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review 2017-03-10 17:12
Roboter, Cyborgs und Bienen: 4 dystopische Kurzgeschichten


Das Clarkesworld Magazine ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, Autoreninterviews und anderen thematisch passenden Beiträgen. In der Ausgabe 125 treffen sich vier neue (neben zwei nachgedruckten) Geschichten verschiedener Autoren, zum Thema dystopische Zukunft.

AssassinsJack Skillingstead and Burt Courtier Bewertung: 4 von 5 Sterne
Sonia ist Programmiererin. Sie arbeitet für die Editoren, die Charaktere für die virtuelle Welt Labyrinthian erschaffen. Zuschauer besuchen diese Welt mithilfe ihrer besonderen Brillen und erleben dort Freundschaften und Beziehungen mit fiktiven Figuren. Doch seit die Editoren Sonias Lieblingscharakter »gestrichen« haben, ist sie nicht mehr dieselbe. In der Rolle ihres Avatars Simone The Slayer rächt sie sich an den Editoren, indem sie die beliebtesten Charaktere der virtuellen Welt ermordet.
Die Grenzen zwischen Realität und virtueller Umgebung sind in dieser Geschichte fließend. Die Menschen stecken eine intensive Zuneigung in fiktive Figuren und manchmal werden sie so große Fans von ihnen, dass sie ihr Äußeres an diese Figuren in der realen Welt angleichen. Spannend ist dabei, dass die emotionalen Auswirkungen über den Tod einer virtuellen Figur, dennoch sehr real und schmerzlich für die Menschen ist, die einen geliebten »Menschen« verlieren.
Eine spannende und lesenswerte Geschichte, die ich als Buchwurm, der sich regelmäßig in fiktive Figuren verliebt oder ihren Tod beweint, mehr als nachempfinden kann.

Prosthetic DaughterNin Harris Bewertung: 2 von 5 Sterne
Mit Prosthetic Daughter hatte ich leider große Schwierigkeiten. Grob betrachtet geht es um Identitätsdiebstahl und zwar einen, der tatsächlich jegliche Erinnerungen an das eigene Ich stielt. Möglich ist es dadurch, dass alle Menschen Cyborgs sind und so eine Art Erinnerungschip im Gehirn haben. Erinnerungen sind also rein digital gespeichert und löscht jemand diese Erinnerung, weiß man absolut nichts mehr über sich, nicht einmal die Familie erinnert sich an einen. Soweit so gut. Was ich nicht verstanden habe ist der Einwurf von Zeitreise-Aufträgen, wobei nie wirklich in der Zeit gereist wird. Dafür springt aber die Handlung immer wieder an verschiedene Momente der Protagonistin, mal vor, mal zurück, aber dann doch in Erinnerungen, obwohl die Erinnerungen ausgelöscht sein sollten. Das ganze wirft mehr Fragen auf, als Antworten geboten werden. Was ist der ominöse Auftrag, der gelegentlich erwähnt wird? Was war nun die ausgebuffte Falle, in die die Identitätsdiebin offenbar munter hineingetappt ist? Was genau hat die Erwähnung von Zeitreisen in dieser Geschichte zu suchen? Ich hatte den Eindruck viele angefangene Ideen zu vor mir zu haben, die auf zu wenig Raum komprimiert werden mussten. Es war mir alles zu bruchstückhaft und es hätte nicht geschadet ein paar »glatte« Übergänge vom einen zum anderen Ereignis zu schaffen und hier und da auch mal eine Antwort zu geben. Schade, denn die Grundidee finde ich eigentlich recht spannend.

How Bees FlySimone Heller Bewertung: 5 von 5 Sterne
Als Fan der Autorin und von post-apokalyptischen Szenarien, hat mich How Bees Fly mit seiner etwas düsteren und dystopischen Stimmung gleich in ihren Bann gezogen. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der nicht menschlichen Salpe, die ihre von kleinauf angelernten Ängste und Vorurteile gegenüber der »Dämonen« auf die Probe gestellt sieht als sie zwei solcher Kreaturen begegnet. Selbst verletzt, wäre sie ein leichtes Opfer, doch die Dämonen sind anders als in den Geschichten und während sie Salpe pflegen, sieht die zu, wie liebevoll die beiden Dämonen auch miteinander umgehen. Salpe bekommt Zweifel an dem, was man ihr all die Jahre beigebracht hat.
Ich finde die Grundaussage dieser Geschichte gerade wieder brandaktuell, geht es doch darum über die eigenen festgefahrenen Ansichten hinauszublicken und nicht blind Parolen nachzubrüllen oder Feindbilder einfach nur hinzunehmen. In How Bees Fly werden wir daran erinnert, dass die Dinge aus der Nähe betrachtet oft anders sind als wir zu wissen glauben, und dass wir uns die angelernten Ängste und Feindbilder genau ansehen sollten, bevor wir ihnen blind vertrauen. Denn manchmal steckt hinter dem Vermeintlichen nichts weiter als Mythos und Aberglaube.
Als Bonus zu dieser unaufdringlich tiefgründigen Aussage gibt es auch noch verlorenes Wissen um technische Gimmicks, wie etwa Bienen, die ihre Energiezellen durch Sonnenlicht aufladen. Ein sprachgewandtes und emotional rührendes Stück SF das mir wirklich gut gefallen hat.

Rain ShipChi Hui Bewertung: 4 von 5 Sterne
In ferner Zukunft ist die Menschheit verschwunden. Stattdessen gibt es nun eine Rasse von intelligenten Ratten, welche die archäologischen Reliquien der Menschheit erforscht. Als ein riesiges Menschenschiff gefunden wird, dessen Technologie noch zu funktionieren scheint, ruft das Grabräuber und Archäologen auf den Pan. Im Handumdrehen entsteht eine tödliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien.
Bei dieser durchaus phantasievollen und temporeichen Story wurden etliche Fußnoten in den Anhang gepackt. Ich empfehle diese einmal vor der Lektüre von Rain Ship zu lesen. Es genügt vollkommen die Infos grob im Hinterkopf zu haben, da sich die Geschichte prima ohne ständiges Blättern zum Anhang verstehen lässt, das doch eher den Lesefluss stört. Insgesamt ein unterhaltsames und gewitztes Weltraumabenteuer mit einer etwas anderen Heldin.

Unterm Strich eine qualitativ hochwertige Sammlung von Kurzgeschichten, die für mich nur einen Ausreißer hatte.

Div. Autoren: Clarkesworld Issue 125
Verlag: clarkesworldmagazine.com, 2017
ISBN: 9781890464820
143 Seiten, TB
Source: moyasbuchgewimmel.de/rezensionen/titel/c/clarkesworld-issue-125
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review 2016-11-17 10:47
Goldrausch im "First Law" - Universum
Blutklingen - Joe Abercrombie

Joe Abercrombie ist in sein „First Law“ – Universum zurückgekehrt. Im Januar 2017 wird die Anthologie „Schattenklingen“ bei uns veröffentlicht. Obwohl ich sonst kein Fan von Kurzgeschichten bin, kann ich es kaum erwarten. 13 neue Geschichten mit Glokta, Logen und all den anderen! Da es bis Januar ja nicht mehr allzu lang hin ist, wurde es höchste Zeit, dass ich mir den letzten der drei Einzelbände aus der „First Law“ – Welt vornehme. „Blutklingen“ stand auf der Speisekarte.

 

Scheu Süd war nicht immer ein guter Mensch. In ihrer Jugend lief sie von zu Hause fort und schloss sich einer Räuberbande an. Sie stahl. Sie tötete. Dankbar, dass diese dunklen Jahre der Gewalt weit zurückliegen, sorgt sie heute so gut sie kann für ihre kleinen Geschwister Ro und Pit und versucht, den Hof ihrer verstorbenen Mutter am Laufen zu halten. Keine einfache Aufgabe in Naheland. Unterstützt wird sie von dem alten Gully und Lamm, einem sensiblen Nordmann, der wohl so etwas wie ihr Stiefvater ist. Scheu kennt die Berichte über Goldfunde in Fernland. Idiotisch, wer glaubt, dort das Glück zu finden. Niemals würde sie ihre Verpflichtungen einfach hinschmeißen, um einem Traum nachzujagen. Doch als sie eines Tages gemeinsam mit Lamm aus der Stadt zurückkehrt, findet sie nichts als Asche vor. Ihr Hof wurde niedergebrannt, Gully ermordet und die Kinder verschleppt. Die Spuren deuten nach Fernland. Entschlossen, Ro und Pit zu finden, machen sich Scheu und Lamm auf die lange und gefährliche Reise. Bald muss Scheu einsehen, dass sie ihren Stiefvater weniger gut kennt, als sie dachte. Vielleicht ist sie nicht die einzige mit einer blutigen Vergangenheit.

 

Joe Abercrombie hat zu seiner alten Form zurückgefunden. „Blutklingen“ ist definitiv der beste der drei Einzelbände und knüpft qualitativ an die „First Law“ – Trilogie an. Während „Racheklingen“ und „Heldenklingen“ räumlich und inhaltlich begrenzte Geschichten erzählen, werden die Tore zu Abercrombies detailliertem Universum in „Blutklingen“ erneut weit aufgestoßen. Die Handlung setzt etwa 10 Jahre nach den Ereignissen in „Racheklingen“ an und beleuchtet einen Winkel der Welt, den die Leser_innen bisher nicht besuchen durften: die ungastlichen, gesetzlosen Regionen Naheland und Fernland. Seit in Fernland Gold gefunden wurde, setzte ein stetiger Zustrom von Glücksrittern und Verzweifelten ein, die hoffen, sich in der kargen Landschaft mithilfe einiger Nuggets ein neues Leben aufbauen zu können. Demzufolge ist „Blutklingen“ die High Fantasy – Version der Goldräusche in Nordamerika, eine Idee, die mich bereits grundsätzlich begeistert. Ich finde es großartig, dass Abercrombie reale Ereignisse der Geschichte in diesen Kontext überträgt und auf diese Weise spannende neue Perspektiven erkundet. Er arbeitet Naheland und Fernland überzeugend in die prekäre politische Situation zwischen der Union und dem Kaiserreich ein und verdeutlicht das Interesse beider Nationen an diesen Grenzlanden. Die Aura von Veränderung ist auf jeder Seite spürbar und unterstützt die bombastische, greifbare Atmosphäre. Er spielt mit der Frage, was Zivilisation eigentlich ausmacht: definiert sich Zivilisation über materielle Errungenschaften oder eher über das Verhalten der Menschen? Unwissenheit, Missverständnisse und Vorurteile schüren den Konflikt zwischen Siedlern und der indigenen Bevölkerung, führen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Ebenen und können den Fortschritt doch nicht aufhalten. Bedauerlicherweise ist das Kielwasser der Zivilisation stets blutig.
Die Protagonistin Scheu Süd kümmert sich wenig um Fortschritt und Zivilisation, ihr einziges Interesse gilt der Rettung ihrer Geschwister. Mir gefiel Scheu aufgrund ihrer Bodenständigkeit unglaublich gut. Sie ist eine harte junge Frau, deren Herz am rechten Fleck sitzt und die eine ansteckende Energie ausstrahlt. Ihre Vergangenheit desillusionierte sie, ließ sie misstrauisch und zynisch werden, aber sie bewahrte sich sowohl ihre Fähigkeit, zu lieben, als auch ihre Fähigkeit, Glück zu empfinden. Jede_r hat sein/ihr Päckchen zu tragen, eine Weisheit, die ebenso auf den Rechtsgelehrten Tempel und Scheus Stiefvater Lamm zutrifft. Während Tempel sein Wesen komplett umkrempelt, obwohl er viele Jahre für den berüchtigten Söldner Nicomo Cosca (ja, DER Cosca) arbeitete, wird Lamm im Verlauf ihrer Reise von seiner Vergangenheit eingeholt. Drei lebendige, realistische Figuren, die ganz verschiedene Antworten auf die Frage liefern, ob sich ein Mensch wirklich ändern kann. Mich faszinierte die Subtilität, mit der Joe Abercrombie dieses philosophische Thema in seine Geschichte integrierte. Ohne die Handlung zu beherrschen begleitet es die Leser_innen ununterbrochen, wie eine Unterströmung, die nur in entscheidenden Momenten zu Tage tritt. Abercrombie ist eben mehr als ein Chronist brutaler Gewalt und heftiger Kraftausdrücke, er verfügt über eine nachdenkliche, einfühlsame Seite. Dieser Facettenreichtum spiegelt sich in seinen Romanen wider und dafür liebe ich ihn.

 

„Blutklingen“ steigerte meine Vorfreude auf die Anthologie „Schattenklingen“ massiv. Es ist ein fantastischer High Fantasy – Roman voller Anspielungen auf die Realität und tiefen, abwechslungsreichen Charakteren. Das Setting erinnert an den Wilden Westen, die Handlung an die großen Goldräusche des 19. Jahrhunderts. Es vereint Härte, Action und Emotionalität auf unnachahmliche Weise. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und bin überzeugt, dass Joe Abercrombie mit seinem „First Law“ – Universum noch längst nicht fertig ist. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass nach der Anthologie weitere Bücher aus dieser Welt folgen werden. Meine Intuition sagt mir, dass dort noch viele Geschichten schlummern, die erzählt werden wollen und ich bin sicher, Joe Abercrombie weiß das. Mr. Abercrombie, ich warte. Bitte strapazieren sie meine Geduld nicht übermäßig.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/11/17/joe-abercrombie-blutklingen
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text 2016-01-07 08:25
Meerkatzen
Meerkatzen: Mediterrane Katzengeschichte (Pfoten-Reihe 1) - Shikomo,Alisha Bionda

Die Anthologie "Meerkatzen" aus dem Arunya-Verlag ist heute bei Amazon als eBook erschienen. 

Lustige, verträumte, märchenhafte phantastische Texte rund um Katzen an südlichen Stränden und warmen Meeren.

Katzen - die Wächter der Seele - übten schon immer einen magischen Reiz auf Menschen aus.
In diesem Kurzgeschichtenband tummeln sich die Samtpfoten auf Mallorca, Ibiza, in Portugal, Barcelona ... schlicht "in mediteranen" Gefilden. 


​Ich bin mit der Kurzgeschichte "Ikaros" vertreten.

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review 2015-12-29 22:02
Dampfend-spannende Kurzgeschichten
Voll Dampf: Fiktionale Steamgeschichten - Frank Hebben,Thorsten Küper,Matthias Falke,Peter Hohmann,Peer Bieber,Jan-Tobias Kitzel,André Wiesler,Marco Ansing,André Skora,Ingo Schulze

Rezension
Das Vorwort stammt von der Raum-Zeit-Kapelle Drachenflug und wirft einen generellen Blick auf die Steampunk Szene, bevor es sich den Autoren zuwendet, die von allen Künstlern die meiste Freiheit haben, wie der Drachenflieger Freiherr von Dunkelfels feststellt.

 

Den Auftakt der Anthologie bildet eine ungewöhnlichen Geschichte von einem Bühnenmagier und seinem ganz besonderen Kraken: „Valerius von Arbogast und sein fabelhafter Krakun“ von Thorsten Küper. Hierin taucht nicht nur Charles Darwin, Begründer der Evolutionstheorie, in einem völlig unerwarteten Zusammenhang auch, sondern auch eine andere historische Persönlichkeit, aus der Zunft der Schriftsteller – mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, weil ich sonst spoilern würde.

 

„Die spektakuläre und heldenmütige Entführung der originalgetreuen Lokomotive Emma“ (Matthias Falke) handelt von einer ganz besonderen Lokomotive in einem Science-Fiction-Setting.

 

„Mach mal Dampf“ von André Wiesler spielt in einem Kriegszenario, welches an den 1. Weltkrieg erinnert. Der Protagonist, ein deutscher Soldat, wird Zeuge, wie ein gewaltiger französischer Kampfroboter (eine Art Mech, wie man ihn aus „Battletech“ und ähnlichen Szenarien kennt) in die Schlacht eingreift.

 

„Träum weiter“ (Peter Hohmann) handelt von Preußen im deutschen Kaiserreich, die gegen Rebellen kämpfen und ein mehrstöckiges, monströses Luftschiff gebaut haben. Doch dann kommt alles anders als erwartet, wie der Anti-Held, ein Journalist, am eigenen Leib erfahren muss.

 

Auch in „Volldampf zu den Sternen“ (Marco Ansing) ist ein Reporter der Protagonist. In Form von Zeitungsberichten, in denen er sich auch direkt an seine Leserinnen und Leser wendet, beschreibt er turbulente eigene Erlebnisse in Hamburg im Jahr 1899, bei denen er es mit seltsamen „Metallmännern“ zu tun bekommt. Und das ist erst der Anfang…

 

Die Geschichte „Schwarzfall“ von Frank Hebben beschreibt eine Gesellschaft, die völlig abhängig geworden ist von der Elektrizität des Herrn Tesla. Diese Geschichte wird nicht aus der Perspektive eines oder zweier Protagonisten geschildert, sondern eher aus der Vogelperspektive eines unbeteiligten Beobachters, was sie aber nicht minder dystopisch macht.

 

In „Ein Gott über den Wolken“ (Achim Zien) erkundet eine Expeditionsgesellschaft im Auftrag ihres Kaisers (eines fiktiven Reiches) einen Gebirgszug auf der Suche nach Rohstoffen und finden ein gestrandetes Luftschiff. Was sie darin finden, verschlägt ihnen den Atem – und macht Lust auf ein längeres Abenteuer in dieser fiktiven Welt.

 

„Blechschicksal“ (Jan-Tobias Kitzel) erzählt einen überraschenden Steampunk Krimi in London mit mechanischen Tieren, anderen automatischen Wesen und einem Helden der etwas anderen Art.

 

„Natürliche Auslese“ von Peer Bieber beschreibt eine Alternative Reality in den 1900er Jahren, in der die politischen und religiösen Verhältnisse in Großbritannien, aber vor allem auch in Südamerika etwas anders sind, als wir es aus der Geschichte kennen. Diese Story wird aus der Sicht eines Polarforschers beschrieben. Auch hier tauchen historische Persönlichkeiten ein, z.B. der norwegische Polarforscher Fridtjof Nansen.

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review 2015-11-14 13:17
Tadzios Brüder
Tadzios Brüder: Der 'schöne Knabe' in der Literatur - Guido Fuchs

Inhalt:
Der Untertitel des Sachbuches „Der schöne Knabe in der Literatur“ weist bereits auf den Inhalt des Buches hin – eine umfangreiche Textsammlung, in denen die außergewöhnlich schönen Jungen auftauchen und umschrieben werden. Dabei wird der Leser durch alle möglichen Zeitepochen von den Klassikern bis zur modernen Belletristik geführt und lernt längst vergessene und wohlbekannte Autoren kennen.
Nach einer sehr umfangreichen und interessanten Einleitung, in dem Herausgeber Guido Fuchs einen ausführlichen Einblick in die Thematik gewährt, folgen Textbeispiele diverser Autoren, von Hermann Hesse über Thomas Mann, Theodor Fontane, Rainer Maria Rilke bis hin zu Astrid Lindgren und Johann Wolfgang von Goethe. Anstatt die Beispiele zeitlich zu ordnen, wählt der Herausgeber eine Unterteilung nach Inhalt und Thema der Ausschnitte: „Begegnung“, „Betrachtung“, „Erinnerung“, „Erwählung“, „Erscheinung“, „Beziehung“, „Verheissung“, „Verbeugung“, „Verschwendung“, „Versuchung“, „Veränderung“ und „Verwandlung“.

 

Eigene Meinung:
Das Sachbuch „Tadzios Brüder – Der schöne Knabe in der Literatur“ erschien 2015 als edle Hardcoverausgabe mit Lesebändchen im Monika Fuchs Verlag und umfasst knapp 260 Seiten, von denen fast 40 die Quellenangaben umfassen. Jedes Kapitel wird mit einem passenden Gemälde oder Bild untermalt, ebenso befinden sich einige weitere ausgewählte Fotografien bekannter Statuen in der Einleitung des Buches und am Ende. Mit knapp 27 Euro bewegt sich der Band im oberen Preissegment, jedoch ist er aufgrund seines Inhaltes und der schönen Aufmachung durchaus sein Geld wert.

 

Inhaltlich bietet sich dem Leser eine beeindruckende, sehr umfangreiche Sammlung verschiedenster Textausschnitte, die sich dem schönen Knaben als Protagonisten, Nebenfigur oder flüchtiger Erscheinung widmen. Beginnend im späten 18. Jahrhundert reichen die Passagen und Beispiele bis in die heutige Zeit. Guido Fuchs fördert ein Phänomen zu Tage, das in der heutigen Belletristik kaum noch vertreten ist, da es im Laufe der Zeit verloren ging. Teils mag das an den heutigen Konventionen liegen, teils gilt es als verpönt (gerade als Mann) über einen schönen Knaben zu sprechen, denn damals war es bis zu einem gewissen Grad kein Problem, eine derartige Erscheinung sehr blumig in Worte zu packen. So ist es interessant zu sehen, dass nahezu alle großen Dichter und Autoren derartigen Jünglingen einen Platz in ihren Werken einräumten, ohne dass jemand daran Anstoß nahm. Erst Oscar Wilde, dessen Umschreibungen von Bosie denen der großen Schriftsteller nicht unähnlich waren, scheint dem Thema aufgrund des Prozesses und seiner Homosexualität einen negativen, fast schon schwulen Beigeschmack gegeben zu haben; ein Stempel der Männern heutzutage schnell aufgedrückt wird, wenn von schönen, engelsgleichen Knaben gesprochen wird. Das diesen Umschreibungen keinerlei sexuelle oder erotische Komponente zugrunde liegt, wird in dabei den Hintergrund gestellt. Aus diesem Grund verzichtet der Herausgeber vollkommen auf jegliche Textpassagen und Umschreibungen, die einen schwulen, erotischen oder sexuellen Kontext haben, worauf auch im Vorwort hingewiesen wird. In „Tadzios Brüder“ geht es nicht um die Knaben, die man in der modernen schwulen Literatur finden mag, sondern um die unantastbaren, schönen Kinder und Jugendlichen, die man von der Ferne zwar lieben und bewundern darf, aber nicht verletzen und beschmutzen soll.

 

Stilistisch erwartet den Leser eine große Bandbreite unterschiedlicher Stile, Genre und Gattungen, je nach Alter des Textes. Natürlich wird auf die Originaltexte Wert gelegt, so dass sie aus heutiger Sicht fehlerhaft (die Rechtschreibung war nun einmal gänzlich anders), schwülstig und sehr blumig wirken, teilweise vielleicht sogar schwer zu verstehen sind. Außerdem sind die Beschreibungen der hübschen Knaben dem Leser mit der Zeit fast zu viel, da sich die Ausschnitte ähneln und sich die Wortwahl der Autoren wiederholt. Daher ist das Buch nur bedingt dazu geeignet, in einem Rutsch gelesen zu werden, sondern vielmehr ein schönes Nachschlagewerk, zu dem man immer wieder greift. Zudem entdeckt man möglicherweise neue (alte) Autoren für sich, deren Werke man bisher nicht auf dem Schirm hatte.

 

Fazit:
„Tadzios Brüder“ ist eine sehr schöne Textsammlung zum Thema „Der schöne Knabe in der Literatur“ und bietet Liebhabern klassischer Romane einen Fundus an überraschend vielseitiger Texten und Passagen unterschiedlicher Art. Guido Fuchs hat eine beeindruckende Sammlung erstellt, die über mehrere Epochen reicht, unterschiedliche Stilrichtungen und Genre abdeckt und bekannte und unbekannte Autoren präsentiert, ohne jemals in einen (schwul) erotischen Subkontext abzurutschen. Für hektisches Durchlesen ist „Tadzios Brüder“ nicht geeignet, es empfiehlt sich mehr Zeit mitzubringen, um die Fülle an Texten über schöne Knaben wirklich genießen zu können. Zu empfehlen!

Source: www.like-a-dream.de
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