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review 2018-11-21 08:55
Schluchzend und blubbernd in den Sonnenuntergang
Wrath - John Gwynne

Der Feind hat Drassil eingenommen. Calidus und Nathair besitzen drei der Sieben Schätze und sind ihrem Ziel, Asroth in die irdische Welt zu bringen, bedrohlich nahe. Das Wettrennen um die verbleibenden Gegenstände hat begonnen. Nur zusammen können sie Asroth‘ Ketten in der Anderswelt sprengen – und nur zusammen können sie zerstört werden, um die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ein für alle Mal zu bannen. Noch besteht Hoffnung, doch die Rebellion muss einen harten Rückschlag verkraften: Corban wurde vom Riesen-Clan der Jotun entführt. Will er überleben, muss er die Jotun davon überzeugen, sich dem Krieg der Götter anzuschließen und ihn freizulassen. Die Zukunft der Verbannten Lande hängt davon ab, dass er die Sieben Schätze erobert und zu seinen Truppen zurückkehrt. Sie brauchen ihn. Die Prophezeiung mag eine Lüge sein, aber Corban ist ihr Leuchtender Stern, ihr Anführer, der ihnen die Kraft verleiht, den Mächten des Bösen die Stirn zu bieten, während die letzte Schlacht naht. Sie wird viele Leben fordern. Vor den Toren Drassils wird sich das Schicksal der Welt entscheiden. Werden Corban und seine Verbündeten in ihren Herzen Wahrheit und Mut finden, um zu schützen, was ihnen lieb und teuer ist und Asroth‘ Schergen endgültig zu besiegen?

 

Ich dachte, ich hätte das Maximum emotionaler Intensität mit „Ruin“ erreicht. Ich dachte, schlimmer als der Cliffhanger am Ende des dritten Bandes von „The Faithful and the Fallen“ könnte es nicht mehr werden. Oh, wie habe ich mich getäuscht. Auf den letzten 50 Seiten des finalen Bandes „Wrath“ war ich ein schluchzendes, blubberndes Wrack. Die alles entscheidende Schlacht um das Schicksal der Verbannten Lande ist John Gwynnes Meisterwerk. Für mich sind Schlachten in der High Fantasy ein Qualitätsmerkmal und diese ist grandios. Allein schon, dass sie etwa 150 Seiten umfasst, versetzt mich in Jubelstürme. Es ist mir wichtig, dass ein Epos wie „The Faithful and the Fallen“ gebührend abgeschlossen wird und ich zolle Gwynne meinen Respekt dafür, dass er sich nicht hetzen ließ und den Schlachtszenen den Raum zugestand, den sie verdienen. Dadurch war es ihm möglich, die verschiedenen Strömungen auf dem Schlachtfeld realistisch abzubilden. Er verdeutlicht hervorragend, dass eine Schlacht keine homogene Szenerie ist, sondern pures, wirbelndes Chaos, in dem wenige Meter ganze Welten trennen können. Kurze Kapitel, die in rasanter Abfolge von Figur zu Figur springen, zeigen ihre individuellen Erfahrungen im Kampf und trieben meinen Puls in die Höhe. Ich erlebte Aufregung, Sorge, Trauer, Genugtuung, Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Erleichterung im Schnelldurchlauf und rauschte durch meine überschäumenden Emotionen, ohne ein einziges Mal den Überblick zu verlieren. Die Todesquote ist tragisch; ich musste lernen, dass wirklich niemand mehr sicher war und fürchtete um sie alle. Ich beobachtete atemlos und weinte bittere Tränen um diejenigen, die im Namen des Guten starben. In dieser Schlacht verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse mehr denn je. Von Anfang an erforschte Gwynne diese fließenden Konzepte durch die Entwicklung seiner Figuren. Camlin begann als Bandit und wurde zu Edanas wichtigstem Gefolgsmann. Veradis war stets ein guter Mensch, der aus blinder Loyalität Böses tat. Und Maquin… Ach, Maquin. Mein Herz blutet für ihn. Sein Leben verlangte ihm so viel ab, war eine Parade des Kummers, wen wundert es da, dass er zu einem kaltblütigen Killer wurde? Dennoch ist er im Kampf gegen Asroth unverzichtbar. Es fasziniert mich, wie Gwynne seine ehemals eindeutige Unterteilung in Gut und Böse durch diese ambivalenten Biografien selbst aufweicht, ohne den fundamentalen, religiösen Konflikt der Reihe in Frage zu stellen. Asroth ist in „Wrath“ noch immer ohne jeden Zweifel das Übel, das es zu bekämpfen gilt und Calidus, Nathair und Rhin sind als seine Werkzeuge greifbare Agent_innen des Bösen. Die Rolle von Elyon hingegen bleibt abstrakt, anonym und abwesend. Selbst wenn man annimmt, dass Elyon mit jeder positiven Eigenschaft der Menschheit gleichzusetzen ist, kämpfen die Menschen meiner Meinung nach höchstens indirekt für ihn. Sie kämpfen für sich. Für ihre Welt, für ihre Familien, für ihre Zukunft. Deshalb ist es irrelevant, dass Corban eigentlich nicht der Leuchtende Stern ist. Für sie ist er es. Die Prophezeiung diente ohnehin lediglich als Katalysator; je weiter der Konflikt voranschritt, desto überflüssiger wurde sie als Motivation. Die Menschen fanden die Motivation in ihren Herzen. Ich bin sehr froh, dass Gwynne Corban mit seiner Entführung durch die Jotun die Zeit schenkte, ebenfalls zu erkennen, dass Meicals Offenbarung für ihn keinerlei Konsequenzen hat. Er tut trotzdem das Richtige. Und das Richtige ist natürlich, die Welt zu retten – was sonst?

 

„The Faithful and the Fallen“ enthält für mich alles, was die High Fantasy zu meinem Lieblingsgenre macht. John Gwynne erreichte mit Schlichtheit ein beeindruckendes Maß an Komplexität. Die vier Bände basieren auf wenigen, simplen Bausteinen, doch gemeinsam bilden sie ein facettenreiches, vielschichtiges Konstrukt, dessen leichte Vorhersehbarkeit die Zugkraft der Geschichte nicht im Mindesten bremst. Die liebenswerten Figuren entlocken ihr eine emotionale Verbindlichkeit und Authentizität, die mich ungemein begeisterte und verzauberte. Mit „Wrath“ schließt Gwynne sein Epos würdig, stimmig und befriedigend ab, wofür ich ihm von Herzen dankbar bin. Ein schales Ende hätte mich wahnsinnig enttäuscht. All die Tränen, die ich während der Lektüre dieses Bandes vergoss, habe ich gern vergossen, weil ich es selbst nach zahllosen Leseerfahrungen noch immer zu schätzen weiß, wenn sich diese spezielle Magie entfaltet und mich ein Buch so tief berührt wie „Wrath“. Deshalb ist „The Faithful and the Fallen“ für mich trotz vieler bekannter Elemente etwas ganz Besonderes. Diese bewegende Geschichte konnte nur John Gwynne erzählen. Ich verneige mich voller Hochachtung. Truth and Courage.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/21/john-gwynne-wrath
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review 2018-11-14 11:00
Ich bin glücklich!
Valour - John Gwynne

Corban und seine Freunde haben den Überfall auf Dun Carreg knapp überlebt. Sie sind entkommen und konnten Ardans rechtmäßige Thronerbin Edana retten. Der Verlust ihrer Lieben lastet schwer auf ihren Herzen. Corban hadert mit dem Wissen, dass seine Mutter und Gar in ihm den Leuchtenden Stern sehen. Wenn er noch nicht einmal seinen Vater und seine Schwester Cywen schützen konnte, wie kann er dann der prophetische Heilsbringer sein? Leider hat er keine Zeit, sich mit seinen widerstreitenden Emotionen auseinanderzusetzen. Seine kleine Gruppe Überlebender hat nur eine Chance: sie müssen nach Domhain fliehen, König Eremons Reich, der ihnen Asyl bieten könnte. Doch der Weg dorthin ist lang, beschwerlich und riskant. Unter der Führung von Veradis erfüllen Nathairs Truppen die Versprechen des jungen Königs an seine Verbündeten und überziehen die Verbannten Lande mit Krieg. Die größte Bedrohung geht jedoch von Nathair selbst aus. Auf Drängen seines unheimlichen Beraters Calidus sucht er nach dem Kessel, einem der Sieben Schätze, der es ihm ermöglichen soll, sich zum Hochkönig aufzuschwingen. Nathair merkt nicht, dass er sich mit finsteren Mächten einlässt und zu dem wird, was er zu vernichten gedenkt: die Schwarze Sonne…

 

„Valour“ hat mich unheimlich glücklich gemacht. Als ich den zweiten Band der High Fantasy – Reihe „The Faithful and the Fallen“ zuschlug, hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht und konnte nicht widerstehen, sofort mit dem dritten Band zu beginnen. Ich bin sehr froh, dass ich meiner Intuition vertraute, die mir während der Lektüre des ersten Bandes „Malice“ versicherte, dass es sich lohnen würde, dran zu bleiben und die Tetralogie trotz mangelnder Originalität nicht aufzugeben. Ich liebe es, Recht zu behalten. Mit „Valour“ erfindet der Autor John Gwynne das Genre sicherlich nicht neu, aber er holt das Beste aus einem epischen Kampf zwischen Gut und Böse heraus. Das Buch ist spannend, mitreißend, fesselnd – ich wollte nicht mehr aufhören zu lesen und während der letzten Seiten packte ich es fester, weil es so aufregend war. Der grundlegende Konflikt ist äußerst simpel: John Gwynne zeigt das Ringen des allmächtigen Schöpfers Elyon mit seinem Widersacher Asroth um das Schicksal der Verbannten Lande. Diese Schlichtheit wirkt sich keinesfalls nachteilig aus, im Gegenteil, ich mochte die gradlinige Unterteilung in Gut und Böse und den ausgeprägten religiösen Einschlag, der von christlichen und jüdischen Motiven inspiriert ist. Komplexität erhält die Geschichte durch die Figuren. Ach, diese Figuren! Sie sind so echt, so lebendig, so nahbar, so realistisch! Sie sind mehr als bloße Konstruktionen aus Fantasie und Worten. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Gestaltung der Charaktere um den stärksten Aspekt der Reihe, durch den Gwynne wirklich zeigt, was er kann. Trotz einer Vielzahl an Perspektiven und einer wahren Armee an Nebenfiguren bleibt keine einzige blass oder flach. Ich entwickelte für die meisten Verständnis und bis zu einem gewissen Grad Sympathie – bis auf diejenigen, die ich nicht mögen sollte, wie zum Beispiel Calidus. Irgendjemanden muss man ja hassen dürfen. Ich konnte mich nicht einmal für eine Lieblingsfigur entscheiden, denn auf ihre Art sind sie alle liebenswert und ihr Zusammenhalt untereinander holte mich mühelos ab. Die Loyalität innerhalb der Gruppe um Corban empfand ich als außergewöhnlich überzeugend. Ich habe Gwynne abgekauft, dass sie füreinander sterben würden. Gänsehaut-Momente verursachten aber ebenfalls Figuren, die etwas weniger im Fokus stehen: Veradis‘ Fürsorge für die ihm unterstellten Soldaten imponierte mir sehr und die im Kampf gestählte Freundschaft zwischen Maquin und Ogull, die ich ohne zu zögern als Bruderschaft bezeichnen würde, rührte mich zu Tränen. Durch alle in „Valour“ beschriebenen Beziehungen zieht sich das Thema Familie wie ein roter Faden, mit dem ich mich hervorragend identifizieren konnte und das erfreulicherweise neben Menschen auch Tiere einschließt, die als vollwertige Persönlichkeiten etabliert sind. Corbans Wölfin Storm ist eine bepelzte, grimmige Kriegerin, der sich niemand entgegenstellen möchte und die ihm in vielen Schlachten das Leben rettet, denn Kampfszenen gibt es in „Valour“ in Hülle und Fülle. Mein High Fantasy – Herz frohlockte. Epische Schlachten und fiese Zweikämpfe treiben das Actionlevel nach oben, wirken jedoch niemals unnatürlich oder erzwungen. Die Verbannten Lande steuern auf einen Scheidepunkt zu, es ist naheliegend, dass die Situation eskaliert, weil Könige und Königinnen versuchen, einen kleinlichen Vorteil zu ergaunern. Unter den Mächtigen scheint Nathair die tragischste Figur zu sein, weil er noch immer glaubt, das Beste für sein Land zu tun. Ein Teil der Spannung in „Valour“ geht von der Frage aus, wann er endlich erkennt, dass er die Schwarze Sonne ist. Ich hoffe sehr darauf, dass Gwynne Nathairs Perspektive im nächsten Band involviert, denn ich wüsste zu gern, wie er seine Entscheidungen rechtfertigt. Irgendwann muss doch ihm auffallen, dass er nicht der Held, sondern der Bösewicht ist.

 

Was dem ersten Band nicht gelang, war für den zweiten ein Kinderspiel. „Valour“ konnte mich voll für „The Faithful and the Fallen“ gewinnen. Ich bin begeistert. Die Lektüre bot mir alles, was ich von einem guten Buch erwarte und wenige langatmige Stellen störten mich überhaupt nicht. Die unwiderstehliche Dramatik dieses Epos geht einerseits vom fundamentalen Konflikt zwischen Gut und Böse aus; andererseits von der brillanten Konstruktion der Figuren, die überwältigend lebensecht sind. Sie erobern und brechen mein Herz, als wären sie reale Personen. In den Verbannten Landen liegen Glück und Leid sehr nah beieinander – John Gwynne konfrontierte mich mit einer emotionalen Bandbreite, die kaum in Worte zu fassen ist. Ich gratuliere Ihnen, Mr. Gwynne. Sie haben die Durchschnittlichkeit hinter sich gelassen und ein Epos begonnen, das High Fantasy – Fans entzücken dürfte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/14/john-gwynne-valour
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