logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: selbstironisch
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2019-04-02 10:23
Lebe in vollen Zügen - als bestmögliche Version deiner selbst
Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie - Lauren Oliver,Katharina Diestelmeier

„Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ von Lauren Oliver begründete meine Liebe zu Young Adult – Literatur. Ich stolperte über diesen Roman, als ich gerade begann, meine Bibliothek zu organisieren, zu strukturieren und hemmungslos zu erweitern. Bücher spielten in meinem Leben immer eine Rolle, doch erst in dieser Phase fing ich an, mich wirklich für Literatur zu interessieren und mir eigenständig – ohne den Einfluss meiner Eltern – eine Sammlung aufzubauen. „Wenn du stirbst“ hatte erheblichen Anteil daran, dass ich Lesen als ernstzunehmendes Hobby begriff und war ein Meilenstein auf der niemals endenden Erforschung meines Literaturgeschmacks. Als ich im November 2018 für eine Challenge ein Buch lesen sollte, in der eine Figur denselben Tag wieder und wieder erlebt, beschloss ich daher, diese Aufgabe mit einem Reread dieses für mich sehr wichtigen Buches zu erfüllen.

 

Samantha Kingston starb am Abend des 12. Februars in einem Autounfall, der auch ihre drei besten Freundinnen Lindsay, Elody und Ally das Leben kostete. Deshalb ist Sam mehr als überrascht, als sie am nächsten Morgen einfach wieder in ihrem Bett aufwacht, als wäre nichts geschehen. War der Unfall ein Traum? Sam ist erleichtert und dankbar, am Leben zu sein, doch schon bald fallen ihr beunruhigend viele Parallelen auf. Es ist nicht morgen. Es ist exakt derselbe Tag, der 12. Februar. Wieder und wieder durchlebt Sam den Tag, an dem sie starb. Nichts ändert sich – nur sie selbst. Tief in ihrem Inneren weiß Sam, dass sie noch nicht bereit ist, zu gehen. Sie hat noch etwas zu erledigen. Ein Unrecht zu begleichen. Erst dann wird sie weiterziehen und Frieden finden können.

 

„Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ ist meiner Meinung nach noch immer ein absolut perfekter Young Adult – Roman. Es freut mich sehr, dieses Urteil fällen zu können, da ein Reread ja stets ein gewisses Risiko birgt. Einige Jahre nach der ersten atemberaubenden Lektüre nahm ich das Buch nun natürlich anders wahr – schließlich bin ich selbst gealtert und hoffentlich etwas gereift – doch ich empfand meine persönliche Weiterentwicklung nicht als hinderlich, sondern als Gewinn, obwohl ich jetzt noch weniger zur Zielgruppe zähle. Damals fand ich „Wenn du stirbst“ einfach nur großartig, bewegend und fesselnd. Heute bin ich in der Lage, zu analysieren, warum es ein hervorragendes Mysterydrama der Jugendliteratur ist. Das Buch bietet eine unglaubliche Bandbreite an Identifikationsmöglichkeiten, Emotionen und Themen, die vor allem für eine junge Leserschaft relevant sind, aber auch Erwachsene berühren können. Die intensive Mischung aus Mystik, Philosophie und selbstironischer Melancholie transportiert die Botschaft mühelos: jede Tat hat Konsequenzen und zieht Kreise, die nicht immer vorhersehbar oder überschaubar sind. Die Protagonistin Samantha und ihre drei besten Freundinnen Lindsay, Elody und Ally bilden eine Clique beliebter Mädchen, die vermutlich in jeder US-amerikanischen High-School zu finden ist. Sie genießen ihre Popularität, nutzen sie aus und finden es völlig normal, ihren Mitschüler_innen grausame Streiche zu spielen. Ihnen ist nicht klar, wie verletzend sie sich verhalten. Sie sind sich der fatalen Auswirkungen ihres Benehmens nicht bewusst. Das heißt jedoch nicht, dass in ihren eigenen Leben permanent eitel Sonnenschein herrschen würde. Sie alle haben ihr Päckchen zu tragen, was ich aus Sams Ich-Perspektive unmittelbar erfuhr. Obwohl sie nicht immer die besten Entscheidungen trifft, empfand ich eine intime Bindung zu ihr und verstand sie in jeder Sekunde. Darin besteht die Stärke der Autorin Lauren Oliver: es gelingt ihr, jugendliche Persönlichkeiten realistisch und facettenreich abzubilden, wodurch jede ihrer Handlungen nachvollziehbar ist. Das mehrmalige Erleben desselben Tages erlaubt Sam, hinter die Fassade der Menschen in ihrem Umfeld zu blicken, die sie bisher lediglich durch ihren persönlichen Filter sah. Sie lernt, wie begrenzt ihr Wahrnehmungsspektrum war und wie sehr unsere Leben miteinander verknüpft sind. Lauren Oliver holt aus der speziellen Struktur ihrer Geschichte das Maximum heraus. Die Ausgangssituation des 12. Februars ist immer gleich; Sam verändert lediglich Details und provoziert somit eine Vielfalt unterschiedlicher Reaktionen. Dadurch lernte ich alle Charaktere sehr umfassend kennen. Für mich ist Sam eine Heldin, die über sich hinauswächst und ihren Horizont im Alleingang erweitert, weil außer ihr niemand weiß, was los ist. Ihr Mut, sich dem Unangenehmen zu stellen und sich selbst zu reflektieren, ihr Wille, zu kämpfen und ihre Situation in die eigene Hand zu nehmen, beeindruckte mich zutiefst. Sie hätte ebenso gut weglaufen oder gar nichts verändern können – stattdessen versucht sie wirklich alles, um die Lage zu bessern. Erst für sich, dann für andere. Ich bewundere sie. Ihr Tod lässt Sam begreifen, wie wertvoll das Leben ist. Jedes Leben.

 

Meiner Ansicht nach ist „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ der schriftgewordene Beweis, dass Young Adult – Literatur nicht schal oder oberflächlich sein muss. Ich gebe zu, dass die Lektion, die Lauren Oliver ihre Protagonistin Sam lehrt, etwas vorhersehbar ist. Dennoch finde ich, dass die Autorin Sams Reise zur Erkenntnis originell, ergreifend und inspirierend gestaltete. Es ist eine wahrhaft ungewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte, die die Probleme von Teenagern ernstnimmt und diese ohne idealistische Verklärung schildert. Der Tod ändert einfach alles. Er verschiebt Prioritäten, Wahrnehmung und stellt das Gewissen auf eine harte Probe. Möchtest du, dass auf deiner Beerdigung über dich als egoistische, gewissenlose Person gesprochen wird? Nein. Natürlich nicht. Deshalb finde ich die Botschaft, die Lauren Oliver vermittelt, so wichtig: lebe in vollen Zügen – als bestmögliche Version deiner selbst.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/02/lauren-oliver-wenn-du-stirbst-zieht-dein-ganzes-leben-an-dir-vorbei-sagen-sie
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2017-10-18 11:41
Nimm das, Mars!
The Martian - Andy Weir

Andy Weirs Karriere ist ein Märchen der Schriftstellerei. Sein Debütroman „The Martian“ wurde ursprünglich von allen Verlagen abgelehnt, weshalb Weir das Buch 2011 als Selfpublisher veröffentlichte. Er bot es kostenlos auf seiner Website an. Als Fans ihn baten, eine Kindle-Version zu erstellen, verlangte er auf Amazon 99 Cent, der niedrigste mögliche Preis. Die Verkaufszahlen schossen durch die Decke. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. 2013 verkaufte er die Buchrechte für einen sechsstelligen Betrag. Ich finde, in dieser Anekdote steckt eine inspirierende Botschaft an allen jungen Autor_innen: gib nicht auf und glaub an dein Werk. Andy Weir beweist, dass der Erfolg manchmal bloß etwas länger braucht, um sich einzustellen. Nachdem das Buch zwei Jahre auf meinem SuB versauerte, wollte ich 2017 endlich wissen, ob es wirklich so gut ist, wie alle behaupteten.

 

Werde Astronaut, haben sie gesagt. Geh zur NASA, haben sie gesagt. Flieg zum Mars, haben sie gesagt. Schönen Dank auch. Was sie Mark Watney nicht gesagt haben, ist, wie er auf dem Mars überleben soll, falls ihn ein schrecklicher Unfall von seinem Team trennt und sie gezwungen sind, ihn allein zurückzulassen. Nun ist er der einzige Bewohner eines Planeten, der sich redlich bemüht, Mark umzubringen. Alle Kommunikationswege sind zerstört. Seine Vorräte sind begrenzt. Er ist auf hochsensible Technik angewiesen, die stetig ausfallen könnte. Er könnte ersticken, verhungern, verdursten, erfrieren oder in der hauchdünnen Atmosphäre explodieren. Die nächste Mission wird in 1425 Tagen eintreffen. Bis dahin muss sich Mark auf seinen Einfallsreichtum, seine Fähigkeiten und seine sture Weigerung zu sterben verlassen, um dem angriffslustigen Planeten ein Schnippchen zu schlagen. Es ist Zeit, ein für alle Mal herauszufinden, ob menschliches Überleben auf dem Mars tatsächlich unmöglich ist.

 

Unter extremen Bedingungen sind Menschen zu erstaunlichen Leistungen fähig. Wir alle kennen die Geschichte der Mutter, die einen Kleinwagen mit bloßen Händen stemmt, weil ihr Baby darunter eingeklemmt ist. Mark Watneys Überlebenskampf auf dem Mars ist ein hervorragendes Beispiel für diese wundersame Leistungsfähigkeit. Ja, werdet ihr sagen, der ist ja auch nur fiktiv. Ich antworte: das spielt überhaupt keine Rolle, weil er nicht fiktiv wirkt. Er wirkt so real wie ihr und ich. Ich habe während der Lektüre von „The Martian“ vergessen, dass Mark Watney eine Romanfigur ist, die der Fantasie des Autors Andy Weir entspringt. Von der ersten Seite an entwickelte ich enorme Sympathie für den Biologen, Ingenieur und Astronauten, denn er ist ein extrem zugänglicher Charakter, der mit selbstironischem Witz überzeugt. Ich hätte ihn gern auf ein Bier eingeladen. Er neigt überhaupt nicht zum Selbstmitleid, obwohl seine Lage beängstigend aussichtslos erscheint und eine gewisse Verzweiflung absolut verzeihlich gewesen wäre. Es zeugt von einer beeindruckenden Geisteshaltung, allein auf dem Mars nicht alle Hoffnung fahren zu lassen. Stattdessen treibt ihn sein außergewöhnlich starker Lebenswille zu Höchstleistungen an, die sein analytischer Verstand in praktikable und für die Leser_innen gut nachvollziehbare Überlebensstrategien verwandelt. In Logbuch-Einträgen beweist er sein bemerkenswertes Talent zum Problemlösen und ließ mich an all seinen Gedankengängen teilhaben. Dadurch fungiert das Logbuch zusätzlich als Marks Absicherung gegen den Wahnsinn; indem er den Leser_innen erklärt, welche Herausforderungen er wie meistern muss, bewahrt er sich selbst vorm Durchdrehen. Demzufolge enthält „The Martian“ viele äußerst spezifische Beschreibungen aus der Physik, Chemie, Biologie und allgemein den Naturwissenschaften, die zwar anspruchsvoll sind, mich aber niemals überforderten, was an sich bereits ein schriftstellerisches Kunststück darstellt. Ich habe unfassbar viel über den Mars gelernt und konnte gravierende Wissenslücken schließen. Ich musste jedoch ziemlich aufmerksam lesen, was sich in meinem Fall auf das Lesetempo auswirkte. Ich kam langsamer voran als in einem Durchschnittsbuch, störte mich allerdings kaum daran, weil „The Martian“ trotz dessen unglaublich spannend ist. Angesichts dessen, dass auf dem Mars nichts ist und Mark die Handlung fast ausschließlich durch seine Persönlichkeit vorantreiben muss, da Weir seine strikte Ich-Perspektive lediglich in recht großen Abständen aufbricht und die Leser_innen seine Unternehmungen niemals direkt erleben, ist diese konsequente Spannungskurve verblüffend. Ich fieberte auf jeder Seite mit und feuerte Mark in Gedanken lautstark an, nicht aufzugeben und dem blöden Planeten zu zeigen, wer der Boss ist. Ich hätte nicht gedacht, dass er tatsächlich eine Überlebenschance hat und war überrascht, wie viel Hoffnung er mir vermittelte, wie sehr ich daran glauben wollte, dass er es schafft, obwohl die Lage alles andere als rosig aussieht. Nimm das, Mars, Mark Watney is in da hooooouuuuse!

 

„The Martian“ ist die glaubhafte Chronik eines außerordentlichen Überlebenskampfes. Es ist eine irrwitzige Mischung aus „Apollo 11“, „Cast away – Verschollen“ und „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel. Ich freue mich über den gerechtfertigten Erfolg dieser Geschichte und gratuliere Andy Weir dazu, dass sich all seine Arbeit auszahlte, vom reinen Schreiben bis hin zu seinen erschöpfenden Recherchen. Er verdient es.
Meiner Meinung nach ist „The Martian“ ein Science-Fiction-Roman, der selbst Genreskeptikern wie mir gefallen kann, weil er sich sehr dicht an der Realität bewegt und mit einem Protagonisten aufwartet, der kaum menschlicher sein könnte. Mark Watney ist der nette Typ von Nebenan, mit dem man sich ein Footballspiel ansieht. Er ist der Typ, mit dem man einen trinken geht. Und zufällig ist er auch der Typ, der unverhofft den Mars kolonisiert, in MacGyver-Manier mit Kleber, Spucke und vielen kreativen Ideen – eben ein echter Weltraumpirat.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/10/18/andy-weir-the-martian
More posts
Your Dashboard view:
Need help?