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review 2017-10-24 19:13
Endlich jemand ohne Stock im Hintern!
Der Inquisitor von Askir - Richard Schwartz

„Der Inquisitor von Askir“ ist ein Zwischenband in Richard Schwartz‘ Epos „Die Götterkriege“, der zwischen Band 4 und 5 angesiedelt ist. Damit folgt der Autor einer Tradition, die er bereits im ersten Zyklus „Das Geheimnis von Askir“ etablierte. Die sechsteilige Reihe wurde ebenfalls um einen Zwischenband erweitert, „Die Eule von Askir“, der zwischen Band 5 und 6 gelesen werden sollte. Ich wusste das damals nicht, was mir nun im Nachhinein große Probleme bereitet. Ich habe „Die Eule von Askir“ bis heute nicht gelesen, weil ich nicht weiß, wie ich das ohne einen Reread der gesamten ersten Reihe bewerkstelligen soll. Glücklicherweise war mir hingegen klar, wie „Der Inquisitor von Askir“ einzuordnen ist und konnte diesen halben Band zum vorgesehenen Zeitpunkt lesen.

 

Eine aufregende Schatzsuche hatte sich Wiesel anders vorgestellt. Garantiert hatte er nicht angenommen, mit der Suche nach dem Gold des alten Kaisers seine eigene Haut retten zu müssen. Der Meisterdieb steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten. 10 Tage vor der Krönungszeremonie seiner Ziehschwester Desina wurde er schlafend neben der blutbesudelten Leiche der angesehenen Bardin Refala aufgegriffen. Wiesel mag vieles sein, doch ein kaltblütiger Mörder ist er nicht. Er wurde hereingelegt. Gejagt von der unbeugsamen Inquisition muss er seine Unschuld beweisen. Er gräbt tief in den uralten Geheimnissen Askirs und entdeckt ein abscheuliches Intrigengeflecht, das Desina vom Thron fernhalten soll. Ihm bleiben nur wenige Tage, seinen Namen reinzuwaschen, die Pläne gegen Desina zu vereiteln und das Rätsel eines Goldschatzes zu lösen, der seit Jahrhunderten als verschollen gilt. Das Schicksal Askirs liegt in seinen Händen.

 

„Der Inquisitor von Askir“ als Zwischenband zu bezeichnen, ist meiner Ansicht nach nicht ganz korrekt. Er fügt sich nahtlos in den Mehrteiler ein. Die Geschichte, die sich darin rund um den beliebten Dieb Wiesel abspielt, hat durchaus eine Bedeutung für die übergeordnete Handlung der Reihe „Die Götterkriege“ und bereitet kommende Ereignisse und Entwicklungen vor. Ich konnte beinahe hören, wie sich die Rädchen knirschend auf ihre Position drehten und somit den bald bevorstehenden Showdown einläuteten. Vermutlich qualifiziert sich „Der Inquisitor von Askir“ nur deshalb nicht als vollwertiger Band, weil Havald, Leandra und Serafine maximal in der Peripherie auftauchen und Wiesel, der bisher als charmante Nebenfigur etabliert wurde, das gesamte Rampenlicht erhält. Ich fand diese Verschiebung der Perspektive großartig. Die Protagonist_innen der Reihe sind sympathisch, doch ich war immer der Meinung, dass sie, pardon, alle einen Stock im Hintern haben. Wiesel hingegen ist locker, lässig, unbeschwert und herrlich humorvoll. Er spielt mit seinem Image des gewitzten, dreisten, bis an den Rand der Arroganz selbstbewussten Diebes, wird oft unterschätzt und kann doch nicht völlig verbergen, dass er erstaunlichen Tiefgang besitzt. Ich mochte es, in seine Emotionen und Denkmuster einzutauchen und sehe in ihm einen prototypischen Robin Hood, der auf seine Art versucht, Askir und seine Schwester Desina zu unterstützen. Die Lektüre hat wirklich Spaß gemacht; ich habe gern Zeit mit Wiesel verbracht. Außerdem erscheint mir Richard Schwartz in „Der Inquisitor von Askir“ zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Der Aufbau der Handlung erinnerte mich stark an den allerersten Band „Das Erste Horn“, weil dort ebenfalls nach einem Mörder gefahndet wird. Natürlich mutiert diese Ausgangssituation schnell. Schwartz verkompliziert Wiesels Ermittlungen im Fall der getöteten Bardin Refala durch zahllose weitere Komponenten und wie immer verzettelt er sich soweit, dass das Gesamtkonstrukt unübersichtlich wirkt. Es war schwierig, ihm ununterbrochen zu folgen und ich muss gestehen, dass ich mittlerweile abschalte, sobald die Verwandtschaftsverhältnisse der Figuren zur Sprache kommen. Ich lese einfach drüber, da ich die Hoffnung aufgegeben habe, zu erfassen, wer da jetzt mit wem verwandt und/oder verschwägert ist, wer wiedergeboren wurde oder wiederauferstanden ist und warum sich Charaktere, die seit Jahrhunderten tot sein müssten, bester Gesundheit erfreuen. Stattdessen konzentrierte ich mich voll auf die Suche nach dem Schatz des alten Kaiserreiches, die ich erfrischend abenteuerlich und äußerst spannend fand. Askir verbirgt viele Geheimnisse – dieses ist sicherlich eines der interessantesten und verfügt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart über eine politische und wirtschaftliche Ebene. An dieser Stelle muss ich Richard Schwartz zu Gute halten, dass er sein Universum durch ein komplexes ökonomisches System bereicherte, das der Realität gar nicht so unähnlich ist. Selbst Askir folgt bis zu einem gewissen Grad den Gesetzen des gierigen Kapitalismus, wodurch sich die Rolle der Inquisition klarer herauskristallisierte. Dumm nur, dass sie jetzt ausgerechnet hinter Wiesel her ist.

 

Ich freue mich unheimlich, für einen Band von „Die Götterkriege“ endlich 4 Sterne rausrücken zu können – auch wenn es sich „nur“ um einen Zwischenband handelt. Bisher hatte ich das Gefühl, mich sehr anstrengen zu müssen, um mich von den negativen Aspekten dieses Zyklus nicht entmutigen zu lassen und weiterhin daran zu glauben, dass sich das Lesen irgendwann lohnen wird. „Der Inquisitor von Askir“ ist nun nicht der große Knall, der all meine Knoten platzen ließ, aber er lockert die Handlung der Reihe deutlich auf, weil das Buch von der grundlegenden Attitüde des Protagonisten Wiesel geprägt ist. Obwohl Richard Schwartz es wieder einmal übertrieb und die Geschichte komplizierter gestaltete, als sie hätte sein müssen, genoss ich die Lektüre und hoffe, dass Wiesel in den Folgebänden etwas mehr Freiraum erhält, um eine Alternative zu den sonst sehr ernsthaften Figuren der Reihe anzubieten. Es wird Zeit für ein wenig Leichtigkeit in „Die Götterkriege“.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/10/24/richard-schwartz-der-inquisitor-von-askir
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review 2017-08-01 10:33
Einen Hauch zu abenteuerlich und inszeniert
Fire & Ash - Jonathan Maberry

„Fire & Ash“ ist der letzte Band der postapokalyptischen Geschichte rund um den Teenager Benny Imura. Gerüchten zufolge ist die Reihe „Rot & Ruin“ jedoch nicht abgeschlossen. Angeblich kündigte der Verlag Simon & Schuster für 2018 und 2019 jeweils einen neuen Band an. Diese beiden zusammenhängenden Bände sollen im gleichen Setting neue Charaktere und eine komplett neue Handlung vorstellen. Ich fand keine Belege für diese Behauptung, weder beim Verlag, noch auf Jonathan Maberrys Website. Der einzige Hinweis sind Einträge für die Bücher auf Goodreads und ich habe keine Ahnung, woher diese Informationen stammen. Ich werde wohl einfach abwarten müssen, ob sich die Gerüchte bewahrheiten.

 

Louis Chong ist tot. Alle in Sanctuary wissen, dass Benny Imuras bester Freund starb, als er sich infizierte. Nur Benny weigert sich, ihn aufzugeben. Würde nur endlich jemand versuchen, Dr. McReadys Unterlagen oder am besten die Wissenschaftlerin selbst zu finden, könnte das Heilmittel entwickelt werden, das nicht nur Chong, sondern die ganze Welt retten würde. Leider wird Sanctuary von verstockten Soldaten geleitet, denen die Wünsche eines Teenagers nicht das Geringste bedeuten. Benny hält es nicht mehr aus. Begleitet von Nix, Lilah und Riot macht er sich auf eigene Faust auf die Suche nach der letzten Chance, die Chong hat. Draußen im Rot and Ruin müssen sie jedoch feststellen, dass sie nicht die einzigen sind, die sich für McReadys Forschungsergebnisse interessieren. Der psychopathische Saint John und die Mitglieder der Night Church suchen ebenfalls nach dem Heilmittel, das in den falschen Händen zu einer gefährlichen Massenvernichtungswaffe werden könnte. Der Wettlauf um das Schicksal der Menschheit hat begonnen.

 

Wisst ihr, wodurch ich merke, dass mir eine Rezension schwerfällt? Ich merke es, weil ich versuche, mich vor dem Schreiben zu drücken. Plötzlich fallen mir hundert Dinge ein, die ich stattdessen tun könnte. Ich mache mir selbst etwas vor, weil ich zu stur bin, um einfach zuzugeben, dass diese oder jene Rezension eine harte Nuss für mich ist. „Fire & Ash“ ist so ein Fall. Da, jetzt ist es raus, ich bekenne es. Ich kann nur leider überhaupt nicht erklären, wieso. Das (vorläufige) Finale der „Rot & Ruin“ – Reihe ist nicht schlecht. Während der Lektüre empfand ich das Buch als mitreißend wie eh und je und im Anschluss habe ich fleißig Notizen gemacht. Ich war beeindruckt von Jonathan Maberrys überzeugendem wissenschaftlichen Erklärungsansatz für die Natur der Zombieinfektion, der auf mich fundiert recherchiert wirkte. Ich mochte das Motiv der Hoffnung, personifiziert durch Bennys Generation, die Erbe und Schöpfer einer neuen Welt ist. Jetzt sind einige Wochen vergangen und in meinem Kopf herrscht gähnende Leere. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber irgendwie hat dieses Finale trotz bewegter Dramatik wenig bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Vielleicht war die Geschichte doch zu vorhersehbar, denn ich habe nie daran gezweifelt, dass Benny und seine Freunde die Zombie-Postapokalypse überleben werden. Die Frage war lediglich, wie. Vielleicht war es der Schuss des guten, alten, amerikanischen Patriotismus, der meiner Ansicht nach vollkommen überflüssig für die Geschichte war. Vielleicht war „Fire & Ash“ auch einfach etwas arg pathetisch, obwohl ich beim Lesen durchaus das Gefühl hatte, dass mich dieses Pathos berührte. Im Nachhinein hingegen kommt mir Entwicklung, die Benny durchlebt, übertrieben vor. Er erreicht einen Status kühler Klarheit, den ich für unglaubwürdig halte. Ich bezweifle nicht, dass Benny schnell und radikal erwachsen werden musste, doch seine Entfaltung zum idealen Samurai, der eine Kampfsituation und sich selbst gefasst analysieren kann, erscheint mir unrealistisch. Er ist trotz allem ein Teenager. Die positive Seite daran ist jedoch, dass seine Beziehung zu Nix eine für die Young Adult – Literatur recht ungewöhnliche Wendung nimmt, was mir sehr gut gefiel. Unsterbliche Liebe auf den ersten Blick unter extremen Bedingungen war noch nie sehr lebensnah; ich finde es toll, dass Maberry einen anderen Weg wählt, der möglicherweise eine direkte Folge seines vorbildlichen Umgangs mit den Geschlechterrollen ist. Er behandelt Männer und Frauen gleichberechtigt und besonders Bennys Freundinnen beweisen eine Stärke, die alle kruden Ideen der Prinzessin in Nöten im Keim ersticken. Gut, Lilah ging mir fürchterlich auf die Nerven, weil ihre Umgangsformen schlicht inakzeptabel sind, aber nichtsdestotrotz erkenne ich ihre Unabhängigkeit an.

 

Letztendlich weiß ich nicht genau, warum sich „Fire & Ash“ nicht in dem Ausmaß in meinem Gedächtnis festsetzte, das ich erwartet hatte. Es handelt sich definitiv um ein angemessenes Finale und hat viel Positives zu bieten. Der Kampf gegen die Zombies mutierte im Lauf der Reihe zu einem Kampf der Menschheit selbst, gegen religiösen Fanatismus und die drohende Gefahr, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Jonathan Maberry erfasst die Konflikte, die sich innerhalb seiner beängstigenden Zukunftsvision ergeben, hervorragend und verleiht der gesamten Thematik der Zombie-Postapokalypse überraschenden Tiefgang. Ich kann nicht erklären, wieso mich „Fire & Ash“ nicht nachhaltiger beeindruckte, obwohl es die vielen feinen Nuancen, die Maberry sorgfältig etablierte, zu einem explosiven, dramatischen Abschluss bringt. Ich vermute, dass es mir einen Hauch zu abenteuerlich und inszeniert war, möchte mich darauf aber nicht unumstößlich festlegen. Diese marginalen Schwierigkeiten qualifizieren sich jedoch als Jammern auf hohem Niveau, weshalb ich nicht zögere, euch die Reihe „Rot & Ruin“ trotzdem zu empfehlen. Die Young Adult – Literatur ist so überflutet von flachen, klischeebeladenen, bedeutungsarmen Geschichten, dass jeder Versuch, es anders zu machen, enthusiastisch unterstützt werden sollte. Jonathan Maberry macht es anders und dafür gehören ihm mein Respekt und meine Anerkennung.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/08/01/jonathan-maberry-fire-ash
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review 2017-02-10 10:21
Zeigt die Menschheit von ihrer schlimmsten Seite
Ashen Winter - Mike Mullin

Die Trilogie „Ashfall“ von Mike Mullin begann ich im Februar 2014. Der gleichnamige erste Band „Ashfall“ erhielt von mir 3 Sterne; ich fand ihn gut, aber unspektakulär. Es war mir daher nicht so wichtig, die Geschichte weiterzuverfolgen. Ich brauchte knapp drei Jahre, um mir den zweiten Band „Ashen Winter“ vorzunehmen. In dieser Zeit war Mike Mullin nicht untätig. 2015 verkündete er, dass aus der Trilogie eine Tetralogie werden würde. Mullins Deadline für das Manuskript des vierten Bandes ist der 31.12.2017. Schwer zu sagen, wann mit einem Erscheinungstermin gerechnet werden kann. Ich sehe das entspannt, weil ich ohnehin nicht sicher bin, ob ich die Entscheidung, die Geschichte um eine Episode zu erweitern, gutheiße. Abwarten und Tee trinken.

 

10 Monate sind vergangen, seit der Supervulkan unter dem Yellowstone Nationalpark ausbrach und die USA in ein Katastrophengebiet verwandelte. Nach ihrer beschwerlichen Reise haben sich Alex und Darla gut auf der Farm seines Onkels Paul eingelebt. Die Familie arbeitet hart, um einen bescheidenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Doch all die anstrengende Arbeit vermag Alex nicht von seiner Sorge um seine Eltern abzulenken, die noch immer nicht aus Iowa zurückgekehrt sind. Als ihm unerwartet ein Hinweis auf ihren Verbleib in die Hände fällt, hält er es auf der Farm nicht länger aus. Gemeinsam mit Darla wagt er sich abermals hinaus in den vulkanischen Winter, um seine Eltern zu retten. Schnell wird den beiden klar, dass der Überlebenskampf der Menschheit in vollem Gange ist – gnadenlos und brutal. Ressourcen werden knapp und humanitäre Grenzen verwischen zusehends. Alex und Darla müssen entscheiden, wie weit sie zu gehen bereit sind, um einander zu beschützen. Bewahrt ihre Liebe sie davor, zu Monstern zu werden?

 

In „Ashen Winter“ beschreibt Mike Mullin eine neue Stufe gesellschaftlichen Verfalls. Während „Ashfall“ die unmittelbaren Auswirkungen des Vulkanausbruchs beleuchtet – das Chaos, die Überforderung, die kopflose Panik – zeigt der zweite Band, welche Möglichkeiten die Menschen gefunden haben, um sich mit den neuen Umständen zu arrangieren. Mullin stellt der Menschheit unmissverständlich ein Armutszeugnis aus. Er skizziert ihr wahres Gesicht als hässliche, destruktive, egoistische und grausame Fratze, die sich erst offenbart, wenn die Kontrollmechanismen der Zivilisation wegfallen. Die bittere Vision, die er prophezeit, fand ich als Zynikerin definitiv glaubhaft. Lediglich der äußerst kurze Zeitraum des Verfalls erschreckte mich. Nicht mehr als 10 Monate braucht die Menschheit laut Mullin, um ihre Menschlichkeit abzustreifen. Selbstverständlich begegnen Alex und Darla auf ihrer Rettungsmission durchaus auch gütigen, rechtschaffenen Menschen, aber meist werden sie mit barbarischer, herzloser Anarchie konfrontiert. Ich fand die Darstellung der sozialen Konsequenzen des vulkanischen Winters überzeugender als die Handlung selbst. Obwohl „Ashen Winter“ im Vergleich zum Vorgänger deutllich aufregender ist, hatte ich erneut Schwierigkeiten mit dem Spannungsbogen, der meiner Meinung nach inkonsequent konstruiert ist. Immer wieder manövriert Mullin seinen Protagonisten und Ich-Erzähler Alex in langatmige, schwer aufzulösende Sackgassen, die sowohl ihn als auch die Leser_innen in eine Warteposition zwingen. Um Alex zu befreien, muss Mullin zu extremen Mitteln greifen, was zu übertrieben abenteuerlichen Actionszenen führt, die problemlos von einem Spezialeffekte-Team aus Hollywood stammen könnten. Wir sprechen von Verfolgungsjagden, Überfällen, Schießereien und – man glaubt es kaum – einer Fahrt auf dem Dach eines Transporters. Alex ist nun nicht der besonnenste Mensch der Welt, doch etwas weniger draufgängerische Impulsivität hätte der Autor ihm ruhig zugestehen können.
Nichtsdestotrotz gefiel mir seine charakterliche Entwicklung grundsätzlich gut, weil er sich an einem Scheidepunkt befindet. Seine Erlebnisse ließen ihn rasend schnell reifen; er schwankt zwischen erwachsenem Verantwortungsbewusstsein und jugendlicher Naivität. Besonders seine Gefühle für Darla sind seinem Alter weit voraus. Die äußeren Bedingungen entfachten eine Verbindung zwischen ihnen, die viel tiefer ist als eine normale Teenagerromanze. Sie sind ein Team und verlassen sich aufeinander, obwohl Alex sich sicher stärker auf Darla stützt als sie auf ihn. Ihre herrische, aggressiv-fürsorgliche Art kommt ihm meiner Ansicht nach entgegen, weil sie ihn an seine Mutter erinnert. Nachdem, was Alex über die Beziehung zu seiner Mutter offenbart, sind Parallelen erkennbar und man sagt ja nicht grundlos, dass man meist einen Partner wählt, der den eigenen Eltern ähnlich ist. Vor diesem Gesichtspunkt ist die Dynamik zwischen ihnen wirklich interessant und ich frage mich, ob Mike Mullin sie bewusst beabsichtigte.

 

Unter dem Yellowstone Nationalpark liegt tatsächlich ein Supervulkan, der jeder Zeit ausbrechen könnte. Das geologische Untersuchungsamt, das für dessen Überwachung verantwortlich ist, hält eine baldige Eruption zwar für unwahrscheinlich, aber die Möglichkeit besteht. Deshalb finde ich die „Ashfall“-Tetralogie so faszinierend: das Ausgangsszenario ist schlicht und realistisch. Dadurch unterscheidet sich die Reihe maßgeblich von der Masse der Young Adult – Dystopien auf dem Markt. „Ashen Winter“ ist ein guter zweiter Band, der die Menschheit überzeugend von ihrer schlimmsten Seite zeigt. Wenngleich es Mike Mullin etwas an schriftstellerischer Finesse und einem Gespür für inhaltliche Ausgewogenheit mangelt, hat mich diese Fortsetzung gut unterhalten. Ich mag den Protagonisten Alex und beobachte sein persönliches Wachstum mit Freude, weil es einen so starken, positiven Kontrast zur Degeneration der Gesellschaft darstellt. Fragt sich nur, ob er als edler Held in einer zerfallenden Gesellschaft menschlicher Monster langfristig überleben kann.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/02/10/mike-mullin-ashen-winter
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review 2016-01-27 10:30
Lange nicht so gut wie der Vorgänger
Vivian Versus America - Katie Coyle

Die Rezension zu „Vivian versus America“ habe ich lange aufgeschoben. Anfangs habe ich andere Buchbesprechungen vorgezogen, weil ich gegen Ende des Jahres erst die Bücher abhaken wollte, die ich mir für Challenges anrechnen konnte. Als das erledigt war, wollte ich mich der Fortsetzung von „Vivian versus the Apocalypse“ widmen, musste jedoch feststellen, dass dieses Vorhaben schwerer war als gedacht. Ich kam nicht voran, ja, fand nicht mal einen Ansatzpunkt. Ich beschloss, es nicht zu erzwingen und rezensierte weiterhin Bücher, die ich nach „Vivian versus America“ gelesen habe. Zwischenzeitlich spielte ich sogar mit dem Gedanken, die Rezension unter den Tisch fallen zu lassen. Glücklicherweise verbietet mir das allerdings meine Blogger-Ehre, weswegen ihr nun doch noch ein paar Gedanken zu diesem widerspenstigen Buch vor Augen habt.

 

Vivian hat sich entschieden. Für ihre Freunde, gegen ihre Familie. Gestrandet in San Francisco müssen Harp und sie sich nun einen aussichtsreichen Plan einfallen lassen, um Peter zu finden. Peter, der sich opferte, damit Harp und Viv der Church of America entkommen konnten. Im Idealfall konnte er ebenfalls fliehen, im schlimmsten Fall… daran möchte Vivian nicht einmal denken. Doch noch bevor sie auch nur die Stadt verlassen können, geraten die beiden Freundinnen erneut in Gefahr. Die Church of America hat ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt und fahndet nach ihnen. Zu brisant ist das, was sie herausgefunden haben. Augenblicklich macht das ganze Land Jagd auf sie. Als sich die Situation zuspitzt und Viv und Harp keinen Ausweg mehr sehen, erhalten sie jedoch aus überraschender Richtung Hilfe. Vielleicht ist noch nicht alles verloren. Vielleicht wird Vivian Peter retten. Und vielleicht wird sie Amerika die Augen öffnen.

 

Ich glaube, der Grund, warum ich mich mit dieser Rezension so schwergetan habe, ist der, dass mein emotionales und mein analytisches Ich wieder einmal unterschiedlicher Meinung sind. Rational betrachtet war „Vivian versus America“ im Vergleich zum Vorgänger etwas enttäuschend. Doch emotional wollte ich mich davon genauso begeistern lassen wie von „Vivian versus the Apocalypse“, weil ich die Protagonistin und Ich-Erzählerin Vivian schrecklich gernhabe. Hundertprozentig geklappt hat das allerdings nicht, denn wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, wird dieser Abschluss der Geschichte nicht völlig gerecht. „Vivian versus America“ ist lange nicht so gut wie der erste Band; es ist weniger symbolkräftig, wesentlich handlungsorientierter und fast schon zu abenteuerlich.
Katie Coyle nimmt ihre Geschichte nahtlos an der Stelle wieder auf, an der die Leser_innen Vivian im Vorgänger verlassen haben. Nachdem Vivian und Harp das ganze Land durchquerten, um Vivians Familie zu finden und aufzudecken, was wirklich hinter der Church of America steckt, musste unsere tapfere Protagonistin feststellen, dass Familie nicht zwangsläufig durch Blutsverwandtschaft definiert ist. Harp und Peter, die einzigen Menschen, die wirklich für sie da waren, als sie sie brauchte, sind ihre Familie. Die Entscheidung, zu ihnen zu stehen, ist ihr nicht leichtgefallen, aber ihre Freundschaft zu Harp hat dieser Entschluss unumstößlich gefestigt und gestärkt. Meiner Meinung nach verkraftet ihre Beziehung daher auch die Rollenverschiebung, die sich vor allem durch Vivians Weiterentwicklung ergibt. Diese Veränderung begann natürlich bereits im ersten Band, doch ich finde, erst in „Vivian versus America“ tritt sie vollständig zu Tage. Vivian ist nicht länger der passive, zurückhaltende Part der Freundschaft, sie ist aktiv und durchsetzungsstark. Harp hingegen büßt einiges an Dominanz ein, was ihr meinem Empfinden nach durchaus guttut, weil sie nun zeigen kann, dass sie auch eine weiche, unterstützende Seite hat und ihrer Freundin mit Rat und Tat zur Seite steht.
Nichtsdestotrotz fehlt der Handlung das gewisse Etwas, das mich im ersten Band vorbehaltlos überzeugte. Der Roadtrip quer durch die USA war Quelle und Auslöser einer fantastischen Metamorphose – nun, da Vivian und Harp ihr geografisches Ziel mehr oder weniger erreicht haben, entfernt sich Katie Coyle von der philosophischen Ebene des Reisethemas. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht mehr um die großen Fragen des Lebens geht, sondern um handfeste, actionlastige Ereignisse. Offenbar war die Autorin der Meinung, dass Vivians Selbstfindungsphase bereits abgeschlossen ist und es Zeit wird, die Geschichte greifbar zu beenden. Ich fand das schade, denn dadurch erschien mir das Buch enttäuschend durchschnittlich. Es hätte auch das Finale jeder anderen beliebigen YA Dystopie sein können. Unterhaltsam, ja, aber ohne die besondere Tiefe, die „Vivian versus the Apocalypse“ auszeichnete.

 

„Vivian versus America“ ist nicht die großartige Fortsetzung, die ich mir für die Geschichte und die Protagonistin Vivian gewünscht habe. Vielleicht habe ich die Prioritäten der Autorin Katie Coyle falsch eingeschätzt, denn ich dachte, die Erkenntnisebene sei für sie wichtiger als die Handlungsebene. Der zweite Band verschiebt den Fokus unmissverständlich von dem, was zwischen den Zeilen steht hin zu den Worten, die schwarz auf weiß gedruckt sind. Ich denke, wenn ich nicht fest entschlossen gewesen wäre, das Buch zu mögen, wäre ich noch deutlich enttäuschter gewesen, obwohl es natürlich nicht schlecht ist.
Wenn ihr „Vivian versus the Apocalypse“ gelesen habt und wissen möchtet, wie die Geschichte rund um Vivian und ihre Freunde ausgeht, solltet ihr „Vivian versus America“ lesen. Ihr solltet euch allerdings darüber im Klaren sein, dass der nachdenkliche Charakter des Vorgängers überwiegend verloren gegangen ist und nun die Handlung im Mittelpunkt steht. Die Fortsetzung ist aufregend und liest sich schnell weg – nur philosophisch ist es leider nicht mehr.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/01/27/katie-coyle-vivian-versus-america
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