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review 2019-05-14 10:48
Vampir-Postapokalypse
The Passage (The Passage #1) - Justin Cronin

„The Passage“ von Justin Cronin ist ein Reread. Ich habe den Auftakt der gleichnamigen Trilogie 2011 schon einmal als „Der Übergang“ gelesen. Für mich stand nie Frage, dass ich „The Passage“ weiterverfolgen würde, aber die langwierige Veröffentlichungsgeschichte der deutschen Folgebände verzögerte dieses Vorhaben und schadete meinen Erinnerungen erheblich. Als das Finale 2018 als deutsches Taschenbuch erschien, wusste ich, dass ich von vorn beginnen musste. Während der Wartezeit veränderte sich allerdings mein Leseverhalten, sodass ich auf die deutschen Ausgaben nicht mehr angewiesen war. Amazon verführte mich mit einem günstigen E-Book-Deal für die gesamte Trilogie in Englisch und ich startete einen zweiten Anlauf mit „The Passage“ im Original.

 

Peter Jaxon hat noch nie die Sterne gesehen. Er wurde in einer Kolonie in Kalifornien geboren, in der es niemals dunkel wird. Dicke Mauern und mächtige Strahler, die die Nacht taghell erleuchten, bieten Schutz vor den blutgierigen Monstern der Dunkelheit: Virals. Die animalischen Infizierten erinnern kaum an die Menschen, die sie einst waren. Angeblich waren die ersten Virals das Ergebnis eines fehlgeschlagenen Militär-Experiments vor beinahe 100 Jahren. Heute beherrschen sie die USA. Vielleicht sind die wenigen Familien, die in der Kolonie Zuflucht fanden, die letzten Überlebenden. Doch eines Tages entdecken die Wachen vor den Toren ein kleines Mädchen. Sie ist allein und etwa sechs Jahre alt. Niemand weiß woher sie kam. In ihrem Nacken befindet sich ein Chip, dessen gespeicherte Informationen eine verwirrende Geschichte erzählen. Das Mädchen heißt Amy und war Teil des gescheiterten Experiments, das die Virals erschuf. Der Chip sendet ein Signal. In der Hoffnung, Antworten und weitere Überlebende zu finden, beschließen Peter und seine Freunde, es bis zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. Amys plötzliches Auftauchen muss etwas bedeuten. Könnte sie die Rettung der Menschheit sein?

 

Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rezension zu „The Passage“ darauf hinweisen, dass meine Inhaltsangabe lediglich einen Bruchteil der Handlung des Trilogieauftakts abdeckt. Ich habe mit anderen, umfangreicheren Versionen herumgespielt, aber es stellte sich heraus, dass jede Annäherung an den vollständigen Inhalt jeglichen Rahmen sprengte. Daraus könnt ihr ableiten, wie komplex die Geschichte ist, die Justin Cronin erzählt. Der erste Band teilt sich in zwei Zeitabschnitte: zuerst erleben die Leser_innen den Ausbruch der ursprünglichen zwölf Virals und den daraus resultierenden Zusammenbruch der modernen Zivilisation; danach folgt ein enormer Zeitsprung von knapp 100 Jahren in die Zukunft, der die kläglichen Überreste der Menschheit in der von Virals dominierten USA fokussiert. Klingt simpel, ist es aber nicht. Cronin liebt Details. Er ist ein penibler, perfektionistischer Autor, der keine Gelegenheit auslässt, exakte Beschreibungen einzuarbeiten und sein Epos groß aufzuziehen. Seine Zukunftsvision bietet eine spannende Perspektive auf den Vampirmythos, denn Virals sind im Grunde nichts anderes als äußerst grässliche Blutsauger, Glitzereffekt ausgeschlossen. Trotz dieser scheinbar übernatürlichen Thematik ist „The Passage“ vorstellbar und glaubwürdig. Cronin präsentiert fundiert wirkende wissenschaftliche Erklärungen, aus denen sich ein durchaus realistisches Szenario ergibt. Wer weiß schon, womit die Militärs dieser Welt im Geheimen herumpfuschen? In diesem Fall glaubte die US-Armee, sie hätte ein Allheilmittel gegen Krankheiten und den Tod gefunden. Sie injizierten zwölf Todeszelleninsassen ein Virus aus dem bolivianischen Dschungel und hofften auf einen medizinischen Durchbruch. Natürlich ahnten sie nicht, was sie erschufen. Auf gewisse Weise wurden ihre Hoffnungen sogar erfüllt, denn Virals sind albtraumhafte Spitzenprädatoren – unsterblich, beinahe unverwundbar und Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen. Mich gruselte vor allem ihre primitive, inhumane Schwarmintelligenz. Diese Monster ließ die Army auf die Welt los, weil sie zu arrogant waren, um zu begreifen, dass ihre Kontrolle über die Virals lediglich Illusion war. Die explosive Eskalation, die Cronin beschreibt, erschien mir vollkommen plausibel. Diesen ersten Part der Geschichte fand ich rasant, atemlos und ausgesprochen aufregend. Mit dem Übergang zum zweiten Part flacht der Spannungsbogen jedoch abrupt ab. Cronin nimmt sich viel Zeit, um die Situation der Kolonie zu etablieren und ergeht sich in langatmigen Darstellungen des Alltags der neuen Figuren, die ich dadurch allerdings intim kennenlernte. Ich bin sicher, sie alle zuverlässig einschätzen zu können. Die Spannungskurve nimmt erst wieder Fahrt auf, als Peter und seine Freunde die Kolonie verlassen, um den Ursprung von Amys Chipsignal ausfindig zu machen. Ihre Reise ist der Beginn der grundlegenden Geschichte: der aktive Kampf um das Überleben der menschlichen Spezies.

 

Als ich vor acht Jahren „Der Übergang“ las, war ich überwältigt. Diese Euphorie konnte ich mit der Lektüre von „The Passage“ zwar nicht wiederbeleben, doch das werfe ich Justin Cronin nicht vor. Ich habe seitdem eine Menge Dystopien und postapokalyptische Romane gelesen, weshalb es deutlich schwerer ist, in mir dieselbe Begeisterung zu entfachen. Nichtsdestotrotz beeindruckte er mich mit der gewaltigen, Spannungstiefs rechtfertigenden Dimension seiner Geschichte und der überzeugenden Umsetzung seiner interessanten Ideen. Seine Penibilität gefällt mir, weil ich das Gefühl habe, mich jeder Zeit auf seine Autorität als Autor verlassen zu können. Der einzige kleine Hickser in einem sonst stimmigen Buch ist der nicht zu leugnende christlich-religiöse Einschlag, mit dem ich als Atheistin nichts anfangen kann. Solange dieser jedoch diskret bleibt, werde ich mich daran nicht stören. Eine Vampir-Postapokalypse ist einfach faszinierend, christliche Motive hin oder her.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/05/14/justin-cronin-the-passage
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review 2017-08-01 10:33
Einen Hauch zu abenteuerlich und inszeniert
Fire & Ash - Jonathan Maberry

„Fire & Ash“ ist der letzte Band der postapokalyptischen Geschichte rund um den Teenager Benny Imura. Gerüchten zufolge ist die Reihe „Rot & Ruin“ jedoch nicht abgeschlossen. Angeblich kündigte der Verlag Simon & Schuster für 2018 und 2019 jeweils einen neuen Band an. Diese beiden zusammenhängenden Bände sollen im gleichen Setting neue Charaktere und eine komplett neue Handlung vorstellen. Ich fand keine Belege für diese Behauptung, weder beim Verlag, noch auf Jonathan Maberrys Website. Der einzige Hinweis sind Einträge für die Bücher auf Goodreads und ich habe keine Ahnung, woher diese Informationen stammen. Ich werde wohl einfach abwarten müssen, ob sich die Gerüchte bewahrheiten.

 

Louis Chong ist tot. Alle in Sanctuary wissen, dass Benny Imuras bester Freund starb, als er sich infizierte. Nur Benny weigert sich, ihn aufzugeben. Würde nur endlich jemand versuchen, Dr. McReadys Unterlagen oder am besten die Wissenschaftlerin selbst zu finden, könnte das Heilmittel entwickelt werden, das nicht nur Chong, sondern die ganze Welt retten würde. Leider wird Sanctuary von verstockten Soldaten geleitet, denen die Wünsche eines Teenagers nicht das Geringste bedeuten. Benny hält es nicht mehr aus. Begleitet von Nix, Lilah und Riot macht er sich auf eigene Faust auf die Suche nach der letzten Chance, die Chong hat. Draußen im Rot and Ruin müssen sie jedoch feststellen, dass sie nicht die einzigen sind, die sich für McReadys Forschungsergebnisse interessieren. Der psychopathische Saint John und die Mitglieder der Night Church suchen ebenfalls nach dem Heilmittel, das in den falschen Händen zu einer gefährlichen Massenvernichtungswaffe werden könnte. Der Wettlauf um das Schicksal der Menschheit hat begonnen.

 

Wisst ihr, wodurch ich merke, dass mir eine Rezension schwerfällt? Ich merke es, weil ich versuche, mich vor dem Schreiben zu drücken. Plötzlich fallen mir hundert Dinge ein, die ich stattdessen tun könnte. Ich mache mir selbst etwas vor, weil ich zu stur bin, um einfach zuzugeben, dass diese oder jene Rezension eine harte Nuss für mich ist. „Fire & Ash“ ist so ein Fall. Da, jetzt ist es raus, ich bekenne es. Ich kann nur leider überhaupt nicht erklären, wieso. Das (vorläufige) Finale der „Rot & Ruin“ – Reihe ist nicht schlecht. Während der Lektüre empfand ich das Buch als mitreißend wie eh und je und im Anschluss habe ich fleißig Notizen gemacht. Ich war beeindruckt von Jonathan Maberrys überzeugendem wissenschaftlichen Erklärungsansatz für die Natur der Zombieinfektion, der auf mich fundiert recherchiert wirkte. Ich mochte das Motiv der Hoffnung, personifiziert durch Bennys Generation, die Erbe und Schöpfer einer neuen Welt ist. Jetzt sind einige Wochen vergangen und in meinem Kopf herrscht gähnende Leere. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber irgendwie hat dieses Finale trotz bewegter Dramatik wenig bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Vielleicht war die Geschichte doch zu vorhersehbar, denn ich habe nie daran gezweifelt, dass Benny und seine Freunde die Zombie-Postapokalypse überleben werden. Die Frage war lediglich, wie. Vielleicht war es der Schuss des guten, alten, amerikanischen Patriotismus, der meiner Ansicht nach vollkommen überflüssig für die Geschichte war. Vielleicht war „Fire & Ash“ auch einfach etwas arg pathetisch, obwohl ich beim Lesen durchaus das Gefühl hatte, dass mich dieses Pathos berührte. Im Nachhinein hingegen kommt mir Entwicklung, die Benny durchlebt, übertrieben vor. Er erreicht einen Status kühler Klarheit, den ich für unglaubwürdig halte. Ich bezweifle nicht, dass Benny schnell und radikal erwachsen werden musste, doch seine Entfaltung zum idealen Samurai, der eine Kampfsituation und sich selbst gefasst analysieren kann, erscheint mir unrealistisch. Er ist trotz allem ein Teenager. Die positive Seite daran ist jedoch, dass seine Beziehung zu Nix eine für die Young Adult – Literatur recht ungewöhnliche Wendung nimmt, was mir sehr gut gefiel. Unsterbliche Liebe auf den ersten Blick unter extremen Bedingungen war noch nie sehr lebensnah; ich finde es toll, dass Maberry einen anderen Weg wählt, der möglicherweise eine direkte Folge seines vorbildlichen Umgangs mit den Geschlechterrollen ist. Er behandelt Männer und Frauen gleichberechtigt und besonders Bennys Freundinnen beweisen eine Stärke, die alle kruden Ideen der Prinzessin in Nöten im Keim ersticken. Gut, Lilah ging mir fürchterlich auf die Nerven, weil ihre Umgangsformen schlicht inakzeptabel sind, aber nichtsdestotrotz erkenne ich ihre Unabhängigkeit an.

 

Letztendlich weiß ich nicht genau, warum sich „Fire & Ash“ nicht in dem Ausmaß in meinem Gedächtnis festsetzte, das ich erwartet hatte. Es handelt sich definitiv um ein angemessenes Finale und hat viel Positives zu bieten. Der Kampf gegen die Zombies mutierte im Lauf der Reihe zu einem Kampf der Menschheit selbst, gegen religiösen Fanatismus und die drohende Gefahr, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Jonathan Maberry erfasst die Konflikte, die sich innerhalb seiner beängstigenden Zukunftsvision ergeben, hervorragend und verleiht der gesamten Thematik der Zombie-Postapokalypse überraschenden Tiefgang. Ich kann nicht erklären, wieso mich „Fire & Ash“ nicht nachhaltiger beeindruckte, obwohl es die vielen feinen Nuancen, die Maberry sorgfältig etablierte, zu einem explosiven, dramatischen Abschluss bringt. Ich vermute, dass es mir einen Hauch zu abenteuerlich und inszeniert war, möchte mich darauf aber nicht unumstößlich festlegen. Diese marginalen Schwierigkeiten qualifizieren sich jedoch als Jammern auf hohem Niveau, weshalb ich nicht zögere, euch die Reihe „Rot & Ruin“ trotzdem zu empfehlen. Die Young Adult – Literatur ist so überflutet von flachen, klischeebeladenen, bedeutungsarmen Geschichten, dass jeder Versuch, es anders zu machen, enthusiastisch unterstützt werden sollte. Jonathan Maberry macht es anders und dafür gehören ihm mein Respekt und meine Anerkennung.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/08/01/jonathan-maberry-fire-ash
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review 2017-07-25 11:07
Ein ganzes Universum des Verbrechens
Neid: Thriller (Opcop-Gruppe, Band 3) - Arne Dahl

Der schwedische Autor Arne Dahl heißt eigentlich Jan Lennert Arnald. Ich vermute, dass er ein weiches Pseudonym nutzt, weil er seine schriftstellerische Tätigkeit von seiner Arbeit als Literaturwissenschaftler für die Schwedische Akademie, die jährlich den Nobelpreis für Literatur vergibt, trennen will. Aktuell gehört Arnald nicht zum Nobelkomitee und ich konnte leider nicht herausfinden, ob er in der Vergangenheit mit der Auswahl der Preisträger betraut war, aber die Vorstellung ist schon ziemlich cool.
Sein Pseudonym Arne Dahl, das meiner Ansicht nach übrigens wesentlich einprägsamer ist als Jan Lennert Arnald, kenne ich als Autor der politischen Thriller-Reihe „Opcop“, auf die mich mein Vater 2015 aufmerksam machte. Vom dritten Band „Neid“ erwartete ich erneut eine spannende, extrem intelligente Handlung voller politischer Implikationen.

 

Einem dänischen Wissenschaftler wird in Stockholm auf offener Straße die Kehle durchgeschnitten. Der Mord gleicht einer Hinrichtung, brutal, provokant und inszeniert. Der wichtigste Zeuge floh unbemerkt vom Tatort: ein rumänischer Bettler, der das Smartphone des Toten an sich nahm und jetzt im Besitz hochsensibler Daten ist, die ihn ebenfalls das Leben kosten könnten. Leider will der europäischen Operativeinheit Opcop niemand verraten, an welchem geheimen, brisanten Projekt der Wissenschaftler zuletzt arbeitete. Der verschwundene Rumäne ist ihre beste Spur, da Opcop bereits mit Hochdruck gegen die Bettlermafia und den europäischen Menschenhandel ermittelt.
Währenddessen wird die französische EU-Parlamentarierin Marianne Baillard mit kompromittierenden Fotos erpresst und bedroht. Sie plant, einen Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, der ganz Europa verändern würde. Wer würde über Leichen gehen, um sie aufzuhalten?
Irgendwie sind beide Fälle miteinander verbunden. Nun liegt es bei der Opcop-Gruppe, herauszufinden, welche Parallelen bestehen, bevor weitere Menschen sterben.

 

Ich lese politische Thriller sehr gerne, insgesamt aber eher selten, weil die behandelten Themen meist viel Aufmerksamkeit erfordern und recht bedrückend sind. Wenn ich dann schon in der Stimmung bin und zu einem Buch dieser Sparte greife, sollte es mindestens so gut sein wie „Neid“ von Arne Dahl. Sein politisch-wirtschaftliches Verständnis ist unerreicht. Seine Kenntnis krimineller Machenschaften auf internationaler Ebene ist beeindruckend und beunruhigend. Er versäumt nie, mir das wahre Wesen der Welt vor Augen zu führen und mich die Prozesse hinter den Kulissen der realen, globalen Politik zu lehren. Ich bewundere ihn zutiefst, weil seine Romane stets in der Wirklichkeit verankert sind. Namen wie Viktor Orbán, Geert Wilders und Nicolas Sarkozy sind aus den Nachrichten bekannt. „Neid“ bietet meinem Empfinden nach weniger handfeste Action als die Vorgänger „Gier“ und „Zorn“, ist jedoch nicht minder spannend. Der beschriebene Fall ist äußerst verschachtelt; ich musste mir die verschiedenen Komponenten mental wiederholt vorbeten, um zu verstehen, wie alles zusammenhängt. Die komplexe Kombination unterschiedlicher Themen öffnet ein ganzes Universum des Verbrechens, das bei der Diskriminierung und Vertreibung der Roma beginnt, Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel als Lappalie betrachtet und es sich schlussendlich im komplizierten Feld der Umweltpolitik bequem macht. Die geballte kriminelle Energie, die dieser Thriller darstellt, die Bereitschaft, Menschen schlimmstenfalls wie Vieh, bestenfalls wie Schachfiguren zu behandeln, überzeugte mich erneut davon, dass ich in der Politik niemals bestehen könnte. Zu wissen, wie schlecht unsere Welt ist und nur sehr wenig dagegen unternehmen zu können, würde mich enttäuschen, desillusionieren, zerstören. Meine Güte, es gibt da draußen Menschen, die dafür bezahlt werden, rechts-konservative Parteien dahingehend zu beraten, wie sie rechtsradikale Wähler_innen erreichen und für sich gewinnen können. Natürlich sollte mich das nicht überraschen, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg. Es ist schockierend widerwärtig. Ich könnte so nicht leben. Ich könnte nicht leben wie Marianne Baillard, die bis zur totalen Erschöpfung gegen die Schattenspieler, die die EU klammheimlich übernommen haben, kämpft und doch nur minimale Unterstützung erhält. Sie tut das Richtige und wie wird es ihr gedankt? Mit Erpressung und Drohungen. In „Neid“ ist die Französin die bescheidene Heldin neben der Opcop-Gruppe, deren Mitglieder ohnehin einmalig und ehrfurchtgebietend klug sind. Durch sie vermittelt Arne Dahl ein scharfsinniges Bild der EU. Aus ihren Worten, die mich tief berührten, hörte ich die Stimme des Autors heraus, der mit schmerzhafter Klarheit erfasst, was die EU heutzutage ist und wie sie eigentlich sein sollte. Wie konnte aus einem Friedensprojekt für ein besseres, grenzübergreifendes Miteinander ein Sklavenschiff der Wirtschaft werden?

 

Falls ihr euch in die Gefilde politischer Thriller wagen möchtet, kann ich euch nur wärmstens empfehlen, es mit Arne Dahls „Opcop“-Reihe zu versuchen. Greift nicht zu Fitzek. Dahl ist meiner Meinung nach einfach besser. Er erforscht die Schattenseiten der Gesellschaft, ohne zu verwirren, sich in seinen eigenen Handlungsfäden zu verheddern oder allzu viel Wissen vorauszusetzen, leistet fundierte, solide Recherchearbeit, integriert zahlreiche, individuelle, sympathische Figuren, an denen sich die Leser_innen orientieren können und konzipiert darüber hinaus nervenaufreibende Spannungsbögen, die an die Seiten fesseln. Er liefert das berühmte Gesamtpaket. Mich stimulierte „Neid“ wieder einmal intensiv; ich habe über viele Punkte gegrübelt und kam letztendlich zu einem Ergebnis: solange es Menschen wie Arne Dahl gibt, die die Schlechtigkeit unserer Welt erkennen und mutig darüber schreiben, ist der Traum eines vereinten, gerechten, friedlichen Europa noch nicht ausgeträumt.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/07/25/arne-dahl-neid
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