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review 2018-09-10 13:29
Rezension | U. Poznanski: Thalamus
Thalamus - Ursula Poznanski

 

Nach einem schweren Unfall landet Timo in einer Rehaklinik, in der er sehr schnell, sehr erstaunliche Fortschritte macht. Irgendwas geht nicht mit rechten Dingen zu und genau das ist des Pudels Kern dieses Buches.

 

Um zu verstehen, wie dieses Buch funktioniert, werfe ich einen Blick auf Timo.
Timo ist der Protagonist, die Geschichte wird aus seinem Blickwinkel erzählt und zwar ausschließlich aus seinem Blickwinkel.

 

Dabei arbeitet Ursula Poznanski mit einem einfachen Trick: Ihr Protagonist ist eine Figur, die mehr als Schablone dient, als dass er ein ausgefeilter Charakter ist. Was sich wie eine Schwäche anhört, ist eine große Stärke. Solche Figuren sind perfekt dazu geeignet, dass ich als Leser mich in sie Hineinversetzen kann. Warum? Weil ihre Gedanken, Handlungen und Gefühle zwar zur Situation passen, - sie sind nachvollziehbar, - aber generisch genug sind, um um sie leicht annehmen zu können.

 

Timo dient dazu mich als Leser an die Hand zu nehmen und durch ihn die Geschichte erfahren zu können, ohne dass er mir seine Sichtweisen, Reaktionen, Gefühle aufdrängt. Es gibt nichts an diesem Charakter, dass großartig polarisiert oder einer Wertung erfordert, die ihn unsympathisch macht. Gerade deswegen lässt es sich so gut in die Geschichte eintauchen: Durch eine Figur wie Timo habe ich als Leser mehr als genug Platz, um wirklich einzutauchen.

 

Als Vergleich lässt sich Carl hinzuziehen, der eindeutig einen gefestigten Charakter hat; jemand, der nicht der Leser ist sondern als eigenständige Person funktioniert.

 

Timo hat auch den Vorteil, dass er handelt. Viele Geschichten leben vom inneren Drama der handelnden Charaktere. Daran ist nichts verkehrt, nur kann das, gerade bei Thrillern, die Handlung eher bremsen. Hier trifft Ursula Poznanski die erfrischende Entscheidung ihren Protagonisten einfach machen zu lassen. Timo tut, was getan werden muss und das gibt der Geschichte ihren Zug.

 

Was mir auch gefallen hat ist der Umgang mit Behinderungen und schweren Schäden. Hier wird nichts verharmlost, aber das Buch versinkt auch nicht in einem Tal der Tränen. Die Figuren haben ihre guten und schlechten Tage, wie man es erwarten würde, aber letztendlich ist alles auf einer sehr klaren, einfachen, realistischen Ebene, ohne dass die Charaktere dabei bevormundet, bemitleidet, vorgeführt oder belächelt werden. Schwere Schicksale so leicht und dabei so ehrlich und offen zu beschreiben gelingt nicht jedem.

 

Mir gefällt auch die Mini-Romanze in dem Buch, vor allem, weil sie so am Rande mitläuft. Sie stiehlt dem eigentlichen Plot nicht die Show, - wie es leider oft der Fall ist, - sie ist eher so ein kleines, aber feines BonBon. Die Romanze ist nicht wirklich eine, sie ist nicht relevant für irgendwas, aber beim Lesen sorgte sie bei mir für ein kleines, warmes Lächeln.

 

Kommen wir zu Kritikpunkten: Das Buch hat seine Längen. Sagen wir mal, wir haben am Anfang 100 Seiten, um die Figuren zu treffen und die Ausgangssituation zu etablieren. Dann folgen 200 Seiten Handlungsaufbau, aka Spannungskurve und zum Schluss die Auflösung/ das Finale. Der Mittelteil ist für meinen Geschmack zu lang. Dadurch, dass man Timo so leicht folgen kann, ergo leicht in die Geschichte hinein gleitet, liest sich das alles gut weg. Trotzdem hatte ich das Gefühl: Komm in die Puschen!

 

Die Handlung an sich funktioniert viel darüber, dass Timo zur rechten Zeit am rechten Ort ist: Es lebe der Zufall! Vor allem hört er Gespräche, die er eigentlich nicht hören sollte, weil er zufällig in der Nähe ist. Nebenfiguren erzählen wichtige Hinweise zur Auflösung zufällig gerade dann, wenn Timo zuhört. Es klappt, aber sobald es mir einmal aufgefallen ist, sah ich halt das Konzept hinter dem Plot und das finde ich immer ein bisschen schade.

 

Außerdem sind ein paar Blindgänger im Mittelteil, das heißt Handlungsstränge, die im Nichts verlaufen, ohne dass sie irgend etwas für den Plot tun.

 

Über die Auflösung sage ich jetzt gar nichts. Haut sie einen vom Hocker? Eher nicht. Aber für mich war das Buch nicht darauf angelegt auf einen großen Showdown hinauszulaufen.

 

Hier herrscht eher das Motto: Der Weg ist das Ziel. Und der Weg ist durchaus eine angenehme Lektüre.

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review 2018-09-09 09:24
Fesselnde Thriller-Unterhaltung für Jugendliche
Thalamus - Der Hörverlag,Ursula Poznanski,Jens Wawrczeck

Der siebzehnjährige Timo verunglückt bei einem Motorradunfall. Fortan ist er ans Krankenbett gefesselt. Er kommt ins Reha-Zentrum Markwaldhof, wo er sich von einem schweren Schädelhirntrauma erholen soll. Doch im Markwaldhof geschieht Mysteriöses ... 

"Thalamus" ist ein Jugendthriller von Ursula Poznanski, der, wie erhofft, ausgesprochen zu fesseln weiß.

Der Jugendliche Timo wird von einem Moment auf den anderen aus seinem gewohnten Leben katapultiert. Er erleidet bei dem Unfall zahlreiche Knochenbrüche und ein schweres Schädelhirntrauma, das unter anderem sein Sprachzentrum lähmt. 

Zur Rehabilitation wird er an den Markwaldhof überwiesen. Hier soll er dank fürsorglicher und kompetenter Betreuung rasch genesen. Timo teilt sich ein Zimmer mit Magnus, einem Wachkomapatienten. Aber nachts spaziert sein Zimmergenosse in der Klinik umher, und droht Timo, ihn zu töten, wenn er jemanden davon erzählt.

Am Beginn der Geschichte ist man sofort in einer brenzligen Situation. Timo ist mit dem Moped zu seiner Freundin unterwegs. Dank des Klappentexts weiß man schon, dass das Überholmanöver im Regen nicht gut ausgeht, und dennoch habe ich den Atem angehalten. 

Danach liegt Timo im Krankenhaus und wird später in den Markwaldhof überstellt. Gerade das erste Drittel der Geschichte mit den Beschreibungen seiner beschwerlichen Genesung habe ich als sehr glaubhaft und authentisch empfunden. Ich habe mit Timo gefühlt und mich mit ihm ins Leben zurückgekämpft. Außerdem fand ich die Perspektive aus dem Krankenbett interessant, weil es doch mal anders als das übliche Teenie-Leben ist.

Timo liegt also im Reha-Zentrum, kann sich mit jeden Tag etwas mehr rühren, nur sein Sprachzentrum ist ihm nicht gnädig gestimmt. Er bekommt keinen vernünftigen Laut aus dem Mund, und schafft es kaum, mit anderen zu kommunizieren.

Eines Nachts wird er von seinem Bettgenossen Magnus bedroht. Zuerst glaubt Timo, dass er sich das nur eingebildet hat, weil Magnus ein Wachkomapatient ist, der bewusstlos im Bett vegetiert. Allerdings nimmt er nach und nach merkwürdige Vorkommnisse im Markwaldhof wahr, und beschließt, ihnen auf den Grund zu gehen.

Die Thrillerhandlung ist meiner Meinung nach einem Jugendbuch entsprechend umgesetzt. Timo ist auf sich allein gestellt, weil er sich aufgrund mangelnden Sprachvermögens mit niemanden über komplexere Sachverhalte austauschen kann. Im Alleingang stößt er auf unglaubliche Geheimnisse, und stellt fest, seine Freunde aus der Reha sind allesamt in Gefahr.

Thematisch greift Ursula Poznanski neueste Errungenschaften aus der Neurologie auf, und hat sie spannend und gekonnt in ihrem Roman eingesetzt. Wieder einmal hat sie es geschafft, aktuelle Entwicklungen in einen Jugend-Thriller einzuflechten, sodass es neben reichlich Spannung Stoff zum Nachdenken gibt. 

Mir haben besonders Timos Genesung und seine Freunde im Reha-Zentrum gefallen. Hier hat die Autorin facettenreiche Figuren geschaffen, die ich gerne begleitet habe. Egal ob mit Carl - mit C - oder die Spitzensportlerin Mona, Timo hat Freundschaften für's Leben geschlossen.

Winziger Kritikpunkt meinerseits ist die überspitzte Darstellung der Bösewichte, und, die Handlung ist mir als Erwachsene einen Hauch zu konstruiert. Hier jammere ich eindeutig auf hohem Niveau, weil es ein packender Jugend-Thriller ist.

Alles in allem hat mich Ursula Poznanski mit ihrem Jugend-Thriller "Thalamus" überzeugt. Interessante Entwicklungen treffen auf mysteriöses Geschehen und sind im jugendlichen Thriller-Modus fesselnd verpackt. Ein Thriller, der ausgezeichnet zu unterhalten weiß! 

Source: zeit-fuer-neue-genres.blogspot.co.at
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review 2018-09-06 07:37
Die Schatten der Vergangenheit
Schatten - Argon Verlag,Ursula Poznanski,Andrea Sawatzki

Zwei Morde in Salzburg: Ein Mann liegt brutal zugerichtet in seiner Wohnung. Die Leiche einer Hebamme wird ertränkt in einem Bach gefunden. Beatrice Kaspary und Florin Wenninger ermitteln wieder.

„Schatten“ ist der vierte Fall vom Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger, der in das Tagesgeschehen der Abteilung „Leib und Leben“ in Salzburg entführt.

Beatrice Kaspary und Florin Wenninger werden zu einem Tatort gerufen. Der Tote liegt in seiner Wohnung und ist inmitten eines heimeligen Chaos drapiert. Bei der Tatortbesichtigung fällt Bea ein Zeitungsbericht auf, der aus ihrer Vergangenheit stammt.
Eine zweite Leiche wird im Wald in einem Bach entdeckt. Langsam bekommt es Bea mit einem mulmigen Gefühl zutun, denn sie ist sicher, dass sie die tote Hebamme kennt.
Ist das Zufall? Oder besteht ein Zusammenhang?

Dieser vierte Band um das Ermittlerteam Kaspary-Wenninger steht seinen Vorgängern um nichts nach und ist mindestens so interessant und spannend, wie es die anderen gewesen sind. 

Es handelt sich um Beas persönlichsten Fall. Die Salzburger Ermittlerin ist selbst betroffen. Obwohl ich privates Ermittler-Involvement normalerweise überhaupt nicht ausstehen kann, ist es hier meiner Meinung nach passend umgesetzt. Es ergibt sich ein rundes Bild in Bezug zu Beatrices Vergangenheit, und hat daher glaubhaft gewirkt.

Es werden Hintergründe aufgedeckt, Geheimnisse gelüftet, und endlich erfährt man, wie Beatrice überhaupt zur Polizei kam. Zwar gab es schon immer Andeutungen, doch so intensiv hat man sich damit noch nie auseinandergesetzt.

Der Fall ist spannend erzählt und der Wechsel zwischen Ermittlungstätigkeit und brisanten Situationen exzellent gewählt. Die Handlung wird von ihrer eigenen Dynamik getragen, und profitiert vom Rätsel raten, was durchgängig die Spannung hält. Ich habe lange gegrübelt, wer hinter den Morden steckt. Es hat fast bis zum Ende gedauert, bis ich mir - zeitgleich mit Bea - sicher war.

Außerdem verschont Ursula Poznanski den Leser vor Beas ewiger Jammerei. In den vorherigen Bänden ist mir Beatrice in ihrer Rolle als überforderte Mutter ordentlich auf die Nerven gegangen. Diesmal liegt es in der Natur der Geschichte, dass dieser Teil von ihrem Leben außen vor bleibt, was mir recht gut gefallen hat.

Florin Wenninger kommt ebenfalls zum Zug, obwohl er leider nur die Rolle einer wichtigen Nebenfigur erhält. Zumindest gibt es Episoden, die aus seiner Perspektive erzählt werden, was interessant zu hören ist. Ehrlich gesagt, es wäre toll, wenn Wenninger mal ein bisschen mehr als Beas Beiwerk wird, weil er ein faszinierender Charakter ist.

Kritikpunkte gibt es dennoch von mir. Zum Beispiel handeln viele Figuren äußerst unlogisch, darunter Beatrices Familie. Und ich hoffe, dass die Polizei im echten Leben systematischer vorgeht!

Ich mag Poznanskis Erzählweise, ihren schnörkellosen Stil, der dennoch zum Grübeln anregt. Ihre Bücher kommen mir oft wie ein Puzzle vor, in denen sie geschickt den entscheidenden Hinweis unter den vielen Steinchen versteckt.

In diesem Sinn kann ich den vierten Fall von Kaspary und Wenninger unbedingt empfehlen, allerdings nur, wenn man die anderen Bände bereits kennt, weil man sich ansonsten um’s eigene Lesevergnügen bringt.

 

 

Bisherige Fälle:
1) Fünf 
2) Blinde Vögel
3) Stimmen
4) Schatten
 
Source: zeit-fuer-neue-genres.blogspot.co.at
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review 2018-04-19 07:53
Wir oder Die
Die Vernichteten - Ursula Poznanski,Ursula Poznanski

Auge um Auge. Ein Leben für ein Leben. Rechtfertigt das Unrecht, das die Außenbewohner durch die Sphären erfuhren, die Auslöschung der Kuppelbewohner? Ria ist fest entschlossen, die Ausbreitung einer tödlichen Epidemie zu verhindern. Sie riskierte ihr Leben, um aus der Sphäre Vienna 2 zu fliehen, zu den Schwarzdornen zurückzukehren und Quirin das Serum abzunehmen, das die einzige Hoffnung der Sphären ist. Doch Quirin weigerte sich. Jetzt ist der Bewahrer verschwunden und Ria und Tycho sind erneut in seinem unterirdischen Labyrinth eingesperrt, während sich die Lage an der Oberfläche stetig zuspitzt. Die Sphären lassen nichts unversucht, um sie einzufangen – tot oder lebendig. Auf der Suche nach ihr durchkämmen die schlimmsten Clans der Außenwelt die Gegend. Als neuer Clanfürst hat Sandor alle Hände voll zu tun, seine Leute zu schützen und ihre Feinde gleichzeitig von Rias Fährte abzulenken. Die Situation eskaliert, als Rias und Tychos Versteck entdeckt wird und die Schwarzdornen ihnen vorwerfen, Quirin ermordet zu haben. Sandor und Andris verteidigen sie, werden jedoch nur selbst zur Zielscheibe. Der Clan verstößt sie. Allein in der Wildnis, gejagt und verfolgt, haben die vier nur eine Chance, zu überleben und die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren: sie müssen sich zur westlichen Linie der Schwarzdornen durchschlagen, die ebenfalls über das Serum verfügt. Kann Ria sie überzeugen, ihr das Heilmittel auszuhändigen, um die Sphären zu retten? Oder sitzt der jahrzehntelange Hass längst zu tief?

 

Ist euch der Begriff „Othering“ geläufig? Laut Wikipedia beschreibt dieser Terminus „die Differenzierung und Distanzierung der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt (Eigengruppe), von anderen Gruppen“. Klingt erst einmal harmlos, nicht wahr? Man muss die Definition schon ein bisschen auseinandernehmen, um zu verstehen, inwiefern dieser Prozess einer Gesellschaft schadet. Othering bedeutet, die Merkmale der eigenen Gruppenidentität als normal und positiv zu bestätigen, indem man sie den als abnorm, negativ wahrgenommenen Merkmalen einer anderen Gruppe gegenüberstellt. Es ist die keinen Widerspruch duldende Unterscheidung in „Wir, die Guten“ und „Die, die Schlechten“. Folglich ist Othering die Basis von Faschismus, Homophobie, Rassismus, Antisemitismus und allen anderen Geschwüren der Menschheit. Es ist ein Prozess, der Diskriminierung und soziale Ausgrenzung schürt und die Gräben unserer Gesellschaft vertieft. Ich weiß nicht, ob Ursula Poznanski explizit mit dem Konzept des Othering vertraut ist, doch das Finale ihrer „Die Verratenen“-Trilogie, „Die Vernichteten“, illustriert seine Gefahren exakt und nachvollziehbar. Die Autorin eskaliert den Konflikt zwischen Sphären- und Außenbewohnern und verdeutlicht ausgeglichen, welche fürchterlichen Früchte Othering treiben kann. Sie bevorzugt keine Seite, schildert die von Angst und Vorurteilen geprägte Koexistenz beider Parteien ausgewogen und zeigt die gegenseitige grausame Gnadenlosigkeit äußerst realistisch. Die Situation verschärft sich bis zum Patt: „Wir oder Die“. Ich fand diesen dritten Band spannender als die Vorgänger. Die Protagonistin Ria und ihre Verbündeten verfolgen ein klar definiertes Ziel – sie wollen den Ausbruch der Epidemie aufhalten. Für mich war diese konkrete Zielsetzung sehr wichtig, da ich keine Lust hatte, noch länger im Dunkeln zu tappen. Jede Geschichte braucht einen Moment, in dem alle Karten auf dem Tisch liegen. Ursula Poznanski wählte diesen Augenblick hervorragend, sodass ich das Finale mit angehaltenem Atem verfolgen konnte. Die Spannungskurve steigt im Verlauf der Trilogie stetig an und findet in „Die Vernichteten“ ihren Höhepunkt. Der Weg zum dramatischen Showdown ist mit vielen kleineren sowie größeren Überraschungen gespickt, weshalb ich ein paar träge Passagen, die die Handlung etwas ins Stocken brachten, verzeihen konnte. Poznanski spielte mit meiner Erwartungshaltung; mal rührte sie mich beinahe zu Tränen, mal rieb ich mir angesichts ungeheuerlicher Offenbarungen ungläubig und schockiert die Augen. Erneut empfand ich eine stabile Verbindung zur Ich-Erzählerin Ria, die mir als eine der angenehmsten YA-Heldinnen aller Zeiten in Erinnerung bleiben wird. Es war interessant, dass sie ihre speziellen Fähigkeiten im letzten Band seltener einsetzt. Ich hatte den Eindruck, dass der intensive Kontakt mit der Außenwelt in ihr das Bedürfnis weckte, selbst echter zu sein. Ihr Talent zur Manipulation bedeutet nun mal, oft eine Maske zu tragen und ihre wahren Gefühle zu verbergen. Vielleicht wurde ihr aber auch nur bewusst, wie wertlos ihr beeindruckendes Können in der Wildnis ist. Ich war ein wenig enttäuscht, dass sie während ihrer Zeit bei den Schwarzdornen so wenig lernte. Allein in der Natur käme sie überhaupt nicht zurecht. Sie war hilflos und auf die Unterstützung ihrer Freunde angewiesen, aus denen Poznanski übrigens mehr hätte herausholen können. Ohne sie wäre die Mission „Rettung der Welt“ von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, weil das Sphärenmädchen tot in irgendeiner Grube gelegen hätte.

 

„Die Vernichteten“ bestätigte, was ich nach der Lektüre des zweiten Bandes „Die Verschworenen“ kaum zu hoffen wagte: die Trilogie „Die Verratenen“ steigert sich mit jedem Band und ist insgesamt wesentlich besser, als ich erwartet hatte. Besonders das halb-offene Ende des Finales ist bemerkenswert: Ursula Poznanski verzichtet auf übertrieben pathetische Szenen und riskiert lediglich einen zurückhaltenden, realistischen Ausblick in die Zukunft. Weiter ins Detail möchte ich nicht gehen, doch ich kann euch berichten, dass ich das Buch zufrieden zuschlug. Meiner Ansicht nach ist der Hype um die Trilogie zwar trotz dessen überzogen, weil sie aus der Masse guter YA-Dystopien kaum heraussticht, aber Poznanski gelang es zweifellos, mich von ihr als Schriftstellerin zu überzeugen. Mal schauen, was sie noch zu bieten hat.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/04/19/ursula-poznanski-die-vernichteten
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review 2018-04-17 08:00
Psst! Eine politische Jugend-Dystopie!
Die Verschworenen - Ursula Poznanski

Betrachtet man die Liste der Werke von Ursula Poznanski, fällt die dystopische „Die Verratenen“-Trilogie als ungewöhnlich auf. Normalerweise tummelt sich die österreichische Autorin nämlich nicht in der Science-Fiction. Überwiegend schreibt Poznanski Thriller und allgemein Spannungsliteratur für Erwachsene und Jugendliche. Ihren Ausflug in ein anderes Genre begründete sie gegenüber der FAZ damit, dass sie, um die Geschichte erzählen zu können, die ihr vorschwebte, ein spezielles Gesellschaftskonstrukt benötigte, das extreme Gegensätze zuließ. Dies bedeutete entweder Fantasy oder Dystopie. Sie entschied sich für die Dystopie. Meiner Ansicht nach war ihre Wahl goldrichtig, da der Realitätsbezug ihres Dreiteilers in einer düsteren Zukunftsvision definitiv glaubwürdiger ist.

 

Niemals hätte Ria geglaubt, dass Tageslicht das kostbarste Gut in ihrem Leben werden würde. Seit sie und ihre Freunde in Quirins unterirdisches Labyrinth flohen, sehnt sie jede Sekunde unter der Sonne herbei. Doch diese wertvollen Momente sind selten. Nur wenige der Schwarzdornen wissen, dass ihre Abreise inszeniert war – zum Schutz des Clans und zu ihrem eigenen Schutz, denn die Sphären suchen noch immer nach ihnen. Die Frage, warum ihre eigenen Leute sie umbringen wollen, quält Ria in den langen, dunklen Stunden unter der Erde. Trotz dessen hält sie Aureljos Plan, sich heimlich in eine Sphäre zu schmuggeln, für zu gefährlich. Quirin hingegen unterstützt ihn tatkräftig bei seinen Vorbereitungen. Fast, als wollte er sie loswerden… Während Aureljo beschäftigt ist, sortiert Ria die Bücher der Bibliothek. Inmitten von dicken Wälzern voller längst vergessenem Wissen entdeckt sie handgeschriebene Briefe. Aufgeregt beginnt sie, zu lesen und begreift schnell, dass sie die Antwort auf all ihre Fragen in den Händen hält. Sie kann nicht länger bei den Schwarzdornen bleiben. Sie muss Aureljo in die Sphären begleiten. Denn jetzt geht es nicht mehr nur um ihr Leben.

 

Im selben Interview, in dem Ursula Poznanski erklärt, warum sie die „Die Verratenen“-Trilogie als Dystopie konzipierte, scherzt sie, dass sie Hemmungen hat, die drei Bücher als politisch zu betiteln, um ihre jugendlichen Leser_innen nicht zu vergraulen. Bei mir muss sie sich da keine Sorgen machen. Im Gegenteil, ich freue mich sehr darüber, dass der zweite Band „Die Verschworenen“ die politische Ebene der Geschichte subtil aber deutlich fokussiert. Genau diese Verbesserung hatte ich mir nach der Lektüre des ersten Bandes „Die Verratenen“ gewünscht und siehe da, Poznanski hat mich erhört. Dank spannender Einblicke in das gesellschaftliche Gefüge innerhalb der Sphären und in das Verhältnis zwischen Sphären- und Außenbewohnern lernte ich die Strukturen der potentiellen zukünftigen Welt besser kennen und erfuhr darüber hinaus beiläufig die realistische Ursache für die Eiszeit, die einen Teil der Menschen veranlasste, Zuflucht in den gigantischen Plastikkuppeln zu suchen. Ursula Poznanski hätte all dieses Wissen bereits im Auftakt der Trilogie verraten können – ich bin froh, dass sie es nicht getan hat. „Die Verschworenen“ ist erneut eng an die Protagonistin und Ich-Erzählerin Ria geknüpft. Ihr Erlebnis- und Erkenntnishorizont bestimmt das Fortschreiten der Geschichte. Es ist vollkommen plausibel, dass sie Zeit brauchte, um zu begreifen, dass ihre Wahrnehmung der Welt durch ihre Erziehung in den Sphären einseitig, voreingenommen und teilweise schlicht falsch ist. Rias Blickwinkel musste sich erst verschieben, um sie sehen zu lassen: Unrecht und Ungleichgewicht in zahllosen Facetten, nicht nur bezüglich der Behandlung der Außenbewohner durch die Sphären, sondern auch hinsichtlich der Organisation des Lebens in den Sphären selbst. Mir war nicht bewusst, wie privilegiert Ria und ihre Freunde als Elitestudenten waren – es fiel uns gemeinsam wie Schuppen von den Augen, als sie erfährt, wie sich der Alltag normaler Arbeiter_innen gestaltet, wie vielen Einschränkungen und Vorschriften diese unterworfen sind. Diskret hinterfragt Poznanski, ob die gefährliche Freiheit der Außenwelt der klaustrophobischen, erdrückenden Sicherheit der Sphären vielleicht vorzuziehen ist. Dank Rias beeindruckender Auffassungsgabe sind die Klassenunterschiede allgegenwärtig. Ihre Gedankengänge zu beobachten war faszinierend. Aufgrund ihrer Ausbildung zeichnet sie sich durch ein außergewöhnliches Maß an Struktur, Rationalität und Kontrolle aus, wirkt jedoch niemals kalt oder unglaubwürdig, weil sie ihre Gefühle überzeugend durchlebt. Sie verfügt lediglich über Strategien, die es ihr ermöglichen, sich zu beherrschen. Dadurch nervt sie sehr viel weniger als manch andere YA-Heldin. Sie ist keine Heulsuse und darin geschult, sich selbst zu helfen und Probleme eigenständig zu lösen. Hysterie ist ihr fremd, weshalb sogar ihr unvermeidliches Liebesdreieck erträglich war, was allerdings auch daran liegt, dass es die Handlung niemals überlagert. Poznanski erhält den Fokus aufrecht.

 

Ich fand „Die Verschworenen“ zweifelsfrei besser als den Trilogieauftakt. Beinahe hätte es für eine 4-Sterne-Bewertung gereicht, bräuchte die Handlung nicht etwas lang, um in Gang zu kommen. Die Zeit, die Ria unterirdisch verbringt, erschien mir langatmig; es dauert eine Weile, bis sich die Situation der Protagonistin entscheidend ändert. Trotz dessen erkenne ich nun doch Ursula Poznanskis Talent. Sie schreibt sehr elegant und ökonomisch, verzettelt sich nicht und verzichtet auf unnötige inhaltliche Schlenker. Ihre Dystopie ist ebenso vorstellbar wie innovativ und ich habe das Gefühl, dass trotz der unerwarteten, schockierenden Wendung des zweiten Bandes noch längst nicht alle schmutzigen Geheimnisse aufgedeckt wurden. Ich freue mich auf das Finale „Die Vernichteten“ und drücke Ria die Daumen, dass sie eine Brücke zwischen Sphären und Außenwelt schlagen kann. Für mich wäre die Wahl übrigens eindeutig: lieber frei als sicher.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/04/17/ursula-poznanski-die-verschworenen
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