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review 2019-02-26 10:49
Banditen, Knarren und Macht über Metalle
Jäger der Macht - Brandon Sanderson

Die „Mistborn“-Reihe von Brandon Sanderson ist ein Mammutprojekt, das den Autor noch viele Jahre begleiten wird. Ursprünglich war es als Trilogie-Dreifaltigkeit geplant: es sollten drei Trilogien in unterschiedlichen Epochen erscheinen. Nach der ersten Trilogie entschied Sanderson allerdings, seinen Leser_innen den großen Zeitsprung mit einem Übergangsband zu erleichtern. Eine gute Idee, die sich verselbstständigte. Aus dem Einzelband „Jäger der Macht“ wurde die vierteilige Spin-Off-Reihe „Wax und Wayne“. Sie wird die zweite Trilogie jedoch nicht ersetzen. Es ist unklar, wann mit den nachfolgenden Dreiteilern zu rechnen ist. Ich empfinde „Wax und Wayne“ trotzdem als vollwertigen Bestandteil der „Mistborn“-Reihe und war neugierig, in „Jäger der Macht“ herauszufinden, wie sich die Welt der Nebelgeborenen nach 300 Jahren veränderte.

 

20 Jahre jagte Waxillium Ladrian Verbrecher im Rauland. Er war gut in dem, was er tat. Möglicherweise sogar der Beste, dank der seltenen Kombination seines ferrochemischen und allomantischen Talents. Doch nachdem seine Partnerin ermordet wurde, schwor Wax der Jagd nach Kriminellen ab und flüchtete vor seinen Erinnerungen nach Elantel, um dort die Geschäfte seiner Familie zu leiten. Nur wenige Monate nach seiner Ankunft regen sich erneut seine Ermittlerinstinkte. Die Stadt wird von einer spektakulären Verbrechenswelle in Angst und Schrecken versetzt. Könnte eine Verbindung zwischen den tollkühnen Zugüberfällen und den Entführungen reicher Töchter bestehen? Welchen Plan verfolgt die Allomanten-Räuberbande? Wax hatte gelobt, sich zur Ruhe zu setzen. Aber als er Besuch von seinem alten Freund Wayne erhält, der ihn um Hilfe bei seinen Nachforschungen bittet und er Opfer eines brutalen Mordanschlags wird, kann er nicht länger untätig bleiben. Elantel braucht ihn. Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.

 

Ich verstehe, wieso „Jäger der Macht“ Brandon Sanderson dazu verleitete, nicht nur einen Einzelband, sondern eine gesamte Reihe zu schreiben. Die Interaktion von Magie und Technik ist faszinierend. Die metallischen Künste und Schusswaffen sind für einander geschaffen. Das klingt hart, ich weiß. Als ausgesprochene Waffengegnerin und überzeugte Pazifistin würde ich so einen Satz in der Realität niemals äußern. Doch im Kontext des „Mistborn“-Universums entspricht er einfach der Wahrheit. Die nostalgische Wild West – Romantik eines altmodischen Revolvers, dessen Kugeln mit Allomantie manipuliert werden, versprüht einen einzigartigen Charme. Ob Sanderson dieses Zusammenspiel plante, als er die Nebelgeborenen erschuf? Der Übergang in eine neue Ära ist ihm jedenfalls gelungen. 300 Jahre sind seit dem Kampf gegen Ruin vergangen und die Welt hat sich gewandelt. Sazeds Utopie verwirklichte sich leider nicht. Stattdessen entstand in einer Senke das Becken von Elantel, Zentrum der Zivilisation und Standort der Metropole Elantel, in der die Häuserstruktur der ersten Trilogie erhalten blieb und die offensichtlich nach Elant selbst benannt ist. Aufgrund solcher Anspielungen rate ich von einem Quereinstieg mit „Jäger der Macht“ ab. Außerhalb des Beckens ist die Kultiviertheit der Städte noch ein schöner Traum: direkt hinter einer Bergkette beginnt das Rauland, eine gesetzlose, archaische Ebene, in der nur wenige versuchen, Recht und Ordnung durchzusetzen. Assoziationen mit einer Wild West – Szenerie sind demzufolge nicht von der Hand zu weisen und meiner Meinung nach genau, was Sanderson mit „Jäger der Macht“ erreichen wollte, obwohl mich die Atmosphäre nicht gänzlich überzeugte. Ich erlebte kein buntes Kopfkino, trotz anschaulicher Handlungselemente wie maskierten Banditen und einer Verfolgungsjagd auf einem Zug. Der Protagonist Wax verbrachte als Gesetzeshüter 20 Jahre im Rauland, bevor er nach Elantel zurückkehrte, um den Tod seiner Partnerin zu vergessen und die Leitung seines Hauses zu übernehmen. Wax ist ein Zwillingsgeborener; er verfügt über ein allomantisches und ein ferrochemisches Talent. Wahre Nebelgeborene gibt es nicht mehr. Ich fand diese verwässerte Vermischung der Gaben realistisch und plausibel, denn sie erklärt, wieso Vin und Kelsier als Götter verehrt werden und sich um sie religiöse Konfessionen entwickelten, was mich zum Schmunzeln brachte. Das hätten die beiden wohl niemals erwartet. Wax ist ein typischer Held. Die Rechtschaffenheit kommt ihm quasi zu den Ohren raus, wodurch sein Verhalten vorhersehbar ist: komme, was wolle, Wax wird immer das Richtige tun und niemals fragwürdige Entscheidungen treffen. Er ist eine solide Hauptfigur und führt verlässlich durch die Geschichte, erschien mir aber zu langweilig. Ich mochte seinen Kumpel Wayne deutlich lieber, der herrlich unvernünftig und verrückt ist, ohne einen Hauch Bösartigkeit im Leib zu tragen. Gemeinsam ermitteln sie bezüglich einer Verbrechenswelle in Elantel, weshalb ich die Handlung von „Jäger der Macht“ als Krimi einstufe. Resultierend daraus ist der Spin-Off-Auftakt zügiger getaktet als die originale Trilogie. Das kam mir entgegen, doch der Funke ist noch nicht übergesprungen. Mit „Kinder des Nebels“ erging es mir allerdings ebenso. Erst die Folgebände holten mich ab. Also hoffe ich, dass dies wieder der Fall sein wird.

 

Ich glaube, dass ich mit Brandon Sanderson immer etwas Anlaufzeit brauchen werde. Seine einfach gestrickte, klassische Fantasy mit ihren unzweifelhaften Figurentypen ist für mich einfach etwas zu gradlinig und zu einseitig ausschattiert. Deshalb fand ich „Jäger der Macht“ zwar unterhaltsam, aber nicht überwältigend. Das heißt nicht, dass die Handlung keine Überraschungen bereithielte, doch von einer gerissenen Konstruktion kann nicht die Rede sein. Trotzdem mochte ich die an den Wilden Westen erinnernde Epoche dieses Bandes, weil sie hervorragend mit Allomantie und Ferrochemie harmoniert. Banditen, Knarren und Macht über Metalle – diese Kombination macht definitiv Spaß.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/26/brandon-sanderson-jaeger-der-macht
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review 2017-04-18 09:02
Kein Abschiedsschmerz, kein böses Blut, keine Fragezeichen
Herrscher des Lichts - Brandon Sanderson,Michael Siefener

Die „Mistborn“ – Reihe von Brandon Sanderson ist vermutlich die Ungewöhnlichste, die mein Regal zu bieten hat. Nach den ersten drei Bänden macht die Geschichte einen Zeitsprung von sage und schreibe 300 Jahren. In Band 4 „Jäger der Macht“ ist alles neu: neues Setting, neue Ära, neue Figuren. Die einzige Konstante sind die Fähigkeiten der Nebelgeborenen. So gesehen handelt es sich bei „Mistborn“ also um eine Trilogie, gefolgt von einer Tetralogie. Mich erinnert das an die Arcs von Anime-Serien und ich finde es interessant, dass Sanderson mit seinem Magiesystem in verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungsstufen experimentiert. „Herrscher des Lichts“ ist das Finale des ersten Arcs und schließt die Geschichte der Nebelgeborenen Vin ab.

 

Die Prophezeiung war eine Lüge. Geschickt verdreht und verzerrt von Ruin, der bösartigen Macht, die der Oberste Herrscher ein Jahrtausend in Schach hielt. Nun ist Ruin frei und Vin, die glaubte, ihr Schicksal zu erfüllen, ist dafür verantwortlich, dass das Letzte Reich am Rande der Zerstörung steht. Kolosse terrorisieren das Volk, pausenlos regnet giftige Asche aus der Atmosphäre und Erdbeben lassen das Land erzittern. Ernten drohen auszufallen und die Inquisitoren gehorchen Ruins Befehlen wie Marionetten. Elant und Vin hetzen von einer Katastrophe zur nächsten und können doch nicht überall zugleich sein. Ihre letzte Hoffnung ist das Vermächtnis des Obersten Herrschers. Er allein kannte die Geheimnisse der Nebelgeborenen. Er allein wusste um die Bedrohung durch Ruin. Aber wusste er auch, wie die uralte Macht besiegt werden kann? Elant, Vin und ihre Verbündeten müssen Antworten finden, bevor ihre Welt endgültig auseinanderbricht. Fieberhaft durchkämmen sie das Reich nach Hinweisen des alten Regenten. Ist die Legende des mysteriösen „Held aller Zeiten“ ihre einzige Rettung?

 

Meiner Ansicht nach steigert sich die „Mistborn“ – Reihe von Band zu Band. „Herrscher des Lichts“ gefiel mir definitiv am besten, weil all das unselige Rätselraten und Im-Dunkeln-Tappen nun endlich vorbei ist. Es hat mich so genervt, nicht alles über Sandersons Universum zu wissen und nicht jede Facette zu verstehen, dass ich angesichts der erhellenden Informationsflut des Finales wirklich erleichtert bin. Es klickte beim Lesen am laufenden Band; Puzzleteile schoben sich knirschend an ihren Platz und vervollständigten das Gesamtbild. Ganz kann ich Sandersons Infogeiz nicht verzeihen, doch ich begreife jetzt, dass er mich in die gleiche Situation brachte, in der sich Vin, Elant und all die anderen Figuren befanden. Sie sind wie Kinder, die durch eine Welt taumeln, die sie nicht erfassen. Der Oberste Herrscher hielt sein Volk seit jeher in einer Blase der Unwissenheit gefangen. Er beschnitt den Fortschritt und unterdrückte die präzise Kenntnis von Vergangenheit und Gegenwart. Er bewachte seine Geheimnisse fanatisch und war der einzige, der alle Wahrheiten kannte. Paradoxerweise ist er somit ausgerechnet Kelsier sehr ähnlich, obwohl ihre Motivation zur Geheimniskrämerei sicher vollkommen unterschiedlich war. Man kann dem Obersten Herrscher vieles vorwerfen, doch er versuchte stets, sein Volk so gut wie möglich zu schützen. Er mag ein Tyrann gewesen sein, aber er war kein böser Mensch. Er wusste sich einfach nicht anders zu helfen. Natürlich erweist sich seine Verschwiegenheit nachträglich als fatal, denn dadurch sind Vin, Elant und ihre Freunde Ruin gegenüber nahezu hilflos. Nur Vins unfehlbare Intuition verschafft ihnen eine echte Chance. Ich bewundere sie dafür, wie beharrlich sie an ihren Überzeugungen festhält, obwohl ich finde, dass sie eindeutig zu viel Freude am Kampf und am Töten hat. Dadurch wirkt sie kaltblütig und mordlüstern; eine Facette ihrer Persönlichkeit, die ich beinahe als abstoßend empfinde und die mich hin und wieder vergessen ließ, dass sie auch eine weiche, zarte Seite hat. Meist ist es Elant, der diesen Teil herauskitzelt. Es ist schade, dass die beiden ihre Beziehung eigentlich nie ausleben können. Umso besser gefiel es mir, dass Sanderson ihnen eine sehr schöne Szene schenkt, in der sie zumindest ihren längst überfälligen Tanz nachholen können. Durch seinen schnörkellosen, pragmatischen Schreibstil erschien mir die Situation überhaupt nicht kitschig, sondern einfach… richtig. Sie brauchten diesen intimen Moment miteinander, um daran erinnert zu werden, wofür sie kämpfen. Es berührte mich, wie viel Kraft sie aus ihren Gefühlen für einander schöpfen. Ich wünschte, Sazed hätte auf einen ähnlichen Quell der Stärke zugreifen können. Er verkraftet den Tod seiner großen Liebe Tindwyl sehr schlecht und bürdet sich eine Mission der Selbstgeißelung auf, die ich völlig unsinnig fand. Trauer folgt eben einer eigenen Logik. Ich fand Sazed in „Herrscher des Lichts“ daher schwer zu ertragen, verstehe aber, dass Sanderson ihn in dieses schwarze Loch schubsen musste, um seine kathartische Epiphanie am Ende des Buches wirkungsvoller zu gestalten. Drama, Baby!

 

„Herrscher des Lichts“ ist meiner Meinung nach der stärkste Band des ersten „Mistborn“-Arcs. Das Finale der Trilogie ist unerwartet philosophisch und beschäftigt sich mit der Dreieinigkeit von Erschaffen, Bewahren und Zerstören. Die meisten Rätsel und Geheimnisse werden aufgeklärt, sodass ich das Letzte Reich angenehm befriedigt verlasse. Die Lektüre fühlte sich wirklich wie ein Abschluss an – ohne Abschiedsschmerz, ohne böses Blut, ohne Fragezeichen. Ich empfinde eine friedvolle, wohlwollende Ausgeglichenheit und blicke nun gespannt in die Zukunft. Wie wird sich die Welt der Nebelgeborenen in 300 Jahren verändert haben?
Ich bin noch immer überzeugt, dass die „Mistborn“-Trilogie einen guten Einstieg in die High Fantasy darstellt: nicht zu anspruchsvoll, nicht zu experimentell, dafür kreativ und aufregend. Selbst wenn dieses Genre normalerweise nicht eure Heimatbasis ist, wird euch die Macht der Metalle sicher für sich gewinnen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/04/18/brandon-sanderson-herrscher-des-lichts
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review 2017-03-31 10:15
Vin: Revolutionärin, Superheldin, einzigartiges Schneeflöckchen
Krieger des Feuers - Brandon Sanderson,Michael Siefener

Der Oberste Herrscher ist tot. Die Skaa sind befreit und zum ersten Mal in der langen Geschichte des Letzten Reiches erhält das Volk Selbstbestimmung. Elant Wager arbeitet als neuer Herrscher fieberhaft daran, Freiheit und Gerechtigkeit in den Gesetzen des Reiches zu verankern, unterstützt von der Nebelgeborenen Vin und Kelsiers alter Mannschaft. Leider brachte die Revolution Unsicherheit und Instabilität mit sich. Gierig drängt der Adel in die Lücke, die der Oberste Herrscher hinterließ. Wölfen gleich reißen sie sich um die Macht und bedrohen Luthadel. Kaum ist die neue Ära geboren, müssen Elant und seine Verbündeten sie bereits verteidigen. Doch nicht nur machthungrige Adlige und Armeen bedrängen das Reich. Die Asche fällt immer dichter, der Nebel hält sich länger und länger. Es häufen sich Berichte, dass der Nebel die Menschen krankmacht und in einigen Fällen sogar tötet. Vin lassen die letzten Worte des Obersten Herrschers keine Ruhe: „Indem ihr mich tötet, verdammt ihr euch selbst“. Was hat der alte Tyrann gemeint? Kannte er Geheimnisse, von denen sein Volk nichts ahnt? Die Revolution sollte die Welt verbessern – besiegelte sie stattdessen ihren Untergang?

 

Von „Kinder des Nebels“ war ich enttäuscht. Ein Grund dafür war der Mangel an Hintergrundinformationen. Ich hatte das Gefühl, Brandon Sanderson würde mich absichtlich an der Nase herumführen und äußerst viel zurückhalten. In „Krieger des Feuers“ ist er freigiebiger was die Geschichte des Letzten Reiches betrifft. Demzufolge gefiel mir der zweite Band der „Mistborn“ – Reihe wesentlich besser. Sanderson erklärt, inwiefern die ursprüngliche Prophezeiung die Machtübernahme des Obersten Herrschers direkt bedingte und ermöglichte. Die starren Funktionsweisen des Letzten Reiches unter seiner eisernen Regentschaft schälen sich klarer heraus und verdeutlichen, warum Elant, Vin und ihre Verbündeten große Schwierigkeiten haben, dem Volk die neue Ordnung schmackhaft zu machen. Elant ist ein Idealist, ein Charakter, der sich dem Motto der Französischen Revolution, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, mit glühender Leidenschaft angeschlossen hätte. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ist liebenswürdig, stellt ihn bezüglich der Zukunft des Reiches jedoch vor arge Probleme. Er versucht, einen krassen Wechsel von Absolutismus zu Demokratie durchzusetzen. Das konnte nicht funktionieren. Ich war beeindruckt, wie realistisch Brandon Sanderson die Folgen des Todes des Obersten Herrschers schildert. Selbstverständlich ist das Volk, Adel wie Skaa gleichermaßen, von Elants Veränderungen verängstigt und verunsichert. Ihre ganze Welt wird auf den Kopf gestellt; alles, woran sie glaubten, hat plötzlich keine Gültigkeit mehr. Selbstbestimmung müssen sie erst erlernen. Sie sind nicht das erste Volk, das auf den Tod seines tyrannischen Diktators kopflos und panisch reagiert, statt die neugewonnene Freiheit zu preisen. Elant braucht lange, um zu verstehen, dass seine Untertanen noch nicht bereit sind, die Demokratie zu umarmen und in dieser Zeit des Wandels einen starken Anführer brauchen, der ihnen Hoffnung und Stabilität vermittelt. Als er es begreift, durchlebt er eine interessante Entwicklung vom Idealisten zum Realisten. Er sieht ein, dass das Beste für das Volk nicht automatisch dem entspricht, was das Volk will. Ich denke, diese Erkenntnis beweist sein Potential zu einer verlässlichen Führungspersönlichkeit, das nicht einmal Kelsier besaß. Kelsier inspirierte die Menschen, doch er war zu egoistisch, um zu führen. Es überraschte mich, dass seiner alten Mannschaft und vor allem Vin Kelsiers negative Eigenschaften und Schwächen durchaus bewusst sind. Ich hätte nicht gedacht, dass sie ihn objektiv beurteilen können und Vin sich keinerlei Illusionen hinsichtlich seines Charakters hingibt. Natürlich vermisst sie ihn dennoch sehr, weil sie sich allein der Aufgabe stellen muss, sich selbst zu finden und zu definieren, wer sie sein möchte. Sie ist deutlich gereift seit „Kinder des Nebels“ und ging mir erfreulicherweise weniger auf die Nerven, obwohl ich ihre persönliche Unsicherheit als anstrengend empfand. Ihre Selbstfindungsmission ist ein existenzieller Baustein von „Krieger des Feuers“, aber deshalb musste Sanderson nicht dauernd wiederholen, dass sie ihre Vergangenheit als Straßenkind, ihre Zeit als Adlige und ihre Identität als Nebelgeborene nicht unter einen Hut bekommt. Ich leide nicht an Vergesslichkeit. Ich muss nicht ständig an ein und denselben Fakt erinnert werden. Außerdem fand ich ihre übermenschlichen Fähigkeiten unglaubwürdig und übertrieben. Vin, die Superheldin, die so viel mächtiger ist als alle anderen Allomanten. Das einzigartige Schneeflöckchen. Könnte ich definieren, warum Vin so unbesiegbar ist, wäre ich vielleicht eher geneigt gewesen, ihre Überlegenheit zu akzeptieren, doch da Sanderson hierauf nicht näher eingeht, ging mir eine Frage nicht aus dem Kopf: wieso ist diese dürre, kleine Person so verdammt mächtig?

 

„Krieger des Feuers“ lag mir definitiv besser als „Kinder des Nebels“. Nicht nur habe ich das Gefühl, nun begriffen zu haben, wieso die Welt, in der die Reihe spielt, so funktioniert, wie sie funktioniert, all das politische Taktieren des zweiten Bandes kam mir auch unbestritten entgegen. Ich empfand ihn als ausgeglichener und erwachsener. Es geht nicht länger darum, die bestehende Ordnung in Brand zu stecken, sondern etwas Neues entstehen zu lassen. Nichtsdestotrotz ist „Krieger des Feuers“ keineswegs langweilig oder trocken. Die Action kommt nicht zu kurz und es warten noch diverse Geheimnisse darauf, im nächsten Band gelüftet zu werden. Ohne zu viel zu verraten: die Prophezeiung ist weniger unschuldig und hoffnungsvoll, als wir bisher angenommen haben. Vielleicht war der Oberste Herrscher nicht der gnadenlose Tyrann, den Kelsier in ihm gesehen hat. Vielleicht ist er gar nicht der wahre Bösewicht der Geschichte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/03/31/brandon-sanderson-krieger-des-feuers
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