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review 2019-04-30 10:13
Freudenfest der Diversität
The Long Way to a Small, Angry Planet - Becky Chambers

Ich liebe ungewöhnliche Veröffentlichungsgeschichten. Becky Chambers Danksagung in ihrem Debütroman „The long way to a small, angry planet” zauberte mir deshalb ein entzücktes Lächeln ins Gesicht. Sie berichtet darin von der Kickstarter-Kampagne, ohne die sie ihr Buch nicht hätte veröffentlichen können. Wildfremde Menschen griffen ihr 2012 finanziell unter die Arme, damit sie „The long way“ fertigschreiben und im Selfpublishing 2014 auf dem Markt bringen konnte. Ist das nicht wundervoll? Seitdem nahm ihre Karriere als Autorin kräftig Fahrt auf; aus dem Debüt wurde die Trilogie „Wayfarers“. Bei mir landete der Science-Fiction-Roman, weil mich der Titel einfach neugierig machte.

 

Als Rosemary Harper alle Brücken hinter sich verbrannte, war sie gründlich. Sie wollte so weit weg, wie nur möglich – was läge näher, als auf einem Raumschiff anzuheuern? Die Wayfarer ist allerdings nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Die Crew steht ständig kurz davor, komplett im Chaos zu versinken und das Schiff selbst… nun, die Bezeichnung „Schrottkiste“ würde wohl ihre Gefühle verletzen. Kaum zu glauben, dass die Wayfarer regelmäßig engagiert wird, um Löcher ins All zu bohren. Dennoch findet Rosemary inmitten des wilden Haufens verschiedener Spezies, wonach sie sich sehnte: ein Heim und echte Freundschaft. Ihr Glück scheint perfekt, als der Crew der Auftrag ihres Lebens angeboten wird. Sie sollen einen Hyperspace-Tunnel zu einem weit entfernten kleinen Planeten errichten. Gelingt es ihnen, haben sie ausgesorgt. Leider gibt es einen gewaltigen Haken. Der betreffende Planet ist dauerhaftes Kriegsgebiet und Rosemary ist besorgt, dass sie ihr dunkelstes Geheimnis auf der langen, riskanten Reise nicht verbergen kann. Doch auf ihrem abenteuerlichen Weg durch die gefährlichen, verwirrenden Weiten des interstellaren Raums lernt Rosemary, dass manche Verbrechen vergeben werden können – und andere nicht.

 

Ich bin reiner Science-Fiction gegenüber noch immer skeptisch. Es wird langsam besser, aber mein Vorurteil, dass ich mit diesem Genre Schwierigkeiten habe, ist so fest in meinem Kopf verankert, dass ich vor jedem neuen Vertreter Sorge habe, dass mir das Buch nicht gefallen könnte. Die Zweifel hätte ich mir bei „The long way to a small, angry planet” sparen können. Der Trilogieauftakt ist fantastisch! Spannend, emotional mitreißend und nicht zu technisch. Für Hardcore-Fans ist er vermutlich etwas zu weichgespült, für eine Leserin wie mich, die sich vorsichtig in das weite Feld der Science-Fiction vorwagt, ist er hingegen die absolut perfekte Lektüre. Die Geschichte lebt von ihren Charakteren. Becky Chambers veranstaltet ein Freudenfest der Diversität und präsentiert tolerant und einfühlsam einen bunten Strauß verschiedener Spezies, die sich äußerlich, sprachlich und kulturell stark unterscheiden. Im Mittelpunkt steht die Crew der Wayfarer, die ihren Lebensunterhalt damit verdient, intergalaktische Tunnel ins All zu bohren. Ich habe keine Ahnung, ob der wissenschaftliche Ansatz dieser Bohrungen fundiert ist. Für mich klang er überzeugend und plausibel. Ihr neuster, heikler Auftrag stammt von der Regierung, für die sie einen Tunnel zu dem rohstoffreichen, doch kriegerischen Planeten Hedra Ka installieren sollen. Gier ist also noch immer die Triebfeder der Wirtschaftspolitik der Zukunft. Die politische Ebene der Geschichte findet allerdings eher hintergründig statt; sie beeinflusst das Zusammenleben der Spezies und ist die Initialzündung für die spannende Reise der Wayfarer, wird jedoch eher am Rande und selten explizit thematisiert. Für die Reise selbst gilt das Motto „Der Weg ist das Ziel“, denn sie bietet mit ihren aufregenden Stationen den Rahmen für die emotionalen Erlebnisse der Figuren, durch die die Leser_innen die berauschende Vielfalt in Chambers Universum kennenlernen. Ich spürte, wie viel Freude die Autorin daran hatte, das Verhältnis der Spezies zu untersuchen und zu erforschen, welche Konzepte als menschlich gelten. Was empfinden Menschen als akzeptabel und wie reagieren wir, wenn wir mit anderen Lebens- und Beziehungsentwürfen konfrontiert werden? Ich fand diese Fragen im Kontext des speziellen Worldbuildings hochinteressant, weil Menschen in „The long way“ keine dominante Spezies sind und eher geduldet als geschätzt werden. Dadurch sind die Reaktionen anderer Völker auf menschliche Eigenarten äußerst faszinierend, die natürlich gerade im beengten Raum der Wayfarer zu beobachten sind. Schließlich ist das Schiff eine fliegende WG. Ich habe die Besatzung der Wayfarer unglaublich schnell ins Herz geschlossen. Becky Chambers macht es ihren Leser_innen durch unauffällige, aber umfassende und exakte Charakterisierungen sehr leicht, Sympathien selbst für nicht-menschliche Figuren zu entwickeln. Deshalb fand ich „The long way“ nicht nur sensationell, sondern auch erfrischend optimistisch: allen Stolpersteinen der Völkerverständigung zum Trotz ist ein friedliches Miteinander verschiedener Spezies möglich.

 

Leseerlebnisse wie meine Erfahrung mit „The long way to a small, angry planet“ helfen mir, meine überholte Überzeugung, dass Science-Fiction nichts für mich ist, aufzuweichen. Ich brauche Bücher wie diesen modernen, exzellenten Trilogieauftakt, um endlich zu verinnerlichen, dass diese Pauschalisierung Quatsch ist. Science-Fiction ist ebenso facettenreich wie jedes andere Genre auch und Becky Chambers nutzt die Möglichkeiten, die sie bietet, wirklich voll aus. Ich fand die Lektüre wunderbar und freue mich darüber, mit wie viel Spaß sie Diversität feiert und literarisch praktiziert. Jetzt kümmere ich mich schnellstens um den Erwerb der zwei Folgebände und möchte euch „The long way“ vehement ans Herz legen, selbst wenn ihr sonst nicht für Science-Fiction zu haben seid. Becky Chambers erweist dem Genre einen unschätzbaren Dienst: sie zieht lauter neue kleine Fans heran.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/30/becky-chambers-the-long-way-to-a-small-angry-planet
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review 2019-04-25 09:55
Blutiges Wunderland
Alice - Christina Henry

„Alice im Wunderland“ ist eine der Geschichten meines Lebens. Der Klassiker von Lewis Carroll begleitet mich, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich besaß sie als Hörbuch auf Schallplatte und die 1951er Disney-Verfilmung auf Videokassette. Selbstverständlich habe ich auch die modernen Filme mit Johnny Depp gesehen. Mit meinem Tätowierer arbeite ich aktuell an meinem großen Waden-Tattoo, das die Grinsekatze, Herrn Knauf und den verwirrenden Wegweiser-Baum enthält. Die Geschichte fasziniert mich wie kaum eine zweite. Als ich erfuhr, dass die Autorin Christina Henry eine Adaption namens „Alice“ geschrieben hatte, war ich sofort Feuer und Flamme, weil das Buch die berühmte Protagonistin in einer prekären Rolle zeigt: als Insassin einer Psychiatrie.

 

In einem Krankenhaus in der Altstadt, hinter dicken Backsteinmauern, vegetiert eine junge Frau in einer Zelle vor sich hin. Sie wurde eingesperrt, weil sie blutüberströmt eine verrückte Geschichte von einem Kaninchen und einer Tee-Party erzählte. Ihr Name lautet Alice. Seit 10 Jahren ist die Anstalt ihre Herberge. Ihr einziger Gefährte ist ihr Zellennachbar Hatcher. Alice weiß, dass sie niemals entlassen werden wird. Sie ist kaputt, beschädigt. Erst als in den Tiefen der Anstalt ein verheerendes Feuer ausbricht, eröffnet sich ihr und Hatcher ein Weg in die Freiheit. Aber sie sind nicht die einzigen, die den Flammen entkommen. Das Feuer befreit eine entsetzliche Kreatur, die hungrig und wahllos tötet. Alice und Hatcher müssen sie aufhalten. Sie steigen in die dunkelsten, gefährlichsten Orte der Altstadt hinab, doch je näher sie ihrem Ziel kommen, desto näher kommen sie auch der Wahrheit über Alice‘ Vergangenheit – und dem Mann, der sie noch immer als sein Eigentum betrachtet…

 

Von Christina Henry dürfen sich alle Autor_innen von Adaptionen gern eine Scheibe abschneiden. „Alice“ ist eine hervorragende, hypnotische Variante des Klassikers von Lewis Carroll. Obwohl ich ursprünglich nicht erwartet hatte, eine Handlung vorzufinden, die Alice‘ Schicksal nach ihren Abenteuern beleuchtet, sondern annahm, ich müsste herausfinden, ob sie sich das Wunderland lediglich eingebildet hatte, konnte ich mich sehr schnell darauf einlassen. Die Frage, was mit Alice nach ihrer Rückkehr geschehen wäre, beschäftigt mich, seit ich alt genug bin, darüber zu spekulieren. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass sie in einer psychiatrischen Anstalt gelandet wäre, denn wer hätte ihr ihre verrückte Geschichte schon geglaubt? Henrys Version ist deutlich düsterer, blutiger und gewalttätiger, als ich es mir jemals ausgemalt hätte, doch denke ich an das Original zurück, muss ich zugeben, dass es sich dabei ebenfalls nicht um ein unschuldiges Kinderbuch handelt, schaut man genau hin. Auch in Carrolls Wunderland brodelte das Potential der Gewalt meinem Empfinden nach stets nur knapp unter der Oberfläche. Deshalb finde ich „Alice“ großartig: Christina Henry erfasst das Wesen der ursprünglichen Geschichte pointiert und charakterisiert die Figuren exakt so, wie ich sie immer wahrgenommen hatte. Niemand ist Alice ausschließlich wohlgesinnt; sie sind alle sehr ambivalent, hinterlistig und maximal bedingt vertrauenswürdig, nämlich so lange, wie es ihren Zielen entspricht. Henry übertrug diese zwielichtige Ausstrahlung perfekt auf ihre Adaption, sodass ihr Roman authentisch und originell gelang. Sie entwickelte ein fiktives, vage fantastisches Setting, dessen sonderbare Atmosphäre alle Elemente, die nicht rational erklärbar sind, elegant legitimiert und in dessen Rahmen ihre ältere, traumatisierte Alice grob der Reise von Carrolls Heldin folgt. Nominell besteht ihre Aufgabe darin, die Kreatur zu besiegen, die durch das Feuer in der Anstalt befreit wurde, in der sie 10 lange Jahre einsaß. Ich vergaß jedoch immer wieder, dass dies der Kern der Handlung ist, weil die Konfrontationen mit den bekannten, nun aber menschlichen Figuren des Wunderlands wesentlich drängender und präsenter waren und darüber hinaus von Alice‘ persönlicher Entwicklung überstrahlt wurde. Alice ist 26 Jahre alt und verbrachte den Großteil ihrer Jugend in der Psychiatrie. Es gefiel mir ausnehmend gut, wie psychologisch glaubwürdig Henry ihre Protagonistin beschreibt, indem sie einkalkuliert, dass sie die normalen Erfahrungen des Erwachsenwerdens verpasste. Erst im Verlauf ihres Abenteuers entfaltet sie sich und findet heraus, was in ihr steckt – Courage, Loyalität und Entschlossenheit. Ich empfinde „Alice“ daher als verspätete Coming-of-Age-Geschichte, in der der Weg das Ziel ist und es nicht überraschen sollte, dass der Kampf gegen das Monster eher hintergründig von Bedeutung ist. Resultierend daraus gestaltet sich der finale, äußerst feminine Showdown recht unspektakulär, weil dieser die logische Konsequenz von Alice‘ Metamorphose darstellt. Sie durchlebte eine klassische Heldenreise; sobald sie fähig ist, ihr Schicksal und sich selbst zu akzeptieren, werden alle Herausforderungen zum Kinderspiel.

 

„Alice“ von Christina Henry ist eine dunkle, verdrehte Variante des Kinderbuchklassikers von Lewis Carroll. Es ist eine Adaption, die meinen Geschmack voll und ganz trifft, weil sie meiner intuitiven Wahrnehmung des Originals Form verleiht und diese auf Papier bannt. Die Autorin erfasst die inhärente Natur und Bedeutung der ikonischen Geschichte zielsicher und transformiert diese in eine Erzählung, die neu und frisch wirkt und dennoch das Charisma, die unverwechselbare Aura des populären Stoffes aufgreift. Wer die eigenen Kindheitserinnerungen an „Alice im Wunderland“ unangetastet lassen möchte oder sensibel auf gewaltsame Szenen reagiert, sollte von der Lektüre eher Abstand nehmen, doch allen Leser_innen, die eine erwachsene, erwachte Alice kennenlernen möchten, kann ich das Buch wärmstens empfehlen. Ich freue mich auf die Fortsetzung „Red Queen“ und nehme Anlauf für einen weiteren Sturz durch das Kaninchenloch.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/25/christina-henry-alice
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review 2017-06-01 10:14
Der lausigste Luzifer aller Zeiten
Devil Said Bang - Richard Kadrey

Satan. Herrscher der Hölle. Gottes ewiger Widersacher. Eine Position voller Macht und Prestige. James Stark alias Sandman Slim will den Job trotzdem nicht. Was nützt all die Macht, wenn ihm der Tag regelmäßig durch Budgetbesprechungen, sinnentleerte Rituale und lächerliche Attentatsversuche versaut wird? Nein, Stark will raus. Schließlich hat er sich nie um die Stelle beworben; der originale Luzifer trickste ihn aus und genießt jetzt Ferien im Himmel. Toll. Einfach Fabelhaft. Seit er Gebieter der Verdammten wurde, sucht Stark unermüdlich nach einem Weg, die Hölle zu verlassen und nach L.A. zurückzukehren. Ganz so simpel ist das nur leider nicht. Die Verdammten hassen ihn und wenn es nach ihm ginge, könnten sie ihm alle getrost den Buckel runterrutschen, aber die Hölle braucht einen Anführer; jemanden, der den Papa spielt und Händchen hält. Also, was macht man mit einem miesen Blatt? Richtig. Bluffen, was das Zeug hält und die erste günstige Gelegenheit beim Schopfe packen. Dummerweise wird Starks glorreiche Heimkehr nach L.A. von einem serienmordenden Geist überschattet, der offenbar im Auftrag einer Fraktion der Sub Rosas handelt, die die Realität umschreiben will. Diese Idioten schaffen es doch tatsächlich, ein Loch ins Universum zu reißen. Da sehnt man sich fast nach der bizarren Idylle der Hölle, nicht wahr?

 

Stark als Herrscher der Hölle. Ich muss immer noch in mich hineinkichern, wenn ich daran denke. Mein Kumpel Stark als Satan. Tut mir leid, aber das ist zum Brüllen komisch. Ironie des Schicksals. Es war doch wohl von Vornherein klar, dass das schiefgehen muss. Natürlich ist Stark ein lausiger Luzifer. In den vorangegangenen Bänden machte Richard Kadrey unmissverständlich klar, dass sein Protagonist nicht das Zeug zum Anführer hat und seine Eskapaden in „Devil Said Bang“ bestätigen diesen Eindruck zweifelsfrei. Stark hasst die Hölle, weil sie das Schlechteste in ihm zum Vorschein bringt. Er weiß genau, sucht er nicht so schnell wie möglich das Weite, wird die Verlockung, sein inneres Monster das Ruder übernehmen zu lassen, eines Tages zu groß sein. Er muss gehen, weil er sonst nie mehr geht. Mal davon abgesehen, dass mich Kadreys Darstellung der Hölle als bürokratischer Albtraum samt Meetings, Komitees und kleinlicher Politik köstlich amüsierte und ich die Idee, ihre Bewohner_innen als selbstmordgefährdet zu charakterisieren, fantastisch und erstaunlich naheliegend finde, bewundere ich vor allem seine einfühlsame Beschreibung von Starks Gefühlen, die Ambiguität seiner Empfindungen. Er ist sich vollkommen im Klaren darüber, zu was er fähig, wie tiefschwarz ein Teil seiner Seele ist. Er kämpft dagegen an, obwohl die Versuchung ach so süß ist und ihm eben diese Facette seiner Persönlichkeit wer weiß wie oft den Hintern rettete. Er gibt sich keinen Illusionen hin und ist trotzdem bestrebt, ein besserer Mensch (na ja, Nephilim) zu sein. Er will kein Monstrum sein. Seine Fähigkeit und Bereitschaft, sich permanent selbst zu hinterfragen und Kritik anzunehmen, beeindrucken mich jedes Mal aufs Neue. Daher macht es mir auch nicht allzu viel aus, dass sich dieser vierte Band wie ein Zwischenspiel anfühlte. Ich denke, dass „Devil Said Bang“ innerhalb der übergeordneten Handlung wichtig, für sich selbst aber eher belanglos ist. Das Buch ist keines von Kadreys besten Werken; ich stolperte durch eine Geschichte, die mir von arg vielen Zufällen geprägt und daher nicht überzeugend durchdacht erschien. Die Auflösung wirkte hastig und einige Szenen wurden ausschließlich durch Starks unvergleichlichen Humor und seine herrlich schlagfertigen Sprüche gerettet. Kadrey verdankt es seinem Protagonisten, dass ich nachsichtig bin und 3 Sterne vergebe. Ich fühle mich mit Stark einfach viel zu wohl, um die Bände der „Sandman Slim“ – Reihe nicht zu genießen, unabhängig davon, wie ungelenk die Handlung daherkommt. Nur eines kann ich meinem Kumpel nicht verzeihen: seine Beziehung zu dieser fürchterlichen Schnepfe Candy. Ich kann sie nicht ausstehen. Sie ist wie eine 14-Jährige mit einem Waffentick und einer Schwäche für große böse Jungs. Sie bringt Stark in Gefahr, weil für sie alles nur ein Spiel ist. Ich wünschte, er würde sie endlich abschießen, denn sie ist definitiv nicht die Richtige für ihn. Ich warte nur darauf, dass er erkennt, wie ungesund ihr seltsames Techtelmechtel für ihn ist und dass er jemanden braucht, der all die Konflikte in seinem Inneren versteht und beruhigt, statt sie anzufachen und zu verschärfen. Candy ignoriert den Krieg in seiner Seele bewusst. Ich hoffe, dass er bald eine Frau findet, die ihm Frieden schenkt. Bitte Stark, schick die blöde Gans in die Wüste!

 

„Devil Said Bang“ ist meiner Meinung nach bisher der schwächste Band der „Sandman Slim“ – Reihe. Ich hätte das Buch vermutlich noch weit kritischer bewertet, empfände ich nicht eine fast schon lächerlich intensive Nähe und Bindung zum Protagonisten Stark. Er ist mein Kumpel. Ich bin sein größter Fan. Trotzdem erwarte ich von Richard Kadrey, dass die Handlung des nächsten Bandes „Kill City Blues“ besser ist. Überzeugender. Ausgereifter. Nach der Erfahrung mit „Devil Said Bang“ bin ich ehrlich besorgt, dass die Reihe fortschreitend an Qualität einbüßt. Das möchte ich wirklich nicht erleben, denn es wäre tragisch, bedauerlich und ein Verbrechen des Autors an seinem Zugpferd. Stark ist eine herausragende Figur, die einen ebenso außerordentlichen und außergewöhnlichen Rahmen verdient, um sich nach Belieben auszutoben. Ich weiß, ein einziger mittelmäßiger Band bedeutet noch lange nicht, dass es mit der Reihe bergab geht und ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen, aber ich habe so etwas schon viel zu oft durchgemacht, um die ersten Anzeichen zu ignorieren. Ich flehe Sie an Mr. Kadrey: lassen Sie Stark und mich nicht hängen.

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review 2016-11-22 09:46
Pubertät als Werwolf
Hair in All The Wrong Places - Andrew Buckley

Im April 2016 passierte mir etwas Ungewöhnliches. Ich erhielt eine Rezensionsanfrage – auf Englisch. Da ich auf meinem Blog ausschließlich in Deutsch rezensiere, konnte ich es kaum fassen. Elli goes international, whoop whoop! Der kanadische Autor Andrew Buckley bat mich, sein neustes Werk „Hair in All the Wrong Places“ zu lesen und zu rezensieren. Ich schnupperte in die mitgesandte Leseprobe hinein und war sofort Feuer und Flamme. Das Buch sollte von dem kleinen Nerd Colin handeln, der sich in einen Werwolf verwandelt. Das klang nach Spaß, also sagte ich zu. Ende Oktober entschied mein Bauch endlich, dass es Zeit für die Lektüre war. Ich stürzte mich voller Vorfreude in Colins Abenteuer.

 

In einem Punkt waren sich Colin Strauss und sein Spiegelbild stets einig: er ist ein Loser. Ein großer, schlaksiger 13-jähriger Brillenträger, der bei seiner mürrischen Großmutter in Elkwood wohnt, die ihren Enkel für eine Verschwendung von Sauerstoff hält. Sein Leben war ganz und gar elend. Doch damit ist jetzt Schluss. Auf einmal sprießen Colin Haare an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Er braucht keine Brille mehr. Sein Geruchssinn ist hypersensibel. Und erst die Muskeln! Vielleicht sollte er seine Verwandlung fürchten, aber er kann nicht anders, als jede Veränderung zu genießen. Auf Wiedersehen Loser, hallo Werwolf! Wäre da nur nicht die Ungewissheit, ob er etwas mit der Ermordung eines Mitschülers zu tun hat. Hat er ihn – igitt – gefressen? Colin muss herausfinden, was in jener Nacht geschehen ist und seine Kräfte zu kontrollieren lernen, bevor weitere Menschen verletzt werden. Während er versucht, die Rätsel seiner Werwolf-Existenz zu lösen, stolpert er über Geheimnisse, die seine Heimat in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Offenbar ist Elkwood eine Menge, aber ganz bestimmt nicht langweilig.

 

Ich freue mich immer besonders, wenn mir ein Rezensionsexemplar gefällt. Es ist schön, dem Autor oder der Autorin positives Feedback geben zu können. Die Mail, die ich an Andrew Buckley schickte, nachdem ich „Hair in All the Wrong Places“ gelesen hatte, war für uns beide ein Grund zum Lächeln. Ich fand das Buch toll. Es punktete mit Witz, Charme und einer gehörigen Portion Action.
Wie erwartet genoss ich es in vollen Zügen, Colin bei seiner Transformation in einen Werwolf zu erleben. Er beobachtet jede noch so kleine körperliche Veränderung euphorisch. Seine Fähigkeit, sich über seine Verwandlung zu freuen, sicherte ihm zielstrebig meine Sympathie. Wie oft sind Gestaltwandler melancholische kleine Heulsusen, die ihrer Menschlichkeit hinterhertrauern, statt ihre neuen Kräfte zu begrüßen. Colin ist anders. Er opfert seine kümmerliche Existenz als Mensch gern für die Macht, die mit dem Dasein als Werwolf einhergeht. Er hasste sein Leben, er hasste Elkwood, er hasste die Schläger, die ihm jeden Schultag zur Hölle machten und ein bisschen hasste er wohl auch sich selbst. Für ihn ist die Infektion ein Segen, die ihn lehrt, sich so akzeptieren, wie er ist. Er mag sein neues Ich, wächst regelrecht in sein Leben hinein und erlangt sogar die Aufmerksamkeit des Mädchens seiner Träume, Becca. Kaum ein Young Adult – Roman kommt ohne Liebesgeschichte aus und „Hair in All the Wrong Places“ ist da keine Ausnahme. In diesem Fall fand ich diese allerdings reizend und überhaupt nicht aufdringlich. Becca ist reifer als die meisten Mädchen ihres Alters und hat eine angenehme, ernsthafte Ausstrahlung. Sie bestärkt Colins Selbstbewusstsein und zeigt ihm, dass es okay ist, individuell zu sein. Sie sind ein süßes Paar. Ich habe mich für Colin gefreut, trotz der Vorhersehbarkeit ihrer Beziehung. Ebenso fand ich es offensichtlich, dass Colin keinesfalls der Mörder seines Mitschülers Sam sein kann. Er ist ein lieber Junge und könnte niemals einen Menschen töten, nicht einmal als Werwolf. Dieser Erzählstrang geriet meiner Ansicht nach etwas durchschaubar, weil die Hinweise darauf, wer es tatsächlich gewesen sein könnte, ganz deutlich in eine bestimmte Richtung zeigen. Ich hatte bereits früh eine Vermutung, die letztendlich bestätigt wurde.
Von der großen Offenbarung hinsichtlich der wahren Natur Elkwoods wurde ich hingegen kalt erwischt. Das hatte ich nicht kommen sehen, obwohl mich im Verlauf der Handlung durchaus das Gefühl beschlich, dass dort irgendetwas Seltsames vor sich geht. Ich war schockiert – im positiven Sinne. Das Geheimnis, das Elkwood umgibt, ist gigantisch, fantastisch und bietet äußerst viel Potential für diverse Fortsetzungen. Diese Kleinstadt ist wirklich besonders, weshalb ich mir eine lebhaftere, greifbarere Atmosphäre gewünscht hätte. Andrew Buckleys Schreibstil ist bisher recht explizit. Meiner Meinung nach sollte er sich stärker an dem Prinzip „Show, don’t tell“ orientieren, um die Einzigartigkeit seines Settings zu unterstreichen und Elkwoods speziellen Charakter für sich selbst sprechen zu lassen. Auf diese Weise würde deutlicher, warum sich Colin keinen passenderen Ort für seine Verwandlung in einen Werwolf aussuchen konnte.

 

Manchmal ist Leichtigkeit in einem Buch mehr wert als ein ideal konstruierter Plot oder ein fehlerloser Schreibstil. „Hair in All the Wrong Places“ ist nicht perfekt, aber das muss es auch nicht sein. Colin ist es schließlich ebenfalls nicht. Es ist witzig, temporeich, kreativ und originell. Es hat Herz. Ich glaube, dass sich Andrew Buckley selbst nicht allzu ernst nimmt und seine Geschichte absichtlich mit einem Augenzwinkern erzählt. Meiner Meinung nach ist ihm am wichtigsten, dass seine Leser_innen Spaß an der Lektüre haben. Dieses Ziel hat er in meinem Fall definitiv erreicht. Ich fand „Hair in All the Wrong Places“ großartig und freue mich bereits jetzt unheimlich auf die Fortsetzung, die laut Buckley für August 2017 angesetzt ist. Ich drücke Colin ganz fest die Daumen, dass er die Pubertät als Werwolf unbeschadet übersteht.

 

Vielen Dank an Andrew Buckley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/11/22/andrew-buckley-hair-in-all-the-wrong-places
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review 2016-03-16 08:01
Ein absurder Höllenritt in den Unsinn
Voices: The Reincarnation Series (Book 1) - R. E. Rowe

„Voices“ von R.E. Rowe erhielt ich via Netgalley. Anders als sonst musste ich mich für dieses Buch nicht bewerben, da es ein „Read Now“ – Exemplar ist, das ich auf meinen Kindle laden konnte, ohne die Bestätigung des Verlages abzuwarten. Ich weiß nicht, wieso einige Bücher sozusagen verschenkt werden, während andere eine Bewerbung verlangen. Vermutlich liegt dieser Strategie eine spezielle Vereinbarung zwischen Verlag, Autor_in und Netgalley zugrunde. Für neue Autor_innen ist das vielleicht eine praktikable Möglichkeit, etwas Bekanntheit zu erlangen, denn welcher Bücherwurm kann gratis Literatur schon widerstehen? Bezüglich R.E. Rowe hat das für mich auf jeden Fall funktioniert, schließlich kannte ich diesen Autor nicht, bis ich „Voices“ bei Netgalley entdeckte.

 

43 Minuten. So lange war Aimee klinisch tot. Ihre Nahtoderfahrung veränderte ihr Leben. Was ihr einst wichtig war, erscheint ihr nun unbedeutend und klein, denn seit ihrem Herzstillstand verfügt sie über eine fantastische, aber erschreckende Fähigkeit: sie kann die Gefühle und Energien der Menschen um sie herum wahrnehmen. Meist überwältigen sie die Empfindungen der anderen, weshalb sie den Kontakt meidet und sich zurückzieht. Bis sie Reizo kennenlernt. Reizos Energie fasziniert sie, obwohl er selbst ein Außenseiter ist. Er leidet unter Schizophrenie, hört Stimmen und gerät dadurch oft in Schwierigkeiten. Sie spüren sie sofort, dass sie etwas verbindet und finden heraus, dass ihre Familien auf eine fast vergessene, gemeinsame Vergangenheit zurückblicken. Doch als sie in einem Sturmkeller ein altes Testament entdecken, geraten sie in einen Strudel der Gewalt, der ihre junge Liebe auf die Probe stellt. Werden Aimee und Reizo auch im Angesicht höchster Gefahr zueinanderstehen?

 

Ich sage euch, was ich von „Voices“ halte: es ist sinnloser, übertriebener, unzusammenhängender Quatsch. Lasst die Finger davon. Ich erläutere euch sofort, wie dieses vernichtende Urteil zu Stande kommt, doch vorher sehe ich es als meine Pflicht an, euch vor Spoilern in dieser Rezension zu warnen. Ich werde inhaltliche Details verraten. Meiner Meinung nach spielt das allerdings überhaupt keine Rolle, denn wenn es nach mir geht, werdet ihr „Voices“ niemals lesen.
Erstaunlicherweise beginnt das Buch ganz nett. Die erste Hälfte ist zart und lieblich; ich lernte Aimee und Reizo kennen, aus deren jeweiliger Perspektive die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Aimee ist ein sanftes Mädchen, deren überraschender Herzinfarkt ihre Karriere als Starläuferin ihrer High-School beendete. Sie war gezwungen, die Laufschuhe an den Nagel zu hängen. Dadurch stellte sie allerdings fest, dass sie ein beachtliches künstlerisches Talent besitzt. Die Kunst ist der Auslöser für ihre Freundschaft mit Reizo. Dieser ist ein berühmt-berüchtigter Straßenkünstler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Welt etwas mehr Farbe zu verleihen. Dafür ist er sogar bereit, die Stimmen in seinem Kopf zu akzeptieren. Seine Schizophrenie wäre medikamentös behandelbar, nur dämpfen die Medikamente sein Talent. Nimmt er sie ein, kann er nicht zeichnen, also verzichtet er darauf. Natürlich ohne das Wissen seiner Mutter oder seines Arztes. Ich kann nicht sagen, ob Reizos Beziehung zu den beiden Stimmen, die er tagein, tagaus hört, realistisch dargestellt ist. Es ist sehr schwer, sich in seine Lage zu versetzen, weil sich ein gesunder Mensch wohl kaum vorstellen kann, wie es ist, wenn man mit den eigenen Gedanken nicht allein ist. Die Stimmen selbst erschienen mir jedoch nicht „normal“. Ich glaube, sie gehören zur übergeordneten Handlung der Reihe, denn R.E. Rowe lässt sie ein paar Andeutungen machen, die sie mit den kurzen Zwischenkapiteln des Buches in Verbindung bringen. Diese zeigen eine Art PC-Log, das die Befehle einer unbekannten Person protokolliert und sind absolut unverständlich. R.E. Rowe erklärt weder ihren Wert für die Handlung, noch erläutert er, was dort überhaupt zu sehen ist. Meiner Meinung nach sind sie daher völlig überflüssig. Diese Zwischenkapitel sind jedoch lediglich der Anfang vom Ende. Ab der zweiten Hälfte gingen aus irgendeinem Grund sämtliche Pferde und Zebras mit Rowe durch. Was als süße, mysteriöse Geschichte einer aufblühenden Liebe begann, entwickelte sich rasant zu einem absurden Höllenritt in den Unsinn. Das Testament, das unser Pärchen in dem Sturmkeller findet, ist der letzte Wille eines Vorfahren von Reizo, der den Landbesitz ihrer Stadt umverteilt. Selbstverständlich gibt es Leute, denen das überhaupt nicht in den Kram passt. Diese Leute sind – und jetzt kommt’s – Teil der russischen Mafia. Die Russenmafia. Ich wollte meinen Augen kaum trauen. Wie kam Rowe nur auf diese abwegige, lächerliche Idee? Ich dachte, es sollte in dem Roman um Reinkarnation gehen, denn schließlich heißt die Reihe „Reincarnation“, doch stattdessen ging es plötzlich um Drogen, Waffen und lebensbedrohliche Situationen. Knall auf Fall drehte sich die Geschichte um 180 Grad, wurde unrealistisch, heftig, krass und abgedreht. Möglicherweise dachte R.E. Rowe, seine Handlung vertrüge einen Actionkick – eine kolossale Fehleinschätzung meiner Meinung nach. Ich hätte diese Wandlung nie und nimmer gebraucht, ganz im Gegenteil, mir gefiel die ruhige, behutsame Aura der Geschichte. Was hat sich der Autor nur dabei gedacht? Was hat er seiner Geschichte angetan? Mir fehlen die Worte, um meine Enttäuschung und Entrüstung angemessen zu beschreiben.

 

Ich glaube, mir ist noch kein Buch untergekommen, das dermaßen gespalten ist wie „Voices“ von R.E. Rowe. Die Handlung der zweiten Hälfte steht in keinerlei logischem Zusammenhang mit der ersten Hälfte, fast, als gehörten sie zu zwei unterschiedlichen Geschichten. „Voices“ ist katastrophal unausgeglichen und ich muss euch wirklich vehement davon abraten, es zu lesen. Mit solchem Quatsch verschwendet ihr nur eure kostbare Lesezeit.

 

Vielen Dank an Netgalley und Tree Lovers Press für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplar im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/03/16/r-e-rowe-voices
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