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review 2019-07-23 09:17
Vornehmes Understatement
The Core (Demon Cycle #5) - Peter V. Brett

Peter V. Bretts Demon Cycle“ wurde im Verlauf von neun Jahren veröffentlicht. Insgesamt arbeitete der Autor jedoch deutlich länger an dem Fünfteiler, nämlich seit 1999. 18 Jahre verbrachte er mit der Geschichte und wusste von Anfang an, wie sie enden würde. Sein bestgehütetes Geheimnis. Deshalb war das Erscheinen des Finales „The Core“ 2017 für ihn emotional weniger aufreibend als für seine Fans, denn er hatte wesentlich mehr Zeit, sich konkret auf den Abschied vorzubereiten. Dennoch gesteht er, dass ihn der Abschluss der Saga sehr stolz macht – vollkommen zurecht, schließlich verdiente er sich mit dem Demon Cycle“ einen Platz in der A-Liga der High Fantasy.

 

„Der Schwarm wird kommen“. Zuerst halten Arlen, Renna und Jardir die düstere Prophezeiung des dämonischen Prinzgemahls Alagai Ka für eine Lüge. Doch seine lustvolle Genugtuung, als er ihnen erklärt, welche Folgen seine Gefangenschaft haben wird, kann keine Täuschung sein. Genüsslich berichtet er, dass die Dämonenkönigin bald Eier legen wird, aus denen weitere, junge Königinnen schlüpfen werden. Da er eingesperrt ist und seine stärksten Nachkommen ausgelöscht wurden, werden die verbliebenen, schwächeren Prinzen die Eier stehlen und fliehen, um überall in Thesa neue Dämonennester zu gründen. Der Hunger der frischgeschlüpften Königinnen wird unersättlich sein. Die Städte der Menschen schweben in höchster Gefahr, denn weder Siegel noch Mauern können dem Schwarm dauerhaft standhalten. Unwissentlich verdammten Arlen, Renna und Jardir die Menschheit. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als Arlens riskanten Plan in die Tat umzusetzen und Alagai Ka zu zwingen, sie in den Horc zu führen. Können sie die gefährliche Reise durch das verschlungene Labyrinth des Abgrunds zur Brutkammer überleben und die Königin töten, bevor ihre Verbündeten an der Oberfläche von den Vorboten des Schwarms in die Knie gezwungen werden?

 

Ich beendete den Demon Cycle“, wie ich ihn begonnen habe: mit einem Leserausch. Die letzten 270 Seiten von „The Core“ verschlang ich innerhalb einer Nacht, weil ich einfach nicht schlafen gehen wollte, ohne zu wissen, wie das Buch endet. Ja, ich hatte Spaß. Es handelt sich um ein logisches, stimmiges und spannendes Finale, das die Reihe würdevoll und rund abschließt. Meiner Ansicht nach beinhaltet es keine losen Enden und wird den meisten Figuren gerecht. Ich bin zufrieden. Zufrieden, doch leider nicht überwältigt. „The Core“ ist ein intelligent und packend konstruierter High Fantasy – Roman, dessen Qualität ich keinesfalls absprechen möchte. Peter V. Brett wusste, was er tat, als er ihn schrieb und die Autorität, die er auf seine Geschichte vom ersten Band bis zu diesem Reihenabschluss ausübt, beeindruckt mich. Auf mich wirkte er von Beginn an kontrolliert und perfektionistisch, wodurch der Demon Cycle“ als ausgesprochen gewissenhafte, souveräne Reihe überzeugt. Der kleine, aber feine Nachteil dieses etwas pedantischen Stils liegt darin, dass er emotionale Intensität häufig vernachlässigt. Brett ist eher nüchterner Chronist als tief involvierter Akteur. Er ist nicht mittendrin, er bleibt distanziert, ja beinahe kühl und hielt auch mich als Leserin emotional zurück. „The Core“ stach mir nicht ins Herz, ich empfand keine starke Trauer oder Euphorie, obwohl ich mich über gewisse persönliche Fortschritte der Figuren natürlich freute. Der Abschied fiel mir überraschend leicht, weil ich erst sehr spät verinnerlichte, dass das Ende bevorstand. Brett setzte die Messlatte bisher so hoch an, dass eine Steigerung äußerst schwierig war und mir alle Entwicklungen daher als naheliegende Konsequenz erschienen. Tempo und Dramatik gleichen den vorangegangenen Bänden bis aufs Haar, trotz verschärfter Bedingungen. Den Menschen in Thesa wird bewusst, dass sie bislang nur die Spitze der dämonischen Bedrohung erlebt haben. Ihre Städte hätten längst überrannt werden können – die Horclinge erlaubten ihnen lediglich, sich sicher zu wähnen. Nun sehen sie sich koordinierten Angriffen ausgesetzt und erkennen, dass sie nahezu hoffnungslos unterlegen sind. Die Szenen an der Oberfläche fand ich sehr aufregend, wenngleich sie ausschließlich die gesellschaftliche Elite fokussieren und einige Entscheidungen bestimmter Individuen für mich nicht nachvollziehbar waren. Dennoch fühlte sich „The Core“ für mich kaum wie ein Finale an. Es fehlte der letzte Kick, der berühmte Wow-Effekt und die Atmosphäre schicksalhafter Endgültigkeit, die ich mir immer für einen Reihenabschluss erhoffe. Arlen ist der einzige, der mit einer ergreifenden letzten Szene von eleganter Schönheit einen echten Schlussakkord erhält, andere Charaktere mussten sich mit einem recht abrupten Ende abfinden. Irgendwie waren die letzten Seiten dann doch mehr Kurzschluss als Feuerwerk.

 

Ich bin nicht enttäuscht von „The Core“. Keineswegs. Ich hätte mir zwar mehr Pathos und Theatralik gewünscht, die die endgültige Atmosphäre transportieren, aber wenn ich ehrlich bin, hätte das nicht zu Peter V. Brett gepasst. Er ist eher der Typ für vornehmes Understatement. Außerdem glaube ich, dass der Demon Cycle“ dieses schlüssige, aber unaufgeregte Finale ohne Weiteres verkraftet, weil es eben nicht das Ende ist. Ich vermutete es bereits, als Stück für Stück die nächste Generation der Figuren auftauchte und sehe mich nun bestätigt: er kehrt in sein Universum zurück. Sein nächstes Projekt ist voraussichtlich eine Trilogie, die 15 Jahre nach den Ereignissen in „The Core“ spielt und – soweit ich es verstanden habe – die Kinder der Held_innen des Demon Cycle“ in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken wird. Auftritte bekannter Gesichter inklusive. Man munkelt, der erste Band wird „The Desert Prince“ heißen. Amazon listet ihn für den 17. Oktober 2019, was ich durchaus für möglich halte. Angesichts dieser Neuigkeit erstaunt es mich nicht, dass „The Core“ keinen epischen, tränenreichen Abschied inszeniert – schließlich ist es nur ein Abschied auf Zeit.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/23/peter-v-brett-the-core
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review 2019-01-09 09:07
Ein Weihnachtsbuch ohne Weihnachtsstimmung
The Gift - Cecelia Ahern

2018 habe ich mir vorgenommen, in der Weihnachtszeit endlich mal Weihnachtsbücher zu lesen. Da es mir immer schwerer fällt, Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen, hoffte ich, dass mir weihnachtliche Geschichten dabei helfen könnten. „The Gift“, ein Buch der Bestsellerautorin Cecelia Ahern, war eine naheliegende Wahl, denn es spielt nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern befindet sich auch auf der Liste der modernen Klassiker der Bücherkultur-Challenge. Wie praktisch. Cecelia Ahern gehört sonst nicht zu meinen bevorzugten Autor_innen, weil ich sie in die Chic-Lit-Ecke sortiere, aber angesichts dessen, dass ich ihren Erfolgsroman „P.S. Ich liebe dich“ unerwartet gut fand, wollte ich es trotzdem mit „The Gift“ probieren.

 

Lou Suffern ist ein Überflieger. Er wohnt in einem eindrucksvollen Haus, fährt einen schnittigen Sportwagen und ist äußerst erfolgreich in seinem Beruf. Mit seiner Ehefrau Ruth hat er zwei bildhübsche Kinder. Doch sein rasanter Aufstieg der Karriereleiter fordert Opfer. Täglich kämpft Lou gegen die Uhr, um immer der Erste, der Beste zu sein. Er führt ein Leben auf der Überholspur und vernachlässigt für seine ehrgeizigen Ambitionen seine Familie. Bis er eines Tages kurz vor Weihnachten einem Obdachlosen einen Kaffee spendiert. Der Mann stellt sich als Gabe vor. Seine bemerkenswerte Auffassungsgabe imponiert Lou. Er besorgt ihm einen Job in der Poststelle seiner Firma. Diese Entscheidung beginnt er schnell zu bereuen. Gabe drängt sich nachdrücklich in sein Leben; ständig schaut er Lou über die Schulter, nervt ihn mit kryptischen Ratschlägen und wie gelingt es ihm eigentlich, an zwei Orten gleichzeitig aufzutauchen? Lou fühlt sich von Gabe bedroht. Er missversteht seine Absichten. Aber er wird verstehen. Schon bald. Denn Gabe macht Lou das wichtigste Geschenk überhaupt: Zeit.

 

Mich versetzte „The Gift“ nicht in Weihnachtsstimmung. Für mich ist dieses Buch von Cecelia Ahern nicht weihnachtlich genug. Zwar behandelt die Autorin darin unmissverständlich das Läuterungsmotiv, das in vielen Weihnachtsgeschichten prominent vertreten ist und verankerte ihre Erzählung in der (Vor-)Weihnachtszeit, doch atmosphärisch klingt die besinnliche Jahreszeit nur selten an. Ich wurde nicht von Gedanken an Plätzchen, Kerzenschein und Nächstenliebe verzaubert. Das klingt negativ, ich empfand es allerdings nicht als hinderlich, weil ich erkannte, dass der Mangel eines weihnachtlichen Ambientes auf den Protagonisten Lou Suffern zurückzuführen ist. Lou ist ein Workaholic. Es ist naheliegend, dass Weihnachten in seiner Wahrnehmung nur eine geringe Rolle spielt und das Buch daher kaum mit festlicher Stimmung dienen kann. Ich hatte anfangs große Schwierigkeiten, mich Lou zu öffnen und eine Bindung zu ihm aufzubauen. Cecelia Ahern beschreibt ihn als gewollt unsympathisch und geht dabei so weit, dass er mich unangenehm an Pat Bateman, den psychopathischen Serienmörder in Bret Easton Ellis‘ Skandalroman „American Psycho“, erinnerte. Deshalb wollte ich ihn erst gar nicht kennenlernen, obwohl ich natürlich wusste, dass er eine Katharsis durchlaufen würde. Lous Sinneswandlung vollzieht sich graduell. Er ist keineswegs von heute auf morgen ein neuer Mensch und fällt bis zum Schluss in alte Verhaltensmuster zurück, was ich sehr realistisch fand. Darin unterscheidet sich „The Gift“ von klassischen Weihnachtsbüchern wie Charles Dickens‘ „Eine Weihnachtsgeschichte“. Weder ist Lou Suffern ein Ebenezer Scrooge, der über Nacht sein weiches Herz entdeckt, noch ist der Auslöser seiner Veränderung, der Obdachlose Gabe, ein Engel oder ein Geist. Tatsächlich erfahren die Leser_innen nicht, wer oder was Gabe ist. Seine wahre Identität bleibt ungeklärt, womit Ahern reichlich Raum zur Interpretation offenlässt. Persönlich sehe ich in Gabe Lous personifiziertes Gewissen, weil sein Einfluss subtil ist. Er wedelt nicht mit dem mahnenden Zeigefinger, sondern stimuliert Lou zur Selbsterkenntnis. Stück für Stück begreift er den Stellenwert von Familie, Wertschätzung, Dankbarkeit und Demut. Grundsätzlich mochte ich diesen Wandel, ich fand jedoch, dass sich „The Gift“ zu sehr auf Lou als Sündenbock fokussierte. Seine familiären Probleme hätten niemals so gravierend werden müssen. Seine Ehefrau Ruth, seine Eltern, seine Geschwister – sie alle hätten intervenieren und ihren Unmut über sein Benehmen längst verbalisieren können. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das jemals geschah. Mir schien es eher, als hätten sie ihm nie vermittelt, wie verletzend sie sein Verhalten empfanden. Eine typische Kommunikationsstörung. Erst Gabe verschiebt Lous Perspektive. Dennoch konnte ich Gabe nicht als Wohltäter betrachten, der eine verlorene Seele zurück auf den rechten Weg lenkt, weil mir seine Rolle am durchaus überraschenden Ende des Buches nicht gefiel. Ich wünschte, ich könnte konkret werden, ohne zu spoilern, aber leider ist das nicht möglich, also muss ich es dabei belassen, euch zu berichten, dass ich glaube, hätte sich Gabe bedachter verhalten, wäre Lous Geschichte anders ausgegangen.

 

„The Gift“ von Cecelia Ahern erinnert an eine moderne Variante von Dickens‘ „Eine Weihnachtsgeschichte“. Die Thematik der Läuterung des Protagonisten Lou Suffern bestimmt die Geschichte, Ahern interpretierte sie allerdings zeitgenössisch und hielt sich mit der Verwendung mystischer Elemente zurück. Sie involvierte Szenen, die unerklärlich und fantastisch anmuten, doch den Roman deshalb als übernatürlich zu bezeichnen, wäre übertrieben. Ich mochte Aherns pragmatische Herangehensweise an Lous Bekehrung und die Botschaft des Buches, laut der Zeit das kostbarste Gut ist, über das Menschen verfügen. Ich fand es nachdenklich und angenehm unaufgeregt. Ich glaube, es ist das unkitschigste Weihnachtsbuch, das ich je gelesen habe und könnte somit sogar Weihnachtsmuffeln gefallen. Schade nur, dass ich den Kitsch offenbar brauche, um in Weihnachtsstimmung zu kommen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/01/08/cecelia-ahern-the-gift
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