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review 2022-06-18 16:14
Rückkehr nach Kirchdorf
Was das Schicksal will - Eva Völler

Die deutsch-deutsche Grenze im Jahr 1964: Als Lehrerin Helene Werner das Angebot erhält, an die Schule in Kirchdorf in Hessen zurückzukehren, geht sie nur zögerlich darauf ein. Es ist eine Karrierechance. Sie befürchtet aber, dass ihre Gefühle für den Landarzt Tobias Krüger ihr Leben erneut durcheinanderbringen könnten. Das ist allerdings nicht ihr einziges Problem…

 

„Die Dorfschullehrerin - Was das Schicksal will“ ist der zweite Band einer Reihe von Eva Völler.

 

Meine Meinung:

Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum insgesamt 23 Kapitel umfassen. Er endet mit einem Epilog. Die Handlung spielt wenige Jahre nach dem ersten Band. Der Aufbau ist unkompliziert und gut nachvollziehbar.

 

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, vornehmlich aus der von Helene und Tobias. Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich, bildhaft und einfühlsam. Sprachlich authentisch wirken die Dialekteinschübe des Rhöner Platts.

 

Obwohl die Geschichte an den ersten Band der „Dorfschullehrerin“-Dilogie anschließt, lässt sich der Roman - dank mehrerer Zusammenfassungen - auch ohne Vorwissen verstehen. Ich empfehle jedoch, zuerst den Auftaktband zu lesen.

 

Viele der handelnden Personen sind aus dem ersten Teil der Reihe bereits bekannt. Ich habe mich gefreut, die überwiegend sympathischen Charaktere auf ihrem weiteren Weg zu verfolgen. Die Figuren verfügen über ausreichend psychologische Tiefe.

 

Auf den fast 400 Seiten hat mich der Roman noch mehr überzeugt als der erste Band. Die Ereignisse wirken größtenteils lebensnah, die Handlung nicht zu übertrieben.

 

Gleichzeitig wird der Leserschaft ein ansprechender Themenmix geboten. Wieder einmal gelingt es der Autorin, deutsch-deutsche Geschichte auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Die fundierte Recherche ist dem Roman an mehreren Stellen anzumerken.

 

Das Nachwort fällt diesmal, wegen des Kriegsausbruchs in der Ukraine, leider etwas spärlich aus. Es bietet wenig Erhellendes und ist daher eine kleine Enttäuschung.

 

Das hübsche, nostalgisch anmutende Cover passt sowohl zum Genre als auch zum ersten Band. Der Titel erschließt sich nach der Lektüre sofort.

 

Mein Fazit:

Mit „Die Dorfschullehrerin - Was das Schicksal will“ hat Eva Völler eine gelungene Fortsetzung geschrieben. Ich bin schon jetzt gespannt, mit was uns die Autorin künftig noch überrascht.

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review 2019-10-15 10:25
Platzt aus allen Nähten
The Unremembered - Peter Orullian

Peter Orullian hasst Klappentexte. Seiner Ansicht nach führt der Versuch, eine Geschichte zusammenzufassen, nur dazu, dass ihr Kern verkannt wird. Er selbst verlässt sich nicht auf die Inhaltsangaben auf den Rückseiten von Büchern, sondern liest grundsätzlich einfach die erste Seite. Dennoch sieht der Autor ein, dass sie ein notwendiges Übel sind. Deshalb existiert der Klappentext seines High Fantasy – Romans „The Unremembered“, Auftakt der Reihe „Vault of Heaven“, in mehreren Varianten. Ich habe gleich drei gefunden. Was Peter Orullian wohl von einer vierten – meiner Version – halten würde?

 

Als Aeshau Vaal vom Rat der Schöpfer geschaffen wurde, strebten sie Balance an. Doch einer der ihren kümmerte sich nicht um das sensible Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Er verdarb seine Schöpfung, bevölkerte Aeshau Vaal mit scheußlichen Kreaturen, die Blut und Tod verbreiteten. Der Rat bestrafte ihn mit dem Fluch der Stille und verbannte ihn in den Born, getrennt von der übrigen Schöpfung.
Der junge Jägersmann Tahn liebt die alten Legenden, glaubte allerdings nie, dass sie wahr sein könnten. Bis zu dem Tag, an dem er im Wald einem Velle begegnet, einem stilletreuen Magier, der die Energie der Welt missbraucht. Von Furcht überwältigt flieht Tahn – doch seinem Schicksal kann er nicht entkommen. Der schützende Schleier zum Born schwindet. Der Stille regt sich in seinen Ketten. Begleitet von seinem besten Freund Sutter, seiner Schwester Wendra, dem Gelehrten Braethen, der Fern Mira und dem Sheason Vendanj zieht Tahn aus, um den Vormarsch der Stilletreuen aufzuhalten, denn nur er besitzt die Macht, Aeshau Vaal zu retten. Leider bleibt ihre Mission nicht unbemerkt und schon bald wird Tahn vom Jäger zum Gejagten…

 

Peter Orullian behauptet also, Klappentexte zu hassen. Die bösartige kleine Stimme in meinem Kopf fragt sich, ob er diese Meinung erst entwickelte, als eine Inhaltsangabe für „The Unremembered“ entworfen werden musste. Dieses Buch lässt sich unmöglich zusammenfassen, das musste ich selbst auf die harte Tour feststellen. Meine Variante eines Klappentextes ist definitiv unvollständig, das gebe ich freimütig zu. „The Unremembered“ platzt aus allen Nähten. Ich beziehe mich dabei nicht auf die Seitenanzahl, die sicherlich im oberen Bereich angesiedelt ist. Nein, ich meine den Inhalt an sich. Ich hatte mit dem Reihenauftakt von „Vault of Heaven“ keine schöne Leseerfahrung, denn dieser ist so unglaublich vollgestopft, dass bei mir sehr wenig hängen blieb und ich die Lektüre als extrem anstrengend und schwerfällig empfand. Ich habe allein etwa 300 Seiten gebraucht, um überhaupt reinzukommen, was viel zu lange ist. Da ich reichlich Erfahrung mit High Fantasy habe, bin ich eine ausdauernde Leserin und lasse mich normalerweise von einem behäbigen Einstieg nicht ins Bockshorn jagen, aber dieses Ausmaß an Geduld kann wirklich niemand erwarten. Das Problem bestand nicht darin, dass sich die Handlung zu langsam entwickeln würde, sondern, dass ich einfach nicht verstand, was Orullian mir da aufzutischen versuchte. In diversen Interviews erklärte er, er wollte die klassischen HF-Motive wie Heldenreise und Quest, die sich in „The Unremembered“ mühelos ausfindig machen lassen, neu erfinden, um seine Leser_innen an völlig unbekannte Orte zu führen, die seine unverkennbare Handschrift tragen. Ein nobles Anliegen, das in meinem Fall leider gründlich misslang, weil sein Worldbuilding zu verflixt kompliziert ist, um es beiläufig einfließen zu lassen und die Handlung meiner Meinung nach ein undurchschaubares Dickicht nicht nachvollziehbarer Motivationen darstellt. Ich kann es nicht leiden, wenn man mir nicht verrät, warum Figuren dieses oder jenes tun müssen. Eine Weile ertrage ich Geheimniskrämerei, doch irgendwann müssen die Karten auf den Tisch. In „The Unremembered“ habe ich bis zum Ende nicht kapiert, was die Stilletreuen von dem Protagonisten Tahn wollen und wieso sie ihn verfolgen. Ich habe auch nicht ergründen können, was der junge Jäger eigentlich unternehmen soll, um Aeshau Vaal zu retten. Es frustrierte mich, dass Tahn von dem Magier Sheason Vendanj keine Antworten erhält, obwohl er ihn oft genug fragt. Ich mochte seine Schwester Wendra nicht, die ärgerlicherweise auf ihre Mutterrolle reduziert ist. Ich konnte mir die Stilletreuen nicht vorstellen. All die originellen Ideen, die Orullian mir präsentierte, prallten effektlos an mir ab, weil ich mich in der Geschichte nicht zurechtfand. Es ist ja sehr löblich, dass der Autor Kreativität forcierte – unglücklicherweise hinderte mich diese allerdings daran, zu durchschauen, welche Reise er für mich und die Figuren vorsah.

 

Das ist es nicht wert. Trotz aller Hochachtung, die ich Peter Orullian entgegenbringe, weil Originalität seine oberste Priorität war, bereitete mir „The Unremembered“ zu wenig Lesespaß, um die Reihe „Vault of Heaven“ weiterzuverfolgen, die durch zahlreiche Kurzgeschichten ohnehin recht unübersichtlich gestaltet ist. Das Buch erschöpfte mich. Ich konnte das komplexe Weltendesign nicht mit der undurchsichtigen Handlung in Einklang bringen. Ich weiß, dass Orullian die Etablierung von Aeshau Vaal natürlich und langsam am Rande vornehmen wollte, ohne allzu offensichtliche Geschichtsstunden zu involvieren, aber meiner Ansicht nach kam ihm dabei die Nachvollziehbarkeit abhanden. Ich glaube außerdem, dass „The Unremembered“ von einem geringeren Umfang profitiert hätte. Kürzere Episoden, leichter verdauliche Handlungsabschnitte, mit anschaulichen Informationen zum Worldbuilding angereichert, hätten die Geschichte meinem Empfinden nach besser transportiert. Der erste Band musste kein 900-Seiten-Wälzer sein. Indem Orullian auf diese Länge bestand, opferte er die Eingängigkeit seines Reihenauftakts und verlor mich weit bevor die Handlung Fahrt aufnahm. Ich bin nicht bereit, mir das noch einmal anzutun und verabschiede mich hiermit aus Aeshau Vaal.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/15/peter-orullian-the-unremembered
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review 2018-11-21 08:55
Schluchzend und blubbernd in den Sonnenuntergang
Wrath - John Gwynne

Der Feind hat Drassil eingenommen. Calidus und Nathair besitzen drei der Sieben Schätze und sind ihrem Ziel, Asroth in die irdische Welt zu bringen, bedrohlich nahe. Das Wettrennen um die verbleibenden Gegenstände hat begonnen. Nur zusammen können sie Asroth‘ Ketten in der Anderswelt sprengen – und nur zusammen können sie zerstört werden, um die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ein für alle Mal zu bannen. Noch besteht Hoffnung, doch die Rebellion muss einen harten Rückschlag verkraften: Corban wurde vom Riesen-Clan der Jotun entführt. Will er überleben, muss er die Jotun davon überzeugen, sich dem Krieg der Götter anzuschließen und ihn freizulassen. Die Zukunft der Verbannten Lande hängt davon ab, dass er die Sieben Schätze erobert und zu seinen Truppen zurückkehrt. Sie brauchen ihn. Die Prophezeiung mag eine Lüge sein, aber Corban ist ihr Leuchtender Stern, ihr Anführer, der ihnen die Kraft verleiht, den Mächten des Bösen die Stirn zu bieten, während die letzte Schlacht naht. Sie wird viele Leben fordern. Vor den Toren Drassils wird sich das Schicksal der Welt entscheiden. Werden Corban und seine Verbündeten in ihren Herzen Wahrheit und Mut finden, um zu schützen, was ihnen lieb und teuer ist und Asroth‘ Schergen endgültig zu besiegen?

 

Ich dachte, ich hätte das Maximum emotionaler Intensität mit „Ruin“ erreicht. Ich dachte, schlimmer als der Cliffhanger am Ende des dritten Bandes von „The Faithful and the Fallen“ könnte es nicht mehr werden. Oh, wie habe ich mich getäuscht. Auf den letzten 50 Seiten des finalen Bandes „Wrath“ war ich ein schluchzendes, blubberndes Wrack. Die alles entscheidende Schlacht um das Schicksal der Verbannten Lande ist John Gwynnes Meisterwerk. Für mich sind Schlachten in der High Fantasy ein Qualitätsmerkmal und diese ist grandios. Allein schon, dass sie etwa 150 Seiten umfasst, versetzt mich in Jubelstürme. Es ist mir wichtig, dass ein Epos wie „The Faithful and the Fallen“ gebührend abgeschlossen wird und ich zolle Gwynne meinen Respekt dafür, dass er sich nicht hetzen ließ und den Schlachtszenen den Raum zugestand, den sie verdienen. Dadurch war es ihm möglich, die verschiedenen Strömungen auf dem Schlachtfeld realistisch abzubilden. Er verdeutlicht hervorragend, dass eine Schlacht keine homogene Szenerie ist, sondern pures, wirbelndes Chaos, in dem wenige Meter ganze Welten trennen können. Kurze Kapitel, die in rasanter Abfolge von Figur zu Figur springen, zeigen ihre individuellen Erfahrungen im Kampf und trieben meinen Puls in die Höhe. Ich erlebte Aufregung, Sorge, Trauer, Genugtuung, Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Erleichterung im Schnelldurchlauf und rauschte durch meine überschäumenden Emotionen, ohne ein einziges Mal den Überblick zu verlieren. Die Todesquote ist tragisch; ich musste lernen, dass wirklich niemand mehr sicher war und fürchtete um sie alle. Ich beobachtete atemlos und weinte bittere Tränen um diejenigen, die im Namen des Guten starben. In dieser Schlacht verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse mehr denn je. Von Anfang an erforschte Gwynne diese fließenden Konzepte durch die Entwicklung seiner Figuren. Camlin begann als Bandit und wurde zu Edanas wichtigstem Gefolgsmann. Veradis war stets ein guter Mensch, der aus blinder Loyalität Böses tat. Und Maquin… Ach, Maquin. Mein Herz blutet für ihn. Sein Leben verlangte ihm so viel ab, war eine Parade des Kummers, wen wundert es da, dass er zu einem kaltblütigen Killer wurde? Dennoch ist er im Kampf gegen Asroth unverzichtbar. Es fasziniert mich, wie Gwynne seine ehemals eindeutige Unterteilung in Gut und Böse durch diese ambivalenten Biografien selbst aufweicht, ohne den fundamentalen, religiösen Konflikt der Reihe in Frage zu stellen. Asroth ist in „Wrath“ noch immer ohne jeden Zweifel das Übel, das es zu bekämpfen gilt und Calidus, Nathair und Rhin sind als seine Werkzeuge greifbare Agent_innen des Bösen. Die Rolle von Elyon hingegen bleibt abstrakt, anonym und abwesend. Selbst wenn man annimmt, dass Elyon mit jeder positiven Eigenschaft der Menschheit gleichzusetzen ist, kämpfen die Menschen meiner Meinung nach höchstens indirekt für ihn. Sie kämpfen für sich. Für ihre Welt, für ihre Familien, für ihre Zukunft. Deshalb ist es irrelevant, dass Corban eigentlich nicht der Leuchtende Stern ist. Für sie ist er es. Die Prophezeiung diente ohnehin lediglich als Katalysator; je weiter der Konflikt voranschritt, desto überflüssiger wurde sie als Motivation. Die Menschen fanden die Motivation in ihren Herzen. Ich bin sehr froh, dass Gwynne Corban mit seiner Entführung durch die Jotun die Zeit schenkte, ebenfalls zu erkennen, dass Meicals Offenbarung für ihn keinerlei Konsequenzen hat. Er tut trotzdem das Richtige. Und das Richtige ist natürlich, die Welt zu retten – was sonst?

 

„The Faithful and the Fallen“ enthält für mich alles, was die High Fantasy zu meinem Lieblingsgenre macht. John Gwynne erreichte mit Schlichtheit ein beeindruckendes Maß an Komplexität. Die vier Bände basieren auf wenigen, simplen Bausteinen, doch gemeinsam bilden sie ein facettenreiches, vielschichtiges Konstrukt, dessen leichte Vorhersehbarkeit die Zugkraft der Geschichte nicht im Mindesten bremst. Die liebenswerten Figuren entlocken ihr eine emotionale Verbindlichkeit und Authentizität, die mich ungemein begeisterte und verzauberte. Mit „Wrath“ schließt Gwynne sein Epos würdig, stimmig und befriedigend ab, wofür ich ihm von Herzen dankbar bin. Ein schales Ende hätte mich wahnsinnig enttäuscht. All die Tränen, die ich während der Lektüre dieses Bandes vergoss, habe ich gern vergossen, weil ich es selbst nach zahllosen Leseerfahrungen noch immer zu schätzen weiß, wenn sich diese spezielle Magie entfaltet und mich ein Buch so tief berührt wie „Wrath“. Deshalb ist „The Faithful and the Fallen“ für mich trotz vieler bekannter Elemente etwas ganz Besonderes. Diese bewegende Geschichte konnte nur John Gwynne erzählen. Ich verneige mich voller Hochachtung. Truth and Courage.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/21/john-gwynne-wrath
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review 2018-09-21 23:29
In den Zeiten der Cholera
Die Charité: Hoffnung und Schicksal (ungekürzte Lesung auf 2 MP3-CDs) - Ulrike Schweikert (Autorin),Beate Rysopp (Sprecherin)

Berlin im August 1831: Die Cholera greift in Deutschland um sich. Als auf einem Kahn auf der Spree der Schiffer Hans Mater qualvoll stirbt, kommt die heimtückische Krankheit auch in der Charité an. In dem Krankenhaus versuchen Professor Johann Friedrich Dieffenbach, ein Chirurg, und seine Kollegen mit Hochdruck, Überträger und Heilmittel auszumachen. Neben dem Kampf um das Überleben Tausender Menschen kommt er Gräfin Ludovica näher, die mit einem Hypochonder verheiratet ist. Auch Hebamme Martha Vogelsang leidet unter ihrer Ehe. Um ihrem Sohn August eine bessere Zukunft zu bieten, verdingt sie sich im Totenhaus der Charité. Und dann ist da noch die 19-jährige Krankenwärterin Elisabeth Bergmann, die nicht nur ihre Liebe für die Medizin, sondern auch die zu einem jungen Arzt entdeckt…

„Die Charité: Hoffnung und Schicksal“ ist der erste Band der Reihe um das bekannte Krankenhaus von Ulrike Schweikert.

Meine Meinung:
Nach dem Prolog ist der Roman in mehrere Bücher unterteilt, die wiederum aus mehreren Kapiteln bestehen. Erzählt wird aus der Perspektive verschiedener Personen. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist nicht nur flüssig und angenehm, sondern auch eindringlich und anschaulich. Durch detaillierte Beschreibungen wird eine lebendige Atmosphäre geschaffen, die mich schnell in die Geschichte eintauchen ließ.

Aufgrund der Vielzahl an Personen, die im Roman auftauchen, fiel mir vor allem anfangs eine Orientierung nicht besonders leicht. Dadurch lernt man allerdings auch etliche interessante Charaktere kennen. Vor allem Hebamme Martha und Pflegerin Elisabeth waren mir schon nach kurzer Zeit sympathisch. Sie werden liebevoll und warmherzig charakterisiert. Auch die übrigen Personen bleiben nicht blass, sondern werden detailliert und realitätsnah geschildert.

Trotz der recht hohen Seitenzahl wirkt die Geschichte nur an wenigen Stellen etwas langatmig. Überwiegend ist die Handlung abwechslungsreich und unterhaltsam. Vor allem die unterschiedlichen Leiden der Patienten und deren dramatische Geschichten, aber auch die Schicksale der Protagonisten sorgen für vielerlei bewegende Momente.

Ein Pluspunkt ist für mich, dass im Roman historische Fakten mit Fiktion verwoben werden. Neben erfundenen Charakteren greift die Autorin auf belegbare Persönlichkeiten wie Dr. Dieffenbach zurück. Darüber hinaus wird ihre fundierte Recherche an vielen Stellen deutlich, denn die Umstände in der damaligen Zeit, die Anfänge der moderneren Medizin und andere historische Tatsachen werden auf kurzweilige Weise erklärt. Somit ist die Lektüre auch lehrreich.

Das Cover wirkt ein wenig kitschig, passt inhaltlich aber sehr gut. Auch der Titel ist treffend gewählt.

Ich habe die Geschichte als ungekürzte Lesung gehört. Dabei hat Sprecherin Beate Rysopp einen guten Job gemacht.

Mein Fazit:
„Die Charité: Hoffnung und Schicksal“ von Ulrike Schweikert ist ein gelungener Roman, der nicht nur Geschichtsfans schöne Lese- oder Hörstunden beschert. Auf die Fortsetzung der Reihe bin ich gespannt.

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review 2018-04-24 08:05
Havalds Erwachen
Der Wanderer - Richard Schwartz

„Der Wanderer“ ist der letzte Band von „Die Götterkriege“. Es ist der letzte Band einer 12-teiligen Reihe, das Ende einer Reise, die 2006 mit „Das Geheimnis von Askir“ begann. Das Finale erschien 2015. Seitdem war der Autor Richard Schwartz nicht untätig. Erst schloss er 2017 die „Lytar-Chronik“ ab, die er ursprünglich unvollständig unter dem Pseudonym Carl A. deWitt veröffentlichte und die nun neuaufgelegt bei Piper ein Zuhause fand. Sein nächstes Projekt wird im Oktober 2018 erwartet: der erste Band der „Eisraben-Chroniken“, „Fluchbrecher“, eine Mischung aus Science-Fiction und Fantasy. Ich weiß noch nicht, ob ich dieser neuen Reihe eine Chance geben werde. Nach „Der Wanderer“ wird sicher einige Zeit vergehen, bis ich wieder zu einem seiner Bücher greife. Ich denke, ein wenig Abstand wird uns beiden guttun.

 

Einst wurde Havald prophezeit, der Engel des Soltar zu sein. Es ist seine Bestimmung, das Schwert des Lichts in die Heerscharen der Feinde zu tragen, die Legion der Toten zu befehligen und den Krieg der Götter zu beenden. Jahrhundertelang weigerte er sich, die Prophezeiung anzunehmen und sein Schicksal zu akzeptieren. Er schuf seine eigene Legende, wurde der Wanderer, der die Hilfegesuche der Schwachen erhörte, Trost spendete und Hoffnung schenkte. Doch nun kann er die Vorhersehung nicht länger verleugnen. Er muss sich dem Nekromantenkaiser entgegenstellen, um all diejenigen zu retten, die er liebt. Er darf nicht zögern. Er darf nicht zweifeln. Havald muss erkennen, wer er ist, denn nur dann hat er eine Chance, Kolaron Malorbian zu besiegen und den tödlich Griff Thalaks um die sieben Königreiche zu brechen. Die Zukunft der Welt ruht auf seinen Schultern.

 

Die Lektüre von „Der Wanderer“ war ein feierlicher Moment meiner Lesekarriere. Ich muss widerspruchslos anerkennen, wie schwierig es ist, eine Reihe nach 12 Bänden befriedigend abzuschließen und dabei allen inhaltlichen sowie charakterlichen Entwicklungen gerecht zu werden. Persönlich brauchte ich diese 12 Bände, um endlich zu verstehen, worum es in „Die Götterkriege“ tatsächlich geht. „Der Wanderer“ hielt überraschenderweise eine Epiphanie für mich bereit. Es geht nicht um den Krieg der Götter, obwohl dieser der Reihe ihren Namen gibt. Es geht um Havald, um seine persönliche Entwicklung, seinen Konflikt mit sich selbst und seinem Schicksal. In Wahrheit sind „Das Geheimnis von Askir“ und „Die Götterkriege“ nicht nur ein simples Heldenepos, sie sind die Konkretisierung der klassischen maskulinen Heldenreise in drei Akten, wie sie von Joseph Campbell 1949 postuliert und von Victoria Schmidt 2001 verfeinert wurde. Dieser Theorie zufolge durchläuft der Held auf seiner Reise bestimmte Stationen der Erkenntnis und der Veränderung, die ihn darauf vorbereiten, im dritten Akt vor die Wahl gestellt zu werden, zu erwachen oder zu rebellieren, was sich direkt auf den Erfolg seiner Mission auswirkt. „Erwachen“ bedeutet in diesem Kontext, sich seinen Fehlern zu stellen und den Wandel seiner Persönlichkeit zu akzeptieren, wodurch er letztendlich siegreich sein wird. Alles wird leicht, sobald der Held zu sich selbst findet. Genau diese Phase erleben wir in „Der Wanderer“: Havald nimmt sein Schicksal an, erkennt, wer er ist und ist deshalb endlich bereit, den Nekromantenkaiser herauszufordern. Durch die Verschiebung meines Blickwinkels ergeben viele Hindernisse, die ich während der Lektüre des zweiten Zyklus überwinden musste, rückblickend einen Sinn. Das heißt nicht, dass ich Richard Schwartz meine weitreichende Enttäuschung gänzlich verzeihe, weil „Die Götterkriege“ meiner Ansicht nach trotz dessen unnötig kompliziert und umständlich sind und er sich wesentlich stärker auf Havald hätte konzentrieren müssen, statt sich von ziellosen Nebenhandlungssträngen ablenken zu lassen, aber jetzt begreife ich zumindest, was all das Trara sollte, das „Der Wanderer“ in einer actiongeladenen Handlung kumuliert. Ich fand das Finale daher angemessen, wenn auch nicht völlig überzeugend. Einige inhaltliche Details fallen unter den Tisch, andere werden zu fix abgehakt, doch insgesamt schien es mir der emotional mitreißendste Band des Zyklus zu sein. Die Legende des Wanderers ist wunderschön, die Loyalität der Legion der Toten verursachte mir eine Gänsehaut und die philosophische Ebene, die hinterfragt, wie Göttlichkeit definiert ist, verleiht der Geschichte deutlich mehr Tiefgang, als ich erwartet hatte. Außerdem kann und möchte ich nicht leugnen, dass sich ab und zu ein bisschen Wehmut in mein Herz schlich. Mich von Havald und seinen Freunden nach all den Jahren verabschieden zu müssen, war traurig. Allerdings stellte sich ebenfalls ein Gefühl von Erleichterung ein. Wir haben es geschafft.

 

Zu Ehren des Abschlusses des Zyklus „Die Götterkriege“ habe ich versucht, ein Interview mit Richard Schwartz zu finden, in dem er sich dazu äußert, wie er die Erfahrung, eine 12-teilige Reihe zu beenden, erlebte. Leider konnte ich nichts Brauchbares auftreiben. Stattdessen stolperte ich über Interviews, die Schwartz zu Beginn seiner Karriere gab, mitten im Entstehungsprozess des ersten Zyklus, „Das Geheimnis von Askir“. Es war unheimlich interessant, zu lesen, wie er seine Arbeit damals einschätzte, wie er seine Geschichte und seine Figuren wahrnahm und welche Pläne er für den zweiten Zyklus hatte. Vieles kam völlig anders als gedacht. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist reine Spekulation, aber ich gebe zu, trotz meiner zahlreichen Schwierigkeiten mit „Die Götterkriege“ empfinde ich für „Der Wanderer“ eine Menge Respekt, weshalb ich mit meiner Bewertung großzügig war. Ich kann mir vorstellen, dass Schwartz irgendwann noch einmal in dieses Universum zurückkehrt und ja, ich würde ihm folgen. Ich mag von seiner schriftstellerischen Leistung in diesem Zyklus nicht begeistert gewesen sein, aber ich betrachte seine Figuren noch immer als meine Freunde. Und Freunde verdienen immer eine zweite Chance.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/04/24/richard-schwartz-der-wanderer
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