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review 2023-05-19 19:51
Nur ein richtig schlechter Tag?
Institut für gute Mütter - Jessamine Chan

Frida Liu hat es nicht leicht. Die Tochter chinesischer Einwanderer hat beruflich nicht den erhofften Erfolg. Auch die Ehe mit Gust bleibt hinter ihren Erwartungen. Nur mit Harriet, ihrem Baby, erfüllt sich ein Traum. Doch dann hat die alleinerziehende Frida einen sehr schlechten Tag…

 

„Institut für gute Mütter“ ist der Debütroman von Jessamine Chan.

 

Meine Meinung:
Der Roman umfasst 18 Kapitel. Die Handlung spielt in der Zukunft. Erzählt wird weitestgehend in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit Rückblenden.

 

Der Schreibstil ist atmosphärisch stark und anschaulich. Die Darstellungen sind meist detailliert.

 

Frida steht im Vordergrund der Geschichte. Ihre Gedanken und Gefühle werden deutlich. Sie und die anderen Charaktere erscheinen jedoch manchmal etwas schablonenhaft.

 

Inhaltlich geht es um ein totalitäres Regime, das sich stark unter anderem in die Kindererziehung einmischt und seine Bürger kontrolliert. Das dystopische Szenario ist interessant ausgestaltet. Mir gefällt, dass der Roman aktuelle Tendenzen aufgreift und gesellschaftlichskritische Elemente enthält. Darüber hinaus ist er als feministisch zu betrachten, weil er das Bild der perfekten Mutter nicht nur infrage stellt, sondern sogar demontiert. Zwar haben mich nicht alle Details überzeugt, weil die Darstellung zum Teil sehr überspitzt ist. Dennoch schafft es die Autorin, mit ihrer Geschichte zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen.

 

Die mehr als 400 eng bedruckten Seiten sind durchaus umfangreich. Dennoch gibt es nur wenige Längen und lediglich im Mittelteil Wiederholungen.

 

Das Cover wirkt mysteriös und ein wenig düster, weshalb es gut zur Geschichte passt. Der deutsche Titel orientiert sich stark am englischsprachigen Original („The School for Good Mothers“).

 

Mein Fazit:
Mit „Institut für gute Mütter“ hat Jessamine Chan einen unterhaltsamen Roman verfasst, der Denkimpulse liefert. Trotz kleinerer Schwächen eine empfehlenswerte Lektüre.

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review 2022-09-30 19:49
Sichtbarkeit in einer auf Unsichtbarkeit angelegten Welt
Lügen über meine Mutter - Daniela Dröscher

Das Dorf Obach im Hunsrück der 1980er-Jahre: Ländlich und familiär, so erscheinen die persönlichen Verhältnisse der Grundschülerin Ela auf den ersten Blick. Doch hinter den Mauern des elterlichen Hauses herrscht Psychoterror. Ihre Mutter ist zu dick. Das behauptet zumindest ihr Vater - und lässt keine Gelegenheit aus, um seine Frau wegen ihres Gewichts zu beleidigen, zu erpressen und auf andere Weise zu beschämen.

 

„Lügen über meine Mutter“ ist ein Roman von Daniela Dröscher.

 

Meine Meinung:
In vier Teile ist der Roman aufgebaut, die jeweils ein Jahr umfassen und in verschiedene Kapitel untergliedert sind. Die Haupthandlung spielt in den Jahren 1983 bis 1986. Darüber hinaus gibt es zwischen einzelnen Kapiteln Einschübe aus der Gegenwart, die die erzählten Episoden aus erwachsener Sicht einordnen und analysieren.

 

Der Schreibstil ist insgesamt unauffällig und unspektakulär. Die dialektalen Einstreuungen und phrasenhaften Formulierungen im Vergangenheitsstrang passen jedoch gut zur Geschichte. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Ela.

 

Die Charaktere habe ich als vielschichtig und menschlich empfunden. Der Autorin gelingt es sehr gut, Widersprüchlichkeiten und Schwächen herauszuarbeiten, sodass ihre Figuren ambivalent und mit vielen Grautönen daherkommen, obwohl die Sympathien dennoch klar verteilt sind.

 

Auch inhaltlich ist der Roman durchaus facettenreich. Zwar steht das Bodyshaming beziehungsweise Fatshaming im Vordergrund. Die Geschichte zeigt auf, wie das Gewicht der Mutter ständig im Fokus der Kritik steht und welche psychischen Folgen erzwungene Diäten und verbale Attacken auf Dauer haben. Außerdem hat der Roman einen feministischen Ansatz. Er beleuchtet patriarchale Strukturen und deren Konsequenzen wie finanzielle Abhängigkeiten. Zudem werden weitere Aspekte wie Rassismus, Krankheit und einiges mehr thematisiert, was die Geschichte ein wenig überfrachtet. Nach eigenen Angaben der Autorin ist der Roman autobiografisch motiviert. Deshalb ist es schwierig, die Authentizität zu bewerten und den Wahrheitsgehalt abzuschätzen.

 

Trotz der mehr als 400 Seiten und mehrerer inhaltlicher Wiederholungen habe ich den Roman lediglich an sehr wenigen Stellen als langatmig empfunden. Nur das zwar überraschende, aber etwas märchenhafte Ende hat mich nicht ganz überzeugt. Auch nach den letzten Kapiteln bleiben ein paar Fragen bewusst offen.

 

Der Titel ist mehrdeutiger als gedacht und lässt auch nach dem Ende der Lektüre Raum für eigene Interpretationen. Das abstrakte Cover sagt mir dagegen weniger zu, zumal ich die Farbwahl thematisch unpassend finde.

 

Mein Fazit:
Preisverdächtig ist der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher für mich zwar nicht. Dennoch konnte mich die autobiografisch inspirierte Geschichte gut unterhalten.

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review 2019-11-13 10:41
Ziehen Sie nach Stepford - vergessen Sie Feminismus!
The Stepford Wives - Ira Levin

„The Stepford Wives“ von Ira Levin erschien 1972. Damit fiel die Veröffentlichung zufällig (?) in das Jahr, in dem das Equal Rights Amendment vom US-Senat angenommen wurde. Dieser Verfassungszusatz sollte die Gleichstellung der Geschlechter in den USA vorantreiben und Frauen weitreichende Rechte zusichern, stieß in den Bundesstaaten jedoch auf erbitterten Widerstand. Gegner_innen des ERA beriefen sich auf traditionelle Geschlechterrollen, prophezeiten, dass Frauen zum Militärdienst gezwungen und schützende Gesetze, die zum Beispiel Unterhaltsansprüche regelten, null und nichtig würden. Phyllis Schlafly, eine der Schlüsselfiguren der Oppositionsbewegung, behauptete, der Zusatz sei lediglich ein Vorteil für junge Karrierefrauen, der die Sicherheit von Hausfrauen im mittleren Alter, die keinen Beruf erlernt hatten, hingegen bedrohte. In diesem Kontext war „The Stepford Wives“ beinahe prophetisch, denn darin geht es um eben jene Hausfrauen, die Schlafly gefährdet sah.

 

Als Joanna und Walter Eberhart mit ihren Kindern nach Stepford zogen, hofften sie, ein neues Leben fernab vom Trubel der großen Stadt beginnen zu können. Stepford ist ein malerisches Idyll ruhiger Straßen und freundlicher Nachbarn, ein Paradies des gehobenen Mittelstandes. Doch während sich die Kinder schnell einleben und Walter Anschluss in der exklusiven Men’s Association findet, wird Joanna das Gefühl nicht los, dass sich hinter der lächelnden Fassade des Örtchens ein schmutziges Geheimnis verbirgt. Es sind die Frauen. Sie sind nett und höflich, aber sie scheinen neben der obsessiven Erfüllung ihrer Haushaltspflichten keine Interessen zu haben. Sie sind zu perfekt. Irgendetwas stimmt nicht in Stepford und Joanna muss herausfinden, was vor sich geht – bevor es zu spät ist.

 

„The Stepford Wives“ ist ein feines Kleinod feministischer Literatur, das vermutlich viel zu oft übersehen, vergessen oder missverstanden wird. Es ist ein knackiger, pointierter Klassiker der Science-Fiction, der vollkommen auf das Wesentliche destilliert ist und demzufolge darauf schließen lässt, dass Ira Levin unglaublich selbstkritisch gewesen sein muss. Ich bestaune die Ökonomie dieses Buches, das sicher zahllose Überarbeitungen durchlief, um kein einziges überflüssiges Wort zu enthalten. Jede Szene ist bewusst integriert, schmückendes Beiwerk sucht man vergeblich. Dennoch liest es sich leicht, flüssig und keineswegs konstruiert, weshalb man beinahe Gefahr läuft, es als belanglos abzustempeln. Beinahe. Denn oh, hinter Levins präzisem Schreibstil verbirgt sich eine beklemmende Geschichte, die lupenreine feministische Kritik an den traditionellen Genderrollen übt. Die Protagonistin Joanna Eberhart ist eine ganz normale Hausfrau und Mutter. Sie führt eine glückliche Ehe, pflegt ein paar Hobbys und erfüllt ihre Pflichten zuverlässig. Doch kaum, dass sie mit ihrer Familie in der US-amerikanischen Vorstadtidylle Stepfords angekommen ist, muss sie feststellen, dass sie ungenügend ist. Ihre überdurchschnittlich attraktiven Nachbarinnen leben ein Maß an Perfektion vor, mit dem sie nicht konkurrieren kann: sie absolvieren Haushaltsaufgaben mit unmenschlicher, pedantischer Disziplin und zeigen keinerlei Interesse an sozialen Kontakten oder einer individuellen Freizeitgestaltung, wodurch sich bei Joanna und den Leser_innen schnell das Bewusstsein einschleicht, dass es in Stepford nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Diese Ahnung entwickelt sich bald zur Gewissheit; Levin verband geschickt diskrete Hinweise und drastische Vorkommnisse, um seine Leserschaft zu befähigen, eigene Schlüsse zu ziehen und zu erkennen, dass Joanna in Gefahr schwebt. Das leise Ticken einer Uhr, eines Countdowns für die Protagonistin begleitet die Geschichte von „The Stepford Wives“ unaufdringlich, sodass beispielsweise die subtile, graduelle Verschiebung in Joannas Beziehung zu ihrem Ehemann Walter zuerst gar nicht auffällt. Langsam verbringt er immer mehr Zeit in der nebulösen „Men’s Association“ und strahlt zunehmend eine vage Unzufriedenheit aus, die er niemals konkret benennt. Wieder ist es den Leser_innen überlassen, sich den Einfluss dieses „Männer-Clubs“ auszumalen. Spannung entsteht in „The Stepford Wives“ durch die eigene Fantasie, durch Andeutungen und Vermutungen, nicht durch klare Aussagen des Autors. Dennoch lässt Levins Inszenierung keine Zweifel daran aufkommen, dass alle verdächtigen Anhaltspunkte in der „Men’s Association“ zusammenlaufen. Ohne den Fokus von den unnatürlich agierenden Hausfrauen abzulenken, offenbarte er auf diese Weise unmissverständlich, wer das wahre Ziel seiner überspitzten Satire ist: ihre Ehemänner. Die Idee einer Stadt voller perfekter Gattinnen, die überholten, sexistischen und stereotypen Männerfantasien entsprechen, ist wohl kaum einem weiblichen Hirn entsprungen.

 

1972 griff „The Stepford Wives“ den Zeitgeist auf. Ob Ira Levin ahnte, dass sein Roman bis heute relevant sein würde, bleibt Spekulation. Das Buch wird niemals an Aktualität einbüßen, solange traditionelle Genderrollen verteidigt und unterstützt werden. Es ist brillant. Levin erzielte mit minimalen Mitteln maximale Wirkung, weil er Implikationen konkreten Erklärungen vorzog. Indem er die Handlung absichtlich auf blinden Flecken und wohlplatzierten Anspielungen aufbaute, erhöhte er das unheimliche Potential seiner Geschichte. Diese akkurate, kontrollierte Konstruktion erforderte Disziplin und ein exaktes Gespür für subtile Manipulationen, aber auch den Mut, sich auf die Vorstellungskraft der Leser_innen zu verlassen. Dafür bewundere ich Levin zutiefst. Schade ist lediglich, dass „The Stepford Wives“ bei Verfechter_innen klassischer Geschlechterrollen vermutlich nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird. Nur, wer Emanzipation offen gegenübersteht, wird erkennen, dass Stepford kein Paradies ist, sondern ein Albtraum.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/11/13/ira-levin-the-stepford-wives
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review 2019-06-22 09:36
Jugendliche Mörder - Biografien der Abgründe
Die Mütter - Theodora Dimova

Theodora Dimova hat basierend auf einem authentischen Kriminalfall aus dem Jahre 1990, in dem sieben Jugendliche ihre Lehrerin ermordeten, ein Sittenbild der nach der Wende in Bulgarien zerfallenden Familien gezeichnet. In Verhörprotokollen und Gesprächen mit Psychologen offenbaren diese Schulkinder die (fiktiven) Abgründe, die zu einer solch brutalen Wahnsinnstat geführt haben könnten: Sie erzählen von ihren dysfunktionalen Familien, den Grausamkeiten ihres Umfeldes, insbesondere ihrer Eltern und hier auch mit Fokus auf die Mütter, die titelgebend für diesen Roman sind.

In einem großartigen Psychogramm schildert die Autorin sieben unterschiedliche Einzelschicksale von Kindern, die genauso gut zur heutigen Zeit in unserer Gesellschaft hätten stattfinden können, und wie diese als Ursache zu unfassbar heftigen Aggressionen, mangelnder Frustrationstoleranz, Verlustängsten, gestörtem Verhältnis zur Umwelt über massive psychische Störungen bis zur Übertragung all dieser Gefühle von Verzweiflung, (unerwiderter) Liebe, Angst, Wut und Hass auf die Lehrerin als Projektionsfläche beitragen.

 

Während der psychologischen Untersuchung der Jugendlichen deckt die Autorin sehr einfühlsam unfassbare Abgründe von falscher Erziehung, Vernachlässigung und Missbrauch auf, die durch den jugendlichen lapidaren Erzählton fast noch grausamer wirken, als sie ohnehin schon sind: So kann sich die co-abhängige Dana nicht von ihrem alkoholkranken Vater lösen, als ihre Mutter nach Jahren der Arbeit im Ausland endlich heimkommt und sie aus ihrer Situation erretten möchte. Die Zwillinge Dejan und Bojana werden infolge eines Rosenkriegs der Eltern nachhaltig voneinander getrennt und gegeneinander aufgehetzt. Die leicht zuckerkranke Petja will sich nicht um ihre Tochter Kalina kümmern und überlässt die Obsorge der Großmutter. Als die Oma einen Schlaganfall erleidet, muss die jugendliche Kalina beide – Mutter und Großmutter – pflegen, den Haushalt wuppen und die Schule managen, was sie zutiefst überfordert. Andrejas Mutter ist schwerst psychotisch und depressiv, sie zieht ihre Tochter in den Strudel ihrer Krankheit.

Warum, warum, warum, Gott hast Du den anderen Kindern Mütter gegeben und mir nur dieses Wrack, diesen Abschaum, vernichtet durch die unauslöschliche Krankheit der Seele, warum ist es diesem Abschaum nicht gelungen, mit der Wunde der Seele fertig zu werden, während es anderen gelang, warum ließ sie sich so mit Alkohol vollaufen, was fehlte ihr, was wollte sie, sie hatte mich, Papa, ihre Arbeit, war das letztlich nicht genug, was mehr kann ein Mensch vom Leben verlangen, und woher kam ihre Krankheit, das ganze Unglück, das von ihr ausging, der Niedergang, der Verfall […]

[…] sag es mir, und Christina antwortete: Ich wache morgens auf, als würde ich aus einem Teerfass voller Trauer geholt, es fällt mir sogar schwer, zu atmen, ich spüre eine physische Erschöpfung, als hätte ich den ganzen Tag gearbeitet, und alles ist schwarz, schwarz, schwarz, und ich will nicht aufstehen, und ich will nicht mehr atmen, und nichts kann mich freuen, […].

Dies sind nur ein paar der traumatisierenden Biografien, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben, auch kleinere Kalamitäten, Erziehungsfehler und unfassbarer Egoismus, insbesondere der Mütter, werden thematisiert.

Die Biografien sind zwar bei allen Kindern detailliert und in psychologischer Tiefe geschildert, die Beziehung eines jeden Einzelnen zur allseits geliebten Lehrerin Javora war mir aber ein bisschen zu ungenau ausgeführt. Trotz dieses Umstandes hat die Autorin am Ende aber dennoch sehr klar dargelegt, warum und durch welche Mechanismen die Lehrerin sterben musste.

 

Sprachlich war der Roman ein kleines bisschen mühsam und gewöhnungsbedürftig, wobei ich nicht weiß, ob dies am Stil der Autorin oder an der Übersetzung lag. Stilistisch werden Kommaexzesse, Hauptsatzperlenketten und Aufzählungsmanien angewandt, als dürfe man den Punkt als Satzzeichen nur in äußersten Notfällen verwenden.

 

Fazit: Ein sehr gutes Psychogramm von dysfunktionalen Familien und den Auswirkungen auf Kinder bzw. Jugendliche mit ein paar sprachlichen und satztechnischen Stolpersteinen im Stil, über die man/frau als Leser*in aber hinwegkommen kann. Ich freue mich sehr, dass ich durch meine EU-Autorinnenchallenge wieder mal ein neues Werk und eine mir unbekannte Autorin aus Bulgarien entdecken durfte. Es hat sich gelohnt, insofern gibt es von mir eine Leseempfehlung!

 

Im Rahmen des Korrekturlesens wurde ich noch auf ein weiteres Problem aufmerksam gemacht. Meine Lesefreundin und Mitstreiterin - auf unserem Gemeinschaftsbuchblog Feinerbuchstoff - Thursdaynext gab zu bedenken, „dass es immer und immer wieder die Mütter sind, die ihre Pflicht und Aufgaben verletzt haben, was sie sicher auch in diesen Fällen fürchterlich getan haben, aber mir fehlen da immer die verdammten Väter, von denen niemand diese Aufopferung verlangt.“ Da muss ich ihr leider zustimmen, die Autorin hat diese Stereotype nicht so sehr in den einzelnen Kapiteln des Romans angewandt, denn dort werden die Missetaten der Väter genauso angeprangert und halten sich auch in etwa die Waage, aber der Titel des Buchs fokussiert dann wieder punktgenau die Verfehlungen der Mütter. Insofern ist also der Buchtitel wirklich sehr schlecht gewählt, weil er vorab schon die verantwortlichen Mütter und typische patriachalische Rollen definiert.

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review 2018-11-14 11:00
Ich bin glücklich!
Valour - John Gwynne

Corban und seine Freunde haben den Überfall auf Dun Carreg knapp überlebt. Sie sind entkommen und konnten Ardans rechtmäßige Thronerbin Edana retten. Der Verlust ihrer Lieben lastet schwer auf ihren Herzen. Corban hadert mit dem Wissen, dass seine Mutter und Gar in ihm den Leuchtenden Stern sehen. Wenn er noch nicht einmal seinen Vater und seine Schwester Cywen schützen konnte, wie kann er dann der prophetische Heilsbringer sein? Leider hat er keine Zeit, sich mit seinen widerstreitenden Emotionen auseinanderzusetzen. Seine kleine Gruppe Überlebender hat nur eine Chance: sie müssen nach Domhain fliehen, König Eremons Reich, der ihnen Asyl bieten könnte. Doch der Weg dorthin ist lang, beschwerlich und riskant. Unter der Führung von Veradis erfüllen Nathairs Truppen die Versprechen des jungen Königs an seine Verbündeten und überziehen die Verbannten Lande mit Krieg. Die größte Bedrohung geht jedoch von Nathair selbst aus. Auf Drängen seines unheimlichen Beraters Calidus sucht er nach dem Kessel, einem der Sieben Schätze, der es ihm ermöglichen soll, sich zum Hochkönig aufzuschwingen. Nathair merkt nicht, dass er sich mit finsteren Mächten einlässt und zu dem wird, was er zu vernichten gedenkt: die Schwarze Sonne…

 

„Valour“ hat mich unheimlich glücklich gemacht. Als ich den zweiten Band der High Fantasy – Reihe „The Faithful and the Fallen“ zuschlug, hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht und konnte nicht widerstehen, sofort mit dem dritten Band zu beginnen. Ich bin sehr froh, dass ich meiner Intuition vertraute, die mir während der Lektüre des ersten Bandes „Malice“ versicherte, dass es sich lohnen würde, dran zu bleiben und die Tetralogie trotz mangelnder Originalität nicht aufzugeben. Ich liebe es, Recht zu behalten. Mit „Valour“ erfindet der Autor John Gwynne das Genre sicherlich nicht neu, aber er holt das Beste aus einem epischen Kampf zwischen Gut und Böse heraus. Das Buch ist spannend, mitreißend, fesselnd – ich wollte nicht mehr aufhören zu lesen und während der letzten Seiten packte ich es fester, weil es so aufregend war. Der grundlegende Konflikt ist äußerst simpel: John Gwynne zeigt das Ringen des allmächtigen Schöpfers Elyon mit seinem Widersacher Asroth um das Schicksal der Verbannten Lande. Diese Schlichtheit wirkt sich keinesfalls nachteilig aus, im Gegenteil, ich mochte die gradlinige Unterteilung in Gut und Böse und den ausgeprägten religiösen Einschlag, der von christlichen und jüdischen Motiven inspiriert ist. Komplexität erhält die Geschichte durch die Figuren. Ach, diese Figuren! Sie sind so echt, so lebendig, so nahbar, so realistisch! Sie sind mehr als bloße Konstruktionen aus Fantasie und Worten. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Gestaltung der Charaktere um den stärksten Aspekt der Reihe, durch den Gwynne wirklich zeigt, was er kann. Trotz einer Vielzahl an Perspektiven und einer wahren Armee an Nebenfiguren bleibt keine einzige blass oder flach. Ich entwickelte für die meisten Verständnis und bis zu einem gewissen Grad Sympathie – bis auf diejenigen, die ich nicht mögen sollte, wie zum Beispiel Calidus. Irgendjemanden muss man ja hassen dürfen. Ich konnte mich nicht einmal für eine Lieblingsfigur entscheiden, denn auf ihre Art sind sie alle liebenswert und ihr Zusammenhalt untereinander holte mich mühelos ab. Die Loyalität innerhalb der Gruppe um Corban empfand ich als außergewöhnlich überzeugend. Ich habe Gwynne abgekauft, dass sie füreinander sterben würden. Gänsehaut-Momente verursachten aber ebenfalls Figuren, die etwas weniger im Fokus stehen: Veradis‘ Fürsorge für die ihm unterstellten Soldaten imponierte mir sehr und die im Kampf gestählte Freundschaft zwischen Maquin und Ogull, die ich ohne zu zögern als Bruderschaft bezeichnen würde, rührte mich zu Tränen. Durch alle in „Valour“ beschriebenen Beziehungen zieht sich das Thema Familie wie ein roter Faden, mit dem ich mich hervorragend identifizieren konnte und das erfreulicherweise neben Menschen auch Tiere einschließt, die als vollwertige Persönlichkeiten etabliert sind. Corbans Wölfin Storm ist eine bepelzte, grimmige Kriegerin, der sich niemand entgegenstellen möchte und die ihm in vielen Schlachten das Leben rettet, denn Kampfszenen gibt es in „Valour“ in Hülle und Fülle. Mein High Fantasy – Herz frohlockte. Epische Schlachten und fiese Zweikämpfe treiben das Actionlevel nach oben, wirken jedoch niemals unnatürlich oder erzwungen. Die Verbannten Lande steuern auf einen Scheidepunkt zu, es ist naheliegend, dass die Situation eskaliert, weil Könige und Königinnen versuchen, einen kleinlichen Vorteil zu ergaunern. Unter den Mächtigen scheint Nathair die tragischste Figur zu sein, weil er noch immer glaubt, das Beste für sein Land zu tun. Ein Teil der Spannung in „Valour“ geht von der Frage aus, wann er endlich erkennt, dass er die Schwarze Sonne ist. Ich hoffe sehr darauf, dass Gwynne Nathairs Perspektive im nächsten Band involviert, denn ich wüsste zu gern, wie er seine Entscheidungen rechtfertigt. Irgendwann muss doch ihm auffallen, dass er nicht der Held, sondern der Bösewicht ist.

 

Was dem ersten Band nicht gelang, war für den zweiten ein Kinderspiel. „Valour“ konnte mich voll für „The Faithful and the Fallen“ gewinnen. Ich bin begeistert. Die Lektüre bot mir alles, was ich von einem guten Buch erwarte und wenige langatmige Stellen störten mich überhaupt nicht. Die unwiderstehliche Dramatik dieses Epos geht einerseits vom fundamentalen Konflikt zwischen Gut und Böse aus; andererseits von der brillanten Konstruktion der Figuren, die überwältigend lebensecht sind. Sie erobern und brechen mein Herz, als wären sie reale Personen. In den Verbannten Landen liegen Glück und Leid sehr nah beieinander – John Gwynne konfrontierte mich mit einer emotionalen Bandbreite, die kaum in Worte zu fassen ist. Ich gratuliere Ihnen, Mr. Gwynne. Sie haben die Durchschnittlichkeit hinter sich gelassen und ein Epos begonnen, das High Fantasy – Fans entzücken dürfte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/14/john-gwynne-valour
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