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review 2020-05-04 05:35
(Wahn)witziges Landleben und Brauchtum
Alles Gute vom Onkel Franz - Klaus Ranzenberger

Ich bin ja ein veritabler Fan des Onkel Franz aus dem Innviertel und habe schon seine wundervolle Reise nach Wien begeistert hier auf dem Blog rezensiert. In seinem neuen Roman, der keine zusammenhängende Geschichte erzählt, sondern viel anekdotischer konzipiert ist, begibt sich der Protagonist wieder auf die Reise, aber auf eine sehr vergnügliche Reise in Episoden quer durch das Kalenderjahr.

 

Der Roman startet mit einem lustigen Gschichtl am Neujahrstag, den 1.1., und endet zu Silvester am 31.12. Mit witzigen und teilweise grotesken Ereignissen aus dem Innviertel und aus dem benachbarten Bayern, das den Innviertlern von der Kultur her sehr ähnlich ist – von einigen Ortschaften und Städten des Innviertels geht man nur ein paar Meter über den Fluss ins Nachbarland – wird ein ganzes Jahr beleuchtet und satirisch sehr gut aufbereitet.

 

Aber warum bin ich denn überhaupt Fan von so einer Figur? Klaus Ranzenberger hat den Onkel Franz sehr gut konzipiert. Der Onkel ist zwar ein Bewahrer, der auf Gutem aus der Vergangenheit zu beharren und manche modernen Sitten ob ihrer Sinnhaftigkeit infrage zu stellen weiß. Er ist aber kein Kulturpessimist, der meint, früher wäre alles besser gewesen, im Gegenteil, manche der ganz modernen Sitten (eigentlich ganz alte Sitten, die wieder von der Jugend reaktiviert werden), wie Umweltschutz, Kapitalismuskritik und Kampf gegen Xenophobie, weiß er durchaus zu schätzen, wenn er sich mit dem Neuen und Fremden auf der Basis seiner Neugier intensiver auseinandergesetzt hat. Er nimmt alle ländlichen Ressentiments seiner Herkunft – des kleinen Dorfes – auf, überprüft sie, bewertet sie aus der Sicht seiner Lebenserfahrung und prinzipiellen Menschenfreundlichkeit und entzieht ihnen dann einfach den Boden. Ebenso verfährt er in diesem Buch mit dem Brauchtum und stellt es augenzwinkernd infrage. Das gefällt mir sehr gut.

 

Die Geschichten sind meist so köstlich, dass ich kichernd im Lesesessel gesessen bin. Die perfekte Lektüre für solch schwere Zeiten, in denen uns Sorgen plagen. Am ersten Jänner treffen sich uneingeladen zufällig die Neujahrsbläser, die Heiligen Drei Könige, die infolge von Rationalisierungsmaßnahmen in diesem Jahr früher dran sind, um ihr Pensum zu schaffen, der Postbote und die Zeugen Jehovas in Onkel Franzens Vorbau und stören ihn bei der Aufnahme seiner Nachmittagsjause. Nach einem recht witzigen Geplänkel, das in einem veritablen Besäufnis und Essgelage endet, bei dem der Onkel auch noch den Kellner spielen muss – so ist es auf dem Land Brauch –, büchst der Hausherr irgendwann genervt ob der unerwünschten Horde zur Hintertür hinaus. So geht es fröhlich weiter über Fasten, Osterbräuche und witzige -kalamitäten, Hochzeiten im Mai und so weiter.

 

Sehr lustig war auch die Geschichte vom Ferdl, der im August am Stammtisch wie immer mit der Waffe Bildung nicht ganz umzugehen weiß und seine Urlaubserlebnisse schildert.

Geschickt versteht er Fremdwörter und Fachbegriffe in seine Rede einzubauen. Rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse und gymnasiale Unterstufenbildung weiß er anzuwenden, und nur selten stolpert einer der anderen über die kleinen Fehler, die dem Ferdl ab und an unterlaufen.

In diesem Zitat sind die Wörter selten und ab und an so satirisch zu nehmen, dass ich irgendwann in der Geschichte einen totalen Drehwurm bezüglich der falsch applizierten Wörter bekam. Es war hinreißend komisch. Der ziemlich ausführliche Wahnwitz, den ich hier als Zitat aus dem Kapitel [sic!] präsentiere, ist wirklich nur ein Bruchteil des gesamten Abschnitts.

Und Italienisch is ja eh fast’s Gleiche wie Latein, caprice? Hab mir also eine Birra bestellt, aber grande und caldo. Da dürft er mich aber nur halbert verstanden haben, der Papageno, weil groß wars dann schon, das Bier aber halt warm. […]
Was jetzt die Unterschiede sind zum Beispiel zwischen Italien und Österreich. […] die Radlwege. Bei uns san in jeder Querstraß‘ so blöde Stufen, die in Italien sind niveaulos. Da geht’s schön eben dahin. Wogegen die Regierung bei uns meist aus einer Zweier-Kollision besteht, in Italien können’s schon mal vier oder fünfe sein. Da sitzen dann oft die Radikalen drin, solche wie bei uns die Sanitären. Dafür sind fast alle Italiener Katholen. Weil auch der Papst dort wohnt. Kaum Evangelisten. Aber a prioli ist dieses Italien – und das muss man least but not last rekatapultierend sagen – trotzdem ein sehr schönes Land. Diese Lebensart und die südliche Leichtigkeit, dieses Dolce Firmamente, geht uns halt ab, gell?

Ich habe übrigens mal in St. Gilgen einen Restaurantchef getroffen, der diese Form der Konversation, inflationär die falschen Fremdwörter zu verwenden, zur Kunstform erhoben hat, indem die Sätze dann auch tatsächlich andere Bedeutungen hatten. Das war ein höchst anstrengender und lustiger Abend.

 

Aber zurück zum Jahresablauf. Im Herbst besucht Onkel Franzens Stammtisch dann das Münchner Oktoberfest und erlebt einige Abenteuer. Die aberwitzigste, groteskeste Episode ist die moderne Nikolausfeier der Kindergarten-Zwergerlgruppe römisch eins aus Haubenbrunn, in der der Großbauernsohn Klenkenbichler Schorschi, die sehr progressiv erzogene Dakota Cheyenne und Kemal mit Migrationshintergrund die Tante, (Halt! das sagt man nicht mehr) die diplomierte Kleinkindpädagogin und die Praktikantin, die den Nikolaus verkörpert, an den Rand des Wahnsinns bringen. Die neuesten Richtlinien betreffs pädagogischer Unterweisung von Vorschulkindern, zwar das Brauchtum zu vermitteln, aber weitgehend auf christliche Symbole zu verzichten und angstfrei zu unterrichten, geht so gehörig nach hinten los. Kemal versucht das den Zwergerln dargebotene Narrativ zu überprüfen, dass der präsentierte Nikolaus ein Bischof aus Konstantinopel sei, indem er die Figur in ein türkisches Gespräch verwickelt, Dakota checkt durch hochheben des Mantels unverblümt das Geschlecht des Nikolaus und bekommt heraus, dass unter der Verkleidung eine Frau steckt und der Schorschi will das Laserschwert, das ihm sein Vater versprochen hat.

Er (Schorschi) fasst den Sack am unteren Ende und leert ihn ganz aus. Die Situation eskaliert. Sämtliche Kinder der Zwergerl Gruppe römisch eins stürzen sich auf die verstreuten Gaben, es hat ein bisserl was von Anarchie. Die Dakota Cheyenne sucht das ihr versprochene rosa Handy, und der Kemal, der sich inzwischen seine Jausen-Tascherl geholt hat, macht reiche Beute. Schorschi hat sich des Bischofstabes bemächtigt und spielt damit Jedi-Ritter.

So geht es vergnüglich im Jahresablauf weiter von der „stillen“ Adventszeit über Weihnachten bis zu Silvester.

 

Fazit: Anspruchsvoller, köstlicher, augenzwinkernder Humor, der das Leben der Landbevölkerung skizziert. Absolute Leseempfehlung in so ernsten Zeiten. Wer den Witz und Lokalkolorit von bayrischen Landkrimis der Kommissare Jennerwein (Jörg Maurer) und Franz Eberhofer (Rita Falk) liebt, ist hier punktgenau im richtigen Buch.

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review 2019-10-29 09:51
Irgendwas ist wohl immer
The Masked City - Genevieve Cogman

Die Reihe „The Invisible Library” von Genevieve Cogman ist das Ergebnis einer wilden Mischung literarischer Einflüsse. Die Idee einer interdimensionalen Bibliothek borgte sich die Autorin von Terry Pratchett, Neil Gaiman und aus dem französischen Rollenspiel „In Nomine Satanis“. Die Magie ist von Ursula K. Le Guins „Erdsee“-Saga inspiriert, die Drachen durch die chinesische Mythologie und „Sherlock Holmes“ prägte sie ebenfalls. Das Konzept von Ordnung und Chaos hingegen ist eine Exploration dessen, was ihr in Michael Moorcocks „Elric“-Romanen begegnete. Das Ranking, das die Unsichtbare Bibliothek verwendet, um alternative Welten hinsichtlich Ordnung oder Chaos zu klassifizieren, spielt im zweiten Band „The Masked City“ eine entscheidende Rolle.

 

Endlich fand Irene eine Heimat. Sie ist nun dauerhaft in einem alternativen viktorianischen London als Agentin der Unsichtbaren Bibliothek stationiert. Keine Reisen durch die Welten mehr, ausschließlich Aufträge mit überschaubarem Risiko. Irene ist zufrieden. Doch die Idylle ihres neuen Lebens währt nur kurz. Ihr Lehrling Kai wird von den Fae entführt. Kais Onkel, der König der Drachen, wertet den Zwischenfall als offene Kriegserklärung. Wutschnaubend beauftragt er Irene, seinen Neffen zurückzubringen. Sollte sie scheitern, wird er die Welt, aus der Kai verschleppt wurde, restlos zerstören, um ein Exempel zu statuieren. Irene findet heraus, dass Kai in eine hochgradig vom Chaos infizierte Welt gebracht wurde, in ein alternatives Venedig der Masken und Illusionen, in der der Karneval niemals endet. Irgendwie muss sie dort hingelangen, obwohl die zur Neutralität verpflichtete Bibliothek es Mitgliedern untersagt, sich in das Ringen der Mächte der Ordnung und des Chaos einzumischen. Auf sich allein gestellt bricht Irene zu einer verzweifelten Rettungsmission auf, die alles aufs Spiel setzt: Kai, ihren Job und ihr Leben.

 

Ich werde mich der weitreichenden Begeisterung für „The Invisible Library“ vermutlich niemals anschließen können. Ich fürchte, es wird immer Punkte geben, an denen ich mich störe, obwohl die Romane durchaus unterhaltsam sind. Im zweiten Band „The Masked City“ konnte ich meine Kritik am grundlegenden Konzept der Unsichtbaren Bibliothek zwar vernachlässigen, weil sie lediglich am Rande auftritt und die Protagonistin Irene dieses Mal keinen Auftrag erfüllen muss, aber dafür wurde ich mit Genevieve Cogmans Wechselspiel zwischen Ordnung und Chaos konfrontiert, mit dem ich einfach nicht warm wurde. Alle Welten ihres Multiversums befinden sich irgendwo auf einer gedachten Skala zwischen der Ordnung der Drachen und dem Chaos der Fae. Drachen und Fae sind dementsprechend Gegenspieler, in deren Mitte sich die Bibliothek nach Kräften bemüht, die Schweiz zu imitieren. „The Masked City“ soll einen tieferen Einblick in ihre Rivalität gewähren, für mich warf diese Fortsetzung allerdings eher neue Fragen auf, statt sie zu beantworten. Ich habe keine genaue Vorstellung davon, was Ordnung und Chaos für Cogman bedeuten. Welche Elemente zählen zur Ordnung, welche zum Chaos? Welche Auswirkungen hat die Anwesenheit der Fae auf eine Welt, beeinflussen sie sie absichtlich und wenn ja, heißt das, dass sie aus dem Nichts zum Beispiel auch fiktive Fabelwesen auftauchen lassen können? Ich finde die Entwürfe beider Extreme bisher äußerst schwammig und habe Schwierigkeiten, mit ihnen konkrete Merkmale zu verknüpfen. Das alternative Venedig, in das Irenes Lehrling Kai entführt wird, hätte mir helfen sollen, zumindest das Chaos besser zu verstehen, da Cogman sich in dessen Darstellung jedoch lieblos auf Flüsse, Gondeln und Masken beschränkte und keine greifbare, individuelle Atmosphäre heraufbeschwor, funktionierte das leider nicht. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso sie so zugeknöpft blieb, schließlich lädt ein verzaubertes Venedig nachdrücklich dazu ein, in Beschreibungen des Settings zu schwelgen. Vielleicht lag ihre Zurückhaltung an Irene, die das Chaos prinzipiell unterkühlt betrachtet und sich aufgrund ihrer pragmatischen Art nicht an seinen Wundern erfreuen kann. Ist es schlimm, dass ich sie nicht besonders mag? Die Protagonistin ist mir zu verkopft, zu verbissen und versucht meinem Empfinden nach allzu angestrengt, sich zu beweisen. Sie hat keinen Humor und ist enervierend pessimistisch. Ich stelle ihr Talent als Agentin ernsthaft in Frage, weil das Gelingen ihrer Pläne stets von einer unverschämten Portion Glück abhängt, was ihren Status als Junior-Bibliothekarin für mich noch rätselhafter gestaltet, als er ohnehin ist. Auf welcher Stufe der Hierarchie der Bibliothek steht Irene eigentlich und welche Befugnisse und Verpflichtungen gehen damit einher? Da „The Masked City“ die Strukturen der Bibliothek maximal streift, fühlte ich mich am Ende der Lektüre bedauerlicherweise nicht schlauer als vorher.

 

Als Einzel-Abenteuer ist „The Masked City“ fraglos aufregend und actionreich. Das Buch liest sich flüssig und unterhielt mich angemessen. Für mich besteht das Problem darin, dass Genevieve Cogman meinem Empfinden nach zu zaghaft daran arbeitet, das allgemeine Worldbuilding von „The Invisible Library“ voranzutreiben. Natürlich handelt es sich erst um den zweiten Band, doch ein gewisses Informationskontinuum, das die präsentierten Ideen in einen größeren Kontext setzt, kann man sicher selbst so früh in einer Reihe erwarten. Ich habe den Eindruck, dass Cogman permanent den Fuß auf der Bremse hat, weil sie sich fürchtet, Gesetzmäßigkeiten zu formulieren, die spätere Handlungslinien einengen könnten. Obwohl ich verstehe, dass sie sich nicht selbst beschneiden möchte, wird sie mit dieser Unverbindlichkeit bei mir irgendwann an eine Wand stoßen. Ich bin bereit, es mit dem dritten Band „The Burning Page“ zu versuchen, aber wenn sie nicht bald den Mut entwickelt, sich festzulegen, muss ich mich fragen, ob es sich lohnt, die Reihe weiterzuverfolgen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/29/genevieve-cogman-the-masked-city
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review 2019-03-15 10:00
Ungewöhnlich
Onkel Stan und Dan und das ungeheuerlich... Onkel Stan und Dan und das ungeheuerlich ungewöhnliche Abenteuer - A. L. Kennedy

Als der Fremde mit seinem Notizbuch auftaucht und versucht alles ungewöhnliche auf der schottischen Farm von Onkel Stan aufzuschreiben, ändert sich alles. Es gibt sogar ein eigenes Institut für Hochsicherheit und Heilung von Ungewöhnlichkeit.
Lassen die Dorfbewohner diese Entwicklung zu?

Das Cover ist super. Ich liebe es. Auch die Illustrationen im Buch sind großartig.

Auch das Ungewöhnliche in diesem Buch ist hervorragend. Es gibt eine menge zu lachen, viel Humor klasse, schräge Charaktere. So viele verrückte Ideen müssen einem auch erst einmal einfallen. Auf die meisten wäre ich nicht gekommen.

Der Wettlauf gegen die Zeit bleibt die ganze Zeit spannend.

Das empfohlene Alter von ab neun Jahren passt auch sehr gut.

Die Botschaft des Buches ist es, dass es okay ist auch mal anderes zu sein.

Sei ungewöhnlich.

Leseempfehlung.

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review 2018-10-03 10:58
Katzenbach ist zahm geworden
Der Psychiater: Psychothriller - John Ka... Der Psychiater: Psychothriller - John Katzenbach,Eberhard Kreutzer,Anke Kreutzer

John Katzenbach ist meine erste große Thriller-Liebe. Ich erinnere mich noch genau, wie sehr mich „Die Anstalt“ begeisterte, mein erster Roman aus seiner Feder und meiner Meinung nach der beste, den er je geschrieben hat. Nie zuvor war ich mit einem ähnlichen Level nervenzerfetzender, psychologischer Spannung konfrontiert worden. Katzenbach begründete mit diesem Buch meine ausgedehnte Thriller-Phase. In den folgenden Jahren las ich alles, was der Mann veröffentlichte. Leider verzeichnete ich einen graduellen Qualitätsverlust, gestand ihm jedoch stets eine neue Chance zu. Mein letzter Katzenbach war 2013 „Der Wolf“, den ich insgesamt ziemlich enttäuschend fand. 2017 entdeckte ich, dass er einen neuen Einzelband geschrieben hatte: „Der Psychiater“. Selbstverständlich wollte ich auch diesen lesen.

 

Ohne die Hilfe seines Sponsors, seines Onkels Ed, hätte es der 24-jährige Alkoholiker Timothy „Moth“ Warner niemals geschafft, trocken zu bleiben. Selbst jetzt, nach 100 Tagen der Abstinenz, ist er auf seine Unterstützung angewiesen. Deshalb ist Moth alarmiert, als Ed ein wichtiges Treffen der Anonymen Alkoholiker verpasst. Besorgt fährt er in Eds Praxis. Was er dort vorfindet, lässt das Blut in seinen Adern gefrieren: die Leiche seines Onkels. Alle Spuren deuten auf Suizid hin. Die Polizei schließt den Fall.
Eds Verlust wirft Moth völlig aus der Bahn. Er kann einfach nicht glauben, dass sich sein lebensbejahender, ausgeglichener Onkel selbst getötet haben soll. Schon bald beschleicht Moth ein furchtbarer Verdacht. War es vielleicht gar kein Selbstmord? Aber wer könnte den harmonieorientierten, hilfsbereiten Psychiater tot sehen wollen? Verärgerte er einen Patienten? Verstört und in tiefer Trauer begibt sich Moth auf einen gefährlichen Weg: er ist entschlossen, Eds Mörder zu finden. Unterstützt von seiner Jugendliebe Andy Candy und der Staatsanwältin Susan beginnt er, in Eds Vergangenheit zu graben und bemerkt nicht, dass er längst beobachtet wird…

 

John Katzenbach hat seinen Biss verloren. Ich weiß nicht, wo und wie, aber für mich ist es eindeutig, dass seinen Thrillern seit einigen Jahren der spezielle Nervenkitzel fehlt, den ich in „Die Anstalt“ liebte, der mich an die Seiten fesselte und mich veranlasste, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen. Ich empfinde beim Lesen seiner Bücher schon lange keine Anspannung mehr. Katzenbach ist zahm geworden. „Der Psychiater“ ist ein psychologisch anspruchsvolles Katz-und-Maus-Spiel, das für mich leider schnell an Reiz einbüßte. Ich konnte dem Spannungsbogen des Buches einfach nicht folgen und fragte mich lange, was Katzenbach mit dieser Struktur erreichen wollte. Anfangs glaubte ich, es ginge darum, herauszufinden, ob Moth‘ Onkel Ed tatsächlich umgebracht wurde. Diese Frage klärte sich nach einigen Andeutungen endgültig mit dem ersten Kapitel aus der Sicht des Mörders. Danach mutmaßte ich, ich sollte Beweggründe und Identität des Killers erraten. Warum tötete er den liebenswerten Onkel Ed und welche Beziehung hatte er zu ihm? Das Motiv offenbart Katzenbach jedoch ebenfalls recht früh. Hm. Und jetzt? Letztendlich entpuppte sich „Der Psychiater“ als tödliches Wettrennen zwischen Moth und dem Killer. Diese Entwicklung war per se nicht schlecht, aber das Auf und Ab des Spannungsbogens und Katzenbachs Freigiebigkeit frustrierten mich, weil er mich mit jeder geschenkten Information ausschloss. Ich durfte nicht miträtseln, ich durfte nur zuschauen und ein Duell psychologischer Profile beobachten. Dieses Duell arrangierte Katzenbach allerdings vorzüglich. Die Kapitel aus der Perspektive des Mörders faszinierten mich, weil es sich um einen Profi handelt, dessen Disziplin, Kreativität und Präzision beeindrucken. Er ist ein Geist, der die Kunst, unsichtbar in der Gesellschaft zu verschwinden, perfektionierte. Es ist erschreckend, wie gründlich die Spuren einer Existenz sogar im Kommunikationszeitalter ausgelöscht werden können. Sein Kontrahent Moth verkörpert in vielerlei Hinsicht sein Gegenteil. Es war interessant, ihre Unterschiede und Parallelen zu ermitteln. Moth‘ Leben ist von seiner Suchtkrankheit geprägt; er kämpft täglich um Selbstkontrolle. Eds Verlust treibt ihn an den Rand eines Rückfalls und nur sein Entschluss, dessen Mörder aufzuspüren, bewahrt ihn davor. Daher stellte ich mir die spannende Frage, ob Moth fähig gewesen wäre, seine riskante Mission durchzuziehen, wäre er kein Alkoholiker. Ich denke nicht. Ich glaube, wäre er emotional und mental stabil, hätte er die Gefahr gescheut. Im englischen Original heißt das Buch „The Dead Student“, doch ich finde den deutschen Titel „Der Psychiater“ dennoch passend. Nicht nur, weil Ed Psychiater ist, sondern weil Katzenbach seine Leser_innen in die Position eines Psychiaters manövriert: er konfrontiert sie mit zwei erkrankten Persönlichkeiten, die durch Ed eine außergewöhnliche Verbindung teilen und überlässt es ihnen, sie zu analysieren und ihr Verhalten vorauszusagen. Deshalb sehe ich in diesem Roman eher ein psychologisches Spiel als einen mitreißenden Thriller: intellektuell stimulierend, aber leider nicht aufregend.

 

Ich weiß nicht so genau, worauf John Katzenbach mit „Der Psychiater“ hinauswollte. Das Kräftemessen zwischen Moth und dem Mörder seines Onkels erschien mir als handlungstragendes Element nicht ausreichend. Spannung oder gar Nervenkitzel wollten nicht recht aufkommen und da sich Katzenbach nicht bemühte, mich in das tödliche Duell einzubinden, fühlte ich mich zum passiven Zaungast degradiert. Auch über die Nebenfiguren fand ich keinen Zugang, weil ich ihre Rollen in der Geschichte nicht durchschaute. Das Buch spülte über mich hinweg, ohne emotionale Resonanz zu erzeugen. Theoretisch ist es eine ausgefeilte Studie psychischer Abgründe, doch praktisch erreichte es mich einfach nicht. Vielleicht ist es eine adäquate Lektüre für Psychologie-Nerds, für mich war es jedoch erneut eine Enttäuschung.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/10/03/john-katzenbach-der-psychiater
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review 2018-09-03 06:17
Wenn Odysseus die Öffis genommen hätte ...
Neues vom Onkel Franz: oder die Odyssee eines Innviertlers - Klaus Ranzenberger

Der Onkel Franz, pensionierter 70-plus-Innviertler vom Land muss auf Grund einer Erbschaft mit dem Zug zu einem Rechtsanwalt nach Wien fahren. Diese eigentlich kurze Reise mit zwei Mal Umsteigen gerät in Folge von mehreren vergnüglichen Kalamitäten zu einer wahren Odyssee, die den guten Onkel vom Land sogar abseits der Bahnstrecke verschlagen und ihn immer wieder neue interessante Leute kennenlernen lassen. Da Onkel Franz zwar sehr open-minded und interessiert an der modernen Welt ist, selbst aber infolge seines Lebensstils eher das Leben von vor 50 Jahren lebt, entspinnen sich sehr kuriose und spannende Dialoge über unseren modernen way of life.

 

Onkel Franz analysiert und reflektiert quasi wie ein recht neutraler Forscher, der ethnologische Studien betreibt, basierend auf seinen alten Werten und seinem ländlichen Lebensstil unsere Welt, verteufelt diese aber nicht grundsätzlich wie viele Menschen der Generation meiner Eltern sondern stellt fest und versucht vieles in Einklang mit seinen Werten zu bringen, vieles aber auch nicht, weil es eben nicht funktioniert. Daraus entsteht eine wundervolle Satire, die unsere Art zu leben teilweise augenzwinkernd aber bei den wichtigen Themen (Ernährung, Müll, Globalisierung …) recht ernst auf die Schippe nimmt. Onkel Franz ist meiner Meinung nach sehr glaubwürdig, denn er ist kein prinzipieller Nörgler, kein Kulturpessimist, der findet, dass früher alles besser war und dass die Stadt des Teufels ist (solche Leute gibt es tatsächlich in meiner Umgebung zuhauf). Er legt mit einfachem Hinterfragen die Finger in die Wunden unserer modernen urbanen globalisierten Industriegesellschaft.

Einer seiner Großneffen der Rachbauer Kevin, war ebenso kaum von seinem Handy wegzukriegen und versuchte, bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit den Onkel zu überzeugen, sich ebenfalls eines dieser Wunderdinge anzuschaffen. Auf Facebook wollte er sich dann mit ihm „befreunden“ und „seine Inhalte teilen“. Der Onkel Franz hatte ihm – nachdem er sich alles genau hatte erklären lassen – zu verstehen gegeben, dass er keinen Sinn darin erkennen könne. Dass er es ablehne, im Wirtshaus seine Essigwurst zu fotografieren, um seinen fünfhundert Freunden zur Kenntnis zu bringen, was er gerade esse. Erstens teile er seine Essigwurst mit niemandem, so weit käme es noch, und zweitens habe man im Leben mit sehr viel Glück allerhöchstens zwei wirkliche Freunde. Und wenn der Bub etwas von ihm wolle, solle er gefälligst vorbeikommen, da er ohnehin nur zwei Straßen weiter wohne. Vielleicht würd die Tante einen echten Gugelhupf backen, den könne man dann teilen.

In Wels läuft er einem jungen Mann nach, der seine Kopfhörer bei ihm im Abteil vergessen hat und verpasst den Zug, in St. Pölten muss er auf die Bahnhofs-Toilette und da er das WC im Zug während des Bahnhofsaufenthalts ja nicht benutzen darf (bzw. früher nicht durfte – damals gab es ja keine chemischen Toiletten, sondern alles wurde auf die Gleise gekippt), fährt ihm der Zug wieder vor der Nase davon. Sehr vergnüglich wird das alles immer von unserer österreichischen Parademoderatorin der 70er- und 80er-Jahre Chris Lohner mit ihrer sexy Stimme kommentiert, die seit Jahrzehnten auch alle Bahnhofsdurchsagen in Österreich spricht.

Regionalexpress 1693 nach Linz fährt soeben von Gleis eins ab. […] Chris Lohner kleidete das Geschehen in Worte.

In St. Pölten trifft er dann einen sympathischen syrischen Flüchtling mit Asylstatus, der ihn mit dem Paketdienstauto nach Wien mitnehmen will. Leider entpuppt sich der Arbeitsplatz des Syrers als videoüberwacht und der Onkel Franz muss sofort irgendwo in der Pampa aussteigen. Dort trifft er dann einen Politiker mit Chauffeur, die ihn zum Kernkraftwerk Zwentendorf mitnehmen. Bei einer Jause macht er später die Bekanntschaft eines Immobilienhais (eigentlich eines Multifunktionärs, like Gordon Gecko, dessen Firma in Österreich alle anderen Firmen aufkauft) anschließend eines IT-Spezialisten im Bus, schließt Freundschaft mit einem Biobauern, der früher Finanzmakler war und ausgestiegen ist, hat eine unangenehme Befragung mit einem studentischen Marktforscher und trifft endlich – so schließt sich der Kreis – in Wien am Naschmarkt seinen syrischen Bekannten wieder.

 

Das Ende ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber wundervoll konstruiert. In Wien wickelt er seine Erbschaftsangelegenheit ab, die ihm überraschenderweise 2% dieses Riesen-Firmenkonglomerats beschert, dessen CEO er ja kennengelernt hat und bei dem dieser Politiker auch seine Finger drinnen hat. Auf Grund der Informationen, die er auf der Reise gesammelt und durch die Nutzung der Freundschaften, die er geschlossen hat, schlägt er mit seinen 2%, als Zünglein an der Waage, diesem Riesenkonzern mit globalen Ambitionen ein grandioses Schnippchen.

 

Ich fand das Buch sowohl sprachlich als auch inhaltlich sehr gut, aber zwei Kleinigkeiten muss ich dennoch kritisieren. Im Prolog bezeichnet der Autor den Onkel Franz als moderne Tante Jolesch. Dieser Vergleich ist gar nicht so abwegig, aber ich finde vermessen, nahezu schon präpotent, dass sich der Autor diese berühmten Schuhe von Friedrich Torberg, die ihm schätzungsweise mindestens eineinhalb Nummern zu groß sind, selbst anzieht. Wenn dies der Verlag aus Werbezwecken tut, ok, wenn der Autor die Tante Jolesch als Vorbild bezeichnet, auch total in Ordnung – aber so … das ist mir schon ein bisschen zu viel Überheblichkeit.

 

Beim zweiten Punkt geht es um das österreichische Kernkraftwerk Zwentendorf, das vom österreichischen Volk durch eine Volksabstimmung verhindert wurde und nie ans Netz gegangen ist. Im Roman wird es quasi als Bauruine bezeichnet, die man nun vielleicht als Eventlocation verwenden könnte, was dieser Immobilentycoon auch plant. Diese Einschätzung stimmt einfach nicht, da hätte sich der Autor wirklich einmal genauer informieren, das Innviertel verlassen und sich das in der Realität ansehen müssen.

 

Zwentendorf produziert schon seit Jahren als Musterkraftwerk für nachhaltige Energie 100% Strom aus Solarenergie http://www.zwentendorf.com/, es fungiert weltweit sehr erfolgreich als einziges Trainingszentrum für die Reaktoren gleicher Bauart (fast alle westeuropäischen Werke sind derart gebaut, und nur dort kann man den Katastrophenfall gefahrlos simulieren) und es ist der einzige Atomreaktor, den sich Schulen in der Realität anschauen können. Ich stand schon ca. 10 Mal auf der Warteliste für eine Führung und habe es noch nie in den Reaktor geschafft, weil der Andrang so groß ist. Die Führungen sind oft innerhalb einer Stunde für das ganze Halbjahr ausgebucht. Zu guter Letzt war Zwentendorf schon vor Jahren lange Zeit auch eine sehr erfolgreiche Konzert- und Veranstaltungslocation denn bis 2013 wurde dort mehrmals das Tomorrow-Festival von Global 2000 abgehalten, das leider eingestellt wurde, da es am Gelände durch den Klimawandel immer wieder Überschwemmungen vor allem im Sommer gab. Ich war selbst zweimal am Festival, es war grandios, die Solarpanels richteten sich immer nach der Sonne aus, die Bands waren großartig und sogar die Dancefloors von 2 Uhr bis 6 Uhr in der Früh produzierten durch eine neue Technologie Strom durch die Bewegungen der Tanzwilligen, ständig wurde angezeigt, wieviel Strom grade produziert wurde. Somit entspricht nichts, was über Zwentendorf im Roman angedeutet wurde, der Realität und ich finde extrem bedauerlich, dass ein solches Erfolgsprojekt (in der Nach-Atomkraftwerk-Ära) derart verleumdet wird (auch wenn es nur fiktiv ist).

 

Fazit: Ein ausgezeichnetes Buch für das ich eine klare Leseempfehlung abgeben kann. Ein paar Kritikpunkte gab es aber anzumerken.

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