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review 2017-10-07 13:55
Das Leben der Bettler und der Ausgestoßenen
Fürstin der Bettler - Peter Dempf

Augsburg, 1300. Mitten in der Nacht wird die Apothekersfrau Hannah von einer Feuersbrunst geweckt. Das Haus steht in Flammen. Ihr Mann und ihre Tochter sind unauffindbar. Es ist unbegreiflich, welche dramatische Wendung ihr Leben in diesen wenigen Augenblicken nimmt.

Peter Dempf hat mit diesem historischen Roman gleich mehrere Themenbereiche bedient. Einerseits geht es um das Leben der Bettler und Ausgestoßenen. Er veranschaulicht, wie schwer sie es hatten, welche Regeln für sie um 1300 galten und wie sie sich durch ihr karges Leben geschlagen haben. Andrerseits thematisiert er genauso die Stellung der Frau in dieser schwierigen Zeit. Er zeigt, wie sehr man sich hüten musste, nicht zu viel zu wissen oder zu können. Allzu leicht konnte man in den Verdacht der Hexerei gerät. Außerdem begreift man schnell, dass eine Frau oftmals lediglich Objekt sexueller Begierde ist.

Es ist das Jahr 1300 und Hannah Meisterin, ehemals stolze Frau des Apothekers, steht vor den Trümmern ihrer Existenz. Ihr Haus ist abgebrannt, der Mann ist tot, die Tochter nicht auffindbar und sie selbst durch die tosenden Flammen entstellt, sodass sie niemand erkennt. Von einem Moment auf den anderen wird sie von der angesehenen, wohlhabenden Bürgerin zur Bettlerin degradiert. Jetzt ist sie eine Frau, die nach dem herben Schicksalsschlag im Straßendreck um ihr Überleben kämpft.

Peter Dempf hat auf anschauliche Weise von historischen Fakten erzählt. Man bekommt ein Gefühl für das Treiben auf der Straße und erkennt, wie schwer es war, von milden Gaben zu leben. Ich finde es immer bemerkenswert, wie viel man aus solchen Romanen lernt. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass Bettler eine Marke brauchten, um überhaupt in Städte gelassen zu werden. Gleichermaßen verwunderlich ist es auch, welche Sitten und Gebräuchen seither unseren Sprachschatz geprägt haben. Denn Dempf erklärt nebenher, wie es ist, wenn man zur Sau gemacht wird oder warum manch leichtes Mädchen in meiner Region nach wie vor als „Luder“ bezeichnet wird.

Die Handlung an sich ist spannend erzählt und weist stark kriminalistische Züge auf. Hannah Meisterin will verstehen, warum ausgerechnet ihr Zuhause in Trümmern liegt, wo ihr Kind geblieben und wieso ihr Mann gestorben ist. Dazu macht sie sich mit der Schwarzen Liss durch Augsburgs Straßen auf, wodurch man zusätzlich eine Eindruck vom damaligen Alltag erhält.

Die Figur der Hannah Meisterin ist plastisch beschrieben. Man fühlt ihre Hilflosigkeit, ihr Unvermögen, die Ereignisse zu verarbeiten, ihre Wut und die Brutalität, die daraus entbrennt.

Etliche Szenen sind eindringlich erzählt, wobei einem der damalige Gestank in die Nase steigt und man Zeuge barbarischer Gesprächsmethoden wird. Man sollte doch einen starken Magen haben, weil selbst die Protagonistin zu roher Gewalt fähig ist.

Dabei wird die Handlung aus mehreren Perspektiven erzählt. Großteils wird sie von Hannah getragen, dennoch durch weitere Blickwinkel ergänzt, was ihr deutliche Spannung verleiht.

Für mich ist „Fürstin der Bettler“ ein ausgezeichneter historischer Roman, der in die Straßen Augsburgs um 1300 entführt und durch kriminalistische Spannung glänzt.

Source: zeit-fuer-neue-genres.blogspot.co.at
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review 2017-07-25 11:07
Ein ganzes Universum des Verbrechens
Neid: Thriller (Opcop-Gruppe, Band 3) - Arne Dahl

Der schwedische Autor Arne Dahl heißt eigentlich Jan Lennert Arnald. Ich vermute, dass er ein weiches Pseudonym nutzt, weil er seine schriftstellerische Tätigkeit von seiner Arbeit als Literaturwissenschaftler für die Schwedische Akademie, die jährlich den Nobelpreis für Literatur vergibt, trennen will. Aktuell gehört Arnald nicht zum Nobelkomitee und ich konnte leider nicht herausfinden, ob er in der Vergangenheit mit der Auswahl der Preisträger betraut war, aber die Vorstellung ist schon ziemlich cool.
Sein Pseudonym Arne Dahl, das meiner Ansicht nach übrigens wesentlich einprägsamer ist als Jan Lennert Arnald, kenne ich als Autor der politischen Thriller-Reihe „Opcop“, auf die mich mein Vater 2015 aufmerksam machte. Vom dritten Band „Neid“ erwartete ich erneut eine spannende, extrem intelligente Handlung voller politischer Implikationen.

 

Einem dänischen Wissenschaftler wird in Stockholm auf offener Straße die Kehle durchgeschnitten. Der Mord gleicht einer Hinrichtung, brutal, provokant und inszeniert. Der wichtigste Zeuge floh unbemerkt vom Tatort: ein rumänischer Bettler, der das Smartphone des Toten an sich nahm und jetzt im Besitz hochsensibler Daten ist, die ihn ebenfalls das Leben kosten könnten. Leider will der europäischen Operativeinheit Opcop niemand verraten, an welchem geheimen, brisanten Projekt der Wissenschaftler zuletzt arbeitete. Der verschwundene Rumäne ist ihre beste Spur, da Opcop bereits mit Hochdruck gegen die Bettlermafia und den europäischen Menschenhandel ermittelt.
Währenddessen wird die französische EU-Parlamentarierin Marianne Baillard mit kompromittierenden Fotos erpresst und bedroht. Sie plant, einen Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, der ganz Europa verändern würde. Wer würde über Leichen gehen, um sie aufzuhalten?
Irgendwie sind beide Fälle miteinander verbunden. Nun liegt es bei der Opcop-Gruppe, herauszufinden, welche Parallelen bestehen, bevor weitere Menschen sterben.

 

Ich lese politische Thriller sehr gerne, insgesamt aber eher selten, weil die behandelten Themen meist viel Aufmerksamkeit erfordern und recht bedrückend sind. Wenn ich dann schon in der Stimmung bin und zu einem Buch dieser Sparte greife, sollte es mindestens so gut sein wie „Neid“ von Arne Dahl. Sein politisch-wirtschaftliches Verständnis ist unerreicht. Seine Kenntnis krimineller Machenschaften auf internationaler Ebene ist beeindruckend und beunruhigend. Er versäumt nie, mir das wahre Wesen der Welt vor Augen zu führen und mich die Prozesse hinter den Kulissen der realen, globalen Politik zu lehren. Ich bewundere ihn zutiefst, weil seine Romane stets in der Wirklichkeit verankert sind. Namen wie Viktor Orbán, Geert Wilders und Nicolas Sarkozy sind aus den Nachrichten bekannt. „Neid“ bietet meinem Empfinden nach weniger handfeste Action als die Vorgänger „Gier“ und „Zorn“, ist jedoch nicht minder spannend. Der beschriebene Fall ist äußerst verschachtelt; ich musste mir die verschiedenen Komponenten mental wiederholt vorbeten, um zu verstehen, wie alles zusammenhängt. Die komplexe Kombination unterschiedlicher Themen öffnet ein ganzes Universum des Verbrechens, das bei der Diskriminierung und Vertreibung der Roma beginnt, Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel als Lappalie betrachtet und es sich schlussendlich im komplizierten Feld der Umweltpolitik bequem macht. Die geballte kriminelle Energie, die dieser Thriller darstellt, die Bereitschaft, Menschen schlimmstenfalls wie Vieh, bestenfalls wie Schachfiguren zu behandeln, überzeugte mich erneut davon, dass ich in der Politik niemals bestehen könnte. Zu wissen, wie schlecht unsere Welt ist und nur sehr wenig dagegen unternehmen zu können, würde mich enttäuschen, desillusionieren, zerstören. Meine Güte, es gibt da draußen Menschen, die dafür bezahlt werden, rechts-konservative Parteien dahingehend zu beraten, wie sie rechtsradikale Wähler_innen erreichen und für sich gewinnen können. Natürlich sollte mich das nicht überraschen, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg. Es ist schockierend widerwärtig. Ich könnte so nicht leben. Ich könnte nicht leben wie Marianne Baillard, die bis zur totalen Erschöpfung gegen die Schattenspieler, die die EU klammheimlich übernommen haben, kämpft und doch nur minimale Unterstützung erhält. Sie tut das Richtige und wie wird es ihr gedankt? Mit Erpressung und Drohungen. In „Neid“ ist die Französin die bescheidene Heldin neben der Opcop-Gruppe, deren Mitglieder ohnehin einmalig und ehrfurchtgebietend klug sind. Durch sie vermittelt Arne Dahl ein scharfsinniges Bild der EU. Aus ihren Worten, die mich tief berührten, hörte ich die Stimme des Autors heraus, der mit schmerzhafter Klarheit erfasst, was die EU heutzutage ist und wie sie eigentlich sein sollte. Wie konnte aus einem Friedensprojekt für ein besseres, grenzübergreifendes Miteinander ein Sklavenschiff der Wirtschaft werden?

 

Falls ihr euch in die Gefilde politischer Thriller wagen möchtet, kann ich euch nur wärmstens empfehlen, es mit Arne Dahls „Opcop“-Reihe zu versuchen. Greift nicht zu Fitzek. Dahl ist meiner Meinung nach einfach besser. Er erforscht die Schattenseiten der Gesellschaft, ohne zu verwirren, sich in seinen eigenen Handlungsfäden zu verheddern oder allzu viel Wissen vorauszusetzen, leistet fundierte, solide Recherchearbeit, integriert zahlreiche, individuelle, sympathische Figuren, an denen sich die Leser_innen orientieren können und konzipiert darüber hinaus nervenaufreibende Spannungsbögen, die an die Seiten fesseln. Er liefert das berühmte Gesamtpaket. Mich stimulierte „Neid“ wieder einmal intensiv; ich habe über viele Punkte gegrübelt und kam letztendlich zu einem Ergebnis: solange es Menschen wie Arne Dahl gibt, die die Schlechtigkeit unserer Welt erkennen und mutig darüber schreiben, ist der Traum eines vereinten, gerechten, friedlichen Europa noch nicht ausgeträumt.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/07/25/arne-dahl-neid
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review 2013-11-20 11:26
Toller historischer Roman
Fürstin der Bettler - Peter Dempf

Ich liebe historische Romane und der Klappentext versprach schon eine Menge.Diese Erwartungen wurden übertroffen .Ich mußte mich Nachts um 3 Uhr zwingen das Buch wegzulegen.

Kurz zum Inhalt.

Die Apothekerin Hannah verliert in einer Nacht alles was sie liebt und was sie kennt.Durch viele Umwege,landet sie auf der Straße ,wo sie eine Verbündete unter den Bettlern findet.Anfangs fällt es Hannah schwer,in die Rolle einer Bettlerin zu schlüpfen,aber sie entwickelt sich.

Natürlich gibt die Crimehandlung ihr Vorgehen vor,aber es wird mit Witz und auch mit Abgründen der Menschen erzählt.Ein Buch was mich mitleiden lassen hat.

Grausam,das die Crime Handlung damals,wie heute stattfinden kann.

Ich möchte nicht mehr über die Handlung sagen,da ich weiß,das eine Freudin von mir,dieses Buch noch auf dem Kindle hat.Und andere vielleicht auch.

Ich gebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Ich gebe nur nicht 5 Sterne,weil meine Lieblingsbücher bisher unübertroffen sind.

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review 2013-06-14 08:32
Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker - Franz Irsigler,Arnold Lassotta

Sehr, sehr umfangreich und informativ. Und nicht immer leicht zu lesen, weil die alten Erlasse und Dokumente nicht in modernes Deutsch „übersetzt“, sondern direkt übernommen wurden.

Aber es ist die Mühe wert – es entsteht ein lebendiges und facettenreiches Bild von der Gesellschaft im Mittelalter und dem Leben in einer mittelalterlichen Stadt.

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