Augsburg, 1300. Mitten in der Nacht wird die Apothekersfrau Hannah von einer Feuersbrunst geweckt. Das Haus steht in Flammen. Ihr Mann und ihre Tochter sind unauffindbar. Es ist unbegreiflich, welche dramatische Wendung ihr Leben in diesen wenigen Augenblicken nimmt.
Peter Dempf hat mit diesem historischen Roman gleich mehrere Themenbereiche bedient. Einerseits geht es um das Leben der Bettler und Ausgestoßenen. Er veranschaulicht, wie schwer sie es hatten, welche Regeln für sie um 1300 galten und wie sie sich durch ihr karges Leben geschlagen haben. Andrerseits thematisiert er genauso die Stellung der Frau in dieser schwierigen Zeit. Er zeigt, wie sehr man sich hüten musste, nicht zu viel zu wissen oder zu können. Allzu leicht konnte man in den Verdacht der Hexerei gerät. Außerdem begreift man schnell, dass eine Frau oftmals lediglich Objekt sexueller Begierde ist.
Es ist das Jahr 1300 und Hannah Meisterin, ehemals stolze Frau des Apothekers, steht vor den Trümmern ihrer Existenz. Ihr Haus ist abgebrannt, der Mann ist tot, die Tochter nicht auffindbar und sie selbst durch die tosenden Flammen entstellt, sodass sie niemand erkennt. Von einem Moment auf den anderen wird sie von der angesehenen, wohlhabenden Bürgerin zur Bettlerin degradiert. Jetzt ist sie eine Frau, die nach dem herben Schicksalsschlag im Straßendreck um ihr Überleben kämpft.
Peter Dempf hat auf anschauliche Weise von historischen Fakten erzählt. Man bekommt ein Gefühl für das Treiben auf der Straße und erkennt, wie schwer es war, von milden Gaben zu leben. Ich finde es immer bemerkenswert, wie viel man aus solchen Romanen lernt. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass Bettler eine Marke brauchten, um überhaupt in Städte gelassen zu werden. Gleichermaßen verwunderlich ist es auch, welche Sitten und Gebräuchen seither unseren Sprachschatz geprägt haben. Denn Dempf erklärt nebenher, wie es ist, wenn man zur Sau gemacht wird oder warum manch leichtes Mädchen in meiner Region nach wie vor als „Luder“ bezeichnet wird.
Die Handlung an sich ist spannend erzählt und weist stark kriminalistische Züge auf. Hannah Meisterin will verstehen, warum ausgerechnet ihr Zuhause in Trümmern liegt, wo ihr Kind geblieben und wieso ihr Mann gestorben ist. Dazu macht sie sich mit der Schwarzen Liss durch Augsburgs Straßen auf, wodurch man zusätzlich eine Eindruck vom damaligen Alltag erhält.
Die Figur der Hannah Meisterin ist plastisch beschrieben. Man fühlt ihre Hilflosigkeit, ihr Unvermögen, die Ereignisse zu verarbeiten, ihre Wut und die Brutalität, die daraus entbrennt.
Etliche Szenen sind eindringlich erzählt, wobei einem der damalige Gestank in die Nase steigt und man Zeuge barbarischer Gesprächsmethoden wird. Man sollte doch einen starken Magen haben, weil selbst die Protagonistin zu roher Gewalt fähig ist.
Dabei wird die Handlung aus mehreren Perspektiven erzählt. Großteils wird sie von Hannah getragen, dennoch durch weitere Blickwinkel ergänzt, was ihr deutliche Spannung verleiht.
Für mich ist „Fürstin der Bettler“ ein ausgezeichneter historischer Roman, der in die Straßen Augsburgs um 1300 entführt und durch kriminalistische Spannung glänzt.