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review 2019-07-16 09:40
Eines Tages werden sie sich gegenseitig umbringen
Obsidian Butterfly - Laurell K. Hamilton

Der Auftragskiller Edward ist meine absolute Lieblingsnebenfigur der „Anita Blake“-Reihe von Laurell K. Hamilton. Ich liebe seine Kompromisslosigkeit, seinen tödlichen Pragmatismus und seinen ganz speziellen Sinn für Humor. Vielleicht sollte es mir zu denken geben, wie sehr ich eine Figur, die mühelos als Soziopath durchgeht, mag, aber es beruhigt mich, dass ich mit meiner Sympathie nicht allein dastehe. Edward erfreut sich einer soliden Fanbasis, was die Autorin eingangs überraschte. Dank seiner großen Popularität erfuhr sie, dass ihre Leser_innen sich ebenso sehr für ihn interessieren wie sie selbst. Deshalb widmete sie „Obsidian Butterfly“ allen Edward-Fans, denn der neunte Band rückt ihn ins Rampenlicht.

 

Es gibt nur einen Menschen auf der Welt, den Anita Blake fürchtet. Mit seinen babyblauen Augen wirkt Edward wie ein netter Typ, doch Anita kennt sein wahres Gesicht: er ist ein Kopfgeldjäger, ein eiskalter Killer und vielleicht der einzige, der gut genug ist, sie zu töten. Dennoch verbindet sie eine eigenwillige Freundschaft. Deshalb zögert sie nicht, als er sie bittet, ihm bei den Ermittlungen in einer besonders grausamen Mordserie in New Mexico zu helfen. Dort angekommen stößt Anita jedoch bald an ihre Grenzen. Nicht nur belasten sie die grausigen Details des Falls und ihre Ahnungslosigkeit, welches Wesen verantwortlich sein könnte, sie erhält auch unverhoffte, tiefe Einblicke in Edwards Leben, die sie auf eine harte Probe stellen. Kann sie akzeptieren, dass sogar Edward versucht, sich ein Stück Normalität zu bewahren? Vielleicht sind sie sich doch ähnlicher, als sie dachte…

 

Wer glaubt, Anitas Beziehung zu Richard und Jean-Claude sei kompliziert, hat sie noch nicht mit Edward erlebt. „Obsidian Butterfly“ beleuchtet ihre unkonventionelle Freundschaft, die stets am seidenen Faden hängt, in aller Detailschärfe. Es ist beeindruckend, wie gut Laurell K. Hamilton ihre Charaktere kennt. Natürlich sollten Autor_innen die Persönlichkeiten ihrer Figuren zuverlässig einschätzen können, aber dieses Maß analytischer Einfühlsamkeit ist definitiv außergewöhnlich. Anitas und Edwards Verhältnis ist haarsträubend komplex und häufig vollkommen widersprüchlich. Sie vertrauen einander, obwohl sie auf ein strenges Konstrukt unausgesprochener Regeln angewiesen sind, um sich nicht gegenseitig umzubringen. In professioneller Hinsicht sind sie ein tödlich effizientes Team, aber privat kollidieren ihre Ansichten ständig. Sie konfrontieren einander mit unangenehmen Wahrheiten, reflektieren sich gegenseitig und projizieren ihre eigenen Wünsche, Ängste und Erinnerungen auf das Gegenüber. Nichtsdestotrotz fürchte ich, Anitas Beziehung zu Edward ist die gesündeste, die sie zurzeit vorweisen kann, weil sie stets weiß, woran sie bei ihm ist, was sich von Jean-Claude und Richard ja nun nicht behaupten lässt. Zumindest wusste sie es bisher. Hamilton bietet in „Obsidian Butterfly“ erfreulich zahlreiche Informationen über Edward, die ihn in meinen Augen menschlicher erscheinen lassen. Ich dachte erstmals darüber nach, wie er überhaupt lebt, dass er über eine Biografie verfügt und seine Besuche bei Anita selbst für ihn nichtrepräsentative Extreme darstellen. Anita findet heraus, dass Edward in seinem eigenen Revier in New Mexico ein weitreichendes Doppelleben führt, was sie zutiefst schockiert. Ich glaube allerdings, ihre Entrüstung stammt nur zum Teil daher, dass er andere Menschen täuscht und gefährdet. Meiner Meinung nach ist sie verärgert, weil ihr klar wird, dass sie im Grunde nichts über ihn weiß und sie seine Farce eines Alltags daran erinnert, wie wenig alltagstauglich ihr eigenes Leben ist. Der Fall betont, wie weit sich Anita und Edward von der Normalität entfernt haben. Deshalb sehe ich die Ermittlung, die ausnehmend grausame und spektakuläre Details beinhaltet, eher als Katalysator für das unorthodoxe Duo, der die Entwicklung ihrer Persönlichkeiten vorantreibt, statt als eigenständiges Handlungselement. Wieder einmal fand ich den Kriminalfall unzureichend durchdacht. Hamilton involvierte viel zu viele Parteien, die die Situation unnötig verwirren und wenig zur endgültigen Auflösung beitragen. Besonders die lokalen Vampire empfand ich als kolossal überflüssig, weil ihre einzige Aufgabe darin besteht, einen Bezug zum antiken Volk der Azteken herzustellen, den die Autorin leider nicht befriedigend ausarbeitete. An ihrem Beispiel hätte „Obsidian Butterfly“ erhellende Einblicke in die aztekische Kultur und Mythologie liefern können, beide Aspekte werden jedoch lediglich oberflächlich angerissen. Wozu vampirische Zeitzeugen etablieren, wenn sie ihre Vergangenheit kaum teilen dürfen? Wozu einen Fall mühsam um eine untergegangene Kultur konstruieren, wenn der Täter dennoch aus dem Hut gezaubert wirkt? Erneut überzeugte mich Laurell K. Hamilton als Psychoanalytikerin, nicht aber als übernatürliche Kriminalistin.

 

Eines Tages werden Anita und Edward vermutlich ein für alle Mal klären, wer besser ist. Ich hoffe, dass bis zu diesem Tag noch viel Zeit vergeht, denn es gibt nur zwei mögliche Szenarien: entweder, die „Anita Blake“-Reihe endet mit ihrem Tod durch seine Hand oder Edward stirbt und ist für die Geschichte verloren. Ich weiß nicht, welche Option schlimmer ist. Dank all der intimen Details, die „Obsidian Butterfly“ über Edward bereitstellt, steigerte sich meine Sympathie für ihn ungemein. Mehr denn je nehme ich ihn als vollwertiges Individuum wahr. Edward ist nicht gefühllos. Er ist mehr als ein prototypischer Killer. Diese Erkenntnis wiegt für mich schwerer als der ungelenke Kriminalfall, den ich ohnehin als Mittel zum Zweck einschätze. Wie immer sind Erlebenswelten wichtiger als inhaltliche Entwicklungen. Dass ich die Chance erhielt, in Edwards Erlebenswelt herumzuschnüffeln, weiß ich wirklich zu schätzen. Er mag ein Soziopath sein – aber er bleibt meine liebste Nebenfigur der Reihe.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/16/laurell-k-hamilton-obsidian-butterfly
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review 2018-10-03 10:58
Katzenbach ist zahm geworden
Der Psychiater: Psychothriller - John Ka... Der Psychiater: Psychothriller - John Katzenbach,Eberhard Kreutzer,Anke Kreutzer

John Katzenbach ist meine erste große Thriller-Liebe. Ich erinnere mich noch genau, wie sehr mich „Die Anstalt“ begeisterte, mein erster Roman aus seiner Feder und meiner Meinung nach der beste, den er je geschrieben hat. Nie zuvor war ich mit einem ähnlichen Level nervenzerfetzender, psychologischer Spannung konfrontiert worden. Katzenbach begründete mit diesem Buch meine ausgedehnte Thriller-Phase. In den folgenden Jahren las ich alles, was der Mann veröffentlichte. Leider verzeichnete ich einen graduellen Qualitätsverlust, gestand ihm jedoch stets eine neue Chance zu. Mein letzter Katzenbach war 2013 „Der Wolf“, den ich insgesamt ziemlich enttäuschend fand. 2017 entdeckte ich, dass er einen neuen Einzelband geschrieben hatte: „Der Psychiater“. Selbstverständlich wollte ich auch diesen lesen.

 

Ohne die Hilfe seines Sponsors, seines Onkels Ed, hätte es der 24-jährige Alkoholiker Timothy „Moth“ Warner niemals geschafft, trocken zu bleiben. Selbst jetzt, nach 100 Tagen der Abstinenz, ist er auf seine Unterstützung angewiesen. Deshalb ist Moth alarmiert, als Ed ein wichtiges Treffen der Anonymen Alkoholiker verpasst. Besorgt fährt er in Eds Praxis. Was er dort vorfindet, lässt das Blut in seinen Adern gefrieren: die Leiche seines Onkels. Alle Spuren deuten auf Suizid hin. Die Polizei schließt den Fall.
Eds Verlust wirft Moth völlig aus der Bahn. Er kann einfach nicht glauben, dass sich sein lebensbejahender, ausgeglichener Onkel selbst getötet haben soll. Schon bald beschleicht Moth ein furchtbarer Verdacht. War es vielleicht gar kein Selbstmord? Aber wer könnte den harmonieorientierten, hilfsbereiten Psychiater tot sehen wollen? Verärgerte er einen Patienten? Verstört und in tiefer Trauer begibt sich Moth auf einen gefährlichen Weg: er ist entschlossen, Eds Mörder zu finden. Unterstützt von seiner Jugendliebe Andy Candy und der Staatsanwältin Susan beginnt er, in Eds Vergangenheit zu graben und bemerkt nicht, dass er längst beobachtet wird…

 

John Katzenbach hat seinen Biss verloren. Ich weiß nicht, wo und wie, aber für mich ist es eindeutig, dass seinen Thrillern seit einigen Jahren der spezielle Nervenkitzel fehlt, den ich in „Die Anstalt“ liebte, der mich an die Seiten fesselte und mich veranlasste, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen. Ich empfinde beim Lesen seiner Bücher schon lange keine Anspannung mehr. Katzenbach ist zahm geworden. „Der Psychiater“ ist ein psychologisch anspruchsvolles Katz-und-Maus-Spiel, das für mich leider schnell an Reiz einbüßte. Ich konnte dem Spannungsbogen des Buches einfach nicht folgen und fragte mich lange, was Katzenbach mit dieser Struktur erreichen wollte. Anfangs glaubte ich, es ginge darum, herauszufinden, ob Moth‘ Onkel Ed tatsächlich umgebracht wurde. Diese Frage klärte sich nach einigen Andeutungen endgültig mit dem ersten Kapitel aus der Sicht des Mörders. Danach mutmaßte ich, ich sollte Beweggründe und Identität des Killers erraten. Warum tötete er den liebenswerten Onkel Ed und welche Beziehung hatte er zu ihm? Das Motiv offenbart Katzenbach jedoch ebenfalls recht früh. Hm. Und jetzt? Letztendlich entpuppte sich „Der Psychiater“ als tödliches Wettrennen zwischen Moth und dem Killer. Diese Entwicklung war per se nicht schlecht, aber das Auf und Ab des Spannungsbogens und Katzenbachs Freigiebigkeit frustrierten mich, weil er mich mit jeder geschenkten Information ausschloss. Ich durfte nicht miträtseln, ich durfte nur zuschauen und ein Duell psychologischer Profile beobachten. Dieses Duell arrangierte Katzenbach allerdings vorzüglich. Die Kapitel aus der Perspektive des Mörders faszinierten mich, weil es sich um einen Profi handelt, dessen Disziplin, Kreativität und Präzision beeindrucken. Er ist ein Geist, der die Kunst, unsichtbar in der Gesellschaft zu verschwinden, perfektionierte. Es ist erschreckend, wie gründlich die Spuren einer Existenz sogar im Kommunikationszeitalter ausgelöscht werden können. Sein Kontrahent Moth verkörpert in vielerlei Hinsicht sein Gegenteil. Es war interessant, ihre Unterschiede und Parallelen zu ermitteln. Moth‘ Leben ist von seiner Suchtkrankheit geprägt; er kämpft täglich um Selbstkontrolle. Eds Verlust treibt ihn an den Rand eines Rückfalls und nur sein Entschluss, dessen Mörder aufzuspüren, bewahrt ihn davor. Daher stellte ich mir die spannende Frage, ob Moth fähig gewesen wäre, seine riskante Mission durchzuziehen, wäre er kein Alkoholiker. Ich denke nicht. Ich glaube, wäre er emotional und mental stabil, hätte er die Gefahr gescheut. Im englischen Original heißt das Buch „The Dead Student“, doch ich finde den deutschen Titel „Der Psychiater“ dennoch passend. Nicht nur, weil Ed Psychiater ist, sondern weil Katzenbach seine Leser_innen in die Position eines Psychiaters manövriert: er konfrontiert sie mit zwei erkrankten Persönlichkeiten, die durch Ed eine außergewöhnliche Verbindung teilen und überlässt es ihnen, sie zu analysieren und ihr Verhalten vorauszusagen. Deshalb sehe ich in diesem Roman eher ein psychologisches Spiel als einen mitreißenden Thriller: intellektuell stimulierend, aber leider nicht aufregend.

 

Ich weiß nicht so genau, worauf John Katzenbach mit „Der Psychiater“ hinauswollte. Das Kräftemessen zwischen Moth und dem Mörder seines Onkels erschien mir als handlungstragendes Element nicht ausreichend. Spannung oder gar Nervenkitzel wollten nicht recht aufkommen und da sich Katzenbach nicht bemühte, mich in das tödliche Duell einzubinden, fühlte ich mich zum passiven Zaungast degradiert. Auch über die Nebenfiguren fand ich keinen Zugang, weil ich ihre Rollen in der Geschichte nicht durchschaute. Das Buch spülte über mich hinweg, ohne emotionale Resonanz zu erzeugen. Theoretisch ist es eine ausgefeilte Studie psychischer Abgründe, doch praktisch erreichte es mich einfach nicht. Vielleicht ist es eine adäquate Lektüre für Psychologie-Nerds, für mich war es jedoch erneut eine Enttäuschung.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/10/03/john-katzenbach-der-psychiater
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review 2018-05-31 09:14
Überhastet, hektisch, gehetzt
Tithe - Holly Black

Sind Feen real? Holly Black wird diese Frage offenbar so oft gestellt, dass sie sie in den FAQ-Bogen ihrer Website aufnahm. Obwohl sie schreibt, dass sie es nicht weiß und sich selbst als optimistische Skeptikerin bezeichnet, weil sie auf einen greifbaren Beweis für die Existenz des Feenvolkes besteht, kann man ihren Leser_innen kaum verübeln, dass einige ihr eine gewisse Kompetenz bezüglich des Themas unterstellen. Feen sind Blacks literarisches Spezialgebiet, das sie 2002 mit „Tithe“ begann, ihrem Debüt und erstem Band der losen „Modern Faerie Tales“ – Trilogie.

 

Die 16-jährige Kaye führt ein Leben auf Achse. Ihre Mutter Ellen singt in einer Rockband und Kaye begleitet sie auf ihren Touren durch Clubs, Kneipen und Bars. Nach einem ihrer Auftritte flippt Ellens Freund Lloyd jedoch plötzlich aus. Von einer Sekunde auf die nächste haben Ellen und Kaye weder eine Band, noch einen Schlafplatz. Mutter und Tochter sind gezwungen, bei Kayes Großmutter unterzutauchen. Zurück in New Jersey glaubt Kaye, das Spannendste, das ihr passieren könnte, wäre die nächste Party. Sie irrt sich. Eines Abends hört sie auf dem Heimweg Rufe aus dem Wald. Als sie nachsieht, stolpert sie beinahe über einen atemberaubend gutaussehenden jungen Mann. Er ist verletzt: ein Pfeil ragt aus seiner Brust. Instinktiv weiß Kaye, dass der Fremde kein Mensch ist. Er ist ein Faerie, eine Fee. Sie beschließt, ihm zu helfen. Eine winzige Entscheidung. Eine einzige gute Tat, doch ihr Leben wird nicht mehr dasselbe sein. Schon bald muss Kaye einsehen, dass Feen äußerst beängstigend sind – und der Umgang mit ihnen tödlich…

 

Vor drei Jahren habe ich schon einmal ein Buch von Holly Black gelesen: „The Coldest Girl in Coldtown“. Der Urban Fantasy – Jugendroman gefiel mir damals gut, ergo beschloss ich, die Autorin besser kennenzulernen. Es war einer meiner schwächeren Einfälle, Blacks Debüt nach einem 11 Jahre später erschienenen Einzelband zu lesen. Ich erlebte ihre schriftstellerische Entwicklung rückwärts, wodurch die Ausgangssituation für „Tithe“ suboptimal war. Nichtsdestotrotz räumte ich dem Trilogieauftakt natürlich eine faire Chance ein. Leider konnte mich die frühe Holly Black jedoch nicht überzeugen. Ich fand „Tithe“ völlig überhastet und gehetzt. Meiner Ansicht nach ist das Buch eine wilde, konfuse Aneinanderreihung von Ereignissen, die weder Sorgfalt noch Bemühungen erkennen lässt, eine Verbindung zu den Leser_innen herzustellen. Entweder, man springt auf den Zug auf oder wird überrollt. Die psychologischen, emotionalen Aspekte der Geschichte und der Figuren werden komplett vernachlässigt, ja nahezu ignoriert. „Tithe“ findet ausschließlich auf der Handlungsebene statt. Black springt von Szene zu Szene, ohne sich die Zeit zu nehmen, die Gefühle ihrer Charaktere zu erkunden. Daher wirkte es beispielsweise, als sei es Kayes Mutter vollkommen egal, dass sie von ihrem Lebensgefährten angegriffen wird. Sie reden nicht ein einziges Mal darüber. Es schien normal zu sein. Vielleicht wird Ellen alle Nase lang von Männern attackiert, weshalb weder sie selbst noch Kaye darauf eingehen, aber für mich war der Vorfall skurril und die Gleichgültigkeit, die Holly Black anhand ihrer fehlenden Reaktion vermittelt, stieß mir sauer auf – eine Empfindung, die mich während der gesamten Lektüre begleitete, weil diese Situation lediglich einer von vielen harten, abrupten Übergängen ist. Außerdem schockierte mich die Abwesenheit einer ernstzunehmenden Elternfigur. Ellen erfüllt ihre Rolle als Mutter überhaupt nicht, sie behandelt ihre Tochter eher wie eine Freundin und scheint darauf auch noch stolz zu sein. So ist es nicht verwunderlich, dass Kaye mit 16 Jahren raucht, trinkt, sexuell aktiv ist und schon lange keine Schule mehr von innen gesehen hat. Ich bin nicht prüde und hege keine Illusionen über die Lebensgestaltung von Teenagern, doch Young Adult – Literatur hat meines Erachtens nach stets eine Vorbildfunktion. Kaye ist nicht nur kein Vorbild, sie lebt jugendlichen Leser_innen eine fragwürdige Einstellung vor, die in der Realität schnell in eine existenzielle Sackgasse führt. In der Wirklichkeit gibt es eben keine Feen, die junge Frauen in ihr Reich einladen. Holly Blacks Darstellung des Feenvolkes war vermutlich das einzige, das mir an „Tithe“ wirklich gefiel. Ihre Vorstellung gleicht meiner eigenen sehr: die Feen sind keine liebenswerten, possierlichen Miniaturen, die Regenbögen reiten und Glitzer pupsen, sondern beängstigend, verschlagen und blutrünstig, verstrickt in uralte Fehden und Intrigen. Ihre exotische Vielfalt beeindruckte und faszinierte mich. Ich wünschte, Black hätte mehr getan, als kurze Blicke hinter den Vorhang zu gewähren und ihre Welt ausführlicher vorgestellt. Leider setzte sich hier die Hast, unter der „Tithe“ generell leidet, fort. Mit 200 zusätzlichen Seiten hätte Holly Black sehr viel mehr aus ihrer Geschichte herausholen können. Vielleicht wäre dann auch mehr bei mir hängen geblieben.

 

„Tithe“ war nach meinen Erfahrungen mit „The Coldest Girl in Coldtown“ definitiv ein Reinfall. Selbstverständlich freut es mich, dass die Autorin Holly Black offensichtlich eine Entwicklung durchlaufen hat und sich verbessern konnte, aber auf die Lektüre ihres Debüts hatte diese Erkenntnis leider keinen Einfluss. Das Buch wirkte auf mich ruhelos und überreizt; ich fühlte mich beim Lesen geradezu gestresst, weil ich Schwierigkeiten hatte, mich mit der hektischen Abfolge oberflächlich zusammengeschusterter Szenen zu arrangieren. Ich konnte keine Verbindung zu den Figuren aufbauen und war von ihren Verhaltensweisen irritiert. Für mich gibt es keinen Grund, es mit den Folgebänden der „Modern Faerie Tales“ zu versuchen – ich werde die Trilogie abbrechen. Trotz dessen gebe ich Holly Black noch nicht auf. Ich werde „White Cat“, den ersten Band der „Curse Workers“, lesen. Vielleicht funktionieren wir als Autorin-Leserin-Duo besser, wenn nicht Feen das Thema sind, sondern Magier.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/05/31/holly-black-tithe
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review 2017-09-13 11:21
Ein Fangirl ward geboren
City of Miracles (The Divine Cities) - Robert Jackson Bennett

Worum geht es in der Trilogie „The Divine Cities“? Laut Autor Robert Jackson Bennett geht es um Veränderung. Schmerzhafte, quälende Veränderungen. In einem kurzen Essay über das Finale „City of Miracles“ schreibt er, der Kern seiner Geschichte sei der Versuch seiner Figuren, ihre traumatischen Erfahrungen zu überleben und zu überwinden. Ich stimme Bennett daher zu, dass es mehr als passend ist, den letzten Band aus Sigruds Perspektive zu bestreiten, da dieser unter zahllosen unaufgearbeiteten Traumata leidet. Ich wusste allerdings auch, dass Sigrud zu folgen bedeutet, einen blutigen Pfad einzuschlagen.

 

Eine Explosion zerreißt den regnerischen Tag in Ahanashtan. In der Detonation, die ein halbes Stockwerk des noblen Golden Hotels zerstört, kommt die ehemalige saypurische Premierministerin Shara Komayd ums Leben. Sechs Tage später erreicht die Nachricht ihrer Ermordung ein Holzfällerlager nahe Bulikov. 13 lange Jahre versteckte sich Sigrud je Harkvaldsson in der Anonymität wechselnder Gelegenheitsjobs. Damit ist jetzt Schluss. Sein Herz schlägt im Takt eines einzigen Wortes: Rache. Ohne zu zögern nutzt er die tödliche Effizienz seiner außergewöhnlichen Talente, um die Mörder seiner Freundin ausfindig zu machen. Leichen pflastern seinen Weg. Je tiefer Sigrud gräbt, desto klarer wird, dass der Anschlag Teil eines größeren Schemas war. Shara war in schockierend schmutzige Geheimnisse verstrickt, verschleiert hinter der wohltätigen Fassade eines Programms für kontinentale Waisenkinder, die systematisch zu verschwinden scheinen. Was ist dran an den Gerüchten einer neuen Gottheit, die aus den Schatten heraus agiert? Welche Rolle spielt Sharas Adoptivtochter Tatyana? Rache ist Sigruds Spezialität. Doch dieser Kampf könnte selbst den hartgesottenen Dreyling an seine Grenzen bringen. Ihn – und die gesamte Welt.

 

Oh. Mein. Gott. „City of Miracles“ ist GROSSARTIG. Es ist eines dieser Bücher, für die bisher keine adäquaten Superlative erfunden wurden, um es zu beschreiben. Es landet ohne Umwege in meiner persönlichen Top 5 der besten Trilogieabschlüsse aller Zeiten. Für diesen Roman verdient Robert Jackson Bennett so viel mehr als fünf Sterne; er verdient das ganze verdammte Firmament. Mich durchläuft jetzt noch ein Schauer, denke ich an die Lektüre zurück. Seit dem Auslesen habe ich sogar eine Illustration von Sigrud der Künstlerin Chanh Quach als Hintergrund auf meinem Smartphone, so begeistert bin ich von „City of Miracles“ und so schwer fällt mir das Abschiednehmen.
Warum ist dieses Finale dermaßen atemberaubend? Es war eine Herausforderung, herauszufinden, welche Elemente „City of Miracles“ aus der Masse herausheben und ich bin nicht sicher, ob ich die Antwort gefunden habe, weil eben schlicht alles fantastisch ist. Natürlich weist es die gleiche inhaltliche, logische Konsistenz auf, die ich bereits aus den Vorgängern kenne – es baut direkt und konsequent auf den vergangenen Ereignissen auf. Selbstverständlich sind die Figuren hyperlebendig und einnehmend, obwohl ich ein winziges Bisschen enttäuscht war, dass Mulagheshs Rolle gering ausfällt. Zweifellos ist das Worldbuilding detailreich und überzeugend, da sich Bennetts Universums stets im Wandel befindet und ich angesichts des technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritts in Saypur und auf dem Kontinent aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Doch muss ich den Finger darauflegen, was es ist, das „City of Miracles“ vom durchschnittlichen High Fantasy – Roman unterscheidet, entscheide ich mich für die transformative Reise, die Sigrud erlebt. Robert Jackson Bennett liebt seinen furchteinflößenden, traumatisierten Protagonisten genug, um ihm Möglichkeiten zu schenken, sich selbst aus dem Teufelskreis seiner Seelenqual zu befreien. Er macht es ihm nicht leicht, oh nein. Sigrud leidet, er geht im Namen der Erkenntnis durchs Feuer. Aber Sigrud hätte einen einfachen Ausweg keinesfalls akzeptiert. Er hätte einer Lösung auf dem Silbertablett misstraut. Er musste hart aufschlagen, um sich endlich zu ändern. Es zeugt von ausnehmendem schriftstellerischen Geschick, dass Bennett in der Lage war, mir dieses spezielle Verhältnis zu vermitteln. Ich wusste genau, was er Sigrud anbietet: blutige, schmerzhafte Erlösung. Er offeriert ihm eine Rettung, die dieser auch annehmen kann, weil sie seiner Persönlichkeit entspricht. Er prüft ihn, schickt ihn in rasante Actionszenen, während derer ich vor lauter Nervenkitzel buchstäblich die Luft anhielt. Er konfrontiert ihn in stillen, leisen Momenten mit Verlust, Trauer und Schuld. Diese scheinbare Gegensätzlichkeit macht Sigrud aus und sie charakterisiert ebenfalls Saypur und den Kontinent, weshalb er meiner Meinung nach exakt der ambivalente Held ist, den dieses Universum braucht. Sigruds Reise zur Katharsis wühlte mich sehr auf. Ich konnte und wollte mich seiner inneren Zerrissenheit zwischen grimmiger Fatalität und zerbrechlicher Hoffnung nicht verschließen. Als der Showdown nahte, war ich daher emotional bereits völlig wund. Die letzten 20 Seiten waren für mich verheerend. Umwerfend. Ich habe Rotz und Wasser geheult. Es war… perfekt. Robert Jackson Bennett ist ein Poet. Ich wünschte, jedes Ende könnte so sein.

 

Denkt an irgendein positives Attribut, das ein Buch besitzen kann. Irgendeins. Ich versichere euch, in der Trilogie „The Divine Cities“ findet ihr es. Diese Geschichte hat sich nicht nur in mein Herz geschlichen, sie hat sich einen Platz in meinen All-Time-Favorites erkämpft. „City of Stairs“, „City of Blades“ und „City of Miracles“ sind brillant und ehrfurchtgebietend originell. Es gibt viele Fantasy-Autor_innen, die krampfhaft versuchen, anders zu schreiben, anders zu sein. Robert Jackson Bennett gelingt dieses Kunststück mühelos. Herzlichen Glückwunsch, Mr. Bennett. Sie haben sich selbst ein Fangirl erschaffen. Und glauben Sie bloß nicht, Sie würden mich so schnell wieder los.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/09/13/robert-jackson-bennett-city-of-miracles
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review 2016-10-29 12:28
Ein Buch für mein inneres "Supernatural"-Fangirl
Anna Dressed in Blood - Kendare Blake

„Anna Dressed in Blood“ von Kendare Blake war eine Goodreads-Empfehlung, die mir auf der Startseite prominent vor die Nase gehalten wurde. Titel in Kombination mit dem Cover weckten meine Neugier, doch es war der Klappentext, der mich überzeugte. Geisterjagd? Familienauftrag? Das „Supernatural“-Fangirl in mir japste. Die Parallelen waren unübersehbar und unwiderstehlich. Völlig egal, dass es statt zwei Brüdern nur einen Protagonisten gibt und die Geschichte eher im YA-Bereich angesiedelt ist. Ich musste das Buch haben!

 

High-School, Homecoming-Ball und Dates – über die Dramen seiner Altersgenossen kann Cas nur müde lächeln. Sein Leben wird von völlig anderen Dingen bestimmt. Von toten Dingen. Cas ist ein Geisterjäger, wie bereits sein Vater vor ihm. Begleitet von seiner Mutter reist er im Namen des Familienauftrags durch Nordamerika. Wo immer ein Geist die Lebenden terrorisiert und bedroht, ist er zur Stelle. Anna Dressed in Blood ist die Lokallegende des kanadischen Städtchens Thunder Bay. In den letzten 50 Jahren soll sie 27 Teenager getötet haben. Cas ist fest entschlossen, ihrem mörderischen Treiben ein Ende zu setzen. Doch dieses Mal ist alles anders. Anna ist stärker als jeder Geist, dem er bisher begegnet ist. Intelligenter. Tödlicher. Um sie aufhalten zu können, muss Cas herausfinden, woher sie Macht bezieht und beginnt, in ihrer tragischen Vergangenheit zu graben. Stück für Stück lernt er Anna besser kennen und muss sich bald eingestehen, dass ihn ihre Geschichte tief berührt. Als der Moment der Entscheidung gekommen ist, weiß Cas nicht mehr, ob er Anna überhaupt noch ins Jenseits schicken möchte…

 

„Anna Dressed in Blood“ befriedigte mein inneres „Supernatural“-Fangirl nur teilweise. Ich habe nicht erwartet, es mit einem Buch zu tun zu bekommen, das ohne Weiteres als Drehbuch für eine Folge dienen könnte. Ich bin allerdings davon ausgegangen, dass es mir das gleiche Gefühl vermitteln würde, das ich beim Schauen meiner Lieblingsserie erlebe. Trotz gewisser grundsätzlicher Ähnlichkeiten wie Geisterjagd, Familienauftrag und ständiger Umzüge wollte sich bei mir einfach nicht die gleiche ungezügelte Begeisterung einstellen. Meiner Meinung nach ist dieser Mangel an Euphorie hauptsächlich der Young Adult – Ausrichtung des Romans geschuldet. Die genretypischen Muster schimmerten unter der Handlung hindurch, dezent, aber deutlich wahrnehmbar. Ich rechne es Kendare Blake hoch an, dass sie sich um Originalität bemühte und dem altbackenen Prinzip von „Junge-trifft-Mädchen“ einen neuen Anstrich verpasste, im Endeffekt bleibt eine Teenie-Romanze jedoch immer eine Teenie-Romanze, unabhängig der Umstände. Für mich hätte sie definitiv noch einige Schritte weitergehen und „Anna Dressed in Blood“ richtig schaurig gestalten können. Ich habe mich nicht gegruselt, weil es eher blutig als unheimlich ist. Der Horror des Buches fußt auf physischer Gewalt, nicht auf psychischem Terror. Es gibt diverse effektvolle Szenen, in denen das Blut nur so spritzt, aber als High Fantasy-Schlachten-Veteranin lassen mich derartige Beschreibungen nun mal ziemlich kalt. Meine Ängste wurden nicht angesprochen, die Atmosphäre entwickelte keine emotionale Beklemmung. Dadurch hatte ich das Gefühl, nicht in die Tiefen der Geschichte vorzudringen, sondern lediglich an der Oberfläche entlang zu kratzen.
Möglicherweise fiel mir der Zugang auch deshalb schwer, weil ich Schwierigkeiten mit dem Protagonisten Cas hatte. Ich habe lange gebraucht, bis ich einigermaßen warm mit ihm wurde. Anfangs glaubte ich sogar, dass ich ihn nie würde ausstehen können, da er sich fürchterlich arrogant, altklug und herablassend gab. Er belächelt seine Altersgenossen für ihre Unwissenheit und Unbeschwertheit, als wäre das Dasein eines normalen Teenagers gänzlich unter seinem Niveau. Schlimmer noch, er behandelt auch die Geister, die er weiterschickt, nicht mit der angemessenen Demut. Er zeigt keinerlei Mitgefühl und Verständnis für die Tragik ihrer Situation. Er hält sich für abgeklärt, wirkt dadurch jedoch kaltherzig. Glücklicherweise ändert sich seine Einstellung, nachdem er Anna kennenlernt. In Thunder Bay findet er entgegen seiner Gewohnheiten Freunde, die ihn begreifen lassen, dass ein Sozialleben durchaus Vorteile hat. Nicht einmal ein Geisterjäger muss einsam sein, wenn er es nicht will. Anna bringt Cas‘ gute Seiten zum Vorschein. Der positive Einfluss eines mordenden Geistes – klingt paradox, nicht wahr? Wie das zusammenpasst, müsst ihr schon selbst herausfinden, ich kann euch allerdings verraten, dass Anna Cas unter die Haut geht. Ihretwegen denkt er zum ersten Mal darüber nach, wohin er die Geister überhaupt schickt, was meiner Ansicht nach längst überfällig war. Es erschien mir seltsam, dass er sich diese Frage noch nie gestellt hat. Ich denke, er hatte zu seinen Talenten bisher eine rein pragmatische Beziehung und hat es vermieden, zu intensiv über deren Natur zu grübeln. Mit der spirituellen Ebene seiner Berufung stand er nicht in Kontakt. Erst Anna zeigt ihm, dass er mehr als ein übernatürlicher Kammerjäger ist.

 

„Anna Dressed in Blood“ ist eine flüssige, leichte Lektüre für zwischendurch, die viel Action und ein akzeptables Maß an Romantik bietet. Das Buch ist nicht übertrieben kitschig und konnte mich durch die Kreativität der Autorin überzeugen. „Supernatural“ in Buchform – das Experiment ist geglückt, wenn auch nicht uneingeschränkt. Sicher hätte man das eine oder andere besser umsetzen können, aber insgesamt hat mir das Lesen Freude bereitet, worauf es ja letztendlich ankommt. Ich werde der Fortsetzung „Girl of Nightmares“ eine Chance geben, weil ich glaube, dass sich meine Sympathieprobleme mit Cas nun erledigt haben und ich unheimlich neugierig bin, wie sich seine Beziehung zu Anna weiterentwickelt.
Wenn ihr Interesse an „Anna Dressed in Blood“ habt, dann greift zu! Gerade jetzt zu Halloween gibt es wohl kaum ein Buch, das passender wäre.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/10/29/kendare-blake-anna-dressed-in-blood
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