logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: kleine-schwester
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2018-11-27 13:10
Skurrilität mit ausgefahrenen Krallen
Weave a Circle Round - Kari Maaren

Kari Maaren ist ein kreatives Allround-Talent. Die Kanadierin schreibt Geschichten, zeichnet den Webcomic „It Never Rains” und komponiert Musik. Ihr musikalisches Schaffen ist leider nur wenigen bekannt, denn ihre Songs gehören zum Genre Filk. Filk ist an Folk angelehnt und behandelt Themen aus der Science-Fiction und Fantasy. Echte, unverfälschte Nerd-Musik. Yeah! Ich habe mir drei ihrer Stücke auf der Ukulele angehört: „Dear George R.R. Martin”, „Voldemort, I Wanna Be Like You” und „Everybody Hates Elves”. Die Lieder sind großartig. Ich habe mich köstlich amüsiert. Wirklich, hört mal rein. „Weave a Circle Round” ist Maarens schriftstellerisches Debüt. Es ist ein YA-Zeitreise-Roman ohne Liebesgeschichte, weil sie Liebesgeschichten als 14-Jährige schrecklich langweilig fand. Ich erhielt ein Rezensionsexemplar via Netgalley.

 

Eines Tages reißt ein lautes Krachen die 14-jährige Freddy mitten aus einem Streit mit ihrer cleveren kleinen Schwester Mel und ihrem tauben Stiefbruder Roland. Vor dem leerstehenden Nachbarhaus ist ein Umzugswagen gegen einen Baum gebrettert. Aus dem Unfallwagen klettern ein Junge in Freddys Alter und eine ältere Frau. Sie stellen sich als Josiah und Cuerva Lachance vor. Sofort spürt Freddy, dass ihre neuen Nachbarn speziell sind. Sie sind… exzentrisch. In ihrer Gegenwart scheinen die Gesetze der Physik und der Logik keine Gültigkeit zu haben. Nach einigen äußerst seltsamen Begegnungen ist Freddy fast entschlossen, ihr verrücktes Haus nie wieder zu betreten. Doch dann folgt sie Josiah durch eine Tür – und landet plötzlich im mittelalterlichen Schweden. Will sie wieder nach Hause, hat sie keine andere Wahl, als Josiah zu vertrauen. Ausgerechnet! Langsam dämmert ihr, dass Josiah und Cuerva Lachance nicht zufällig nebenan eingezogen sind. Wer sind die beiden wirklich? Was wollen sie von ihr und ihrer Familie? Und wieso steht die Realität Kopf, sobald sie in der Nähe sind?

 

Als ich den Klappentext von „Weave a Cirlce Round“ las, nahm ich aus irgendeinem nicht nachzuvollziehenden Grund an, bei den neuen Nachbarn der Protagonistin Freddy handele es sich um ein altes, kauziges Ehepaar. Ich war ziemlich überrascht, als sich mein Irrtum offenbarte. Was ihre Kauzigkeit betrifft, lag ich hingegen goldrichtig. Josiah und Cuerva Lachance sind nahezu aggressiv seltsam. Ihre Merkwürdigkeit ist aufdringlich; sie springt Leser_innen und Figuren gleichermaßen mit ausgefahrenen Krallen ins Gesicht, was die Autorin Kari Maaren wohl beabsichtigte. Niemand kann leugnen, dass mit diesen beiden etwas nicht stimmt. Cuerva Lachance, eine nominell erwachsene Frau, die darauf besteht, mit vollem Namen angesprochen zu werden, verfügt über die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege, gibt mitten in der Nacht dröhnende Orgelkonzerte und taucht ständig völlig unvermittelt auf. Sie ist immer irgendwie drüber und daneben. In ihrer Gegenwart scheint sich die Realität selbst zu winden. Josiah hingegen mag offiziell erst das Teenageralter erreicht haben, benimmt sich jedoch, als wäre er mit 45 auf die Welt gekommen. Er wirkt manchmal regelrecht suizidal, weil er in seiner drolligen, gespreizten Ausdrucksweise alles und jede_n beleidigt und provoziert – inklusive Lehrpersonal und Schulhofschläger. Dennoch mochte ich die beiden. Ich traute ihnen nicht, aber mich amüsierte es, dass sie ihre Skurrilität nicht zu kontrollieren vermochten, egal, wie sehr sie sich anstrengten. Sie können einfach nicht anders. Für die arme Freddy sind Josiah und Cuerva Lachance allerdings eine echte Herausforderung. Sie belagern ihre Familie: sie selbst, ihre kleine Schwester Mel und ihren Stiefbruder Roland. Tragischerweise sind ihre Eltern sowohl physisch als auch emotional in „Weave a Circle Round“ kaum präsent, was einige von Freddys ungesunden Verhaltensweisen erklärt. Es gefiel mir, dass Maaren diese gestörte Familiendynamik anspricht, ohne sie die Geschichte dominieren zu lassen. Es geht in diesem Buch nicht um Freddys Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Es geht um sie und ihre Geschwister. Durch den mysteriösen Zeitreiseunfall verbringt Freddy mit Abstand am meisten Zeit mit Josiah und Cuerva Lachance. Obwohl sie während dieser Phase eine interessante charakterliche Entwicklung durchlebt, fand ich ihre Reise durch die Zeit leider recht langatmig. Für die schmalen Erkenntnisse, die sie gewinnt, ist dieser Part definitiv zu lang. Sie sammelt Hinweise auf die wahre Identität von Josiah und Cuerva Lachance, erhält jedoch kaum konkrete Antworten. Ich fühlte mich von Kari Maaren hingehalten und tolerierte die Verzögerung nur, weil ich ihre Herangehensweise an drohende Zeitreiseparadoxa herrlich mutig fand. Sie ignoriert sie schlicht. Sie leugnet, dass es Paradoxa geben könnte, weil die gesamte Situation ohnehin so unmöglich ist, dass Logik keine Rolle mehr spielt. Dieser erfrischende Ansatz passt vortrefflich zum Tenor von „Weave a Circle Round“, da das Buch das sensible Verhältnis von Ordnung, Chaos und Schöpferkraft diskutiert – auf verrückte, nerdige Art und Weise.

 

Ich mochte „Weave a Circle Round”. Es ist eine hübsche, geekige Geschichte mit nettem philosophischem Einschlag, die mich insgesamt gut unterhielt. Am Ende habe ich durchaus überlegt, was wohl aus den Figuren werden könnte. Das ist immer ein gutes Zeichen, weil diese Gedanken beweisen, dass sie mir nicht gleichgültig waren. Trotzdem hoffe ich, dass Kari Maaren der Versuchung einer Fortsetzung widersteht, denn meiner Meinung nach besteht der Reiz darin, es eben nicht zu wissen und die eigene Fantasie anzukurbeln, was ich als Intention der Autorin verstehe. Stattdessen drücke ich die Daumen, dass Maaren ihre schriftstellerischen Ambitionen weiterverfolgt, weil ich glaube, dass sie die kleineren Mängel, die ihr Debüt speziell in der Taktung aufweist, überwinden kann. Übung macht den Meister – wer könnte das besser wissen als eine Musikerin wie Kari Maaren?

 

Vielen Dank an den Verlag Tor Books und Netgalley für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/27/kari-maaren-weave-a-circle-round
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2018-10-31 21:06
Es war wie verhext
Der Märchenerzähler - Antonia Michaelis,Kathrin Schüler

Recherchiere ich Autor_innen für meine Rezensionen, freue ich mich immer, wenn ich in ihren Biografien und Interviews etwas finde, das mich mit ihnen verbindet. Bei Antonia Michaelis ist der Kitt zwischen uns allerdings so unwahrscheinlich, dass ich mir ungläubig die Augen rieb. In einem Interview wurde sie gefragt, ob sie sich noch an das erste Buch erinnere, das sie je gelesen habe. Sie antwortete, das wäre mit 5 Jahren ein Buch über drei kitschige kleine Katzen gewesen, die mit einem Wollknäuel spielten. Ich kenne das Buch! Es war auch eins meiner Kinderbücher! Zugegeben, ich weiß nicht, ob wir dasselbe Buch meinen, aber mir gefällt die Vorstellung. Glücklicherweise ist „Drei Kätzchen“ kein Hinweis auf die Qualität von Michaelis‘ eigenen Büchern. Sie überzeugte mich mit „Die Worte der Weißen Königin“ – nun wollte ich sie mit „Der Märchenerzähler“ erneut auf die Probe stellen.

 

Auf dem Schulhof kursieren über den polnischen Kurzwarenhändler die wildesten Gerüchte. Er schwänzt die Schule. Er lebt in einem Plattenbau. Er verkauft Drogen. Für Anna war ihr schweigsamer Mitschüler kaum mehr als ein verschwommener Schemen am Rande ihrer Wahrnehmung. Bis zu dem Tag, an dem sie die Puppe findet. Plötzlich erhält der polnische Kurzwarenhändler einen Namen. Er heißt Abel Tannatek und verfügt über eine magische Stimme. Er ist ein Märchenerzähler, der sich rührend um seine kleine Schwester Micha kümmert, für die er wundervolle Geschichten erfindet. Schon bald ist Anna von ihm verzaubert und entdeckt Gefühle, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Doch sie spürt auch, dass irgendetwas nicht stimmt. Das Märchen nimmt eine beängstigende Wendung. Welche finsteren Geheimnisse verbirgt Abel? Tiefer und tiefer versinkt Anna in einem undurchsichtigen Strudel von Fantasie und Realität und erkennt, dass das Märchen vielleicht kein Happy End haben kann…

 

Wie soll ich euch nur erklären, was ich für „Der Märchenerzähler“ empfinde? Als ich diese Rezension begann, dachte ich, sie würde ein Klacks. Einleitung und Inhaltsangabe schrieben sich flüssig und ich war optimistisch, auch den Hauptteil zügig fertig zu bekommen. Jetzt sitze ich vor der gefühlt hundertsten Version und möchte am liebsten laut schreien. Es ist wie verhext. Meine Gedanken stecken fest. Ich komme nicht voran. Dieses Buch macht mich fertig. Meine Emotionen sind so widersprüchlich, dass ich nicht weiß, wie ich sie in einen kohärenten Text verwandeln soll. Ich schreibe jetzt einfach drauf los und schaue, was dabei herauskommt. Also verzeiht, wenn diese Rezension etwas anders ist als meine üblichen Ergüsse.
Einerseits sehe ich in Antonia Michaelis eine der sozialkritischsten Autor_innen, die Deutschland zu bieten hat. Ich schätze ihren Mut, auf das Leid hinter verschlossenen Türen zu blicken. Ihr Talent, ernste, traurige und unangenehme Tabuthemen in poetische Geschichten mit einer traumähnlichen Atmosphäre zu kleiden, ist beeindruckend und ihr Schreibstil ist irrsinnig schön. Ich erkenne, wie besonders „Der Märchenerzähler“ ist und würde lügen, würde ich behaupten, die melancholische, tragische Geschichte von Abel und Anna habe mich nicht berührt. Die begleitende Binnenerzählung des Märchens, das Abel für seine kleine Schwester Micha erfindet, ist bezaubernd und erzeugt auf einzigartige Art und Weise Spannung, weil sie Realität und Fantasie verschwimmen lässt. Ich wollte herausfinden, welche Ereignisse der Wirklichkeit Abel darin spiegelt und bangte um ihn und die entzückende Micha, die er mit bedingungsloser Aufopferung liebt. Ich fieberte mit, das möchte ich nicht leugnen.
Andererseits empfand ich jedoch nicht so intensiv, wie ich es mir gewünscht hätte. Meine Tränenkanäle blieben fest verschlossen, obwohl „Der Märchenerzähler“ prädestiniert dafür ist, wahre Sturzbäche auszulösen. Ich konnte das Buch nicht richtig spüren. Ich kam nicht an meine Emotionen heran, weil die surreale, ätherische Atmosphäre sie bedeckte und dämpfte. Ich fühlte mich in Watte gepackt. Für mich ist es zu rücksichtsvoll, zu sanftmütig. Oftmals erreicht mich die harte Realität besser als jede lyrische Metapher. Ich verstehe, dass kalte Fakten nicht in diese Geschichte passen, weil das Märchen für Abel, Micha und Anna eine Realitätsflucht darstellt, durch die sie die schreckliche, mitleidlose Welt vergessen können. Aber für mich gestaltete sich meine Leseerfahrung dadurch als zu entrückt. Deshalb erlebte ich während der gesamten Lektüre eine unüberwindbare Distanz, die ich gern abgeschüttelt hätte.
Und dann war da noch die Vergewaltigung. Ich möchte nicht zu viel verraten, doch ich finde es wichtig, diesen Punkt anzusprechen. Ich begreife nicht, was sich Antonia Michaelis dabei dachte, wieso sie glaubte, diese Szene sei notwendig. Meiner Ansicht nach war sie es nicht, weil sie deren Effekt auch anders hätte erreichen können. Der Autor Robert Jackson Bennett schrieb einmal in einem Essay, dass Vergewaltigungsszenen nur dann eingesetzt werden sollten, wenn sie absolut unvermeidlich sind. Das ist sehr, sehr selten der Fall. Eine Vergewaltigung als inhaltliches Stilmittel zu missbrauchen, ist inakzeptabel. In „Der Märchenerzähler“ konnte ich nicht erkennen, inwiefern diese Szene die Geschichte entscheidend beeinflusste. Ich mutmaße, dass Michaelis eine Aussage über die Beziehung der beteiligten Figuren treffen wollte, was meiner Meinung nach keine überzeugende Rechtfertigung ist. Zusätzlich schürt der nachfolgende Umgang des Opfers mit diesem Erlebnis Vergewaltigungsmythen. Mir stieß diese Szene daher sehr sauer auf. Sie beschäftigte mich so, dass ich das Buch kaum noch von ihr trennen und für sich selbst betrachten kann. Mag sein, dass ich überempfindlich bin. Vermutlich wollte Antonia Michaelis vermitteln, dass Liebe eigenen Regeln folgt. Eine Vergewaltigung sollte jedoch niemals im Rahmen dieser Regeln liegen.

 

Meine Güte, bin ich erleichtert. Endlich habe ich diese blöde Rezension fertig und einen halbwegs brauchbaren Text zustande gebracht. Ich erlebe immer mal wieder Buchbesprechungen, die sich schwerfällig schreiben, besonders dann, wenn meine Notizen nutzloser Murks sind. Doch ich glaube, eine Situation, in der meine Gedanken zu einem Buch so fest ineinander verdreht sind, dass ich ernsthafte Schwierigkeiten habe, sie zu entwirren und auszuformulieren, habe ich noch nie erlebt. Der Knoten ist auch immer noch nicht geplatzt. „Der Märchenerzähler“ wird für mich wohl auf ewig mit widersprüchlichen Gefühlen und einem generellen Eindruck von mentalem Chaos verbunden sein. Ich hätte niemals angenommen, dass dieses unschuldig daherkommende Buch solche Komplikationen auslösen könnte. Ich hoffe, dass diese Rezension trotzdem hilfreich für euch war, denn eine faire Empfehlung erscheint mir unmöglich. Wie „Der Märchenerzähler“ auf mich wirkte, ist eine Ausnahmeerscheinung, die weder Rückschluss darauf gibt, wie ich eine Lektüre normalerweise erfahre, noch, wie sie euch beeinflussen würde. Es ist ein Sonderfall. Deshalb kann und möchte ich euch nur eines raten: falls ihr sensibel auf das Thema Vergewaltigung reagiert, solltet ihr Abstand von „Der Märchenerzähler“ nehmen. Das ist der einzige Kritikpunkt, den ich faktisch (statt emotional) begründen kann. Diese Szene war unnötig und enttäuschte mich sehr. Von einer Autorin, die mutig gesellschaftliche Missstände anprangert, habe ich definitiv mehr erwartet.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/10/31/antonia-michaelis-der-maerchenerzaehler
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2018-08-29 09:23
Darum lese ich Bücher immer zu Ende
Blood Red Road - Moira Young

Als Moira Young gefragt wurde, wie ihr Traumberuf aussähe, wäre sie keine Autorin, antwortete sie sehr präzise. Sie besäße ein altmodisches, nichtkommerzielles Kino in einer kleinen Küstenstadt. Es gäbe gemütliche Plüschsessel, schwere rote Samtvorhänge, Popcorn mit echter Butter und einen Projektor in einer Nische. Sie würde nur Streifen zeigen, die sie selbst mag, zum Beispiel trashige B-Movies. Vermutlich seid ihr schon draufgekommen: Young liebt Filme. Diese Leidenschaft beeinflusste sogar den Entstehungsprozess ihres Debütromans „Blood Red Road“. Sie visualisierte die Geschichte der Protagonistin Saba wie einen Film, nutzte ihre Augen als Kamera. Kein Wunder, dass sich der Trilogieauftakt als actiongeladener Roadtrip entpuppte. ;)

 

Für die 18-jährige Saba ist ihr Zwillingsbruder Lugh der Mittelpunkt ihrer Existenz. Er ist ihr Licht, ihre Sonne, der einzige Grund, warum sie das Leben in der dürren Ödnis von Silverlake ertrug. Deshalb wird sie ihn retten. Sie wird seine Entführer bis ans Ende der Welt jagen. Lugh wurde verschleppt. Saba weiß nicht, welches Interesse die dunkel gekleideten Männer, die im Windschatten eines gewaltigen Sandsturms ihr Heim überfielen, an ihm haben und es ist ihr auch egal. Begleitet von ihrer kleinen Schwester Emmi zieht sie aus in die staubige, gesetzlose Weite der Dustlands. Sie würde alles tun, um Lugh zurückzubekommen. Sie lernt zu kämpfen, verbündet sich mit Rebellen und schließt unerwartete Freundschaften. Für Lugh greift sie die Grundfesten ihrer Zivilisation an und bedroht ein Drogenkartell, das sie ohne zu zögern töten würde. Sie riskiert ihr Leben und wächst über sich hinaus. Denn Saba ist mehr als Lughs Schatten. Sie ist eine Naturgewalt.

 

Es war eine schwere Geburt für mich und „Blood Red Road“. Zu Beginn dachte ich, das wird nie was mit uns. Ich mochte die Protagonistin und Ich-Erzählerin Saba nicht, fand ihre Fixierung auf ihren Zwillingsbruder Lugh ungesund, zweifelte daran, ob die beiden heimlich mehr als Geschwister sind (igitt) und hatte große Schwierigkeiten mit Moira Youngs Schreibstil, denn ich konnte mich zuerst nicht mit der fragmentarischen Umgangssprache und der fehlenden Abgrenzung von wörtlicher Rede anfreunden. Ich brauchte ewig, um in den Auftakt der „Dust Lands“ – Trilogie hineinzufinden. Deutlich über 100 Seiten. Doch dann änderte sich etwas. Saba änderte sich. Plötzlich holte mich ihre Geschichte ab und ich hatte überraschend Freude an der Lektüre. Es ist erstaunlich, wie abhängig mein Lesespaß von Sabas Attitüde war. Anfangs war sie mir unsympathisch, weil sich ihr Denken ausschließlich um Lugh drehte, obwohl ihre kleine Schwester Emmi direkt neben ihr stand und sie brauchte. Erst, als Saba begann, sich ehrlich um Emmi zu sorgen, stieg sie in meinem Ansehen, sodass ich in der Lage war, „Blood Red Road“ zu genießen. Sicher beabsichtigte Moira Young diese extreme Reaktion nicht, der intensive Fokus auf Saba ist hingegen gewollt. Im Zentrum der Geschichte stehen das Wachstum ihrer Beziehung zu Emmi und ihre persönliche Entfaltung. Young mutet der 18-Jährigen einiges zu und schickt sie auf einen rasanten, schnell voranschreitenden Roadtrip zur Rettung ihres entführten Bruders. Die Übergänge der ereignisreichen Handlung erschienen mir recht hart. Saba gleitet nicht sanft von einer Phase in die nächste, sondern erlebt ihre Reise im Stakkato. Manche Entwicklungen wirkten daher ruckartig; ich hatte das Gefühl, dass Young Saba zu einigen Entscheidungen zwang, die ihrem Charakter widersprachen, um raschen Fortschritt zu gewährleisten. Beispielsweise legt sie ihr Leben (und somit auch Emmis und Lughs) in die Hände einer Rebellengruppe, die sie kaum kennt, obwohl sie sonst beinahe lächerlich misstrauisch ist. Dieser abrupte Impuls passte nicht zu meinem Bild von ihr und irritierte mich. Rückblickend schätze ich, dass sie in der harschen endzeitlichen Realität der Dustlands wohl einfach jemandem vertrauen musste, weil sie nicht das Geringste von der gnadenlosen Welt außerhalb von Silverlake weiß. Young gestaltete das Worldbuilding ihrer Postapokalypse dementsprechend zurückhaltend und gibt nur dezente Hinweise auf eine Vergangenheit, die vermutlich mit unserer Wirklichkeit gleichzusetzen ist. Das war ein wenig frustrierend, der altmodische Western-Charme der Geschichte tröstete mich jedoch darüber hinweg. Ich fand die Mischung aus ruchlosen Städten, Banditen zu Pferde und der Atmosphäre einer endlosen, sandigen Prärie sehr aufregend. Kriminalität ist alltäglich, es gibt keine Gesetzeshüter oder Ordnungsinstanzen, folglich ist es naheliegend, dass Young ein Drogenkartell als Gegenspieler für Saba etablierte. Mir gefiel diese abwechslungsreiche, originelle Idee wirklich gut. Es passt in dieses Universum, dass die Menschen nicht durch ein repressives, überwachungsgestütztes Regime kontrolliert werden, sondern durch eine Droge, die das Kartell monopolisierte. In der Gesellschaft der Dustlands hat das Kartell absolute Macht. Sie können tun, was sie wollen, weshalb mir sogar der geistesgestörte Grund für Lughs Entführung plausibel erschien. So viel Macht steigt eben zu Kopf.

 

Nach meinem miesen Start mit „Blood Red Road“ habe ich nicht erwartet, dass mich der Trilogieauftakt so gut unterhalten würde. Manchmal lohnt es sich, dass ich Bücher grundsätzlich zu Ende lese. Hätte ich nach den ersten 100 Seiten aufgegeben, wäre ich niemals Zeugin der beeindruckenden und clever inszenierten Entwicklung geworden, die Moira Young für ihre Protagonistin Saba plante. Sie kultiviert eine Identität abseits ihrer Rolle als Lughs Zwilling, die inspirierend ist. Vor der atmosphärischen Kulisse einer postapokalyptischen Welt, die an den Wilden Westen erinnert, erlebt sie zahlreiche nervenaufreibende Abenteuer, findet zu sich selbst und konnte mich doch noch von sich überzeugen. Ich freue mich darauf, sie in den Folgebänden wiederzusehen. Dann hoffentlich ohne Anlaufschwierigkeiten.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/08/29/moira-young-blood-red-road
Like Reblog Comment
review 2015-07-22 10:31
Eine fantastische Fortsetzung
World After - Susan Ee

Endlich, endlich, endlich. Endlich konnte ich die Trilogie Penryn & the End of Days von Susan Ee weiterlesen. Im Mai letzten Jahres war ich hemmungslos und überschwänglich begeistert vom ersten Band „Angelfall“, wollte aber unbedingt die Veröffentlichung des Finales abwarten, um die Geschichte in einem Rutsch auslesen zu können. Der Cliffhanger am Ende von „Angelfall“ lehrte mich, geduldig zu sein. Ich hatte sehr hohe Erwartungen an „World After“, denn der Auftakt der Trilogie war vermutlich die bisher beste YA-Dystopie meiner Lesekarriere.

 

Der Engel-Horst ist zerstört. Der Angriff des Widerstands war ein voller Erfolg. Auch für Penryn, denn sie konnte ihre kleine Schwester Paige aus den Fängen der Engel befreien. Doch ist Paige überhaupt noch Paige? Die Experimente der Engel gaben ihr zwar ihre Beine zurück, sodass sie wieder laufen kann, aber sie verwandelten sie auch in etwas, das nicht mehr völlig menschlich ist. Ihr monströses Äußeres und seltsames Verhalten machen den Rebellen des Widerstands Angst. Wenn Menschen Angst haben, tun sie fürchterliche Dinge. Die Situation eskaliert, Paige läuft davon und Penryn sieht es als ihre Pflicht an, sie zu finden. Währenddessen jagt Raffe noch immer seinen Flügeln nach, die ihm der Gefallene Beliel gestohlen hat und ohne die er nicht zu den Engeln zurückkehren kann. Im denkbar unwahrscheinlichsten Moment treffen Penryn und Raffe wieder aufeinander. Können sie gemeinsam die entsetzlichen Pläne des Erzengels Uriel vereiteln und so die Menschheit retten?

 

„World After“ ist eine fantastische Fortsetzung, anders kann ich es einfach nicht ausdrücken. Schon im ersten Band „Angelfall“ war ich ein Riesenfan der Protagonistin Penryn und nun wurde ich in meiner Begeisterung erneut bestätigt. Sie ist eine unheimlich starke Figur, die die spannende, packende Geschichte rund um diese kreative Version einer Apokalypse mit Leichtigkeit trägt und vorantreibt. Obwohl zwischen der Lektüre des Auftakts der Trilogie und „World After“ über ein Jahr lag, hatte ich keine Probleme mit dem Wiedereinstieg. Susan Ees Schreibstil ist direkt und gradlinig, sodass ich mich schnell in die Geschichte einfand und das Gefühl hatte, wirklich in Penryns Kopf zu sein. Ich sah, was sie sah; fühlte, was sie fühlte. Diese intensive Nähe kam auch deshalb zu Stande, weil ich Penryn verstehe. In jeder Situation, in jedem Moment, in jeder einzelnen Emotion. Sie ging mir nicht ein einziges Mal auf die Nerven, was mir sonst mit YA-Protagonistinnen sehr oft passiert, unabhängig davon, wie gut mir das Buch gefällt. In Penryn entdecke ich einige meiner eigenen Wesenszüge; wir sind uns ähnlich. Sie ist rational, handelt niemals überstürzt und hat absolut keinen Hang zum Selbstmitleid. Sie tut, was getan werden muss, mutig und selbstlos. Sie hat immer einen Plan und gibt niemals auf. Klingt zu gut, um wahr zu sein und fast ein bisschen langweilig, richtig? Falsch. Natürlich zweifelt auch diese starke Heldin und erliegt der einen oder anderen unschönen Emotion. In „World After“ wird das vor allem durch den Handlungsstrang mit ihrer kleinen Schwester Paige deutlich. Penryn ist sich ihrer Gefühle ihr gegenüber seit Paiges… Veränderung nämlich keineswegs mehr so sicher. Ihre Schwester ist monströs und obwohl sie nichts dafür kann, tut sich Penryn sehr schwer damit, das zu akzeptieren und zu erkennen, dass Monstrosität stets im Auge des Betrachters liegt. Ich fand das äußerst realistisch und nachvollziehbar, denn was die Engel aus Paige gemacht haben, ist wirklich unheimlich. Mir wäre es auch schwer gefallen, damit klarzukommen. Ihre verletzliche Seite zeigt Penryn darüber hinaus auch im Umgang mit Raffe und vor allem mit ihrer Mutter. Ihre Beziehung ist viel komplizierter, als es den Großteil der Geschichte über den Anschein hat – in „World After“ konnte ich einen Blick hinter Penryns starke Fassade werfen. Ihre Mutter geht ihr unter die Haut; ich konnte erahnen, wie Penryn aufgewachsen ist und wie viel Schmerz sie seit so vielen Jahren aushalten muss. Sie ist vermutlich die Einzige, die Penryn wahrhaft zu verletzen vermag, denn sie trifft zielsicher ihre wunden Punkte. Nicht einmal Uriel, der diabolische, katastrophale Pläne für die Menschheit und die Erde verfolgt, dringt dermaßen durch ihre Mauern. Ich fand es sehr interessant, dass ein Engel so verdorben sein kann und musste darüber schmunzeln, dass der fieseste Bösewicht, den Susan Ee sich ausgedacht hat, im Grunde nur ein außerordentlich skrupelloser Politiker ist. Wenn man will, kann man darin sicher einen reichlich bissigen Kommentar zu unserer Gesellschaft sehen.

 

Ich fand „World After“ mindestens genauso gut und mitreißend wie den ersten Band der Trilogie. Susan Ee hält ihr Niveau und führt ihre Geschichte in eine überzeugende Richtung weiter. Ich liebte die Einblicke in die Politik der Engel und kann von Penryn einfach nicht genug bekommen. Ich wünschte ein bisschen, sie wäre eine reale Person, denn ich wäre so gern mit ihr befreundet. Nicht nur wegen ihrer zahlreichen positiven Eigenschaften, sondern auch, um ihr eine Schulter zum Ausweinen zu bieten. Meiner Meinung nach hat sie das dringend nötig. Meine Güte, das Mädchen ist 17. Sie hat nur keine Zeit, sich auch dementsprechend zu verhalten. Ich drücke ihr von ganzem Herzen die Daumen, dass im Finale „End of Days“ ein Happy End auf sie wartet. Vielleicht sogar mit Raffe. Ich möchte sie glücklich sehen.
Ich kann nur allen LeserInnen, die den ersten Band „Angelfall“ gelesen haben und mochten, empfehlen, die Trilogie weiterzuverfolgen. Es ist kreativ, es ist frisch, es ist aufregend. Kein Gejammer, nur faszinierende Ideen voller Action und genau dem richtigen Maß an Gefühl. Soll die Apokalypse nur kommen. Penryn zeigt uns, wie man sie in ihre Schranken weist!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/07/22/susan-ee-world-after
More posts
Your Dashboard view:
Need help?