logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: laufen
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2019-03-06 09:09
Lauf, Atticus, lauf!
Hunted - Kevin Hearne

„Hunted“ ist in der Benennung der Reihe „The Iron Druid Chronicles“ von Kevin Hearne ein kleiner Hickser. Die Titel der ersten drei Bände enthalten alle den Anfangsbuchstaben „H“ („Hounded“, „Hexed“ und „Hammered“), Band vier und fünf das „T“ („Tricked“ und „Trapped“) und die letzten drei Bände das „S“ („Shattered“, Staked und „Scourged“). Der Symmetrie zuliebe hätte der sechste Band eigentlich ebenfalls einen Titel mit einem „T“ tragen müssen. Tatsächlich sollte er ursprünglich „Tracked“ heißen. Letztendlich entschieden Hearne und sein Verlag jedoch, dass „Hunted“ die inhaltlichen Entwicklungen besser widerspiegelte, da „to track“ eben nicht nur „jemanden verfolgen“ bedeutet, sondern auch „jemanden beobachten/überwachen“. Ein nachvollziehbarer Einwand, denn was in „Hunted“ passiert, ist definitiv keine Überwachung. Es ist eine Jagd.

 

Atticus, Granuaile und Oberon sind auf der Flucht. Atticus‘ Entscheidung, den Gott Bacchus aus dem Verkehr zu ziehen, kam im griechisch-römischen Pantheon nicht gut an. Jetzt sind ihnen gleich zwei Jagdgöttinnen auf den Fersen: Artemis und Diana. Atticus würde gerne einfach in Tír na nÓg Däumchen drehen, bis sie sich beruhigt haben, aber das ist nicht möglich. Die Portale zur irischen Ebene wurden blockiert. Stinkt nach einer Verschwörung. Ohne die Hilfe der Morrigan, die ihnen einen Vorsprung verschaffte, wären sie niemals entkommen. Sie riet ihm, sich quer über Europa bis zum englischen Windsor Forest durchzuschlagen, das Hoheitsgebiet von Herne dem Jäger. Es ist ihr letztes Geschenk an ihn. Atticus, Granuaile und Oberon nehmen die Beine in die Hand. Doch die wilde Jagd ist nicht ihr einziges Problem. Ragnarök rückt näher. Atticus muss all seine grauen Zellen anstrengen, will er die Griechen und Römer austricksen, bevor Loki das Universum in Brand steckt. Irgendwelche Vorschläge?

 

Verrückt. Obwohl ich nach der Lektüre des letzten Bandes „Trapped“ bemängelte, dass mich Atticus‘ ständiger Krisentango nervt und ich mir lautstark Abwechslung wünschte, gefiel mir „Hunted“ erstaunlich gut. Trotz des Jagdmotivs. Oder gerade deswegen. Die aufregende Flucht vor den griechisch-römischen Göttinnen der Jagd ist die eine große Baustelle des sechsten Bandes der „Iron Druid Chronicles“. Natürlich ist die drohende Apokalypse in Form von Ragnarök weiterhin präsent – Loki und Hel lassen sich schwer ignorieren – und Atticus vermutet, dass ihm irgendjemand in Tír na nÓg bösgewillt ist, weil niemand unbemerkt die Portale dorthin schließen kann, aber hauptsächlich läuft er um sein Leben. Dadurch wirkte „Hunted“ wesentlich fokussierter als „Trapped“, denn Atticus hat schlicht keine Zeit, die vielen kleineren Brände zu löschen, die er sich im Verlauf der Reihe einbrockte. Artemis und Diana sind furchteinflößende Gegnerinnen, die seine gesamte Aufmerksamkeit und all seine geistige Beweglichkeit einfordern. Im Grunde sind sie unsterblich. Sie sind zwar verwundbar und können vorübergehend besiegt werden, doch kaum ist man sie los, erstehen sie der Mythologie entsprechend schon wieder auf. Ich fühlte mich während der Lektüre oft hoffnungslos und zweifelte mehrfach daran, dass Atticus, Granuaile und Oberon sie überlisten können. Mir unterlief der Fehler, Atticus‘ Intelligenz zu unterschätzen. Durch seine witzigen Sprüche und seine lässige Persönlichkeit vergaß ich, wie clever er ist. Er ist ein Fuchs. Ich wäre niemals darauf gekommen, dass hinter seinem Zwist mit dem griechisch-römischen Pantheon eine größere Verschwörung stecken könnte und war verblüfft, was er sich alles einfallen lässt, um Artemis und Diana kaltzustellen. Er konnte einige der Sympathiepunkte, die er im letzten Band einbüßte, wieder wettmachen. Ein entscheidender Faktor dafür war eine gesteigerte emotionale Verbindlichkeit, die ich als echten Fortschritt empfand. In den letzten Bänden fehlte mir Atticus‘ Bewusstsein für den Schaden, den er (unabsichtlich) anrichtete. In „Hunted“ hatte ich das Gefühl, dass er sich den Konsequenzen seines Handelns erstmals stellt. Das betraf nicht nur Ragnarök, sondern auch seine Beziehung zur Morrigan. Ihr Opfer erschüttert ihn. Natürlich erhält er auf seiner Flucht durch Europa kaum Gelegenheit, sich mit seinen Gefühlen für sie auseinander zu setzen, aber Kevin Hearne vermittelt einen klaren Eindruck dessen, was er empfindet. Das gefiel mir, ebenso wie die überraschenden Kapitel aus Granuailes Ich-Perspektive, die mein positives Bild von ihr bestätigten. Hearne gelang der Stimmenunterschied zwischen ihr und Atticus, er sollte ihn allerdings noch verfeinern. Die ehrlichen Einblicke in das Innenleben der beiden entschädigten mich beinahe für die mittelmäßige Umsetzung der Europareise. Schon klar, die drei müssen rennen, Sightseeing ist nicht drin. Dennoch fand ich die geringe Interaktion mit dem Setting, diese wenig aussagekräftige Abfolge distinktiver Landschaften, schwach. Eine spannende Verfolgungsjagd vor einer leider zu blassen Kulisse.

 

Es wird ernst in den „Iron Druid Chronicles“. Ich sehe in „Hunted“ den etwas verspäteten Beginn der neuen Handlungslinie, die mir für „Trapped“ versprochen wurde. Die Situation gewann für Atticus, Granuaile und Oberon an Dringlichkeit, die Phase des Versteckens und Herumalberns ist vorbei. Ich spürte jetzt den Zeitsprung von 12 Jahren, der sich bereits im Vorgänger hätte bemerkbar machen müssen. Die Flucht vor den Jagdgöttinnen weckt Atticus unsanft auf. Er kriegt endlich seinen Hintern hoch, bereitet sich auf Ragnarök vor und schließt zum Wohle des Universums ungewöhnliche Allianzen. Zeit wurde es. Ich verzeihe Kevin Hearne die Verzögerung, einerseits aus Sympathie, andererseits aus dem festen Glauben heraus, dass er Atticus nun auf den rechten Weg führt und ihn mal was richtig machen lässt. Zu lange betrieb er lediglich Schadensbegrenzung. Er muss ein echter Held werden. Leicht wird das nicht. Aber wann war die Rettung des Universums jemals leicht?

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/03/06/kevin-hearne-hunted
Like Reblog Comment
review 2014-11-06 10:38
Das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen
The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry - Rachel Joyce

Wusstet ihr, dass „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“ ursprünglich ein Radio Hörspiel war? Rachel Joyce hat es für BBC Radio 4 geschrieben, in Gedenken an ihren Vater, der an Krebs litt und leider nicht lange genug lebte, um es zu hören. Später dann schrieb sie es zu einem vollwertigen Roman um. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn hätte sie das nicht getan, wäre ich wohl nie in den Genuss dieser wundervollen Geschichte gekommen.

 

Harold Fry ist seit sechs Monaten pensioniert, aber maßgeblich verändert hat sich sein Leben dadurch nicht. Jeder Tag gleicht dem anderen und meist ist er seiner Ehefrau Maureen im Weg. Doch eines Morgens reißt ihn das Eintreffen eines Briefes aus seinem Trott. Es ist eine Nachricht einer alten Freundin. 20 Jahre lang hat Harold Queenie Hennessy weder gesprochen noch gesehen. Nun liegt sie im Sterben. Wie soll er nur darauf antworten, nach allem, was Queenie für ihn getan hat und nach all den Jahren? Als er seine ersten Schritte in Richtung Briefkasten macht, um sein Antwortschreiben einzuwerfen, ist das der Beginn einer fantastischen Reise. Denn während Harold läuft, kommt ihm die Idee, dass er genau das für Queenie tun kann: laufen. Über 600 Meilen, von Kingsbridge im Süden Englands bis nach Berwick-upon-Tweed ganz im Norden, wo Queenie in einem Hospiz ihre letzten Tage verbringt. Harold ist fest überzeugt, solange er läuft, wird Queenie leben. Sie wird auf ihn warten. Erst während seiner Reise merkt Harold, dass diese ihm weit mehr abverlangt, als nur einen Fuß vor den anderen zu setzen: sie konfrontiert ihn mit Erinnerungen. Und nicht nur mit Erinnerungen an Queenie.

 

Fragte man mich, wovon „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“ handelt, wüsste ich keine andere Antwort als „Vom Leben“. Verpasste Chancen, genutzte Gelegenheiten, enttäuschte Erwartungen, Liebe und Freundschaft, Schmerz, Verlust, Leidenschaft, Unausgesprochenes – um all das geht es in diesem Roman. Ich wage zu behaupten, dass sich einfach jeder in Harolds Geschichte wiederfinden kann, weil sie in ihrer Gewöhnlichkeit absolut außergewöhnlich ist. Es sind die kleinen Dinge, die ein Leben besonders machen; das Wesentliche liegt nicht an der Oberfläche, sondern steht zwischen den Zeilen. Rachel Joyce hat genau diese Eigenheit des Daseins mit erstaunlicher Klarheit herausgearbeitet und in den Mittelpunkt ihrer Erzählung gestellt. Ihre Art zu schreiben ist dabei unmissverständlich und direkt, sodass ich keine Probleme hatte, eine Verbindung zu Harold und auch seiner Frau Maureen aufzubauen, obwohl uns etwa 40 Lebensjahre trennen. Harolds Reise entfacht das Leben und die Liebe in ihnen beiden aufs Neue; Gefühle, die jahrzehntelang geschlafen haben, werden wiedererweckt. Während er läuft, verschwimmen für Harold die Grenzen von Realität und Erinnerung. Während er läuft, überwindet Maureen uralten Groll und Schmerz. Je mehr geografische Distanz zwischen ihnen liegt, desto näher kommen sie sich emotional. Joyce ließ mich hautnah an dieser Entwicklung teilhaben; es war so wunderschön, sie zu beobachten. So etwas warmherziges, sanftes, zärtliches und intimes habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Es hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, auf jeder einzelnen Seite. Ein bisschen erinnerte es mich an „Schiffbruch mit Tiger“. Vermutlich hätten Harold und Maureen es jedoch nie geschafft, die Gräben zwischen sich zu überwinden, wäre Queenie nicht gewesen. Queenie Hennessy hat schon einmal sehr viel für Harold getan und jetzt tut sie es erneut. Noch mit ihrem letzten Atemzug macht sie ihm ein unschätzbares Geschenk. Sie bringt die Liebe zwischen Harold und Maureen erneut zum Glühen und lässt sie verstehen, dass manche Momente des Lebens einfach zu groß und zu schmerzhaft sind, um sie allein zu verarbeiten. Ist das nicht schlicht bezaubernd?

 

Ich bin noch nicht 60, aber auch ich habe Teile meines Ichs in „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“ entdeckt. Eine Botschaft nehme ich ganz sicher daraus mit und hoffe, ich habe sie nicht vergessen, wenn ich so alt bin wie Harold. Es ist niemals zu spät, um etwas zu tun, zu sagen oder zu verändern. Es ist oft nicht das Alter, das uns aufhält, es sind unsere negativen Erfahrungen. Niemals möchte ich den Mut verlieren, einfach zu springen und etwas Verrücktes zu tun, mein Leben noch einmal völlig umkrempeln, wenn es sein muss – ganz wie Harold.
Ich empfehle dieses Buch an LeserInnen, die in der Lage sind, das Besondere im Gewöhnlichen zu erkennen. In jedem Leben steckt ein wenig Magie. Manchmal muss man nur genauer hinsehen, um sie zu finden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2014/11/06/rachel-joyce-the-unlikekly-pilgrimage-of-harold-fry
More posts
Your Dashboard view:
Need help?