Story:
In Mirabortas bestimmt die Namensmagie über alles: Aussehen, Anerkennung und Ruhm erlangen die Nummern (Kinder), die am Tag der der Namensgebung einen bedeutenden Namen erhalten. Auch Nummer 19 träumt davon ein großer Name zu werden, um endlich aus der Bedeutungslosigkeit zu fliehen und etwas Großes zu vollbringen. Doch als es soweit ist, erhält er den Namen Tirasan Passario, während seine Klassenkameraden teilweise als bekannte und berühmte Persönlichkeiten wiedergeboren werden. Von einem Tirasan hat niemand je etwas gehört, so dass er den Weg nach Himmelstor antritt um mehr über sich und seine Vergangenheit zu erfahren. Dabei wird er von dem Krieger Rustan Polliander, der Magierin Nelia Wabloo und deren Freunden begleitet und muss schon bald feststellen, dass sich mehr hinter dem Namen Tirasan verbirgt, als er gedacht hat – denn es gibt Menschen, die ihn aus dem Weg räumen wollen …
Eigene Meinung:
„Die Magie der Namen“ stammt aus der Feder Nicole Gozdek, die mit ihrem Fantasy-Roman die Piper Awards auf Wattpad gewann. Das Buch erschien im Hardcover beim Piper-Label ivi, und soll im kommenden Jahr mit dem Roman „Die gestohlen Wirklichkeit“ fortgesetzt werden, da noch etliche Punkte offen sind und auch das Thema von Rustans Homosexualität (das am Ende des vorliegenden Buches auf zwiespältige Art gelöst wurde) erneut aufgegriffen werden soll.
Die Grundidee der Geschichte (die Namensmagie) ist wirklich schön und solide ausgearbeitet, so dass man schnell in die Handlung einsteigt. Die Sache mit der Namensgebung und der Magie, die diesem Ereignis innewohnt, ist wirklich toll umschrieben und fesselt den Leser ungemein. Es macht Spaß mit Nummer 19 den Tag mitzuerleben, in dem er und seine Klassenkameraden ihren wahren Namen erfahren und die Ereignisse, die sich diesem besonderen Ereignis anschließen. Nicole Gozdek baut eine spannende, in sich schlüssige Fantasywelt auf, die mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick scheint. Leider verliert das Buch jedoch an Fahrt, da die Geschichte ungleichmäßig aufgebaut ist. Während der Weg nach Himmelstor recht ausufernd, teils bis ins kleinste Detail beschrieben wird, überschlagen sich die Erklärungen und Auflösungen zum Ende hin so sehr, dass man fast nicht mehr hinterherkommt. Es ist wirklich schade, dass die Autorin die Geschichte auf diese rabiate Art und Weise beendet hat, denn auch wenn vieles erklärt und zum Abschluss gebracht wurde, hat man doch das Gefühl, durch die Geschichte zu hetzen. Hier wirkt sich die geringe Seitenzahl, die die Autorin beim Wettbewerb leider einhalten musste, negativ auf den Roman aus, da vieles überstürzt und hektisch wirkt.
In dem Zusammenhang ist es auch sehr schade, dass viele Ereignisse nicht aktiv erzählt werden – der Überfall der Banditen im Holzwald wird in der Retrospektive erzählt. Man ist nicht direkt dabei, als Tirasan und seine Freunde angegriffen werden. Stattdessen erfährt man den genauen Ablauf als Art Zusammenfassung, was sowohl die Spannung, als auch den Schwung aus dem Kapitel nimmt. Auch sonst kommt es immer wieder vor, dass Action-Szenen zusammengefasst werden, was sehr schade ist. Hier büßt der Roman an Tempo und Spannung ein.
Charakterlich weißt „Die Magie der Namen“ ebenfalls Schwächen auf. Tirasan ist leider ein sehr blasser, unsicherer und sehr weinerlicher Charakter, dem es an Selbstvertrauen und Stärke fehlt. Das mag zu Beginn nicht problematisch sein, doch mit der Zeit nervt seine extrem pessimistische Art und sein kindisches, unreifes Verhalten – gerade gegenüber Rustan, der ihn von Anfang an beschützen will und darüber hinaus auch noch Gefühle für seinen Freund entwickelt. Leider bleibt Rustan recht blass, ebenso seine Freunde (die mit der Zeit auch Tirasans Gefährten werden). Sie sind einfach da, weil es eine „Heldengruppe“ um Tirasan geben muss, aber welchen tieferen Zweck Allira und Baro erfüllen, bleibt schleierhaft. Sie sind einfach da, wirken aber wie Statisten. Da sie zu Beginn Nummer 19 / Tirasan eher feindlich gesonnen waren, fragt man sich sowieso ab welchem Punkt bei den beiden das Umdenken kam und warum sie überhaupt Freundschaft zu ihrem ehemaligen Konkurrenten empfinden. So wirklich nachvollziehbar ist diese Wandlung nämlich nicht.
Stilistisch legt Nicole Gozdek ein solides Buch vor, das durch eine klare, leicht verständliche Sprache und einige schöne Passagen besticht. Teilweise verwirren die vielen, unterschiedlichen Namen jedoch, doch es gibt am Ende des Buches ein Namensregister, was einen gewissen Überblick verschafft. Hin und wieder wäre es schön gewesen, wenn die Autorin die Actionszenen ausführlicher ausgeschrieben hätte, ebenso vermisst man ein wenig den Tiefgang bei den Charakteren. Sie wirken alle ein wenig blass, was jedoch auch daran liegen kann, dass sie im Grunde keinen Hintergrund haben (als Nummern sind sie vollkommen bedeutungslos und haben fast keinerlei Rechte). Dennoch vermisst man ein wenig die Charakterisierung der einzelnen Figuren.
Fazit:
„Die Magie der Namen“ ist ein solider, gut geschriebener Fantasy-Roman, der mit einer genialen Grundidee und spannenden Hintergründen aufwartet. Leider wirkt das Buch zu kurz gehalten, da das Ende ein wenig überstürzt kommt und einfach zu glatt gebügelt (Happy-End mit dem Holzhammer) wirkt. Auch mangelt es an wirklicher Charakterentwicklung und auch Spannung sucht man mit der Zeit vergeblich, da die Ereignisse einfach heruntergerasselt werden. Auch Rustans „Umpolung“ am Ende stößt dem ein oder anderen mitunter sauer auf, wenngleich dieser Punkt wohl in der Fortsetzung aufgegriffen werden wird.
Wer Fantasy und ungewöhnliche Konzepte mag, sollte einen Blick in die Leseprobe werfen und dann entscheiden, ob er Nicole Gozdeks „Die Magie der Namen“ eine Chance geben will.
Bezüglich des Endes des Buches und Rustans Homosexualität, erschien am 21.06.2016 ein offener Brief auf Like a Dream, ebenso wie eine Stellungnahme (23.06.2016) seitens des Verlags und der Autorin. In den kommenden Wochen wird zu dieser Thematik auch ein Interview mit Nicole Gozdek geführt und auf Like a Dream veröffentlicht.