Sehr verehrtes Publikum, herzlich Willkommen zum Miss Teen Dream Schönheitswettbewerb! 50 Teilnehmerinnen kämpfen allein zu Ihrer Unterhaltung um Ruhm, Ehre und die Krone!
Die Firma freut sich, Ihnen dieses Jahr eine ganz besondere Ausgabe von Miss Teen Dream präsentieren zu dürfen: die Survival Edition, der erste Schönheitswettbewerb auf einer einsamen Insel! Wer überlebt den Flugzeugabsturz und wird trotz Hunger, Durst und Angst die Choreografie einstudieren? Wer bewahrt sich auch im Angesicht größter Gefahr das Lächeln einer wahren Königin? Wird es Miss Texas? Miss Rhode Island? Oder doch Miss Illinois? Die Firma hat keine Kosten und Mühen gescheut, um für Sie die spannendste Competition aller Zeiten zu veranstalten! Schalten Sie ein!
Unterstützt durch Produktplatzierungen.
Hättet ihr hinter diesem Cover oder anhand dieser Inhaltsangabe vermutet, dass es sich bei „Beauty Queens“ um ein gesellschaftskritisches Buch handelt? Nein? Gut, ich nämlich auch nicht. Dieser Roman kommt unschuldig daher, verspricht eine lustige, banale Geschichte und Teenager-Drama in Hülle und Fülle. Zumindest hatte ich das angenommen. In Wahrheit ist „Beauty Queens“ bitterböse. Es ist zynisch, bissig und nutzt scharfe Ironie, um Kritik an Gesellschaftsmechanismen wie überbordendem Kapitalismus, Sexismus, Rassismus und Diskriminierung zu üben. Libba Bray lässt Klischees für sich arbeiten, indem sie sie so überspitzt darstellt, dass ihre Leser_innen erkennen müssen, wie überholt diese sind. Sie macht sich darüber lustig, verdreht Stereotypen und arbeitet deren Absurdität glasklar heraus. Bray schert sich nicht um Konventionen und wagte es, die bekannte Struktur des Romans aufzubrechen, um Werbeunterbrechungen und Einschübe der Firma zu integrieren. Dadurch ähnelt „Beauty Queens“ tatsächlich einer TV-Show. Das macht dieses Buch in jeder Hinsicht außergewöhnlich und ich bin sehr froh, dass ich es entdeckt habe, obwohl die Handlung so abenteuerlich ist, dass sie hin und wieder etwas unrealistisch und comic-artig wirkt. Ich glaube allerdings, dass das Absicht war, weil sie nicht im Vordergrund steht. Sie dient als leichter, lockerer und witziger Rahmen für die Entwicklung der Figuren, ohne den die Geschichte vermutlich zu schwer gewirkt hätte. Es geht nicht primär darum, wer nun wann eine Hütte baut oder was die Mädels auf der Insel erleben, es geht darum, wie sie sich selbst erleben und neu entdecken. Anfangs ist die Verlockung groß, sie als dumme, austauschbare, oberflächliche Gänse abzustempeln, doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto deutlicher wird, dass sie einzigartige, individuelle Persönlichkeiten mit ganz verschiedenen Stärken, Schwächen und Biografien sind. Ich habe sie alle ins Herz geschlossen. Sie sind liebenswürdige junge Frauen, die den ganzen Quatsch rund um den Schönheitswettbewerb nicht nötig haben und eigentlich auch gar nicht wollen. Stück für Stück zeigt sich, dass ihre Gründe, an Miss Teen Dream teilzunehmen, nachvollziehbar und so unterschiedlich waren wie sie selbst, doch auf der Insel verlieren diese Gründe plötzlich ihre Bedeutung. Hier ist Verstellen obsolet. Sie lernen, zu wie viel sie fähig sind und dass sie mehr können, als nur hübsch auszusehen. Die Gesellschaft zwingt sie, ihr wahres Ich zu verbergen und zu unterdrücken, doch in der Einsamkeit der Insel bestimmen sie selbst die Regeln ihres Lebens. Sie erkennen, dass nichts daran auszusetzen ist, schön sein zu wollen, solange sie ihre eigene Definition von Schönheit formulieren und sich so akzeptieren, wie sie sind, statt das unrealistische Bild von Firmen zu übernehmen, die ihr Geld mit „Schönheit aus der Flasche“ verdienen und aus Profitgier Natürlichkeit mit Hässlichkeit gleichsetzen. Ohne die viel zitierte Stutenbissigkeit befreien sie sich gemeinsam und gegenseitig vom dem Irrglauben, dass sie nur dann liebenswert sind, wenn sie einem bestimmten Ideal entsprechen, das darüber hinaus meist völlig paradox ist. Man betrachte nur einmal die sexuelle Doppelmoral, der junge Frauen tagtäglich ausgesetzt sind: sie sollen sexuelles Verlangen auf zwei Beinen verkörpern, aber wehe, sie sind tatsächlich sexuell aktiv und aufgeschlossen, dann sind sie Flittchen, Schlampen und verdienen es, wie Dreck behandelt zu werden. Libba Bray illustriert, was dieser enorme gesellschaftliche Druck in jungen Geistern anrichten kann und wie skrupellos Firmen im Namen des Konsums vorgehen, um ihn aufrecht zu erhalten, weil sie faktisch nicht den Dienst am Kunden priorisieren, sondern nur daran interessiert sind, ihre Macht und ihren Einfluss auszubauen. Sie klagt mutig an, kritisiert Oberflächlichkeit und Objektifizierung von Männern und Frauen und bekennt sich klar zum Feminismus.
Ihr solltet „Beauty Queens“ lesen. Nicht nur, weil es ein wichtiges Buch ist, sondern auch, weil sich die Lektüre wirklich lohnt. Natürlich erhebt Libba Bray darin den moralischen Zeigefinger, doch sie tut es mit so viel schrägem Humor, dass ich mich weder bevormundet noch erschlagen fühlte. Ich bin mir sicher, dass es am Ende des Jahres zu meinen Highlights zählen wird.
Es braucht mehr Bücher wie dieses. Wir brauchen Bücher, die uns zeigen, dass es okay ist, wir selbst zu sein, ohne diese Botschaft durch fantastische oder dystopische Umstände ins Abstrakte zu rücken. Muss es denn immer die Rettung der Welt sein? Reicht es nicht, sich durch mentale Stärke selbst zu retten? Eine Heldin kann auch ein Mädchen sein, das aus dem Nichts heraus eine Hütte baut und ihre Selbstständigkeit stolz auslebt, ohne sich um Normen oder Erwartungen zu kümmern. Wir müssen endlich lernen, uns gegenüber allen taub zu stellen, die uns vorschreiben wollen, wie man als Mann oder Frau zu sein hat, was Schönheit bedeutet und wie wir uns selbst wahrzunehmen haben. Wir haben die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung – nutzen wir sie!