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review 2019-10-24 11:09
Magie und Verschwörungen auf offener See
The Red Wolf Conspiracy (Chathrand Voyages, #1) - Robert V.S. Redick

Robert V.S. Redick hat einen Master in Tropenschutz. Während seines Studiums arbeitete er in Argentinien, an der Patagonischen Küste. Elf Tage verbachte er auf Valdés, einer kleinen Halbinsel mit atemberaubender Flora und Fauna. Eines Morgens ging er allein spazieren. Es war neblig. Er sah hinaus auf den Südatlantik und plötzlich überfiel ihn die Vision eines gigantischen Schiffes, das vor seinen Augen an den Klippen zerschellte. Einige Jahre später wurde er auf die Libertad eingeladen, ein Segelschulschiff der argentinischen Kriegsmarine. An Bord erinnerte er sich an seine Vision und legte den Grundstein für seine High Fantasy – Reihe „The Chathrand Voyage“, die mit „The Red Wolf Conspiracy“ beginnt.

 

Sechs Jahrhunderte war die IMS Chathrand das Juwel der arqualischen Schifffahrt. Ihre gigantischen Ausmaße waren legendär, sie erlebte Kriege und Piraterie, bereiste die entlegensten Ozeane Alifros‘ und legte unzählige Seemeilen zurück. Sie war die letzte ihrer Art, ein Relikt einer vergangenen Epoche. Ihr allein gebührte es, zu der vielleicht wichtigsten diplomatischen Mission ihrer reichen Geschichte aufzubrechen: bemannt von 800 Seelen sollte sie Frieden zwischen Arqual und Mzithrin stiften. Doch an Bord gingen seltsame Dinge vor sich. Soldat_innen und Assassinen mischten sich unter die Seeleute, in den Eingeweiden des Schiffes versteckte sich das verhasste Volk der Ixchel und ein Schiffsjunge namens Pazel erlebte Fluch und Segen seiner rätselhaften Sprachtalente. Magie, Intrigen und Verschwörungen brachten sie auf ihrer bedeutenden Fahrt vom Kurs ab, bis eines Tages keine Nachrichten mehr in ihrer Heimat eintrafen. Vor der Insel Talturi, nicht weit entfernt von der Küste Mzithrins, wurde das Wrack ihres Langbootes und die Leichen der Besatzung gefunden. Ganz Arqual fragt sich: was ist mit der Chathrand geschehen? Kann das gewaltige Schiff tatsächlich verschollen sein?

 

Ich liebe Seefahrtgeschichten. Deshalb hatte Robert V.S. Redick mit „The Red Wolf Conspiracy“ bei mir eigentlich von Anfang an leichtes Spiel. Tatsächlich verliebte ich mich sofort in die IMS Chathrand; in meiner Fantasie ist sie eine beeindruckende Schönheit kaum vorstellbarer Dimensionen. Sie ist ein Mysterium und eine schwimmende Stadt; uralt, weitgereist und aus mittlerweile versiegten oder vergessenen Rohstoffen erbaut. Vermutlich kennt niemand alle ihrer Ecken und Winkel, weshalb sie voller Geheimnisse steckt, die sie, einer Lady angemessen, diskret bewahrt. Ich tollte in Gedanken neugierig und aufgeregt wie ein Kind über ihre sieben Decks und hatte Spaß daran, stetig Neues zu entdecken. Mein Forschergeist wurde durch das Wissen, dass die Chathrand offiziell verschwunden ist, zusätzlich angeheizt. Diese Information erhalten Leser_innen noch vor Beginn der Geschichte durch einen Zeitungsartikel. Sie bleibt im Verlauf präsent, weil Redick sich einer überraschenden Mischung von Stilmitteln bediente, um den Anschein einer Beweismittelsammlung zu erwecken. Briefe und Tagebucheinträge, die teilweise sogar kommentiert sind, ließen mich nie vergessen, dass der Verbleib der Chathrand ungeklärt ist. Ich brannte darauf, herauszufinden, was mit ihr geschehen ist und inwiefern ihr Verschwinden mit der vertrackten politischen Lage zwischen Arqual und Mzithrin zusammenhängt. Obwohl Redick die Handlung von „The Red Wolf Conspiracy“ mit dem Setting der Chathrand räumlich stark begrenzte, erschien sie mir niemals als isoliertes Kammerspiel. Es ist eindeutig, dass alles, was an Bord passiert, eine Folge seines lebhaften Designs der Welt Alifros ist. Arqual und Mzithrin sind tonangebende Nationen, die einen Konflikt austragen, in dem Intrigen und Diplomatie beinahe gleichbedeutend sind. Die heikle Friedensmission, die die Chathrand erfüllen soll und die durch mehrere Verschwörungen sabotiert wird, schlägt allerdings Wellen, die über diese beiden Akteure hinausgehen und unter anderem auch die Ixchel betreffen. Ich bin von diesen etwa 20cm winzigen Krieger_innen begeistert und kann gar nicht verstehen, wieso solche Völker nicht häufiger in der High Fantasy auftreten. Redick überzeugte mich mit vielen dieser frischen Ideen, die „The Red Wolf Conspiracy“ zu einem Selbstläufer hätten machen sollen. Unglücklicherweise entpuppte sich der Reihenauftakt hingegen als eine schwierige Lektüre. Ich kam nicht voran und habe ewig gebraucht, weil mich die seltsame Taktung der Geschichte immer wieder ausbremste. Jedes Mal, wenn der Spannungsbogen einen Höhepunkt erreichte, nahm der Autor die entscheidende(n) Figur(en) aus dem Bild. Zum Beispiel wird der Protagonist Pazel genau dann von der Chathrand verbannt, als sich die Aufdeckung einer Verschwörung anbahnt, weshalb ich die folgenden Entwicklungen nicht mehr miterlebte. Dadurch ergaben sich große Handlungssprünge, die Interessantes ausklammerten und stattdessen weniger wichtige Nebendramen fokussierten. Ich hatte Mühe, dranzubleiben und musste mich zwingen, weiterzulesen.

 

Grundsätzlich mochte ich alles, was mir Robert V.S. Redick in „The Red Wolf Conspiracy“ servierte. Trotz dessen empfinde ich die Geschichte bisher noch als recht unübersichtlich. Es ist nicht ganz leicht, allen inhaltlichen Verknüpfungen zu folgen. Zukünftig sollte der Autor Prioritäten setzen und sich auf das Wesentliche konzentrieren, statt ausschmückendes Beiwerk zu schreiben, das die ohnehin kniffelige Lage in Alifros zusätzlich verkompliziert. Gelingt ihm das, sollte sich das Problem mit der Taktung ganz von selbst lösen. Ich bin gewillt, ihm mit der Fortsetzung von „The Chathrand Voyage“, „The Rats and the Ruling Sea“, eine weitere Chance einzuräumen, denn ich glaube durchaus an das Potential der Reihe und möchte mehr von Redicks faszinierender Welt sehen. Außerdem weiß ich noch nicht, was mit der Chathrand geschehen ist und dieses Geheimnis muss ich einfach lüften. Dumm sterben ist keine Option.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/24/robert-v-s-redick-the-red-wolf-conspiracy
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review 2019-05-14 10:48
Vampir-Postapokalypse
The Passage (The Passage #1) - Justin Cronin

„The Passage“ von Justin Cronin ist ein Reread. Ich habe den Auftakt der gleichnamigen Trilogie 2011 schon einmal als „Der Übergang“ gelesen. Für mich stand nie Frage, dass ich „The Passage“ weiterverfolgen würde, aber die langwierige Veröffentlichungsgeschichte der deutschen Folgebände verzögerte dieses Vorhaben und schadete meinen Erinnerungen erheblich. Als das Finale 2018 als deutsches Taschenbuch erschien, wusste ich, dass ich von vorn beginnen musste. Während der Wartezeit veränderte sich allerdings mein Leseverhalten, sodass ich auf die deutschen Ausgaben nicht mehr angewiesen war. Amazon verführte mich mit einem günstigen E-Book-Deal für die gesamte Trilogie in Englisch und ich startete einen zweiten Anlauf mit „The Passage“ im Original.

 

Peter Jaxon hat noch nie die Sterne gesehen. Er wurde in einer Kolonie in Kalifornien geboren, in der es niemals dunkel wird. Dicke Mauern und mächtige Strahler, die die Nacht taghell erleuchten, bieten Schutz vor den blutgierigen Monstern der Dunkelheit: Virals. Die animalischen Infizierten erinnern kaum an die Menschen, die sie einst waren. Angeblich waren die ersten Virals das Ergebnis eines fehlgeschlagenen Militär-Experiments vor beinahe 100 Jahren. Heute beherrschen sie die USA. Vielleicht sind die wenigen Familien, die in der Kolonie Zuflucht fanden, die letzten Überlebenden. Doch eines Tages entdecken die Wachen vor den Toren ein kleines Mädchen. Sie ist allein und etwa sechs Jahre alt. Niemand weiß woher sie kam. In ihrem Nacken befindet sich ein Chip, dessen gespeicherte Informationen eine verwirrende Geschichte erzählen. Das Mädchen heißt Amy und war Teil des gescheiterten Experiments, das die Virals erschuf. Der Chip sendet ein Signal. In der Hoffnung, Antworten und weitere Überlebende zu finden, beschließen Peter und seine Freunde, es bis zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. Amys plötzliches Auftauchen muss etwas bedeuten. Könnte sie die Rettung der Menschheit sein?

 

Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rezension zu „The Passage“ darauf hinweisen, dass meine Inhaltsangabe lediglich einen Bruchteil der Handlung des Trilogieauftakts abdeckt. Ich habe mit anderen, umfangreicheren Versionen herumgespielt, aber es stellte sich heraus, dass jede Annäherung an den vollständigen Inhalt jeglichen Rahmen sprengte. Daraus könnt ihr ableiten, wie komplex die Geschichte ist, die Justin Cronin erzählt. Der erste Band teilt sich in zwei Zeitabschnitte: zuerst erleben die Leser_innen den Ausbruch der ursprünglichen zwölf Virals und den daraus resultierenden Zusammenbruch der modernen Zivilisation; danach folgt ein enormer Zeitsprung von knapp 100 Jahren in die Zukunft, der die kläglichen Überreste der Menschheit in der von Virals dominierten USA fokussiert. Klingt simpel, ist es aber nicht. Cronin liebt Details. Er ist ein penibler, perfektionistischer Autor, der keine Gelegenheit auslässt, exakte Beschreibungen einzuarbeiten und sein Epos groß aufzuziehen. Seine Zukunftsvision bietet eine spannende Perspektive auf den Vampirmythos, denn Virals sind im Grunde nichts anderes als äußerst grässliche Blutsauger, Glitzereffekt ausgeschlossen. Trotz dieser scheinbar übernatürlichen Thematik ist „The Passage“ vorstellbar und glaubwürdig. Cronin präsentiert fundiert wirkende wissenschaftliche Erklärungen, aus denen sich ein durchaus realistisches Szenario ergibt. Wer weiß schon, womit die Militärs dieser Welt im Geheimen herumpfuschen? In diesem Fall glaubte die US-Armee, sie hätte ein Allheilmittel gegen Krankheiten und den Tod gefunden. Sie injizierten zwölf Todeszelleninsassen ein Virus aus dem bolivianischen Dschungel und hofften auf einen medizinischen Durchbruch. Natürlich ahnten sie nicht, was sie erschufen. Auf gewisse Weise wurden ihre Hoffnungen sogar erfüllt, denn Virals sind albtraumhafte Spitzenprädatoren – unsterblich, beinahe unverwundbar und Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen. Mich gruselte vor allem ihre primitive, inhumane Schwarmintelligenz. Diese Monster ließ die Army auf die Welt los, weil sie zu arrogant waren, um zu begreifen, dass ihre Kontrolle über die Virals lediglich Illusion war. Die explosive Eskalation, die Cronin beschreibt, erschien mir vollkommen plausibel. Diesen ersten Part der Geschichte fand ich rasant, atemlos und ausgesprochen aufregend. Mit dem Übergang zum zweiten Part flacht der Spannungsbogen jedoch abrupt ab. Cronin nimmt sich viel Zeit, um die Situation der Kolonie zu etablieren und ergeht sich in langatmigen Darstellungen des Alltags der neuen Figuren, die ich dadurch allerdings intim kennenlernte. Ich bin sicher, sie alle zuverlässig einschätzen zu können. Die Spannungskurve nimmt erst wieder Fahrt auf, als Peter und seine Freunde die Kolonie verlassen, um den Ursprung von Amys Chipsignal ausfindig zu machen. Ihre Reise ist der Beginn der grundlegenden Geschichte: der aktive Kampf um das Überleben der menschlichen Spezies.

 

Als ich vor acht Jahren „Der Übergang“ las, war ich überwältigt. Diese Euphorie konnte ich mit der Lektüre von „The Passage“ zwar nicht wiederbeleben, doch das werfe ich Justin Cronin nicht vor. Ich habe seitdem eine Menge Dystopien und postapokalyptische Romane gelesen, weshalb es deutlich schwerer ist, in mir dieselbe Begeisterung zu entfachen. Nichtsdestotrotz beeindruckte er mich mit der gewaltigen, Spannungstiefs rechtfertigenden Dimension seiner Geschichte und der überzeugenden Umsetzung seiner interessanten Ideen. Seine Penibilität gefällt mir, weil ich das Gefühl habe, mich jeder Zeit auf seine Autorität als Autor verlassen zu können. Der einzige kleine Hickser in einem sonst stimmigen Buch ist der nicht zu leugnende christlich-religiöse Einschlag, mit dem ich als Atheistin nichts anfangen kann. Solange dieser jedoch diskret bleibt, werde ich mich daran nicht stören. Eine Vampir-Postapokalypse ist einfach faszinierend, christliche Motive hin oder her.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/05/14/justin-cronin-the-passage
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review 2017-11-01 16:49
Alte Freunde, dunkle Vorzeichen - es wird episch!
Die Hexenholzkrone 1 - Tad Williams,Cornelia Holfelder-von der Tann,Wolfram Ströle

Endlich ist es da! Seit ich erfahren habe, dass Tad Williams 2017 nach Osten Ard zurückkehrt und uns mit der neuen Trilogie „Der Letzte König von Osten Ard“ beglückt, konnte ich die Veröffentlichung des ersten Bandes „Die Hexenholzkrone“, der auf dem deutschen Markt geteilt erscheint, kaum erwarten. Das Zwischenspiel „Das Herz der Verlorenen Dinge“ versüßte mir natürlich die Wartezeit, doch es fachte meine Ungeduld auch zusätzlich an. Im September war es dann soweit. Der erste Teil „Die Hexenholzkrone 1“ erblickte das Licht der Welt und ich zögerte nicht, den Verlag Klett-Cotta um ein Rezensionsexemplar zu bitten, das ich rechtzeitig vor Erscheinen des zweiten Teils im November lesen und rezensieren wollte. Voller Vorfreude stürzte ich mich in mein Wiedersehen mit Simon und seinen Freunden, wohl wissend, dass mich Tad Williams im Grunde nicht enttäuschen konnte.

 

30 Jahre nach dem Sturmkönigskrieg sind die gefürchteten Nornen nur noch eine Schauergeschichte. Osten Ard erblühte und gedieh unter der Regentschaft des Königspaares Simon und Miriamel; es herrschen Frieden und Wohlstand. Doch der Schein trügt. Tief unter der Sturmspitze regen sich die Hikeda‘ya erneut. Ihre finstere Königin Utuk’ku erwachte aus ihrem Heilschlaf und plant, Rache für die verheerende Niederlage am Hochhorst zu nehmen. Immer häufiger erreichen Simon und Miriamel Berichte von Sichtungen der Nornen. Unruhe breitet sich wie ein beklemmender Schatten in Osten Ard aus. In Hernystir künden besorgniserregende Gerüchte von der Wiederbelebung eines grässlichen Blutkultes. Im nabbanischen Süden droht eine Fehde zwischen Brüdern zu eskalieren und das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Simon und Miriamel müssen handeln. Unglücklicherweise sind sie nicht mehr jung. Ihre Verbündeten sind entweder alt oder tot. Können sie es wagen, das Schicksal ihres Reiches in die Hände der nächsten Generation zu legen?

 

Hach. Ich bin zu Hause. Als ich „Die Hexenholzkrone 1“ aufschlug und die ersten Sätze las, war es, als hätte sich eine Tür geöffnet. Eine schwere, massive Holztür, reich verziert mit verschnörkelten Schnitzereien von Tad Williams persönlich. Ich atmete tief ein und konnte Osten Ard auf meiner Zunge schmecken, sein Duft kitzelte mich in der Nase und all die wundervollen Erinnerungen an „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ zupften an meinem Herzen. Ich wollte rennen, durch diese Tür hindurch und hinein in das Reich, in dem meine alten Freunde bereits auf mich warteten. Es war unheimlich ergreifend, nach Osten Ard zurückzukehren. Nostalgisch und doch überraschend. Selbstverständlich bereitete mich die Stippvisite in „Das Herz der Verlorenen Dinge“ darauf vor, aber mich jetzt in der Gesellschaft all der liebgewonnenen Figuren wiederzufinden, war rührender, als ich erwartet hatte. Wie schön war es, Simon, Miriamel, Binabik, Sludig und ihre Verbündeten wiederzusehen! Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie sich kaum verändert haben. Sie mögen älter und reifer sein, aber sie sind noch immer dieselben. Ich habe alle sofort wiedererkannt, was impliziert, wie intensiv sich Tad Williams mit ihren Charakteren auseinandergesetzt haben muss. Schließlich sind nicht nur in Osten Ard 30 Jahre verstrichen und es ist sicherlich nicht einfach, sich in Figuren hineinzuversetzen, die vor so langer Zeit konstruiert wurden. Zahlreiche Perspektivwechsel, die weniger abrupt als in „Das Geheimnis der Großen Schwerter“ ausfallen, überzeugten mich davon, dass er hart daran arbeitete, sie realistisch und ihren Persönlichkeiten entsprechend handeln und fühlen zu lassen, was natürlich auch für die neuen Figuren in „Der Letzte König von Osten Ard“ gilt. Ich fand es fabelhaft, Simon und Miriamels Enkel, Prinz Morgan, kennenzulernen, weil es mich köstlich amüsierte, wie ähnlich er dem jugendlichen Simon ist und diesen damit zur Weißglut treibt. Morgan ist ebenso stur, stolz, rebellisch, trotzig und abenteuerlustig wie Simon. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Vielleicht ist er gerade deshalb der Held, der Osten Ard zu retten vermag, denn dass Osten Ard schon bald einen Helden brauchen wird, steht für mich außer Frage. Trotz der zunehmend aufweichenden Grenzen zwischen Gut und Böse, die die Nornen nicht mehr als ultimative Antagonisten brandmarken, sondern sie als Volk mit einer reichen, aber starren und weit zurückreichenden Kultur beschreiben, braut sich da zweifellos etwas Bedrohliches zusammen. Ich kann es bis in meine Haarspitzen spüren. Tad Williams ist ein Meister sich einschleichender, dunkler Vorzeichen, die hauptsächlich durch die Atmosphäre transportiert werden. Sein enormes Feingefühl für die Wirkung winziger Details ist fantastisch und möglicherweise der Grund, warum ich den Spannungsbogen als angenehm konstant empfand. „Die Hexenholzkrone 1“ ist unbestritten eine Einleitung, demzufolge ist das Tempo gemächlich, doch im Gegensatz zu „Der Drachenbeinthron“ musste ich mich während der Lektüre nicht antreiben. Die Seiten flogen dahin. 30 zusätzliche Jahre Erfahrung als Autor lassen sich eben nicht wegdiskutieren.

 

Ich verfluche meine selbstauferlegten Richtlinien zum Schreiben einer Rezension. Ich würde euch gern so viel mehr von „Die Hexenholzkrone 1“ erzählen, schwärmen, schwelgen und meine Begeisterung hinausposaunen. Es ist ehrfurchtgebietend, dass Tad Williams nach 30 Jahren den Mut und die Disziplin aufbrachte, noch einmal von vorn zu beginnen, sowohl Osten Ard als auch seine Figuren neu kennenzulernen und die Möglichkeiten dieses atemberaubenden Universums zu erforschen. All seine Arbeit schwingt auf jeder Seite dieses Trilogieauftakts mit und ich bewundere ihn dafür zutiefst. „Der Letzte König von Osten Ard“ verspricht, ein gewaltiges, episches Abenteuer zu werden und ich freue mich wie ein Kleinkind darauf, herauszufinden, welche Herausforderungen Simon, Miri und ihre Freunde meistern müssen. Ich bin heimgekehrt. Jetzt mache ich es mir gemütlich.

 

Vielen Dank an den Verlag Klett-Cotta bzw. Hobbit Presse für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/11/01/tad-williams-die-hexenholzkrone-1
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review 2015-12-27 11:47
Schlechtes Erwartungsmanagement
Tintenherz (Tintenwelt, #1) - Cornelia Funke

Gibt es eine deutschsprachige Autorin, die den Titel „Bestsellerautorin“ wirklich verdient, dann ist es Cornelia Funke. Seit Ende der 80er Jahre im Geschäft, lag ihre Gesamtauflage 2012 bei Sage und Schreibe 20 Millionen Büchern. Ihre Romane wurden bislang in 37 Sprachen übersetzt und 2005 wählte sie das TIME Magazine unter die 100 weltweit einflussreichsten Persönlichkeiten.
Trotz Funkes enormen Erfolgs und jahrelanger, euphorischer Schwärmerei seitens meiner Mutter brauchte ich sehr lange, bis ich bereit war, „Tintenherz“ endlich eine Chance zu geben.

 

Meggie und ihr Vater Mo führen ein ungewöhnliches, aber ruhiges Leben. Als Buchbinder ist Mo viel unterwegs, um Büchern überall auf der Welt ein neues Kleid zu schenken. Seine Tochter begleitet ihn oft auf seinen Reisen, denn die Liebe zu den Büchern verbindet sie. Niemals hätte Meggie erwartet, dass ausgerechnet ein Buch ihr Leben völlig durcheinanderbringt. In einer besonders ungemütlichen Nacht klopft ein mysteriöser Gast an ihre Tür. Seltsamerweise scheint Mo den Mann zu kennen, doch sein Besuch ist ihm offenbar unangenehm. Am nächsten Morgen brechen sie Hals über Kopf zu Meggies verschrobener Tante Elinor auf. Bevor sie abfahren, beobachtet Meggie Mo dabei, wie er ein merkwürdiges kleines Buch einpackt, das Meggie noch nie zuvor gesehen hat. Bei Elinor angekommen, bittet Mo sie, eben dieses Buch in ihrer gewaltigen Bibliothek zu verstecken. Warum will Mo das Buch verbergen und wieso weigert er sich, Meggie zu erklären, was es damit auf sich hat? Als böse Männer in Elinors Haus einbrechen, das Buch stehlen und Mo entführen, stürzen Vater und Tochter in das Abenteuer ihres Lebens – voller Magie, Geheimnissen und Gefahren.

 

„Tintenherz“ ist für mich ein Rezensionsschreckgespenst. Selbst während ich hier sitze und tippe, weiß ich eigentlich nicht, was ich schreiben soll. Ich gebe das ganz ehrlich zu, denn ich glaube einerseits, dass das allen Rezensent_innen ab und zu passiert und andererseits, dass die Tatsache, dass mir nichts einfällt, bereits einiges darüber aussagt, wie ich das Buch fand. Deswegen wird dies hier keine reguläre Rezension, denn ich bin nicht in der Lage, „Tintenherz“ wie jedes andere Werk zu analysieren. Stattdessen möchte ich euch erklären, was mich blockiert und warum.
Nach der Lektüre von „Tintenherz“ habe ich mich mit meiner Mutter über Erwartungsmanagement unterhalten müssen. Es tut mir unheimlich leid um das Buch, doch aufgrund ihres jahrelangen Überschwangs waren meine Erwartungen astronomisch, unrealistisch hoch. Sie hat das Buch in meinem Kopf größer werden lassen, als es eigentlich ist, wodurch mich die tatsächliche Erfahrung des Lesens enttäuscht hat. Die ganze Zeit wartete ich darauf, dass all das Spektakuläre, das ich in die Worte meiner Mutter hineininterpretierte, passierte. Ich konnte nicht wissen, dass meine Erwartungshaltung unmöglich zu erfüllen war. Darüber hinaus wurde mir klar, dass sie mir bereits lange vor der Lektüre das wichtigste Detail der Geschichte verriet. Sie hat mich heftig gespoilert. Das ist das erste Mal, dass sich meine Kenntnis eines entscheidenden Bausteins unbestreitbar auf mein Lesevergnügen auswirkte.
Ich kann „Tintenherz“ nicht objektiv bewerten, weil ich nicht weiß, wie es auf mich gewirkt hätte, wären meine Erwartungen nicht total übersteigert gewesen. Meine Enttäuschung ist so dominant, dass sie jedes andere Gefühl überdeckt und unterdrückt. Der Versuch einer normalen Rezension wäre deswegen äußerst unfair, denn es liegt nicht an der Geschichte selbst, dass ich unzufrieden bin. Glaube ich zumindest. Ich denke schon, dass sie mir hätte gefallen können, obwohl ich überzeugt bin, dass ich den allgemeinen Hype trotz dessen nur schwerlich nachvollziehen könnte. Dafür hätte ich sie vermutlich wesentlich eher lesen müssen, nicht erst mit Mitte 20.
Ich hoffe nun stark auf die Fortsetzung der Trilogie, über die ich rein gar nichts weiß. Ich fand den Auftakt ja nicht schlecht, er war nur nicht das, was ich erwartet hatte. Ich möchte mich nicht damit abfinden, dass sich alles, was ich für „Tintenherz“ empfinde, durch ein Schulterzucken ausdrücken lässt. Für mich ist diese Situation nicht akzeptabel, denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich so viele Leser_innen weltweit irren sollen. Nein, ich bin das Problem, dessen bin ich sicher.

 

Manchmal ist die Beziehung zu einem Buch durch äußere Faktoren kompliziert. Erwartungen sind eine heikle Angelegenheit. Wie ihr seht, ist die begeisterte Schwärmerei über ein Buch in diesem Fall mächtig nach hinten losgegangen. Ich möchte noch einmal betonen, wie leid es mir um „Tintenherz“ tut. Ich laste es weder Cornelia Funke noch der Geschichte an, dass mich die Lektüre nicht so glücklich gemacht hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Es tut mir auch leid, dass ich euch dieses Mal keine richtige Rezension anbieten kann, aber ich komme an meinem Gefühl der Enttäuschung einfach nicht vorbei. Ich würde euch gern einen Eindruck von Schreibstil, Handlungskonstruktion und Charakterkonzipierung vermitteln, doch ich dringe nicht zu meinem analytischen Ich hindurch. Für mich ist das eine unangenehme Erfahrung, allerdings ist es auch eine wichtige Lektion, die ich bereits an meine Mutter weitergereicht habe. In Zukunft wird sie sich bestimmt etwas besser beherrschen und sich auf die Zunge beißen, bevor sie mir ein entscheidendes Detail verrät. ;)
Wenn ihr „Tintenherz“ bereits gelesen habt, verratet mir doch, was euch daran begeisterte. Vielleicht brauche ich einfach eine andere Perspektive, um zu sehen, was an der Geschichte so wundervoll ist, dass sie weltweit geliebt wird.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/12/27/cornelia-funke-tintenherz
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