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review 2019-06-20 09:16
Steigen eine Hexe, ein Pixie, eine Vampirin und ein Elf in ein Auto...
Blutdämon - Kim Harrison,Vanessa Lamatsch

Kim Harrison hat einen Abschluss in wissenschaftlicher Technologie, mit dem Schwerpunkt Biologie. Ihr Vater schüttelt bis heute den Kopf darüber, dass sie diese Ausbildung genoss, um jetzt Bücher zu schreiben. Harrison lässt ihr Studium allerdings sehr wohl in ihre Werke einfließen. Das Magiesystem der „Rachel Morgan“-Reihe ist ihr Versuch, Ley-Linien wissenschaftlich zu erklären. Die Kraftlinien sind Einschnitte im Zeitgefüge, die alternative Realitäten miteinander verbinden und der Protagonistin Rachel erlauben, die Domäne der Dämonen zu besuchen. Sie sind darüber hinaus der Grund, dass die Reihe in Cincinnati, Ohio, spielt, weil die salzige Luft der Küsten Magie negiert. Im neunten Band „Blutdämon“ muss sich Rachel mit genau diesem Effekt herumschlagen, denn ihr steht eine Reise nach San Francisco bevor.

 

Steigen eine Hexe, ein Pixie, eine Vampirin und ein Elf in ein Auto… Was wie der Beginn eines schlechten Witzes klingt, entpuppt sich für Rachel Morgan als wahrgewordener Albtraum. Sie wusste, dass der Weg nach San Francisco schwierig und gefährlich werden würde, aber ein Roadtrip in der Begleitung von Trent Kalamack stand ganz oben auf der Liste der Dinge, die sie niemals tun wollte. Leider ist sie auf ihn angewiesen, will sie rechtzeitig an die Westküste gelangen, um an ihrer Verhandlung vor dem Hexenzirkel teilzunehmen und ihren Namen reinzuwaschen. Natürlich ist Trents Hilfe nicht umsonst. Er braucht eine Eskorte, denn er hat etwas zu erledigen. Als sie auf ihrer Route von Elfen angegriffen werden, dämmert es Rachel, dass es sich wohl nicht um ein Geschäftsessen handelt. Trent pfuscht mit uralter, wilder Magie herum und schon bald müssen sie sich ebenso vor den Folgen seiner Experimente schützen wie vor den Schergen des Hexenzirkels, die versuchen, Rachel aufzuhalten. Ein Witz ist diese Reise ganz sicher nicht.

 

Ich begann „Blutdämon“ in dem Wissen, dass meine Tage mit „Rachel Morgan“ gezählt sind. Die Reihe entspricht nicht mehr meinem Geschmack, weshalb ich entschieden habe, sie nach den letzten beiden ungelesenen Bänden in meinem Regal abzubrechen. Ich wappnete mich für eine weitere Begegnung mit einer Protagonistin, die ich mittlerweile unerträglich finde. Tatsächlich gestaltete sich die Lektüre jedoch weniger schlimm, als ich erwartet hatte. Ich kam überraschend gut mit diesem Band zurecht; einerseits, weil ich auf Rachel vorbereitet war, andererseits, weil ich mir einen Spaß daraus machte, zu analysieren, wieso sie mich aufregt. Alles eine Frage der Einstellung. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich „Blutdämon“ wirklich gern gelesen habe. Etwa die Hälfte der Handlung besteht aus einem Roadtrip nach San Francisco, den Rachel gemeinsam mit Ivy, Jenks und ihrem Erzfeind Trent Kalamack unternimmt, um vom Hexenzirkel für ihren Einsatz von schwarzer Magie begnadigt zu werden. Über 300 Seiten lang sind die Figuren in einem viel zu kleinen Auto eingepfercht – und ich mit ihnen. Es fühlte sich an wie die längste, anstrengendste Autofahrt aller Zeiten, weil die räumliche Enge alle reizbar stimmt und ihre Spannungen unangenehm in den Vordergrund rückt. Rachel ist ohnehin keine ausgeglichene Person; eingesperrt in einem Wagen mit Trent bricht sich ihre kindisch-bockige Art ungezügelt Bahn und überträgt sich auf ihn, sodass auch er sich infantil und trotzig aufführt. Sie provoziert ihn, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Wäre sie nur ein wenig reifer und vernünftiger, hätten viele Konflikte durch Kommunikation vermieden werden können. Aber nein, sie bleibt stur und streitet sich lieber Meile für Meile. Gepaart mit der erneut sehr hohen Rate heftiger Actionszenen entfaltete sich „Blutdämon“ daher als laute, schrille Lektüre voller Gekreisch und Geschrei. Das Buch tat mir in den Ohren weh. Ich hoffte, dass sich das Erregungslevel mit der Ankunft in San Francisco etwas beruhigen würde – natürlich nicht. Dort trifft Rachel auf den Hexenzirkel, deren Mitglieder Kim Harrison als rückständige, verbohrte Narren und Amateure darstellt, denen ihre alberne, willkürliche Unterteilung in schwarze und weiße Magie wichtiger ist als die Bedrohung aus dem Jenseits. Die Beziehung zwischen Rachel und dem Zirkel ist ein passendes Beispiel, um ein Problem zu illustrieren, das mich grundsätzlich an der Reihe stört. Rachel ist meiner Ansicht nach als Hexe mäßig talentiert. Sie verfügt über großes magisches Potential, weiß diesen Vorteil jedoch selten effektiv zu nutzen. Ihre Impulsivität steht ihr im Weg und verführt sie zu unklugen Entscheidungen. Um ihren Status als Heldin dennoch zu bestätigen, spricht Kim Harrison allen Figuren in ihrem Umfeld Kompetenz ab. Der Zirkel erscheint wie ein Haufen Stümper, Trent hat keine Kontrolle über seine Elfenmagie, Ivy wird trotz ihrer vampirischen Kräfte immer wieder verletzt und Jenks disqualifiziert sich durch seine Größe. Sie dürfen nicht fähig wirken, damit Rachel sie retten kann. Diese Rollenverteilung gefällt mir nicht. Ich finde es falsch, alle Nebenfiguren schwächer zu charakterisieren, nur um Rachel stärker wirken zu lassen. Eine wahre Heldin hat das nämlich nicht nötig.

 

„Blutdämon“ festigte meinen Entschluss, die „Rachel Morgan“-Reihe nach dem nächsten Band abzubrechen. Wie alle anderen Leser_innen auch lasse ich mich gern ab und zu von leichter Unterhaltungsliteratur berieseln, doch mit diesen Romanen gelingt mir das nicht. Mir missfällt der Tenor der Reihe: laut, grell, atemlos, aggressiv. Ich empfinde die Geschichte als disharmonisch und übertrieben dramatisch. Eine Katastrophe jagt die nächste, die Protagonistin Rachel balanciert stets auf dem schmalen Grat zum vollständigen Kontrollverlust und reißerische Special Effects ersetzen eine gut durchdachte Handlung. Ich kann nicht abschalten, weil ich mich entweder ärgere oder gehetzt fühle. „Rachel Morgan“ bietet mir nicht das, was ich suche, wenn ich mich für Urban Fantasy entscheide. Glücklicherweise kann ich mich bald verabschieden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/06/19/kim-harrison-blutdaemon
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review 2017-11-01 16:49
Alte Freunde, dunkle Vorzeichen - es wird episch!
Die Hexenholzkrone 1 - Tad Williams,Cornelia Holfelder-von der Tann,Wolfram Ströle

Endlich ist es da! Seit ich erfahren habe, dass Tad Williams 2017 nach Osten Ard zurückkehrt und uns mit der neuen Trilogie „Der Letzte König von Osten Ard“ beglückt, konnte ich die Veröffentlichung des ersten Bandes „Die Hexenholzkrone“, der auf dem deutschen Markt geteilt erscheint, kaum erwarten. Das Zwischenspiel „Das Herz der Verlorenen Dinge“ versüßte mir natürlich die Wartezeit, doch es fachte meine Ungeduld auch zusätzlich an. Im September war es dann soweit. Der erste Teil „Die Hexenholzkrone 1“ erblickte das Licht der Welt und ich zögerte nicht, den Verlag Klett-Cotta um ein Rezensionsexemplar zu bitten, das ich rechtzeitig vor Erscheinen des zweiten Teils im November lesen und rezensieren wollte. Voller Vorfreude stürzte ich mich in mein Wiedersehen mit Simon und seinen Freunden, wohl wissend, dass mich Tad Williams im Grunde nicht enttäuschen konnte.

 

30 Jahre nach dem Sturmkönigskrieg sind die gefürchteten Nornen nur noch eine Schauergeschichte. Osten Ard erblühte und gedieh unter der Regentschaft des Königspaares Simon und Miriamel; es herrschen Frieden und Wohlstand. Doch der Schein trügt. Tief unter der Sturmspitze regen sich die Hikeda‘ya erneut. Ihre finstere Königin Utuk’ku erwachte aus ihrem Heilschlaf und plant, Rache für die verheerende Niederlage am Hochhorst zu nehmen. Immer häufiger erreichen Simon und Miriamel Berichte von Sichtungen der Nornen. Unruhe breitet sich wie ein beklemmender Schatten in Osten Ard aus. In Hernystir künden besorgniserregende Gerüchte von der Wiederbelebung eines grässlichen Blutkultes. Im nabbanischen Süden droht eine Fehde zwischen Brüdern zu eskalieren und das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Simon und Miriamel müssen handeln. Unglücklicherweise sind sie nicht mehr jung. Ihre Verbündeten sind entweder alt oder tot. Können sie es wagen, das Schicksal ihres Reiches in die Hände der nächsten Generation zu legen?

 

Hach. Ich bin zu Hause. Als ich „Die Hexenholzkrone 1“ aufschlug und die ersten Sätze las, war es, als hätte sich eine Tür geöffnet. Eine schwere, massive Holztür, reich verziert mit verschnörkelten Schnitzereien von Tad Williams persönlich. Ich atmete tief ein und konnte Osten Ard auf meiner Zunge schmecken, sein Duft kitzelte mich in der Nase und all die wundervollen Erinnerungen an „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ zupften an meinem Herzen. Ich wollte rennen, durch diese Tür hindurch und hinein in das Reich, in dem meine alten Freunde bereits auf mich warteten. Es war unheimlich ergreifend, nach Osten Ard zurückzukehren. Nostalgisch und doch überraschend. Selbstverständlich bereitete mich die Stippvisite in „Das Herz der Verlorenen Dinge“ darauf vor, aber mich jetzt in der Gesellschaft all der liebgewonnenen Figuren wiederzufinden, war rührender, als ich erwartet hatte. Wie schön war es, Simon, Miriamel, Binabik, Sludig und ihre Verbündeten wiederzusehen! Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie sich kaum verändert haben. Sie mögen älter und reifer sein, aber sie sind noch immer dieselben. Ich habe alle sofort wiedererkannt, was impliziert, wie intensiv sich Tad Williams mit ihren Charakteren auseinandergesetzt haben muss. Schließlich sind nicht nur in Osten Ard 30 Jahre verstrichen und es ist sicherlich nicht einfach, sich in Figuren hineinzuversetzen, die vor so langer Zeit konstruiert wurden. Zahlreiche Perspektivwechsel, die weniger abrupt als in „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ ausfallen, überzeugten mich davon, dass er hart daran arbeitete, sie realistisch und ihren Persönlichkeiten entsprechend handeln und fühlen zu lassen, was natürlich auch für die neuen Figuren in „Der Letzte König von Osten Ard“ gilt. Ich fand es fabelhaft, Simon und Miriamels Enkel, Prinz Morgan, kennenzulernen, weil es mich köstlich amüsierte, wie ähnlich er dem jugendlichen Simon ist und diesen damit zur Weißglut treibt. Morgan ist ebenso stur, stolz, rebellisch, trotzig und abenteuerlustig wie Simon. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Vielleicht ist er gerade deshalb der Held, der Osten Ard zu retten vermag, denn dass Osten Ard schon bald einen Helden brauchen wird, steht für mich außer Frage. Trotz der zunehmend aufweichenden Grenzen zwischen Gut und Böse, die die Nornen nicht mehr als ultimative Antagonisten brandmarken, sondern sie als Volk mit einer reichen, aber starren und weit zurückreichenden Kultur beschreiben, braut sich da zweifellos etwas Bedrohliches zusammen. Ich kann es bis in meine Haarspitzen spüren. Tad Williams ist ein Meister sich einschleichender, dunkler Vorzeichen, die hauptsächlich durch die Atmosphäre transportiert werden. Sein enormes Feingefühl für die Wirkung winziger Details ist fantastisch und möglicherweise der Grund, warum ich den Spannungsbogen als angenehm konstant empfand. „Die Hexenholzkrone 1“ ist unbestritten eine Einleitung, demzufolge ist das Tempo gemächlich, doch im Gegensatz zu „Der Drachenbeinthron“ musste ich mich während der Lektüre nicht antreiben. Die Seiten flogen dahin. 30 zusätzliche Jahre Erfahrung als Autor lassen sich eben nicht wegdiskutieren.

 

Ich verfluche meine selbstauferlegten Richtlinien zum Schreiben einer Rezension. Ich würde euch gern so viel mehr von „Die Hexenholzkrone 1“ erzählen, schwärmen, schwelgen und meine Begeisterung hinausposaunen. Es ist ehrfurchtgebietend, dass Tad Williams nach 30 Jahren den Mut und die Disziplin aufbrachte, noch einmal von vorn zu beginnen, sowohl Osten Ard als auch seine Figuren neu kennenzulernen und die Möglichkeiten dieses atemberaubenden Universums zu erforschen. All seine Arbeit schwingt auf jeder Seite dieses Trilogieauftakts mit und ich bewundere ihn dafür zutiefst. „Der Letzte König von Osten Ard“ verspricht, ein gewaltiges, episches Abenteuer zu werden und ich freue mich wie ein Kleinkind darauf, herauszufinden, welche Herausforderungen Simon, Miri und ihre Freunde meistern müssen. Ich bin heimgekehrt. Jetzt mache ich es mir gemütlich.

 

Vielen Dank an den Verlag Klett-Cotta bzw. Hobbit Presse für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/11/01/tad-williams-die-hexenholzkrone-1
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