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review 2017-11-01 16:49
Alte Freunde, dunkle Vorzeichen - es wird episch!
Die Hexenholzkrone 1 - Tad Williams,Cornelia Holfelder-von der Tann,Wolfram Ströle

Endlich ist es da! Seit ich erfahren habe, dass Tad Williams 2017 nach Osten Ard zurückkehrt und uns mit der neuen Trilogie „Der Letzte König von Osten Ard“ beglückt, konnte ich die Veröffentlichung des ersten Bandes „Die Hexenholzkrone“, der auf dem deutschen Markt geteilt erscheint, kaum erwarten. Das Zwischenspiel „Das Herz der Verlorenen Dinge“ versüßte mir natürlich die Wartezeit, doch es fachte meine Ungeduld auch zusätzlich an. Im September war es dann soweit. Der erste Teil „Die Hexenholzkrone 1“ erblickte das Licht der Welt und ich zögerte nicht, den Verlag Klett-Cotta um ein Rezensionsexemplar zu bitten, das ich rechtzeitig vor Erscheinen des zweiten Teils im November lesen und rezensieren wollte. Voller Vorfreude stürzte ich mich in mein Wiedersehen mit Simon und seinen Freunden, wohl wissend, dass mich Tad Williams im Grunde nicht enttäuschen konnte.

 

30 Jahre nach dem Sturmkönigskrieg sind die gefürchteten Nornen nur noch eine Schauergeschichte. Osten Ard erblühte und gedieh unter der Regentschaft des Königspaares Simon und Miriamel; es herrschen Frieden und Wohlstand. Doch der Schein trügt. Tief unter der Sturmspitze regen sich die Hikeda‘ya erneut. Ihre finstere Königin Utuk’ku erwachte aus ihrem Heilschlaf und plant, Rache für die verheerende Niederlage am Hochhorst zu nehmen. Immer häufiger erreichen Simon und Miriamel Berichte von Sichtungen der Nornen. Unruhe breitet sich wie ein beklemmender Schatten in Osten Ard aus. In Hernystir künden besorgniserregende Gerüchte von der Wiederbelebung eines grässlichen Blutkultes. Im nabbanischen Süden droht eine Fehde zwischen Brüdern zu eskalieren und das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Simon und Miriamel müssen handeln. Unglücklicherweise sind sie nicht mehr jung. Ihre Verbündeten sind entweder alt oder tot. Können sie es wagen, das Schicksal ihres Reiches in die Hände der nächsten Generation zu legen?

 

Hach. Ich bin zu Hause. Als ich „Die Hexenholzkrone 1“ aufschlug und die ersten Sätze las, war es, als hätte sich eine Tür geöffnet. Eine schwere, massive Holztür, reich verziert mit verschnörkelten Schnitzereien von Tad Williams persönlich. Ich atmete tief ein und konnte Osten Ard auf meiner Zunge schmecken, sein Duft kitzelte mich in der Nase und all die wundervollen Erinnerungen an „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ zupften an meinem Herzen. Ich wollte rennen, durch diese Tür hindurch und hinein in das Reich, in dem meine alten Freunde bereits auf mich warteten. Es war unheimlich ergreifend, nach Osten Ard zurückzukehren. Nostalgisch und doch überraschend. Selbstverständlich bereitete mich die Stippvisite in „Das Herz der Verlorenen Dinge“ darauf vor, aber mich jetzt in der Gesellschaft all der liebgewonnenen Figuren wiederzufinden, war rührender, als ich erwartet hatte. Wie schön war es, Simon, Miriamel, Binabik, Sludig und ihre Verbündeten wiederzusehen! Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie sich kaum verändert haben. Sie mögen älter und reifer sein, aber sie sind noch immer dieselben. Ich habe alle sofort wiedererkannt, was impliziert, wie intensiv sich Tad Williams mit ihren Charakteren auseinandergesetzt haben muss. Schließlich sind nicht nur in Osten Ard 30 Jahre verstrichen und es ist sicherlich nicht einfach, sich in Figuren hineinzuversetzen, die vor so langer Zeit konstruiert wurden. Zahlreiche Perspektivwechsel, die weniger abrupt als in „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ ausfallen, überzeugten mich davon, dass er hart daran arbeitete, sie realistisch und ihren Persönlichkeiten entsprechend handeln und fühlen zu lassen, was natürlich auch für die neuen Figuren in „Der Letzte König von Osten Ard“ gilt. Ich fand es fabelhaft, Simon und Miriamels Enkel, Prinz Morgan, kennenzulernen, weil es mich köstlich amüsierte, wie ähnlich er dem jugendlichen Simon ist und diesen damit zur Weißglut treibt. Morgan ist ebenso stur, stolz, rebellisch, trotzig und abenteuerlustig wie Simon. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Vielleicht ist er gerade deshalb der Held, der Osten Ard zu retten vermag, denn dass Osten Ard schon bald einen Helden brauchen wird, steht für mich außer Frage. Trotz der zunehmend aufweichenden Grenzen zwischen Gut und Böse, die die Nornen nicht mehr als ultimative Antagonisten brandmarken, sondern sie als Volk mit einer reichen, aber starren und weit zurückreichenden Kultur beschreiben, braut sich da zweifellos etwas Bedrohliches zusammen. Ich kann es bis in meine Haarspitzen spüren. Tad Williams ist ein Meister sich einschleichender, dunkler Vorzeichen, die hauptsächlich durch die Atmosphäre transportiert werden. Sein enormes Feingefühl für die Wirkung winziger Details ist fantastisch und möglicherweise der Grund, warum ich den Spannungsbogen als angenehm konstant empfand. „Die Hexenholzkrone 1“ ist unbestritten eine Einleitung, demzufolge ist das Tempo gemächlich, doch im Gegensatz zu „Der Drachenbeinthron“ musste ich mich während der Lektüre nicht antreiben. Die Seiten flogen dahin. 30 zusätzliche Jahre Erfahrung als Autor lassen sich eben nicht wegdiskutieren.

 

Ich verfluche meine selbstauferlegten Richtlinien zum Schreiben einer Rezension. Ich würde euch gern so viel mehr von „Die Hexenholzkrone 1“ erzählen, schwärmen, schwelgen und meine Begeisterung hinausposaunen. Es ist ehrfurchtgebietend, dass Tad Williams nach 30 Jahren den Mut und die Disziplin aufbrachte, noch einmal von vorn zu beginnen, sowohl Osten Ard als auch seine Figuren neu kennenzulernen und die Möglichkeiten dieses atemberaubenden Universums zu erforschen. All seine Arbeit schwingt auf jeder Seite dieses Trilogieauftakts mit und ich bewundere ihn dafür zutiefst. „Der Letzte König von Osten Ard“ verspricht, ein gewaltiges, episches Abenteuer zu werden und ich freue mich wie ein Kleinkind darauf, herauszufinden, welche Herausforderungen Simon, Miri und ihre Freunde meistern müssen. Ich bin heimgekehrt. Jetzt mache ich es mir gemütlich.

 

Vielen Dank an den Verlag Klett-Cotta bzw. Hobbit Presse für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/11/01/tad-williams-die-hexenholzkrone-1
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review 2017-06-03 10:04
Ein unangenehm realistisches Märchen
The Magician King. Lev Grossman - Lev Grossman

Wenn ich einen Blick auf die Liste der Menschen werfe, die Lev Grossmann interviewte, bleibt mir die Luft weg. Beispiele? Steve Jobs, Salman Rushdie, J.K. Rowling und – haltet euch fest – Johnny Cash. Ich bin sowas von neidisch. Es scheint zu stimmen, dass ein Harvard-Abschluss alle Türen öffnet. Ich finde es sympathisch, dass sich Grossman trotzdem nicht zu schade ist, Fantasy zu schreiben. „The Magician King“ ist der zweite Band seiner Trilogie „The Magicians“ und führt die Geschichte des Zauberlehrlings Quentin Coldwater weiter.

 

Fillory ist ein magisches Paradies, in dem Quentin Coldwaters Träume Realität wurden. Seit Janet, Eliot und Julia ihn aus seinem jämmerlichen Dasein auf der Erde befreiten und in das Land seiner Lieblingsromane entführten, erlebt Quentins die reinste Utopie. In Fillory ist er kein Versager, sondern ein König. Und doch… Irgendetwas fehlt. Mit den bequemen Annehmlichkeiten des Throns schlichen sich Langeweile und Monotonie in Quentins Leben. Er verzehrt sich nach einer Aufgabe, einem Abenteuer, neuen Herausforderungen. Als sich herausstellt, dass der äußerste Zipfel des Königreichs jahrelang keine Steuern zahlte, ergreift Quentin die Gelegenheit, endlich mal rauszukommen. Unterstützt von Julia stattet er ein Schiff aus und sticht in See. Auf ihrer Reise erfahren sie von einem magischen Schlüssel, der angeblich die Welt aufzieht. Quentin ist sofort Feuer und Flamme: der Schlüssel ist seine Quest! Doch dieser birgt eigene Geheimnisse und schon bald verwandelt sich Quentins heiß ersehntes Abenteuer in einen Albtraum. Sei vorsichtig mit deinen Wünschen – sie könnten wahr werden.

 

Vor kurzem wurde unter meinen geschätzten Buchblogger-Kolleg_innen diskutiert, welche Buchwelt wir gern besuchen würden. Neben dem Potter-Universum und Mittelerde wurde Narnia wohl am häufigsten genannt. Ich kann mich diesem Wunsch nicht anschließen, weil ich vermute, dass es mir dort genauso erginge wie Quentin Coldwater in Fillory, das frappierende Ähnlichkeit zu C.S. Lewis‘ magischem Reich aufweist. Ich würde mich langweilen. Was geschieht, wenn alle Abenteuer erlebt wurden, alle Bedrohungen beseitigt sind und Frieden eingekehrt ist? Irgendwann verliert selbst ein Land, das so mit Magie vollgestopft ist wie Fillory, seinen Reiz. Wird das Außergewöhnliche zur Routine, ist es Zeit, sich neuen Aufgaben zu stellen. Auf Quentin trifft das vermutlich besonders zu, da er in „The Magician King“ zwar älter, aber kaum erwachsener ist als im Vorgänger „The Magicians“. Er ist noch immer rast- und ziellos, ein Suchender, der verzweifelt nach Erfüllung lechzt. Er dachte, Fillory könnte ihm das bieten, was er auf der Erde nicht fand: eine Bestimmung. Dummerweise hat Fillory keinen Bedarf. Das Königreich regiert sich praktisch von selbst. Quentin braucht Fillory mehr als Fillory ihn und das Abenteuer, das er herbeisehnte, ist weit mehr, als er ertragen kann. In einem Schreibstil, der Direktheit und Symbolkraft bizarr vereint, zeichnet Lev Grossman erneut eine düstere, makabre Parodie auf die magischen Kindergeschichten, die unsere Bücherregale füllen und erteilt seinen Figuren harte Lektionen, um die Botschaft seines Romans zu vermitteln. Märchen sind lediglich in ihrem eigenen Rahmen märchenhaft. In der Realität sind sie Erzählungen von Verlust und Opfern. Heldenmut hat immer einen Preis; es gibt nichts umsonst. Grossman konfrontiert Quentin mit der Frage, was er bereit ist, aufzugeben, um ein Held zu sein. Ist er bereit, Fillory aufzugeben? All die Jahre glaubte Quentin, Fillory sei sein Schicksal, der einzige Ort, an dem er Ruhe und Glück finden könnte. Die Wunder der Erde waren ihm niemals gut genug. Er war blind. Erst, als ihn sein verschlungener Weg dorthin zurückführt, öffnet er die Augen und erkennt die Schönheit der Erde. Zum ersten Mal befasst er sich mit dem Gedanken, ob er auch in seiner Heimatsphäre glücklich werden könnte. Traurigerweise glaube ich, für Quentin spielt es keine Rolle, wo er sich aufhält. Zufriedenheit bleibt ihm verwehrt, weil er niemals in der Lage ist, seine wie auch immer geartete Situation zu genießen. Er will immer mehr, ohne zu wissen, was dieses „mehr“ eigentlich ist. In diesem Punkt unterscheidet er sich maßgeblich von seiner Freundin Julia, deren unheimlich spannende, tragische Geschichte in „The Magician King“ offenbart wird. Nachdem sie den Aufnahmetest am Brakebills College vermasselte, kannte sie nur ein Ziel: sie wollte die Magie. Egal wie. Ihr Ehrgeiz trieb sie an, unkonventionelle, gefährliche Pfade zu beschreiten, die unvorstellbare Opfer forderten, weit entfernt von der geordneten Ausbildung, die Quentin erhielt. Ausgerechnet Julias verwinkelte Vergangenheit erweiterte mein Verständnis des Magiesystems der Trilogie. Grossman beleuchtet die Magie aus verschiedenen Perspektiven und erklärt, dass sie nur eine geborgte Macht ist, die Menschen eigentlich nicht zusteht. Ich hoffe, dass er dieses Thema im Finale „The Magician’s Land“ detaillierter ausführt. Die Idee, Magie als zufälliges Diebesgut zu behandeln, ist einfach aufregend.

 

„The Magician King“ ist ein unangenehm realistisches Märchen. Lev Grossman zerrt all die finsteren Facetten in den Fokus, die wir niemals kennenlernen wollten. Es ist daher schwierig, im Zusammenhang mit diesem Buch über „gefallen“ zu sprechen. Gefiel es mir, die Vorstellungen und Fantasien meiner Kindheit, die von magischen Abenteuergeschichten geprägt sind, ad absurdum geführt und ins Groteske verdreht zu sehen? Selbstverständlich nicht. Doch faszinierte es mich? Zweifellos. Ihr müsst selbst entscheiden, ob ihr bereit seid, euch der bitteren Realität der Trilogie zu stellen. Solltet ihr es wagen, verspreche ich euch ein einzigartig prickelndes Leseerlebnis, das die Dimensionen eines verzauberten Kleiderschranks oder eines sprechenden Kaninchens weit hinter sich lässt. Wobei – einen sprechenden Hasen gibt es. Immerhin.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/06/03/lev-grossman-the-magician-king
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