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review 2019-10-23 11:24
Auf Nimmerwiedersehen, Rachel
Blutsbande (The Hollows, #10) - Kim Harrison

„Blutsbande“ ist für mich der letzte „Rachel Morgan“-Band. Ich breche die Reihe ab. Ich habe wirklich versucht, mit der Protagonistin Rachel auszukommen, aber es funktioniert nicht. Wir passen nicht zusammen. Ein geeigneter Moment, um zurückzuschauen und euch zu erzählen, wie die Reihe entstand. Der erste Band „Blutspur“ begann als Kurzgeschichte, die Kim Harrison schrieb, als sie unter ihrem echten Namen Dawn Cook veröffentlicht werden wollte. Anfang der 2000er war der Kurzgeschichtenmarkt äußerst bizarr. Harrison wusste, dass sie dieses Level niemals erreichen würde, also schrieb sie die merkwürdigste Szene, die ihr einfallen wollte, steckte eine Hexe, einen Pixie und eine Vampirin in eine Bar und wartete ab, was passierte. Ihre Kurzgeschichte trug den Titel „Life is a Bowl of Cereal“ und wurde später das erste Kapitel von „Blutspur“. Obwohl ich es sympathisch finde, dass „Rachel Morgan“ ihren Anfang mit einer Trotzreaktion nahm, hindert es mich dennoch nicht daran, Rachel nun Lebewohl zu sagen.

 

Endlich ist Rachel Morgan die haltlosen Vorwürfe des Hexenzirkels los. Dummerweise bringt ein offizieller Status als Dämon allerdings haufenweise bürokratische Unannehmlichkeiten mit sich. Rachel darf nicht mal Autofahren. Deshalb überlegt sie nicht lange, als ihr die Inderland Security einen Deal anbietet: hilft sie ihnen dabei, eine grausige Mordserie aufzuklären, bekommt sie ihren Führerschein zurück. Die ritualisierten Morde weisen auf dämonische Aktivitäten hin, Rachel erkennt jedoch schnell, dass die Tatorte inszeniert sind. Nicht von Dämonen, nicht von Inderlandern, sondern von Menschen. Eine radikale Hassgruppe entführt Hexen und experimentiert mit ihnen, um einen Weg zu finden, alle Übernatürlichen vom Antlitz der Erde zu tilgen. Bisher ohne Erfolg. Bisher. Denn jetzt, da Rachel die Ermittlungen übernommen hat, befindet sich die eine Zutat, die dazu beitragen könnte, alle Inderlander auszulöschen, in greifbarer Nähe: Rachels Blut …

 

Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass meine Entscheidung, „Rachel Morgan“ nach „Blutsbande“ abzubrechen, meine Lektüre nicht beeinflusst hätte. Natürlich hatte das Auswirkungen auf meine Wahrnehmung des zehnten Bandes. Mich interessierte nicht mehr wirklich, was ich da las. Ich wollte es lediglich hinter mich bringen, um mich endlich von Rachel verabschieden zu können. Daher empfand ich kaum emotionale Resonanz. Mein Herz machte ein Nickerchen und wachte ausschließlich auf, wenn Rachel mich mal wieder auf die Palme brachte. Mein Kopf hingegen war hellwach und erkannte säuerlich, dass „Blutsbande“ genau dieselben Probleme aufweist wie bereits die Vorgängerbände. Es hat sich nichts geändert. Rachel lässt sich in Konflikte hineinziehen, die eigentlich nicht die ihren sind und macht durch ihre Anwesenheit alles nur noch schlimmer. Und wofür das alles? Wofür setzt sie durch ihre Involvierung in einen unnötig komplizierten, sehr weit hergeholten und übertrieben dramatisierten Kriminalfall die Zukunft aller Inderlander aufs Spiel? Für ihren Führerschein. Sie will Autofahren. Wurde jemals ein banalerer Grund für die Teilnahme an einer Mordermittlung erfunden? Die Inderland Security ist auf ihre Hilfe angewiesen, sie hätte alles verlangen können – aber nein, Rachel möchte einfach wieder hinterm Steuer sitzen. Was für ein Humbug. Vielleicht sah sogar Kim Harrison ein, dass Rachels Motivation bestenfalls fragwürdig ist und dichtete deshalb ein Erpressungsszenario und eine versehentliche Entführung dazu. Ich hatte das Gefühl, dass sie Rachel krampfhaft in den Fall verwickeln wollte und deshalb ständig neue künstliche Verbindungen herstellte. Da ihr dieses Drama aber offenbar immer noch nicht ausreichte, eröffnete sie einen überflüssigen Nebenschauplatz, der mich erst recht aufregte. Dieser Nebenschauplatz heißt Wayde. Solltet ihr euch jetzt fragen, wer zum Teufel Wayde ist, keine Sorge, mir erging es ebenso. Wayde ist Rachels Bodyguard, der irritierenderweise nie richtig vorgestellt wird. Kim Harrison behandelte ihn, als wäre er schon immer Teil der Geschichte, als müsste ich ihn kennen, doch ich kann mich nicht daran erinnern, ihm vor „Blutsbande“ begegnet zu sein. Damit hätte ich mich durchaus abfinden können, woran ich mich allerdings massiv störte, war die Art und Weise, wie Rachel sich ihm gegenüber verhält. Sie ist ja grundsätzlich nicht für ihre souveränen sozialen Kompetenzen bekannt, aber an Waydes Stelle hätte ich sofort gekündigt. Erst unterstellt sie ihm, dass er seinen Job nicht beherrscht, spricht ihm jegliche Kompetenz ab und ist trotz seiner Natur als Werwolf felsenfest überzeugt, dass sie ihm überlegen ist. Dann beweist er ihr, dass er sehr wohl weiß, was er tut und plötzlich beschwert sie sich, dass er „ihre Freiheit einschränkt“. Meine Güte, Rachel. Lass den armen Mann doch in Ruhe.

 

Aus, Ende, vorbei. „Blutsbande“ war definitiv mein letztes Abenteuer mit Rachel Morgan und ich weine ihr keine Träne nach. Drei Bände lang habe ich mich nur über sie aufgeregt und geärgert – ich bin erleichtert, dass wir jetzt getrennte Wege gehen. Ich denke, ich bin der Reihe „Rachel Morgan“ einfach irgendwann entwachsen. Kim Harrison gelingt es nicht mehr, meine inhaltlichen Ansprüche zu erfüllen. Ich finde ihre Protagonistin unerträglich anstrengend und hysterisch; die Handlung erscheint mir oft umständlich, nicht plausibel und übertrieben dramatisch. Erstaunlicherweise nehme ich ihr das allerdings nicht übel. Im Gegensatz zu Rachel ist mir Harrison durchaus sympathisch, es ging mir lediglich auf, dass wir literarisch nicht auf einer Wellenlänge schwingen und es vermutlich auch nie werden. Sie setzt andere Prioritäten als ich. Es hätte keinen Sinn, mich nur deshalb weiter durch „Rachel Morgan“ zu quälen, um die Reihe abzuschließen. Ich fühle mich mit diesem Abbruch wohl und verabschiede mich von Kim Harrison ohne Groll. Rachel hingegen … Die kann bleiben, wo der Pfeffer wächst.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/23/kim-harrison-blutsbande
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review 2019-05-29 09:14
Anita, die Ein-Frau-Show
Blue Moon - Laurell K. Hamilton

Eines der wichtigsten Ereignisse in der Biografie von Anita Blake ist der Tod ihrer Mutter bei einem Autounfall, als sie 8 Jahre alt war. Dieses Schlüsselerlebnis ist kein Zufall und nicht rein fiktiv. Die Autorin Laurell K. Hamilton schöpfte hierfür aus ihrer eigenen Vergangenheit. Ihre Mutter Suzie Klein starb 1969 ebenfalls bei einem Autounfall. Hamilton war damals erst 6 Jahre alt. Sie wuchs deshalb bei ihren Großeltern auf. Ihre Großmutter war eine starke Frau, die Hamiltons Bewusstsein für das Übernatürliche früh prägte. Sie glaubte felsenfest an Geister, schwor, selbst Geister gesehen zu haben und erzählte ihrer Enkelin Geistergeschichten. Mit diesem Wissen finde ich es naheliegend, dass Anita Blake eine Nekromantin ist, die mit den Toten kommunizieren kann. Ob Hamiltons Großmutter ihr wohl auch Geschichten über Werwölfe erzählte? Diese stehen im achten Band „Blue Moon“ erneut im Fokus.

 

Anrufe mitten in der Nacht bedeuten für Anita Blake selten gute Nachrichten. Normalerweise wird sie von der Polizei von St. Louis an einen Tatort gerufen. Dieses Mal ist die Angelegenheit allerdings persönlich. Richard wurde in Tennessee festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, eine junge Frau vergewaltigt zu haben. Selbstverständlich sind diese Anschuldigungen lächerlich. Begleitet von ihren Werleoparden und Mitgliedern des Thronos Rokke – Rudels reist sie nach Myerton, wo Richard die örtliche Trollpopulation studieren wollte. Dort angekommen zeigt sich, dass es sich nicht um ein Missverständnis handelt. Richard wurde hereingelegt. Anita muss herausfinden, wer ihm die Vergewaltigung anhängte und wieso man ihn loswerden will – und zwar schnell, denn bald ist Vollmond…

 

Ich denke, mit „Blue Moon“ gab Laurell K. Hamilton den Anschein, in der „Anita Blake“-Reihe ginge es um übernatürliche Kriminalfälle, endgültig auf. Natürlich fußt dieser Band auf einer Ermittlung: der Aufhänger ist Richards Verhaftung in Myerton, Tennessee, wo er angeblich eine junge Frau vergewaltigt haben soll. Aber in Wahrheit konzentriert sich die Handlung auf Anitas ganz persönliches Chaos. Richards prekäre Lage ist nicht wirklich relevant und ich gestehe, dass Hamilton nicht einmal besonders überzeugend vortäuscht, es wäre anders. Im Fokus steht Anitas Überforderung mit ihren übernatürlichen Männern. Das Triumvirat, die Vampire, die Werleoparden, die Werwölfe – von allen Seiten zerren sie an ihr und wollen ein Stück von ihr. Nun könnte man argumentieren, dass die Rudel durchaus auch Frauen involvieren und meine Formulierung daher nicht die Gesamtheit der Situation abbildet. Dem muss ich widersprechen. Anita ist eine gnadenlose Ein-Frau-Show, was mir in „Blue Moon“ erstmals richtig bewusstwurde. Sie ist der Inbegriff der klischeehaften Stutenbissigkeit. Die einzige weibliche Figur, mit der sie aktuell zurechtkommt, ist die Werleopardin Cherry, die ich allerdings als Ausnahmeerscheinung wahrnehme, weil sie unstrittig devot ist und folglich weder Anitas Position gefährdet noch ihre Dominanz in Frage stellt. Ich fand diese Erkenntnis enttäuschend. Anita erwähnte einmal, dass sie genau dieses Verhalten von Frauen nicht mag. Es ärgert mich, feststellen zu müssen, dass nicht die anderen das Problem sind, sondern Anita selbst. „Blue Moon“ erschien mir deshalb als der bisher sexistischste Band, was einer der Gründe dafür ist, dass ich mich während der Lektüre teilweise unwohl fühlte. Der andere ist die Qualität der Gewalt, die ich durchstehen musste. „Anita Blake“-Romane sind niemals kuschlig-friedlich; Action, spritzendes Blut, Leichen und abgetrennte Körperteile gehören eben dazu. Trotz dessen war der Einfluss von sexualisierter Gewalt meinem Empfinden nach noch nie so deutlich wie in diesem. In Myerton treffen Anita und ihre Gefährten auf das ansässige Werwolfsrudel. Ich fand es interessant, die Diskrepanzen zwischen dem dysfunktionalen St. Louis-Rudel Thronos Rokke und diesem gesunden Verbund von Lykanthropen zu beobachten. Dieser Kontrast zeigte mir, wie wenig Richard und seine Wölfe davon verstehen, wie harmonisch das Miteinander einer solchen Gemeinschaft aussehen sollte. Anita sorgt wie immer für mächtig Trubel, weil sie und all ihre Freunde permanent im Dunkeln stochern. Niemand hat auch nur irgendeinen Plan davon, was vor sich geht und wie sich Anitas Rolle im Triumvirat, ihre Sensibilität für die Munin (Geister verstorbener Werwölfe) und ihre Position als Nimir-Ra der Werleoparden auf das heikle Verhältnis der Übernatürlichen auswirken. Die gefährliche Unwissenheit aller Beteiligten bescherte mir eine der schlimmsten Szenen, die die Reihe zu bieten hat: Anita wird vom gesamten Myerton-Rudel gejagt, mit dem Ziel, sie entweder zu vergewaltigen oder zu fressen. Ihre einzige Rettung ist Richard, der sie als Ulfric für sich beansprucht. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Ich verstehe voll und ganz, warum einige Leser_innen „Anita Blake“ nach dem achten Band abbrachen.

 

Mein Fazit nach „Blue Moon“ lautet: Anita braucht eine Auszeit. Dringend. Sie muss sich entscheiden, was sie eigentlich will und wer sie ist. Laurell K. Hamilton wählte eine sehr brutale Strategie, um ihrer Protagonistin das klarzumachen. Die Handlung ist rasant wie eh und je, es ist jedoch das erste Mal, dass sie mir unangenehm war. Natürlich war das alles aufregend und für Anitas persönliche Entwicklung wichtig, doch das hätte man auch sanfter erreichen können und ich finde es einfach schade, dass es Hamilton nicht gelingt, Nebenhandlungslinien befriedigend auszuarbeiten. Ich hätte gern mehr über die Trolle und Dämonenbeschwörungen, die ebenfalls eine Rolle spielen, erfahren. Sie verschenkt so viel Potential. Ich kann all die Kritikpunkte nur deshalb ignorieren und Spaß an der Reihe empfinden, weil ich Anita liebe und meinen Kopf beim Lesen völlig ausschalten kann. Ich kann aber leider nicht garantieren, dass das für immer so bleibt. Ewig werden die Vorschusslorbeeren nicht vorhalten.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/05/29/laurell-k-hamilton-blue-moon
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review 2018-11-13 10:27
Jetzt werde ich doch noch sentimental
Chicagoland Vampires: Wie ein Biss in dunkler Nacht - Marcel Aubron-Bülles,Chloe Neill

Ich habe ernstlich überlegt, mich zum Abschluss der „Chicagoland Vampires“-Reihe mit einem T-Shirt zu belohnen. Auf ihrer Website hat Chloe Neill einen Shop eingerichtet, in dem Merch aller Couleur angeboten wird. Leider ist nichts, aber auch gar nichts dabei, was mir gefällt. Nicht einmal Catchers Spruch-T-Shirts überzeugen mich. Schade. Ich hätte all die Jahre der Treue gern ausgezeichnet. Dann werde ich das Finale wohl still für mich feiern. Aber bis dahin ist es sowieso noch ein bisschen hin, denn erst einmal steht jetzt die Rezension zum vorletzten Band „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ an.

 

Haus Cadogan versetzte dem Zirkel einen schweren Schlag. Ethan und Merit vereitelten die Pläne der kriminellen Organisation, doch ihr Oberhaupt Adrien Reed wird nicht eher ruhen, bis er ganz Chicago unter seine Kontrolle gebracht und Rache an den Vampiren geübt hat, die sich ihm entgegenstellten. Als das Paar die Leiche eines Gestaltwandlers nahe Wrigley Field entdeckt, der von einem unbekannten Vampir ermordet wurde, ahnen sie, dass Reed seine Finger im Spiel hat. Neben dem Getöteten sind seltsame Symbole an eine Wand gezeichnet. Es scheint sich um eine alchemistische Gleichung zu handeln, aber ihre Bedeutung bleibt rätselhaft, obwohl Ethan, Merit, Mallory und Catcher alles daransetzen, sie zu entschlüsseln. Bald tauchen die Symbole überall in Chicago auf. Würde Reed tatsächlich einen Krieg unter den Übernatürlichen Chicagos riskieren, um zu bekommen, was er will? Würde er magische Energien entfesseln, die er unmöglich beherrschen kann?

 

Meine Güte, jetzt werde ich auf meine alten Tage wohl doch noch sentimental. Wer hätte das gedacht? Ich mochte „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ viel mehr, als ich erwartet hatte. Tatsächlich war ich überrascht, wie gut mir dieser zwölfte Band gefiel. Ich wollte ihn gar nicht mehr aus der Hand legen und war wirklich gefesselt. Emotional erinnerte er mich sehr an die frühen Bände der „Chicagoland Vampires“, was die Augenblicke melancholischer Wehmut natürlich verstärkte. Jetzt ist es bald vorbei. Schnüff. Ja, ich gebe zu, trotz aller Kritik an Chloe Neill und der Entwicklung, die die Reihe genommen hat, muss ich mir ein metaphorisches Tränchen verdrücken. Eine Ära endet (demnächst). Ich weiß noch, wie ich mir mit dem ersten Band „Frisch gebissen“ die Nacht um die Ohren geschlagen habe. Ach was war es schön. Gut, hier soll es aber nicht um Nostalgie gehen, sondern um „Wie ein Biss in dunkler Nacht“. Ich denke, ich mochte das Buch deshalb so sehr, weil alle liebgewonnenen Figuren endlich wieder aktiv zusammenarbeiten und am selben Strang ziehen. Nach den dramatischen, einschneidenden Erlebnissen der vergangenen Bände sind sie endlich wieder ein Team, besonders Merit, Ethan, Mallory und Catcher. Es war toll, sie gemeinsam gegen einen Feind antreten zu sehen. Merit erhält trotzdem eine Sonderrolle, denn sie wird brutal mit ihrer jüngsten Vergangenheit konfrontiert – ein cleverer Schachzug, der die übergreifende Handlung rund erscheinen lässt, obwohl ich bezweifle, dass dieser von Beginn an geplant war. Langfristige Abläufe sind meiner Ansicht nach nicht Chloe Neills Stärke; ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine Idee dieser Größenordnung geduldig mit sich herumtrug, ohne unmissverständliche Andeutungen fallen zu lassen. Dazu fehlt ihr die nötige Subtilität. Deshalb bin ich sicher, dass Annabelle, eine neue Figur, die sie in „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ vorstellt, eine Rolle in der Familienplanung von Ethan und Merit spielen wird. Sie ist eine schwangere Nekromantin. Schwanger. Nekromantin. Das schreit ja geradezu nach einem Zusammenhang mit der Prophezeiung, laut der „Methan“ als erstes Vampirpärchen der Historie ein Kind bekommen werden. Wozu sonst sollte Neill so spät die Besetzung erweitern? Erstmal hilft Annabelle unserem Powerpaar bei den Ermittlungen zu den alchemistischen Symbolen, die überall in Chicago auftauchen. Die Idee, Alchemie in das magische Potpourri der Reihe aufzunehmen, verdient Applaus, doch leider involvierte Neill mir zu wenig Details. Die Alchemie ist eine komplizierte und umständliche Kunst. Sie erklärt nicht, wieso sich überhaupt ein_e Hexe_r auf diese Richtung spezialisieren sollte. Welche Vorteile bietet sie gegenüber anderen Magieformen? Die Verbindung der Symbole mit dem Gangsterboss Adrien Reed ist kein Geheimnis, die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, was er plant. Ich fand es schade, dass Neill in „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ ausschließlich Reed fokussierte, statt den Zirkel als kriminelle Organisation richtig in die Handlung einzuarbeiten. Dadurch erschien das Ganze als 1-Mann-Unternehmen und erinnerte kaum noch an die Mafia. Adieu, organisiertes Verbrechen. Dennoch ist es mir hundert Mal lieber, dass sie sich auf die Handlungsaspekte konzentriert, die ihr liegen, statt irgendwas zu versuchen und dann zu scheitern. Letztendlich war es mir auch egal, wer nun als Bösewicht herhalten muss – die Hauptsache war, dass ich Freude mit diesem Band hatte.

 

Vielleicht sehe ich „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ durch die rosa Rückblicksbrille. Mir ist bewusst, dass ich ein bisschen nostalgisch bin, weil sich „Chicagoland Vampires“ dem Ende nähert. Mag sein, dass das mein Urteilsvermögen beeinflusst. Aber sind wir ehrlich: ist das wichtig? Spielt es eine Rolle, warum ich Spaß mit der Lektüre des zwölften Bandes hatte? Ich denke nicht. „Wie ein Biss in dunkler Nacht“ ist reine Unterhaltungsliteratur und diesen Job hat das Buch hervorragend erfüllt. Ich habe mich nicht einmal besonders an den schmalzigen Liebesschwüren zwischen Ethan und Merit gestört. Klar, das ist alles unfassbar kitschig, doch ich konnte diesen Part problemlos ignorieren. Etwas Glück wünsche ich den beiden ja auch. Deshalb freue ich mich wirklich auf das Finale „Ein Biss von dir“, für das ich mich emotional wohl lieber wappne. Sonst wird aus dem metaphorischen Tränchen am Ende noch ein echtes.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/13/chloe-neill-wie-ein-biss-in-dunkler-nacht
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review 2018-09-05 10:47
Harry, erobere mein Herz!
Fool Moon - Jim Butcher

Jim Butcher sieht für seine „Dresden Files“ etwa 20 Bände vor. Derzeit sind 15 vollwertige Bände und einige Kurzgeschichten um den Magier Harry Dresden erschienen. Zwei weitere Bände sind in Planung. 2015 war Butcher noch nicht sicher, wie viele Fälle sein Protagonist tatsächlich lösen wird, ob es 20 oder 21 werden, aber er plante, die Reihe mit einer bombastischen Trilogie abzuschließen. Ich konnte leider nicht herausfinden, ob dieser Plan heute noch aktuell ist. Ich hoffe es. Ich finde die Idee toll, weil mir ein dreibändiges Finale als würdiger Abschied von einer Figur erscheint, die viele Leser_innen jahrelang begleiteten. Ich selbst befinde mich in den „Dresden Files“ noch ganz am Anfang. Ende Mai 2018 habe ich den zweiten Band „Fool Moon“ ausgelesen.

 

Am Tatort finden sich Pfotenspuren. Die völlig zerfleischte Leiche weist grausige Biss- und Kratzwunden auf. Es ist Vollmond. Eindeutigere Hinweise kann es kaum geben. Harry Dresden, einziger übernatürlicher Privatdetektiv Chicagos, muss lediglich eins und eins zusammenzählen, um dahinterzukommen, was den armen Mann tötete: es war ein Werwolf. Harry muss jetzt nicht nur herausfinden, wer der Werwolf ist, er muss auch ermitteln, um welchen Typ es sich handelt. Seine Nachforschungen deuten darauf hin, dass er es mit einem Loup-Garou zu tun hat – natürlich die wildeste und gefährlichste Art. Einfach fantastisch. Aber irgendetwas stimmt nicht. Die Fakten passen nicht zusammen. Ein Loup-Garou tötet willkürlich. Es scheint allerdings, als seien einige Opfer bewusst ausgeschaltet worden. Es sind Johnny Marcones Männer. Nutzt jemand die Bestie, um Marcone zu bedrohen? Harry würde Chicagos mächtigem Untergrundboss keine Träne nachweinen, doch ein Loup-Garou kann nicht kontrolliert werden. Will er die Bevölkerung Chicagos schützen, muss er vielleicht Marcones Leben retten…

 

Keine Urban Fantasy – Reihe ohne Werwölfe. Irgendwann tauchen sie immer auf. Jim Butcher integriert die mondsüchtigen Pelzträger recht zeitig in „The Dresden Files“. Ich denke, er entschied sich für einen frühen Auftritt in „Fool Moon“, weil sein Bestiarium vergleichsweise umfangreich ist. In der alternativen Realität des Harry Dresden tummeln sich neben Werwölfen auch Vampire, Feen, Dämonen, Geister, Magier_innen und vermutlich viele weitere Spezies, die mir bisher noch nicht begegneten. Ich finde es nachvollziehbar, dass er erst einmal die Kreaturen vorstellt, die den Leser_innen bereits bekannt sind und sich später ausgefalleneren Exemplaren widmet. Werwölfe verleiten gern zu einer gewissen Faulheit. Da sie Liebhaber_innen des Genres bestens vertraut sind, tendieren UF-Autor_innen dazu, sich auf dem Wissensstand ihrer Leser_innen auszuruhen und kein Konzept für diese Spezies zu entwickeln. Nicht so Jim Butcher. Seine Herangehensweise an Gestaltwandler empfand ich als überraschend originell und kreativ. Es gibt verschiedene Typen, die sich je nach eingesetzter Magie, Art der Verwandlung und Gefährlichkeit unterscheiden. Auf diese Weise trägt Butcher den variierenden Legenden rund um Werwölfe Rechenschaft, was mir sehr gut gefiel. Ob es nötig war, Harry gleich im zweiten Band mit vier dieser Typen auf einmal zu konfrontieren, bezweifle ich hingegen. Meiner Meinung nach ist Butcher der Versuchung einer actionüberladenen Handlung erlegen, die sich durch zahlreiche Kampfszenen gestreckt und langgezogen anfühlte. Natürlich war es interessant, Harry öfter zaubern zu sehen, weil ich dadurch eine bessere Vorstellung davon gewann, wozu er fähig ist und wie sich seine Verbindung zur Magie gestaltet, doch ein paar Prügeleien weniger hätten es auch getan. Ich hätte mehr Ruhe definitiv bevorzugt, um Raum für intime Momente mit dem Protagonisten zu schaffen, die mir erlaubt hätten, Harry enger kennenzulernen. Zwar involviert Butcher einige neue Hinweise bezüglich seiner Vergangenheit, aber bisher ist es mir nicht gelungen, eine stabile Beziehung zu ihm aufzubauen. In „Fool Moon“ entpuppt er sich als Einzelgänger, der Angst hat, zu vertrauen und tiefere Bindungen einzugehen. Folglich kann ich mit den Nebenfiguren leider nicht viel anfangen. Trotz grundsätzlicher Sympathie, besonders für Murphy, hindert mich Harrys Distanz daran, sie ins Herz zu schließen. Auf irgendeiner Ebene ist ihm wohl klar, dass er dringend eine_n Vertraute_n bräuchte. Gegen Ende des Buches führt er ein Zwiegespräch mit seinem Unterbewusstsein, das ihn für seine Bindungsängste ermahnt. Obwohl ich diese Szene unterhaltsam fand, zeigt sie meiner Ansicht nach, dass Butcher zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Fool Moon“ (2001) ein eher unerfahrener Autor war. Eine Diskussion mit sich selbst ist schriftstellerisch keine äußerst elegante Lösung, um einer Figur zu Erkenntnis zu verhelfen. Ich bin allerdings geneigt, ihm diesen plumpen Schnitzer zu verzeihen, weil ich damit rechne, dass er sich im Laufe der Reihe als Autor weiterentwickeln wird. Er steckte damals einfach noch in den Kinderschuhen.

 

„Fool Moon“ ist eine UF-Reihenfortsetzung, wie sie zu erwarten war. Im Vergleich zum ersten Band „Storm Front“ haben sich Tempo und Actionlevel deutlich gesteigert, die übergeordnete Handlung erzielt hingegen lediglich zaghafte Fortschritte, die sich hauptsächlich in durchschaubaren Andeutungen auf potentielle Entwicklungen in den nächsten Bänden äußern. Der akute Fall steht im Vordergrund. Ich muss zugeben, dass ich diesen niemals allein hätte lösen können. Das atemlose Chaos verschiedener Werwolf-Typen, die sowohl Harry als auch dem an Al Capone erinnernden John Marcone ans Leder wollen, war dann doch etwas zu verwirrend, um den Überblick zu behalten. Von mir aus hätte Jim Butcher „Fool Moon“ gern etwas gradliniger, dafür aber tiefgehender konzipieren können. Ich hoffe, dass ich nicht mehr lange gezwungen bin, an der Oberfläche herumzukratzen, bis es ans Eingemachte geht. Ich bin ungeduldig. Ich möchte endlich von Harry erobert werden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/09/05/jim-butcher-fool-moon
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review 2017-12-21 13:50
Scharade in Moskau
The Girl in the Tower - Katherine Arden

Von Trauer überwältigt flieht Vasja vom Hof ihres Vaters. Sie möchte ihre Zukunft selbst bestimmen, sehnt sich nach Abenteuern. Begleitet von ihrem treuen Hengst Solovey streift sie durch die Wälder, sucht nach einem erfüllenden Leben. Um nicht aufzufallen, verkleidet sie sich verbotenerweise als Mann. Als Vasja drei entführte Mädchen aus den Händen räuberischer Tartaren befreit und mit ihnen in ein Kloster flüchtet, ahnt sie nicht, dass ihrer Verkleidung eine harte Probe bevorsteht. Denn im Kloster trifft sie auf ihren älteren Bruder Sasha, der an der Seite des Großfürsten von Moskau nach eben jener Räuberbande fahndet, der Vasja die Mädchen entriss. Der Großfürst ist vom Mut des furchtlosen jungen „Mannes“ begeistert. Unbekümmert lädt er Vasja nach Moskau ein und bringt sie damit in eine gefährliche Zwickmühle: sie kann sich nicht als Frau offenbaren, die Einladung aber keinesfalls ablehnen. Wird ihre Täuschung enttarnt, riskiert sie nicht nur ihr Leben, sondern auch Sashas. In Moskau angekommen, verschlägt es Vasja schier die Sprache. Doch schon bald erkennt sie, dass sich hinter der prunkvollen Fassade eine Schlangengrube politischer Intrigen verbirgt. Und die größte Bedrohung ist übernatürlichen Ursprungs…

 

„The Bear and the Nightingale” hätte wunderbar als Einzelband funktioniert. Das Ende bietet genau die richtige Mischung aus offen und geschlossen, sodass Katherine Arden frei entscheiden konnte, ob sie die Geschichte weiterführt oder es den Leser_innen überlässt, zu spekulieren, was als nächstes geschieht. Ich glaube, was sie letztendlich dazu bewog, den Nachfolger „The Girl in the Tower“ zu schreiben und eine Trilogie zu forcieren, war ihre eigene Neugier. Sie wollte wissen, wie es mit ihrer Protagonistin Vasja weitergeht. Sie wollte die Limitationen ihres Universums erforschen, das einzigartig lebendig mit der slawischen Folklore verbunden ist. Im ersten Band konnte sie viele Sagengestalten nicht involvieren, weil der inhaltliche Rahmen dies nicht zuließ – ohne Fortsetzung hätte sie ganz darauf verzichten müssen. Das erschien ihr offenbar inakzeptabel, was mich als Leserin natürlich sehr freut. „The Girl in the Tower“ taucht noch tiefer in die russische Mythologie ein. Neben den entzückenden Hausgeistern stellt Katherine Arden bedeutende Märchenfiguren vor, die sich erst aufgrund der Öffnung des Horizonts ihrer Geschichte homogen in diese einfügen, ohne sie zu dominieren. Vasjas Welt ist gewachsen. Sie verließ den väterlichen Hof, wagt sich in die Weite des Landes hinaus, das eines Tages „Russland“ heißen wird und begibt sich auf die Suche nach ihrer Identität. War „The Bear and the Nightingale“ eine 16 Jahre umspannende, beherrschte Schilderung von Vasjas Kindheit und Jugend, zieht das Tempo in „The Girl in the Tower“ nun deutlich an. Arden packt eine ordentliche Schippe Action drauf und erhöht den Spannungsbogen mit rasanten Verfolgungsjagden, Kämpfen, Intrigen und Vasjas riskanter Tarnung als Mann. Trotz dessen wirkt die Handlung niemals gehetzt oder überhastet, weil die Autorin die inhärenten Konflikte ihrer Geschichte weiterhin eingehend ergründet. Vasjas Konflikt mit den Normen der Gesellschaft tritt explizit in den Vordergrund. Sie widerspricht der damaligen Vorstellung einer demütigen, gottesfürchtigen und vor allem unsichtbaren Frau; ihre couragierten Taten werden nur akzeptiert, weil sie sich als Mann ausgibt. Ich habe mich über die Ungerechtigkeit dieses Rollenbilds fürchterlich geärgert, obwohl es selbstverständlich der Realität des 14. Jahrhunderts entspricht. Ich konnte mich mit Vasjas hilfloser Zerrissenheit voll identifizieren, fand allerdings auch die Perspektive ihrer Geschwister Sasha und Olga sehr interessant. Es fällt ihnen schwer, die kaum zu zügelnde Wildheit ihrer Schwester zu tolerieren. Sie bewundern Vasjas Talente widerwillig, zum Beispiel ihren beeindruckend realistisch dargestellten sensiblen Umgang mit Pferden, doch sie können nicht damit umgehen, dass Vasja alle Konventionen verweigert. Ich konnte ihre Empörung zum Teil verstehen, denn freilich bringt Vasjas sorglose Hitzköpfigkeit sie alle durch ihre Nähe zum Großfürsten in Gefahr. Leider hatte ich Schwierigkeiten, Moskau im 14. Jahrhundert zu visualisieren. Während Arden ihre Leser_innen erneut mit traumhaft atmosphärischen Beschreibungen der Wildnis verwöhnt, wollte sich bei mir einfach kein konstantes Bild der Stadt einstellen. Es flackerte. Nichtsdestotrotz habe ich durch die Lektüre abermals viel gelernt. Mir war nicht bewusst, dass es sich bei Großfürst Dmitrii Ivanovich um eine reale historische Persönlichkeit handelt und er der erste Regent war, der sich gegen die Herrschaft der Mongolen über Moskau auflehnte. Katherine Arden kombiniert diese explosive politische Situation mit einer übernatürlichen Bedrohung, wodurch „The Girl in the Tower“ reifer als der Vorgänger wirkt.

 

Ich kann das Finale der „Winternight Trilogy“ kaum erwarten. So viele ungeklärte Fragen warten darauf, beantwortet zu werden. Vasjas Wurzeln liegen noch immer im Dunkeln, ebenso wie die Rolle des Winterkönigs. Wieso erwählte er ausgerechnet Vasja? Ich vermute, dass sein Interesse an ihr mit dem Geheimnis ihrer Familie mütterlicherseits zusammenhängt. Laut Goodreads wird der dritte Band „The Winter of the Witch“ heißen und im August 2018 erscheinen. Ich werde mich gedulden müssen. Vielleicht nutze ich die Wartezeit, um meine Kenntnisse der russischen Geschichte aufzupolieren. Katherine Arden weckt in mir eine beharrliche Neugier hinsichtlich dieses weiten, mysteriösen Landes, das auf eine bewegte Vergangenheit zurückblickt. Ihre Faszination ist ansteckend. Ich habe Lust, Russland von einer ganz neuen Seite zu entdecken, in seiner magischen, leidenschaftlichen Mythologie zu versinken. Ich möchte das Russland kennenlernen, das Katherine Arden so liebevoll porträtiert: Vasjas Russland.

 

Vielen Dank an den Verlag Ebury Publishing und Netgalley für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

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