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review 2017-08-03 11:34
Zwerge, die Gartenzwerge sammeln
Der Schädelschmied - Jens Lossau,Jens Schumacher

Mit dem Aufkauf des Verlages Egmont LYX durch Bastei Lübbe wurde die Ausrichtung des Verlagsprogramms umgestellt. Der Imprint ist nun auf Romantik spezialisiert. Pff. Dadurch mussten einige Autor_innen und Reihen ein neues Zuhause finden, darunter auch Jens Lossau und Jens Schumacher mit ihrer High Fantasy-Krimi – Reihe „Die Fälle des IAIT“. Glücklicherweise kamen sie bei einem Verlag unter, der meiner Meinung nach hervorragend zu ihnen passt: Feder & Schwert. Ich möchte mich von Herzen bei Feder & Schwert bedanken, dass sie die Weiterführung der Reihe ermöglichen. Es wäre zu schade gewesen, Meister Hippolit und Jorge den Troll niemals wiederzusehen.

 

Nur einmal nach Herzenslust in einem edlen Puff verwöhnt werden, mehr wünscht sich Jorge der Troll nicht. Aber nein, natürlich kommt ihm genau dann, wenn es am schönsten ist, sein Job in die Quere. In Barlyn, einer unterirdischen Minenstadt der Zwerge, wurde der bedeutende Schürfminister Borkudd tot in seinem Büro aufgefunden. Ein einzelner dahingeschiedener Zwerg wäre für das IAIT noch lange kein Grund, ihr wichtigstes Ermittlerduo unter Tage zu schicken, wären die Umstände seines Todes nicht äußerst merkwürdig. Das Büro des Ministers glich einer hermetisch verriegelten Festung. Nichts kam rein, nichts kam raus. Trotzdem befinden sich in Borkudds Schädel mehr als 20 Stahlnägel. Handelt es sich um einen überaus umständlichen Selbstmord? Oder wurde der Zwerg thaumaturgisch abgemurkst? Besteht vielleicht sogar ein Zusammenhang zu den Gerüchten eines furchteinflößenden Monsters, das in den Minen sein Unwesen treiben soll? Die Wahrheit ist tief vergraben, doch wenn jemand sie ausbuddeln kann, dann sind es Meister Hippolit und Jorge der Troll!

 

Zu Beginn meiner Rezension möchte ich mich dieses Mal direkt an meine deutschen Leser_innen wenden: seid ihr empfindlich, was eure Nationalität betrifft? Reagiert ihr pikiert, wenn das deutsche Volk und unsere speziellen Eigenheiten kräftig durch den Kakao gezogen werden? Fühlt ihr euch in eurem Patriotismus leicht beleidigt? Dann muss ich euch an dieser Stelle vehement von „Der Schädelschmied“ abraten. Der dritte Band der „Fälle des IAIT“ ist eine fleischgewordene, wild mutierte Parodie auf Deutschland und die deutsche Mentalität. Die gesamte Stadt Barlyn ist ein erschreckend genaues, wenn auch hemmungslos überspitztes Abbild meines Heimatlandes. Wer hätte gedacht, dass Zwerge und Deutsche so viel gemeinsam haben? Lächerliche Bürokratie, kleinliche Pedanterie, absolute Hingabe dem Beruf gegenüber, tadellose Arbeitsmoral, eine ungesunde Vorliebe für Bier, alberne, traditionelle Kleidung, seltsame Musik und große, sabbernde Hunde. Ich hätte mich kugeln können vor Lachen. Natürlich sind die Parallelen so offensichtlich, dass es geschmacklos ist. Natürlich bewegen sich Jens Lossau und Jens Schumacher weit entfernt von jeglicher politischen Korrektheit. Aber ich fand es großartig. Wo, wenn nicht in der Literatur, dürfen Deutsche ungestraft über ihr Land herziehen, Klischees ausschlachten und einen taktlosen Witz nach dem anderen reißen? Ich nehme dem Autorenduo ihre Selbstironie kein bisschen übel, im Gegenteil, ich feiere sie dafür. Ich meine, die Zwerge in Barlyn sammeln Gartenzwerge. Zwerge, die Gartenzwerge sammeln. Noch einmal langsam und mit Gefühl: Zwerge. Die. Gartenzwerge. Sammeln. Ich habe so gelacht, dass ich fast von der Couch gerutscht wäre. Ich kichere immer noch. Meister Hippolit und Jorge, die vermutlich ohnehin das skurrilste Ermittlerpaar aller Zeiten sind, in diese Stadt zu schicken, war ein Geniestreich. Sie passen dort so wenig hin, dass die Absurditäten vorprogrammiert sind. Es beginnt bereits damit, dass Jorge als Troll für einfach alles viel zu groß ist und mit seinem herrlich ordinären, unzensierten Mundwerk überall aneckt. M.H. hingegen ist bei weitem zu ungeduldig für den bürokratischen Albtraum, der ihnen bevorsteht, außerdem stolpern sie unter Tage auch noch über einen alten Rivalen, der ihn wunderbar zur Weißglut treibt. Die Zwerge dachten sich nämlich „Viel hilft viel“ und forderten nicht nur die Agenten des IAIT an, um den barbarischen Tod des Schürfministers aufzuklären, sondern zusätzlich zwei weitere Parteien. Demzufolge entsteht eine bizarre Wettbewerbssituation zwischen den Ermittlerteams, die ich allerdings, wenn auch unterhaltsam, etwas lästig fand. Es war zwar interessant und aufschlussreich, Details aus Hippolits Vergangenheit vor dem verpatzten Zauber zu erfahren, doch für mich bestand nie ein Zweifel, dass die beiden anderen Teams ihm und Jorge sowieso nicht das Wasser reichen können. Schon gar nicht bei diesem extrem verzwickten Fall, den ich wieder einmal nicht allein lösen konnte, obwohl einige meiner Mutmaßungen die korrekte Richtung einschlugen.

 

Ich glaube, bisher ist „Der Schädelschmied“ mein liebster Band aus der Reihe „Die Fälle des IAIT“. Ich fand ihn auf jeden Fall besser als den zweiten Band „Der Orksammler“, weil Lossau und Schumacher dieses Mal wirklich alles aus ihrem höchstamüsanten Setting herausgeholt und sogar einen dezenten Fortsetzungscharakter bewerkstelligt haben. Mittlerweile habe ich mich auch damit abgefunden, dass ich die Beziehung zwischen M.H. und Jorge wohl nie ganz verstehen werde und akzeptiere sie einfach, wie sie ist. Ich bin begeistert von der überspannten Beschreibung des deutschen Volkes seitens des Autorenduos und ihrer schonungslosen, plakativen, schelmischen Zurschaustellung nationaler Klischees. Für einige Leser_innen wäre es vielleicht zu viel der augenzwinkernden Kritik im hanswurstigen Gewand, doch ich bin felsenfest davon überzeugt, in diesem Rahmen ist „zu viel“ gerade gut genug. Wenn ich Meister Hippolit und Jorge besuche, will ich Tränen lachen und flache, kindische Witze genießen. Ich wiederhole es noch einmal, weil es so schön war: Zwerge, die Gartenzwerge sammeln. Gott, darüber werde ich noch jahrelang feiern.

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review 2017-06-01 10:14
Der lausigste Luzifer aller Zeiten
Devil Said Bang - Richard Kadrey

Satan. Herrscher der Hölle. Gottes ewiger Widersacher. Eine Position voller Macht und Prestige. James Stark alias Sandman Slim will den Job trotzdem nicht. Was nützt all die Macht, wenn ihm der Tag regelmäßig durch Budgetbesprechungen, sinnentleerte Rituale und lächerliche Attentatsversuche versaut wird? Nein, Stark will raus. Schließlich hat er sich nie um die Stelle beworben; der originale Luzifer trickste ihn aus und genießt jetzt Ferien im Himmel. Toll. Einfach Fabelhaft. Seit er Gebieter der Verdammten wurde, sucht Stark unermüdlich nach einem Weg, die Hölle zu verlassen und nach L.A. zurückzukehren. Ganz so simpel ist das nur leider nicht. Die Verdammten hassen ihn und wenn es nach ihm ginge, könnten sie ihm alle getrost den Buckel runterrutschen, aber die Hölle braucht einen Anführer; jemanden, der den Papa spielt und Händchen hält. Also, was macht man mit einem miesen Blatt? Richtig. Bluffen, was das Zeug hält und die erste günstige Gelegenheit beim Schopfe packen. Dummerweise wird Starks glorreiche Heimkehr nach L.A. von einem serienmordenden Geist überschattet, der offenbar im Auftrag einer Fraktion der Sub Rosas handelt, die die Realität umschreiben will. Diese Idioten schaffen es doch tatsächlich, ein Loch ins Universum zu reißen. Da sehnt man sich fast nach der bizarren Idylle der Hölle, nicht wahr?

 

Stark als Herrscher der Hölle. Ich muss immer noch in mich hineinkichern, wenn ich daran denke. Mein Kumpel Stark als Satan. Tut mir leid, aber das ist zum Brüllen komisch. Ironie des Schicksals. Es war doch wohl von Vornherein klar, dass das schiefgehen muss. Natürlich ist Stark ein lausiger Luzifer. In den vorangegangenen Bänden machte Richard Kadrey unmissverständlich klar, dass sein Protagonist nicht das Zeug zum Anführer hat und seine Eskapaden in „Devil Said Bang“ bestätigen diesen Eindruck zweifelsfrei. Stark hasst die Hölle, weil sie das Schlechteste in ihm zum Vorschein bringt. Er weiß genau, sucht er nicht so schnell wie möglich das Weite, wird die Verlockung, sein inneres Monster das Ruder übernehmen zu lassen, eines Tages zu groß sein. Er muss gehen, weil er sonst nie mehr geht. Mal davon abgesehen, dass mich Kadreys Darstellung der Hölle als bürokratischer Albtraum samt Meetings, Komitees und kleinlicher Politik köstlich amüsierte und ich die Idee, ihre Bewohner_innen als selbstmordgefährdet zu charakterisieren, fantastisch und erstaunlich naheliegend finde, bewundere ich vor allem seine einfühlsame Beschreibung von Starks Gefühlen, die Ambiguität seiner Empfindungen. Er ist sich vollkommen im Klaren darüber, zu was er fähig, wie tiefschwarz ein Teil seiner Seele ist. Er kämpft dagegen an, obwohl die Versuchung ach so süß ist und ihm eben diese Facette seiner Persönlichkeit wer weiß wie oft den Hintern rettete. Er gibt sich keinen Illusionen hin und ist trotzdem bestrebt, ein besserer Mensch (na ja, Nephilim) zu sein. Er will kein Monstrum sein. Seine Fähigkeit und Bereitschaft, sich permanent selbst zu hinterfragen und Kritik anzunehmen, beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue. Daher macht es mir auch nicht allzu viel aus, dass sich dieser vierte Band wie ein Zwischenspiel anfühlte. Ich denke, dass „Devil Said Bang“ innerhalb der übergeordneten Handlung wichtig, für sich selbst aber eher belanglos ist. Das Buch ist keines von Kadreys besten Werken; ich stolperte durch eine Geschichte, die mir von arg vielen Zufällen geprägt und daher nicht überzeugend durchdacht erschien. Die Auflösung wirkte hastig und einige Szenen wurden ausschließlich durch Starks unvergleichlichen Humor und seine herrlich schlagfertigen Sprüche gerettet. Kadrey verdankt es seinem Protagonisten, dass ich nachsichtig bin und 3 Sterne vergebe. Ich fühle mich mit Stark einfach viel zu wohl, um die Bände der „Sandman Slim“ – Reihe nicht zu genießen, unabhängig davon, wie ungelenk die Handlung daherkommt. Nur eines kann ich meinem Kumpel nicht verzeihen: seine Beziehung zu dieser fürchterlichen Schnepfe Candy. Ich kann sie nicht ausstehen. Sie ist wie eine 14-Jährige mit einem Waffentick und einer Schwäche für große böse Jungs. Sie bringt Stark in Gefahr, weil für sie alles nur ein Spiel ist. Ich wünschte, er würde sie endlich abschießen, denn sie ist definitiv nicht die Richtige für ihn. Ich warte nur darauf, dass er erkennt, wie ungesund ihr seltsames Techtelmechtel für ihn ist und dass er jemanden braucht, der all die Konflikte in seinem Inneren versteht und beruhigt, statt sie anzufachen und zu verschärfen. Candy ignoriert den Krieg in seiner Seele bewusst. Ich hoffe, dass er bald eine Frau findet, die ihm Frieden schenkt. Bitte Stark, schick die blöde Gans in die Wüste!

 

„Devil Said Bang“ ist meiner Meinung nach bisher der schwächste Band der „Sandman Slim“ – Reihe. Ich hätte das Buch vermutlich noch weit kritischer bewertet, empfände ich nicht eine fast schon lächerlich intensive Nähe und Bindung zum Protagonisten Stark. Er ist mein Kumpel. Ich bin sein größter Fan. Trotzdem erwarte ich von Richard Kadrey, dass die Handlung des nächsten Bandes „Kill City Blues“ besser ist. Überzeugender. Ausgereifter. Nach der Erfahrung mit „Devil Said Bang“ bin ich ehrlich besorgt, dass die Reihe fortschreitend an Qualität einbüßt. Das möchte ich wirklich nicht erleben, denn es wäre tragisch, bedauerlich und ein Verbrechen des Autors an seinem Zugpferd. Stark ist eine herausragende Figur, die einen ebenso außerordentlichen und außergewöhnlichen Rahmen verdient, um sich nach Belieben auszutoben. Ich weiß, ein einziger mittelmäßiger Band bedeutet noch lange nicht, dass es mit der Reihe bergab geht und ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen, aber ich habe so etwas schon viel zu oft durchgemacht, um die ersten Anzeichen zu ignorieren. Ich flehe Sie an Mr. Kadrey: lassen Sie Stark und mich nicht hängen.

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