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review 2017-02-10 10:21
Zeigt die Menschheit von ihrer schlimmsten Seite
Ashen Winter - Mike Mullin

Die Trilogie „Ashfall“ von Mike Mullin begann ich im Februar 2014. Der gleichnamige erste Band „Ashfall“ erhielt von mir 3 Sterne; ich fand ihn gut, aber unspektakulär. Es war mir daher nicht so wichtig, die Geschichte weiterzuverfolgen. Ich brauchte knapp drei Jahre, um mir den zweiten Band „Ashen Winter“ vorzunehmen. In dieser Zeit war Mike Mullin nicht untätig. 2015 verkündete er, dass aus der Trilogie eine Tetralogie werden würde. Mullins Deadline für das Manuskript des vierten Bandes ist der 31.12.2017. Schwer zu sagen, wann mit einem Erscheinungstermin gerechnet werden kann. Ich sehe das entspannt, weil ich ohnehin nicht sicher bin, ob ich die Entscheidung, die Geschichte um eine Episode zu erweitern, gutheiße. Abwarten und Tee trinken.

 

10 Monate sind vergangen, seit der Supervulkan unter dem Yellowstone Nationalpark ausbrach und die USA in ein Katastrophengebiet verwandelte. Nach ihrer beschwerlichen Reise haben sich Alex und Darla gut auf der Farm seines Onkels Paul eingelebt. Die Familie arbeitet hart, um einen bescheidenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Doch all die anstrengende Arbeit vermag Alex nicht von seiner Sorge um seine Eltern abzulenken, die noch immer nicht aus Iowa zurückgekehrt sind. Als ihm unerwartet ein Hinweis auf ihren Verbleib in die Hände fällt, hält er es auf der Farm nicht länger aus. Gemeinsam mit Darla wagt er sich abermals hinaus in den vulkanischen Winter, um seine Eltern zu retten. Schnell wird den beiden klar, dass der Überlebenskampf der Menschheit in vollem Gange ist – gnadenlos und brutal. Ressourcen werden knapp und humanitäre Grenzen verwischen zusehends. Alex und Darla müssen entscheiden, wie weit sie zu gehen bereit sind, um einander zu beschützen. Bewahrt ihre Liebe sie davor, zu Monstern zu werden?

 

In „Ashen Winter“ beschreibt Mike Mullin eine neue Stufe gesellschaftlichen Verfalls. Während „Ashfall“ die unmittelbaren Auswirkungen des Vulkanausbruchs beleuchtet – das Chaos, die Überforderung, die kopflose Panik – zeigt der zweite Band, welche Möglichkeiten die Menschen gefunden haben, um sich mit den neuen Umständen zu arrangieren. Mullin stellt der Menschheit unmissverständlich ein Armutszeugnis aus. Er skizziert ihr wahres Gesicht als hässliche, destruktive, egoistische und grausame Fratze, die sich erst offenbart, wenn die Kontrollmechanismen der Zivilisation wegfallen. Die bittere Vision, die er prophezeit, fand ich als Zynikerin definitiv glaubhaft. Lediglich der äußerst kurze Zeitraum des Verfalls erschreckte mich. Nicht mehr als 10 Monate braucht die Menschheit laut Mullin, um ihre Menschlichkeit abzustreifen. Selbstverständlich begegnen Alex und Darla auf ihrer Rettungsmission durchaus auch gütigen, rechtschaffenen Menschen, aber meist werden sie mit barbarischer, herzloser Anarchie konfrontiert. Ich fand die Darstellung der sozialen Konsequenzen des vulkanischen Winters überzeugender als die Handlung selbst. Obwohl „Ashen Winter“ im Vergleich zum Vorgänger deutllich aufregender ist, hatte ich erneut Schwierigkeiten mit dem Spannungsbogen, der meiner Meinung nach inkonsequent konstruiert ist. Immer wieder manövriert Mullin seinen Protagonisten und Ich-Erzähler Alex in langatmige, schwer aufzulösende Sackgassen, die sowohl ihn als auch die Leser_innen in eine Warteposition zwingen. Um Alex zu befreien, muss Mullin zu extremen Mitteln greifen, was zu übertrieben abenteuerlichen Actionszenen führt, die problemlos von einem Spezialeffekte-Team aus Hollywood stammen könnten. Wir sprechen von Verfolgungsjagden, Überfällen, Schießereien und – man glaubt es kaum – einer Fahrt auf dem Dach eines Transporters. Alex ist nun nicht der besonnenste Mensch der Welt, doch etwas weniger draufgängerische Impulsivität hätte der Autor ihm ruhig zugestehen können.
Nichtsdestotrotz gefiel mir seine charakterliche Entwicklung grundsätzlich gut, weil er sich an einem Scheidepunkt befindet. Seine Erlebnisse ließen ihn rasend schnell reifen; er schwankt zwischen erwachsenem Verantwortungsbewusstsein und jugendlicher Naivität. Besonders seine Gefühle für Darla sind seinem Alter weit voraus. Die äußeren Bedingungen entfachten eine Verbindung zwischen ihnen, die viel tiefer ist als eine normale Teenagerromanze. Sie sind ein Team und verlassen sich aufeinander, obwohl Alex sich sicher stärker auf Darla stützt als sie auf ihn. Ihre herrische, aggressiv-fürsorgliche Art kommt ihm meiner Ansicht nach entgegen, weil sie ihn an seine Mutter erinnert. Nachdem, was Alex über die Beziehung zu seiner Mutter offenbart, sind Parallelen erkennbar und man sagt ja nicht grundlos, dass man meist einen Partner wählt, der den eigenen Eltern ähnlich ist. Vor diesem Gesichtspunkt ist die Dynamik zwischen ihnen wirklich interessant und ich frage mich, ob Mike Mullin sie bewusst beabsichtigte.

 

Unter dem Yellowstone Nationalpark liegt tatsächlich ein Supervulkan, der jeder Zeit ausbrechen könnte. Das geologische Untersuchungsamt, das für dessen Überwachung verantwortlich ist, hält eine baldige Eruption zwar für unwahrscheinlich, aber die Möglichkeit besteht. Deshalb finde ich die „Ashfall“-Tetralogie so faszinierend: das Ausgangsszenario ist schlicht und realistisch. Dadurch unterscheidet sich die Reihe maßgeblich von der Masse der Young Adult – Dystopien auf dem Markt. „Ashen Winter“ ist ein guter zweiter Band, der die Menschheit überzeugend von ihrer schlimmsten Seite zeigt. Wenngleich es Mike Mullin etwas an schriftstellerischer Finesse und einem Gespür für inhaltliche Ausgewogenheit mangelt, hat mich diese Fortsetzung gut unterhalten. Ich mag den Protagonisten Alex und beobachte sein persönliches Wachstum mit Freude, weil es einen so starken, positiven Kontrast zur Degeneration der Gesellschaft darstellt. Fragt sich nur, ob er als edler Held in einer zerfallenden Gesellschaft menschlicher Monster langfristig überleben kann.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/02/10/mike-mullin-ashen-winter
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review 2016-10-14 10:12
Wann funkt es endlich?
Das blutige Land - Richard Schwartz

Havald, Engel des Soltar, der Wanderer, ist endlich wieder er selbst. Nach seiner Wiedererweckung sind seine Erinnerungen nun vollständig zurückgekehrt – und mit ihnen Havalds unkonventionelle Art und Weise, Probleme zu lösen. Während die Truppen des Nekromantenkaisers Illian weiterhin bedrohen und Askirs Militär nicht schnell genug aufgerüstet und ausgebildet werden kann, um gegen sie im Feld zu bestehen, reist Havald als einfacher Rekrut unerkannt in die Ostmark. Seit Jahrhunderten ist die Ostmark Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen mit den Barbaren, die immer wieder gegen die Bollwerke des Reiches anrennen. Warum, weiß niemand. Die Kämpfe bündeln Truppen und Ressourcen, die gerade jetzt dringend benötigt werden. Havald glaubt, dass der Schlüssel zur Befriedung der Ostmark im Verständnis der Motivation der Barbaren liegt. Die Stämme müssen geeint werden, um den Einfluss des Nekromantenkaisers auszuhebeln, der seinen schwarzen Schatten bereits auf das ungastliche Land wirft und mit süßen Versprechungen lockt. Hoffnung prophezeit die Legende eines uralten Artefakts: eine Krone, geschmiedet von Elfen, die ihrem Träger die Herrschaft über die Stämme verleihen soll. Doch die Krone wurde zerbrochen, die Bruchstücke in alle Winde zerstreut. Wird Havald die Stücke ausfindig machen und wieder zusammensetzen können, um der Ostmark den Frieden zu bringen, den sie seit Jahrhunderten verdient?

 

Bergfest! Die Hälfte von „Die Götterkriege“ ist geschafft. Drei Bände habe ich gelesen, drei liegen noch vor mir. Meiner Ansicht nach ist die Metapher der Bergbesteigung durchaus passend für diese Reihe, weil mich hinsichtlich der ersten drei Bände definitiv das Gefühl beschlich, bergauf gelesen zu haben. Die Haupthandlungslinie entwickelt sich so schwerfällig, dass die Lektüre an einen langgezogenen Anstieg erinnert. Ich hoffe sehr, dass ich den Zenit nun erreicht habe und es ab sofort nur noch rasant bergab geht, ausnahmsweise einmal im positiven Sinne. Die Handlung muss Fahrt aufnehmen und endlich richtig durchstarten. Eigentlich hatte ich erwartet, dass das bereits in „Das blutige Land“ der Fall wäre, doch unglücklicherweise wurde ich diesbezüglich enttäuscht. Obwohl ich unheimlich erleichtert war, dass Havald erneut als Ich-Erzähler agiert und ich mich mit seinen Schilderungen der Ereignisse deutlich wohler fühlte als mit der auktorialen Erzählperspektive der vorangegangenen Bände, entwickelt sich „Das blutige Land“ meinem Empfinden nach unfokussiert. Der Klappentext vermittelt, dass die Handlung ausschließlich in der Ostmark angesiedelt ist – ich freute mich darauf, dieses harte Land Seite an Seite mit Havald zu erkunden. Ihr könnt euch meine Überraschung vorstellen, als Havald die Ostmark nach nicht einmal der Hälfte des Buches wieder verlässt. Zugegeben, die Geschehnisse zwingen ihn dazu, aber einen schalen Beigeschmack hinterließ diese Wendung dennoch. Es fühlte sich an, als wäre Richard Schwartz nicht in der Lage, einen begonnenen Handlungsstrang gradlinig zu Ende zu führen, als ließe er sich permanent ablenken und neige dazu, sich zu verzetteln. Vielleicht tue ich ihm Unrecht, vielleicht kann ich das große Ganze noch nicht überblicken, doch im Moment habe ich den Eindruck, dass all die Nebenschauplätze (wie z.B. Illian) zu viel des Guten sind und Schwartz sich zu viel aufbürdete. Ich vermisse die Eleganz und Souveränität, die ich von anderen Autor_innen des Genres gewohnt bin. „Die Götterkriege“ wirken verworren und chaotisch, was unter anderem auch daran liegt, dass Schwartz offenbar Hemmungen hat, Figuren sterben zu lassen. Die Handlung quillt über vor Charakteren, die wiedererweckt wurden, tausende von Jahren alt sind oder totgeglaubt waren, letztendlich aber doch erneut auftauchen. Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich zu einem schier undurchdringlichen Dickicht verschiedenster Einzelschicksale, in dem es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Zahllose Anspielungen auf den ersten Zyklus „Das Geheimnis von Askir“ erschwerten diese Aufgabe zusätzlich, da diese selten konkret genug waren, um mein Gedächtnis zu stimulieren. Ich wünschte wirklich, Schwartz würde sich stärker auf die aktuellen Entwicklungen konzentrieren, statt sich in Hinweisen auf Vergangenes zu verlieren, denn gerade die Einführung der Barbaren bietet meiner Ansicht nach immenses Potential. Havald ist seit Jahrhunderten der erste, der versucht, die Stämme zu verstehen. Mir gefielen seine Toleranz und seine Bereitschaft, seine Meinung von diesem Volk zu revidieren. Er kämpft mutig gegen uralte Vorurteile, was ihn in meiner Achtung enorm steigen ließ. Ich gehe davon aus, dass die Barbaren im nächsten Band „Die Festung der Titanen“ eine bedeutende Rolle spielen werden und hoffe, dass Schwartz ihnen mehr Raum zugesteht und all die Irrungen und Wirrungen in Askir und Illian vielleicht einmal ruhen lässt. Ein wenig Fokus wäre zur Abwechslung nett.

 

Seit ich begonnen habe, „Die Götterkriege“ zu lesen, frage ich mich, ob „Das Geheimnis von Askir“ besser war oder ob mir bloß die Erfahrung fehlte, um Makel zu erkennen. In meiner Erinnerung sind die Bände des ersten Zyklus nahezu perfekt, „Die Götterkriege“ hingegen… Richard Schwartz kommt einfach nicht in die Gänge, er umkreist die Haupthandlungslinie, springt hierhin und dorthin und verlangt mir einiges an Geduld ab. Ich mag nicht mehr warten. Ich hatte mir viel von „Das blutige Land“ versprochen, freute mich diebisch auf Havald und hoffte so sehr, dass die Geschichte nun endlich ins Rollen käme, doch leider stockt und stottert sie weiterhin, sodass ich das Buch insgesamt lediglich als durchschnittlich empfand. Trotzdem werde ich nicht aufgeben. Ich werde versuchen, optimistisch zu bleiben und daran zu glauben, dass mein großer Moment mit „Die Götterkriege“ kommen wird. Irgendwann muss es ja mal funken, oder nicht?

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/10/14/richard-schwartz-das-blutige-land
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