkeit schenken.

 

Wie bereits erwähnt, beginnt „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ mit einem Vorwort von Cem Özdemir. Für mich war dieses Vorwort die Voraussetzung, das Buch überhaupt lesen und begreifen zu können. Özdemir rollt darin die politische Geschichte der Türkei auf und erklärt, in welchem Klima Aslı Erdoğan schreibt. Er beschreibt, wie Recep Tayyip Erdoğan 2003 erst Ministerpräsident und 2014 Präsident wurde, wie sich seine Politik über die Jahre veränderte, welche Rolle die Kurdenfrage für die Türkei spielt und wann sich der endgültige gesellschaftliche Bruch vollzog, dessen Folgen wir bis heute in den Nachrichten verfolgen können. Özdemir fasst sich kurz, er beschränkt sich auf Fakten und vermeidet Spekulationen, was ihn in meiner Achtung deutlich steigen ließ. Niemals verliert er Aslı Erdoğans Position innerhalb der türkischen Konflikte aus den Augen und stellt stets den Bezug zu ihren Texten her. Sein Vorwort ist eine perfekte Vorbereitung auf die Lektüre ihrer Essays.

 

Nichtsdestotrotz sollten sich Einsteiger_innen in die Thematik – so wie ich es war – darauf einstellen, dass zusätzlicher Rechercheaufwand notwendig ist. Cem Özdemir bezieht sich auf Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, die mehr oder weniger an mir vorbeigegangen sind. Seine Erläuterungen zu den Protesten im Gezi-Park 2013 waren mir beispielsweise zu knapp, sodass ich Google und Wikipedia zu Rate zog. Dadurch erkannte ich schnell, dass die Geschichte der Türkei seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches kompliziert und komplex ist. Ich war verblüfft, wie viele Querverweise so ein unschuldig daherkommender Wikipedia-Artikel enthalten kann. Ich begann zu ahnen, dass ich im Verlauf der Lektüre einiges würde nachschlagen müssen. Ich entschied, trotzdem mit den Essays von Aslı Erdoğan anzufangen, weil ich nicht auf blauen Dunst hin, sondern gezielt recherchieren wollte.

 

„Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ enthält 29 Texte der verfolgten Autorin, die sich in Länge, Intensität und Metaphorik stark unterscheiden, thematisch jedoch stets um die reale Ungerechtigkeit der türkischen Politik kreisen. Einige Essays umfassen über 10 Seiten, andere wiederum nur zwei bis drei Seiten. Einige sind leicht zu deuten, andere bieten gewaltigen Interpretationsspielraum. Sie alle vermitteln brutal ehrliche Emotionen, die von Wut, Trauer, Schmerz, Zynismus und Resignation bis hin zu Hoffnung und eisernem Kampfeswillen rangieren. Ich bilde mir nicht ein, jeden Text gänzlich verstanden zu haben, doch Erdoğans unnachahmliche Fähigkeit, ihre Gefühle kristallklar, nachvollziehbar und eindringlich in Worte zu fassen, berührte mich zutiefst. Dieses Buch hat die Grundfesten meiner Seele erschüttert. Es beschäftigte mich bis in meine Träume. Es fällt mir schwer, zu beschreiben, was während der Lektüre mit mir geschehen ist, weil Aslı Erdoğan jegliche natürliche Distanz zwischen Schriftsteller_in und Leser_in niederreißt und mich uneingeschränkt empfinden ließ, was sie selbst empfindet. Poetische Metaphern und schonungslose Direktheit zeichnen gemeinsam das Bild einer Frau, die um ihr geliebtes Land trauert, die sich mutig Leid und Unrecht entgegenstellt und sich weigert, zu schweigen, obwohl ihre selbstverständliche Verpflichtung zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit und zum Frieden ihr Leben bedroht. Aslı Erdoğan ist ein Vorbild, weil sie mit Leib und Seele für ihre Überzeugungen kämpft. Sie ist eine Inspiration, da sie aufsteht, sich Gehör verschafft und die Konfrontation sucht, obwohl auch sie strauchelt und den Glauben an die Hoffnung zu verlieren droht. Angesichts der schier übermächtigen Ungerechtigkeit in der Türkei ist das kein Wunder und nur allzu menschlich.

 

Ich hatte keine Ahnung, wie prekär die Lage in der Türkei seit Jahrzehnten ist und wie sehr Teile der Bevölkerung unter der repressiven Politik leiden. Das Land ist tief gespalten, es herrscht Chaos auf jeder Ebene und das Volk kommt einfach nicht zur Ruhe. Ich kann mir nicht vorstellen, in dieser permanenten Atmosphäre von Gewalt, Willkür und Unterdrückung zu leben. Rassismus, Nationalismus und Ignoranz prägen den Alltag. Erdoğan bemüht häufig den Vergleich zu Nazi-Deutschland, um die Situation zu beschreiben und erreichte mich somit auf einer Basis, die ich problemlos verstehen konnte. Die Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen. Die systematische Drangsalierung der Kurden, das Leugnen des Völkermords an den Armeniern, all der Hass und die „Für uns oder gegen uns“ – Philosophie der Regierung wecken durchaus düstere Erinnerungen. Ich frage mich, ob Präsident Erdoğan deshalb immer wieder Nazi-Vergleiche im Zusammenhang mit seinen (deutschen) Kritikern nutzt. Handelt es sich um eine Überkompensation? Ist ihm auf irgendeiner Ebene bewusst, dass die Methoden seiner Regierung Hitlers Methoden gar nicht so unähnlich sind?

 

Warum die Kurden in der Türkei mit aller Gewalt unterdrückt werden, musste ich nachschlagen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich die Gesamtheit des Konflikts nun überblicken kann, doch zumindest habe ich begriffen, dass dieser historisch im Wunsch der Kurden nach Autonomie bedingt ist. Die Angst vor einer Abspaltung des kurdischen Volkes führte zu grausamen, blutigen Auseinandersetzungen, für die es nur ein einziges passendes Wort gibt: Krieg. Die Gräuel, die ihnen angetan wurden, sind unbeschreiblich. Ich kann nachvollziehen, dass lebendig verbrannte Kinder, Massenmorde und skrupellose Überfalle auf wehrlose Siedlungen einige Kurden dazu motivierten, die PKK zu gründen, die selbst hier in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Ich verurteile ihren gewalttätigen Widerstand zutiefst, das möchte ich ganz klar betonen, doch ich verstehe, warum ihr Zorn alle Mittel zu rechtfertigen scheint.
Ich bin nicht sicher, inwieweit Aslı Erdoğan mit der PKK sympathisiert. Als Fürsprecherin der Kurden stimmt sie mit einem Teil ihrer Ziele vermutlich überein, aber ob sie auch ihre Methoden unterstützt, konnte ich aus ihren Essays nicht herauslesen. Meist wirkte es, als sei sie grundsätzlich pazifistisch eingestellt, als lehne sie den Teufelskreis der Gewalt ab und bevorzuge den unblutigen, friedlichen Widerstand, wie er beispielsweise von den Samstagsmüttern verkörpert wird, denen Erdoğan einen gesamten Text widmet. Nichtsdestotrotz hatte ich das Gefühl, dass sie, von Wut und Trauer überwältigt, hin und wieder mit dem Terrorismus der PKK kokettiert. Ich kann diesen Eindruck nicht konkret belegen, er ist eine rein intuitive Vermutung. Ich kann mir vorstellen, dass sie in der Tiefe der Nacht und ihrer Verzweiflung manchmal glaubt, dass Gewalt die einzige Sprache ist, die die türkische Regierung versteht. Doch graut der Morgen, wird sie erneut von Rationalität und Pazifismus gelenkt. Ich kann ihr diese seltenen Momente der zornigen Schwäche nicht übelnehmen, denn ich glaube nicht, dass sie sich jemals der PKK anschließen würde.

 

Der osmanische Genozid an den Armeniern ist ein weiteres Thema in Aslı Erdoğans Essays, das ich recherchieren musste. Vielleicht erinnert ihr euch, dass im Juni 2016 im Deutschen Bundestag die Armenien-Resolution verabschiedet wurde, woraufhin sich die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei drastisch verschlechterte. Das liegt daran, dass Deutschland mit dieser Resolution das Leid, das dem armenischen Volk im Ersten Weltkrieg angetan wurde, erstmals als Völkermord im Sinne der UN-Konvention von 1948 anerkannte, während die Türkei ihre Schuld bis heute leugnet. Als ich den Wikipedia-Artikel zu dem Genozid las, war ich entsetzt, dass offenbar alle Länder darüber diskutieren müssen/mussten, ob es sich um einen Völkermord handelte oder nicht, obwohl dieser hervorragend dokumentiert ist. Ich weiß nicht, was es da zu diskutieren gibt. Für Aslı Erdoğan ist die Weigerung ihres Landes, die Verantwortlichkeit für das hunderttausendfache, wenn nicht gar millionenfache (die Zahlen variieren) Morden zu akzeptieren, eine Beleidigung der Opfer, eine Herabsetzung ihres Leids und ihrer Verluste. Sie ruft unmissverständlich dazu auf, das Leugnen zu beenden, sich der Vergangenheit zu stellen und die Wahrheit zu verbreiten. Sie erfasst die Emotionen der Opfer sensibel und beschreibt eingängig, wie schwierig und vielschichtig das aktuelle Verhältnis zwischen dem türkischen und dem armenischen Volk ist.

 

Wenig überraschend behandelt Aslı Erdoğan darüber hinaus eine Thematik, die sie ganz persönlich betrifft: die Rolle der Frau in der türkischen Gesellschaft. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen in der türkischen Politik katastrophal unterrepräsentiert sind und Gewalt gegen Frauen durch zunehmend konservative Strömungen eine traurige Renaissance erlebt. Erdoğan reflektiert die lächerlich paradoxe Einstellung, die die Frau einerseits als „heiliges Gefäß des Lebens“ betrachtet und andererseits ihren Wert als Mensch, als Persönlichkeit aberkennt. Sie prangert die vollkommende Reduktion auf die „biologische Funktion“ an und kritisiert die pure Heuchelei von Solidaritätsbekundungen am internationalen Frauenkampftag. In ihren Metaphern spielen Frauen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Sie wird nicht müde, das Leid zahlloser Mütter zu betonen, die ihre Kinder in sinnlosen Akten der Gewalt verloren und oft nicht einmal wissen, was mit ihnen geschehen ist. Sie sieht Frauen schweigend protestieren, sieht Frauen, die sich mutig die Hände reichen und vereint gegen Grausamkeit und Unrecht kämpfen, Frauen wie die 28-jährige Studentin Kader Ortakaya, die 2014 für ihren Versuch, sich dem kurdischen Widerstand gegen den IS in Syrien anzuschließen, erschossen wurde. Sie schaut den Menschen – nicht nur Frauen – offenen Herzens ins Gesicht und sieht, wie wenig nötig ist, um sie zu verbinden. Ein Blick, ein Wort, eine Hand, die eine Brücke bildet – Frieden ist eine menschliche Fantasie und solange sie in unseren Köpfen existiert, kann sie Realität werden. Es liegt in unserer Macht. Es gibt Hoffnung. Ich könnte in Tränen ausbrechen, während ich diese Worte tippe.

 

Aslı Erdoğan ist eine herausragende Autorin. Sie ist eine Autorin ohne Furcht vor Emotionen, ohne Angst vor dem weißen, leeren Blatt und ohne Skrupel, genau das niederzuschreiben, was sie in ihrem Inneren bewegt. Ich bin ihr zutiefst dankbar, dass sie mich auf eine Reise in das Herz einer türkischen Seele einlud und in mir Verständnis und Erkenntnis erblühen ließ. Die Lektüre von „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ war sowohl intellektuell als auch emotional extrem anstrengend. Ich denke, ich habe das Buch eigentlich nicht gelesen, ich habe es durchgearbeitet. Ich habe mich bemüht, jedes Essay separat und im Kontext der Sammlung zu betrachten und so viel wie möglich aus ihnen mitzunehmen. Das Ergebnis war den Aufwand wert. Wer wirklich etwas über die türkische Realpolitik der Moderne lernen möchte, kann sich Aslı Erdoğan zweifellos anvertrauen, trotz des erheblichen Rechercheumfangs, den dieses Vorhaben bedeutet. Ich habe während der Lektüre ständig Fakten nachschlagen müssen, deren Kenntnis Erdoğan voraussetzt. Es hat mir nicht das Geringste ausgemacht. Politik besteht aus mehr als Zahlen und Daten. Politik hat, so schwer es zu glauben sein mag, immer eine menschliche Ebene, die wir normalerweise ausblenden, wegschieben und nicht an uns heranlassen (zumindest, wenn es um die Politik anderer Länder geht). Aslı Erdoğan zerrt diese menschliche, greifbare Ebene ins grelle Licht, weshalb ihre Essay-Sammlung äußerst schmerzhaft, unangenehm und aufwühlend ist. Ihren Worten kann sich meiner Meinung nach niemand verschließen. Niemand kann die Schultern zucken, wenn sie von Folter, Mord, Unrecht und Krieg schreibt und behaupten, das ginge ihn/sie nichts an.

 

Müsste ich ein Fazit zu „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ formulieren, so wäre es dieses: so geht es nicht weiter. Wir dürfen Präsident Recep Tayyip Erdoğan nicht gewähren lassen. Wir dürfen nicht stillschweigend hinnehmen, wie viel Elend seine Regierung anrichtet. Ich weiß, dass das türkische Volk stolz ist und ich vermute, dass sie ihren politischen Führer für das Gefühl der Stärke, welches er ihnen vermittelt, verehren. Aber nicht auf dem Rücken von tausenden Toten. Der Preis ist zu hoch. Das gilt selbstverständlich auch für die PKK und alle anderen Vereinigungen, die Gewalt als adäquates Mittel betrachten, um ihre Ziele durchzusetzen. Das Morden muss aufhören. Der Teufelskreis muss durchbrochen werden. Frieden kann nicht auf einem blutgetränkten Boden errichtet werden. Ich wünschte, die deutsche Regierung würde aufhören, die Lage zu beschönigen und zu verschleiern. Ich wünschte, wir würden uns nicht von Präsident Erdoğan mit der Androhung einer weiteren unkontrollierten Flüchtlingswelle erpressen lassen. Menschenrechtsverletzungen müssen publik gemacht und scharf verurteilt werden, vollkommen egal, wo auf der Welt sie stattfinden und wer dafür verantwortlich ist. Wir dürfen nicht schweigen, nur weil es uns politisch in den Kram passt. Aslı Erdoğan schweigt schließlich auch nicht. Sie sollte uns allen ein Vorbild sein.

 

Diese Rezension war harte Arbeit. Ich hoffe, ihr versteht, warum ich gern auf eine Sternevergabe verzichtet hätte. Falls euch meine Worte roh und ungeschliffen erscheinen, so ist das Absicht. Ich habe davon abgesehen, meinen Text Korrektur zu lesen. Es war mir wichtig, euch meine Emotionen ungefiltert, unpoliert zu vermitteln. Ich nehme mir ein Beispiel an Aslı Erdoğan.
Ich werde in der näheren Zukunft nicht in die Türkei reisen, obwohl ich überzeugt bin, dass es wunderschönes, faszinierendes Land ist. Nicht nur, weil ich es moralisch-politisch nicht vertreten kann, sondern auch, weil ich befürchte, damit meine Freiheit aufs Spiel zu setzen. Wer weiß schon, ob eine positive Rezension zu Aslı Erdoğans „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ heutzutage nicht bereits ausreicht, um in einem türkischen Gefängnis zu landen.

 

Vielen Dank an den Knaus Verlag und das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/10/04/asli-erdogan-nicht-einmal-das-schweigen-gehoert-uns-noch
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review 2017-08-08 10:33
Eindringlich, psychologisch vielschichtig, unverzichtbar
Beloved - Toni Morrison

Interessiert man sich für weibliche, afroamerikanische Literatur, kommt man an Toni Morrison nicht vorbei. 1993 erhielt sie als erste schwarze Frau den Literaturnobelpreis. Bereits fünf Jahre zuvor wurde ihr Roman „Beloved“, in dem sie sich mit der Geschichte der Sklaverei in den USA auseinandersetzt, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Das Buch basiert lose auf der Biografie von Margaret Garner, die 1856 ihre zweijährige Tochter tötete, um sie vor einem Leben in Sklaverei zu bewahren. Ich habe lange gebraucht, bis ich bereit für „Beloved“ war. Tatsächlich begann ich das Buch schon einmal, bemerkte aber, dass ich mit dem Schreibstil noch nicht zurechtkam und stellte es zurück ins Regal. Drei Jahre wartete es geduldig auf mich.

 

18 Jahre ist es her, dass Sethe eine Sklavin in Sweet Home war. Unaussprechliches wurde ihr angetan, bis sie, hochschwanger und allein, floh. Zu Fuß schlug sie sich nach Ohio durch, wo sie im Haus ihrer Schwiegermutter Baby Suggs unterkam. Heute ist die 124 ihr Heim, in dem sie mit ihrer Tochter Denver lebt. Freiheit ist jedoch mehr als ein physischer Zustand. Noch immer wird Sethe von ihren Erinnerungen heimgesucht. In ihrem Haus spukt der Geist ihres Babys, auf dessen Grabstein ein einziges Wort eingraviert ist: Beloved. Als ein Besucher aus ihrer Vergangenheit eines Tages auf der Schwelle der 124 auf Sethe wartet, scheint es, als erhielte sie erstmals eine Chance auf wahres Glück. Doch diese Hoffnung währt nur einige Herzschläge, denn kurz darauf tritt eine junge Frau in ihr Leben, die Sethes Glauben, ihre Mutterliebe und ihr Verständnis von Freiheit hart auf die Probe stellt. Sie sagt, sie heißt Beloved…

 

Wie könnte ich für dieses preisgekrönte Buch weniger als fünf Sterne vergeben? „Beloved“ ist ein moderner Klassiker, der das vor allem in den USA ungeliebte Thema der Sklaverei psychologisch vielschichtig und glaubwürdig bespricht. Erstaunlicherweise halte ich den Roman trotz dessen nicht für eine Abhandlung über Sklaverei. Meiner Meinung nach ist es eine Geschichte darüber, was Freiheit bedeutet, speziell für farbige Frauen. Laut Vorwort entspricht dieser Eindruck auch Toni Morrisons Intention. Die Handlung spielt vermutlich zwischen 1865 und 1890, nach dem amerikanischen Sezessionskrieg und der offiziellen Abschaffung der Sklaverei. Im Mittelpunkt stehen Vergangenheit und Gegenwart der Protagonistin Sethe, die untrennbar miteinander verwoben sind. Sethe lebte viele Jahre als Sklavin auf der Farm Sweet Home in Kentucky, bis sie die Qualen unter ihren weißen Herren nicht mehr aushielt und den gefährlichen Entschluss traf, zu fliehen. Ich war sehr dankbar, dass Sethes Sklavenzeit zur Gegenwart des Buches bereits knapp 20 Jahre zurückliegt. Dadurch erlebte ich ihr Leid mit einem gewissen Abstand und war nicht gezwungen, die furchtbaren Torturen, die ihr angetan wurden, live zu beobachten. Ich will damit nicht ausdrücken, dass ich die Augen vor der Realität verschließe, doch die menschenunwürdigen Methoden der Sklavenhalter in Sweet Home waren selbst als Rückblenden äußerst schwer zu ertragen. Sethes Rücken ist von Narben entstellt, die Zeugnis vom brutalen, rücksichtslosen Einsatz der Peitsche tragen. Morrison vergleicht das Narbengewebe mit einem Baum, aus dem neues Leben entspringt – als ich diesen Absatz las, liefen mir Tränen über die Wangen, weil es mir sehr zu Herzen ging, dass die Autorin für etwas so schreckliches und falsches wundervolle Worte fand. Ihren Schreibstil empfand ich insgesamt als sanftmütig, gefasst und würdevoll; sie wedelt nicht mit dem moralischen Zeigefinger vor den Augen ihrer Leser_innen, sondern lässt die beschämenden Wahrheiten ihrer Geschichte für sich selbst sprechen. Sie deutet vieles erst nur an und führt es später genauer aus, wodurch sich das Gesamtbild der Erlebnisse der Sklaven in Sweet Home und ihrer Strategien, ihre Erinnerungen zu verarbeiten, langsam zusammensetzt. Während Baby Suggs ihr Herz für alle öffnete und sich zu einer spirituellen Leitfigur entwickelte, konzentrierte sich Sethe voll auf ihre Mutterrolle. Es stimmte mich traurig, dass Sethe sich zwar selbst befreite, aber niemals frei wurde. Ihre Vergangenheit bestimmt noch immer jeden ihrer Schritte. Sie verfolgt keine Pläne oder Träume, weil ihre Fähigkeit zur Fantasie irreparabel verkrüppelt wurde. Sie flüchtet sich in Gewohnheiten, die ihr Sicherheit vermitteln. Ihr einziger Wunsch lautet, dass ihre Kinder es besser haben sollen. Ich hatte das Gefühl, dass Sethe unbewusst die ganze Zeit darauf wartet, dass das Leben, das sie sich mühsam aufbaute, erneut von außen demontiert wird. Sie erwartet neuen Schmerz, neues Leiden und konnte deshalb nie lernen, ihr Leben auszufüllen, obwohl ihr Lebenswille unfassbar stark ist. So stark, dass sie als Löwenmutter in Kauf nahm, ihre eigene Familie zu zerstören, um ihre Kinder vor den Erfahrungen zu retten, die ihr aufgezwungen wurden. Bis heute beteuert sie die Rechtmäßigkeit ihrer verzweifelten Entscheidungen, doch auf mich wirkte es, als lechze sie nach Absolution. Sie ist nicht überzeugt, dass ihr Handeln richtig war und geißelt sich jeden Tag. Ich habe versucht, mich in sie hineinzuversetzen, herauszufinden, was ich an ihrer Stelle getan hätte. Ich habe keine Antwort gefunden. Ich kann das Ausmaß der Verzweiflung, das Sethe empfunden haben muss, unmöglich nachempfinden, so sehr ich mich auch anstrenge. Darum urteile ich nicht über sie. Ich bemühe mich lediglich, sie zu verstehen, wie Toni Morrison es meiner Ansicht nach auch beabsichtigte.

 

„Beloved“ ist eine eindringliche Aufarbeitung der psychologischen Folgen der Sklaverei, die unverzichtbar für den amerikanischen und globalen Kanon ist. Toni Morrison sagte einst, dass sie das Buch geschrieben habe, weil es für die Opfer der Sklaverei in den USA keinerlei Denkmäler gäbe. Ich glaube, man muss diesen Roman genau auf diese Weise lesen: als Hommage, als Gedenken, als Anerkennung des millionenfachen Leids, dass die Sklaverei verursachte. Wir müssen uns mit unserer Verantwortung, unserer Schuld auseinandersetzen, nicht nur in den Staaten, sondern weltweit, weil die schiere Dimension der Grausamkeit, mit der Menschen damals wie Vieh behandelt wurden, uns alle angeht. Wir wollen mal nicht vergessen, dass sich auch europäische Länder eine goldene Nase mit dem Sklavenhandel verdienten. Außerdem halte ich eine Aufarbeitung dieses vergangenen Unrechts, wie „Beloved“ sie bietet, für unumgänglich, um gegen dessen Entsprechungen in der Gegenwart kämpfen zu können. Sklaverei wird heute Menschenhandel genannt, aber das Prinzip hat sich nicht verändert. Noch immer gibt es Menschen, die ähnliche Verzweiflung und ähnliches Leid wie Sethe erfahren. Jeden Tag. Überall.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/08/08/toni-morrison-beloved
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text 2017-02-22 10:00
Book Cover Reveal for LEI'D WITH CUPCAKES by Bethany Lopez
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Today we are celebrating the cover reveal of LEI'D WITH CUPCAKES by Bethany Lopez. This book is a romantic comedy/suspense title that will be released March 27th. Check out the cover, blurb, and excerpt below. This book is currently up for pre-order now so go grab your copy! Enter below for a chance to win a paperback bundle of Always Room for Cupcakes and Cupcake Overload!

    leiebook

Lei’d with Cupcakes by Bethany Lopez (The Cupcakes Series, book 3 )

Genre: Romantic Comedy/Suspense 

 Date of release: Mar 27, 2017 

 Cover by Makeready Designs

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Synopsis:

Everybody dreams of a Hawaiian Vacation… They sell you on the drinks with little umbrella’s, dolphin watching, and long walks on the beach. Which probably happens, if you’re that lucky schmuck living out your dream with your destination wedding, but if you’re a fish out of water PI like me, there’s no time for relaxing because trouble is never far behind. Instead of cocktails, I ended up dealing with the seedy underbelly of The Big Island. And, I didn’t see one damn dolphin while undercover on a boat which was spilling over with drug dealers, Kingpins, and Pedophiles. Elin and Elena think Cade's family are the coolest people outside of Snapchat, but it’s hard to meet the parents when your boyfriend is in his late thirties and has never had a serious relationship. I’d never missed my girls so much in my life, but Amy May, Bea, and Carmen are all dealing with issues of their own, and can’t come to my rescue. The only thing that may help me with this “vacation” is if I could get Lei’d with Cupcakes. WARNING: THIS BOOK CONTAINS FOUL LANGUAGE, SEX, SOME VIOLENCE, AND SHENANIGANS. IF NONE OF THAT BOTHERS YOU, GRAB A CUPCAKE AND READ ON!   lei Lei'd teaser

Special Pre-order/Release Week Price is $2.99

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  EXCERPT: When it was our turn to disembark, Cade pulled out suitcases down from the overhead compartment, and we started off the plane. First Cade, with his well-worn leather backpack slung over one shoulder and a ratty Army green duffel in his hand. Then Elin and Elena, with their Harry Potter and Star Wars rolling bags, and finally, me, trailing behind with my new hard case roller, wondering why I’d been in such a hurry to land when all I wanted to do in that moment was run back to the plane. With every step closer to the arrival area, my stomach grew tight and my buzz started to fade. By the time we stepped out of the corridor into the open space, filled with happy sounds and tons of people, I was ready to upchuck the six tiny bottles of vodka that had seemed like such a good idea in flight. I looked up in time to see a tall woman hugging Cade tightly, while a handsome, older version of Cade was placing lei’s around the twins’ necks. I plastered a smile on my face and as I joined the group, all eyes turned to me. Cade’s mother’s face lit up, as she looked to him and said, “Nice job, Hiapo, she’s got great hips.”  
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Sign up for my Newsletter for more information about my writing: http://eepurl.com/Rcmrn Award-Winning Author Bethany Lopez began self-publishing in June 2011. She's a lover of all things romance: books, movies, music, and life, and she incorporates that into the books she writes. When she isn't reading or writing, she loves spending time with her husband and children, traveling whenever possible. Some of her favorite things are: Kristen Ashley Books, coffee in the morning, and In N Out burgers.
 
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