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review 2018-04-10 10:46
Alles beim Alten
Die Macht der Alten - Richard Schwartz

Havald zersplitterte. Der Nekromantenkaiser zerriss seine Seele. Nur mit Mühe gelang es ihm, sein Selbst wieder zusammenzusetzen. Nun teilt er seinen Körper mit all den Seelen, die ihm der Verschlinger und Seelenreißer überließen. Hunderte, Tausende aller Zeitalter leben in ihm weiter, während er von ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten profitiert. Die dunkle Gabe pulsiert in ihm. Mit seinem Schicksal hadernd zieht er sich zurück, versteckt sich im Hammerkopf, der Schenke, in der alles begann. Hier findet ihn Leandra. Einfühlsam überzeugt sie ihn, sich nicht abzuwenden. Illian und Askir brauchen ihn, denn noch immer bedroht Thalak die Königreiche, trotz des erfolgreichen Eingreifens von Xiang. Drachen wurden am Himmel gesichtet, primitive, furchtbare Wesen, die nicht mit der Majestät und Intelligenz Elsines vergleichbar sind und von einer Kriegsfürstin in weißer Lederrüstung kontrolliert werden: Farlin, Aselas Tochter. Havald kehrt nach Askir zurück und beginnt sofort, die Feldzüge vorzubereiten, die den Krieg ein für alle Mal beenden sollen. Seine unkonventionellen Ideen inspirieren nicht nur Zustimmung, doch seine engsten Freunde vertrauen seiner Führung. Leandra, Serafine, Zokora und Varosch begleiten ihn ins Blutige Land, um endlich das Geheimnis des Tarns zu lüften. Welche Macht haben die Alten ihren Nachfahren hinterlassen? Welche Opfer werden nötig sein, um den Krieg der Götter zu entscheiden?

 

Um es mit Erich Kästner zu sagen: da samma wieder. Alles beim Alten. Ein Schritt nach vorn, zwei zurück. Wisst ihr, nach der erfreulichen Lektüre des Zwischenbandes „Der Inquisitor von Askir“ hoffte ich von Herzen, dass Schwung in die Reihe „Die Götterkriege“ kommt. Schließlich habe ich lange genug darauf gewartet. Die Perspektivverschiebung hin zu dem charmanten Dieb Wiesel erschien mir wie ein Silberstreif am Horizont. Es sah wirklich so aus, als hätte sich Richard Schwartz endlich ausgekekst, weil Wiesel der Geschichte die Leichtigkeit verlieh, die sie dringend benötigte. Leider verfällt Schwartz in „Die Macht der Alten“ erneut in die alten, steifen Muster. Der fünfte Band ist einseitig, vorhersehbar und ziemlich langweilig. Schwartz ergeht sich in mikroskopischen Entwicklungen, statt endlich die epische Handlung anzuvisieren, die ich mir wünsche. Kurz vor dem Finale kommt er immer noch nicht zu Potte, weshalb es sich gar nicht so anfühlte, als steuerten wir auf einen explosiven Showdown zu. Die Inkonsequenz des Autors lähmt die gesamte Geschichte. Da er sich weigert, Charaktere sterben zu lassen, jongliert er mit zu vielen Figuren, wodurch sich wiederum zu viele Komplikationen ergeben, die Komplexität vorgaukeln. Er muss unheimlich weit ausholen, um inhaltliche Fortschritte zu erzielen, die allen Verwicklungen logisch gerecht werden. Die Altlasten der Reihe sind ein Klotz am Bein der Geschichte, der ihr Potential fesselt, einschnürt und daran hindert, sich zu entfalten. Ich hatte das Gefühl, Schwartz könnte längst fertig sein, würde er nur einmal auf überflüssiges, seitenfüllendes Geplänkel verzichten und seine Figuren nicht länger in bedeutungsarme Situationen schicken, die keinerlei Mehrwert bieten. Fokus, Herr Schwartz, Fokus. Er gestaltet jede Entwicklung frustrierend umständlich. Er rennt mit der Kirche, ach was rede ich, mit einem ganzen Dom ums Dorf. Deshalb schafft es „Die Macht der Alten“ nur noch knapp und dank viel guten Willens meinerseits auf drei Sterne. Ich bin enttäuscht. Besonders Havald ernüchterte mich maßlos. Warum erlaubt Schwartz ihm keinen einzigen Funken Düsternis? Warum muss seine Heldenrolle so pathetisch sein? Warum nicht mit dem Konzept des Antihelden spielen? Nach dem vierten Band „Die Festung der Titanen“ glaubte ich wirklich, er hätte an Ambivalenz gewonnen und wir hätten das nervtötende Verfluchen seines Schicksals hinter uns gelassen. Aber nein, Havald ist erstens ermüdend facettenlos und zweitens eine Dramaqueen allererster Güte. Er verfügt offenbar über endlose Ressourcen der Jammerei, was einfach traurig ist, weil ich ihn eigentlich gernhabe und Schwartz seine Ich-Perspektive glaubwürdig transportiert. Wie schmerzlich vermisste ich den witzigen, lockeren Wiesel, der zu meinem Leidwesen wieder völlig in der Versenkung verschwand. Immerhin befindet er sich auf dem Friedhof der aussortierten Figuren in bester Gesellschaft, denn dort tummeln sich auch Sieglinde und Janos, die bedauerlicherweise zu farblosen Komparsen degradiert wurden. Wann ist das überhaupt passiert?

 

Mir ist bewusst, dass es klingt, als könnte ich kein gutes Haar an „Die Macht der Alten“ lassen. Das stimmt nicht. Beispielsweise freue ich mich stets über die zahlreichen tonangebenden weiblichen Figuren in „Die Götterkriege“. Es ist erfrischend, dass Richard Schwartz keine Scheu zeigt, wichtige politische, militärische und religiöse Positionen mit Frauen zu besetzen. Das rechne ich ihm hoch an. Meine Negativität ist eine Folge meiner umfassenden Enttäuschung, die manchmal mehr zwickt als die bloße Feststellung, dass ein Buch schlecht ist. „Die Macht der Alten“ wurde meinen Erwartungen, meinen Hoffnungen nicht gerecht. Ich habe Schwierigkeiten, diesen Fakt zu verdauen, weil ich mich so gern begeistern lassen möchte und Schwartz eine Chance nach der anderen einräume, um genau das zu erreichen. Es gelingt ihm einfach nicht. Irgendwie kommen wir auf keinen grünen Zweig. Ich weiß natürlich, dass meine Messlatte für gute High Fantasy sehr weit oben liegt, doch wie man es auch dreht und wendet, „Die Götterkriege“ kann sich nicht mit Epen wie „A Song of Ice and Fire“, „Das Spiel der Götter“ oder gar „Herr der Ringe“ messen. Die Reihe ist zu kleindimensional, weil Richard Schwartz als Schriftsteller weder mutig, noch experimentierfreudig oder abenteuerlustig ist. Ich denke, ihm fehlt die Vision für seine Geschichte. Abwarten, wie er sie im nächsten Band „Der Wanderer“ enden lassen wird.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/04/10/richard-schwartz-die-macht-der-alten
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review 2015-12-04 10:00
Solide, aber leidenschaftslos
Götter der Rache: Roman - Giles Kristian,Wolfgang Thon

„Götter der Rache“ von Giles Kristian habe ich beim Bloggerportal von Random House angefragt, weil die Lektüre ein neuer, weiterer Versuch mit einem historischen Roman sein sollte. Bisher habe ich weder den richtigen Zeitabschnitt noch die richtige Region für mich gefunden, obwohl dieses Genre unheimlich vielfältig ist. Da ich die Kultur der Wikinger faszinierend finde und darüber hinaus ein riesiger Fan der Serie „Vikings“ bin, beschloss ich, es darauf ankommen zu lassen und es mit „Götter der Rache“ zu versuchen. Ich hoffte, mir mit diesem Buch die Wartezeit bis zur Veröffentlichung der vierten Staffel in Deutsch verkürzen zu können und freute mich auf Männer und Frauen, die Stahl in den Venen haben.

 

Sigurd, jüngster Sohn von Jarl Harald, wünscht sich nichts sehnlicher, als sich endlich im Kampf beweisen zu können. Er ist zornig auf seinen Vater, weil dieser ihm diese Ehre verwehrt. Sigurd muss sich damit begnügen, die ruhmversprechende Seeschlacht an der Seite von König Gorm gegen den ambitionierten Jarl Randver aus der Ferne zu beobachten. Er konnte nicht ahnen, dass die Entscheidung seines Vaters sein Leben retten würde. Die Schlacht ist eine Falle. Hilflos muss Sigurd zusehen, wie der gierige König seinen Vater verrät und die tapferen Krieger gnadenlos von Jarl Randvers Männern abgeschlachtet werden. Auf einen Schlag verliert Sigurd alles, was in seinem Leben von Bedeutung ist. Nun kennt er nur noch einen Gedanken: Rache. Lediglich eine Handvoll treue Kämpfer begleiten ihn bei seinem Vorhaben, doch ihr Hass brennt heißer als die Sonne. König Gorm und Jarl Randver werden den Tag verfluchen, an dem sie sich gegen Jarl Harald wandten, denn Sigurd und seine Männer werden Blut in Strömen vergießen…

 

Wisst ihr, was mir beim Lesen von „Götter der Rache“ gefehlt hat? Leidenschaft. Objektiv betrachtet hat dieser Roman von Giles Kristian alles, was ein spannendes Buch ausmacht: einen Rachefeldzug, viele Kämpfe, sympathische Charaktere und eine stabile Atmosphäre. Und doch hatte ich nicht den Eindruck, dass der Autor wirklich Spaß beim Schreiben hatte. Es fühlte sich nicht so an, als würde ihn die Welt seiner fiktiven Figuren tatsächlich begeistern. Dadurch gestaltete sich die Lektüre zugegebenermaßen etwas schwierig für mich. Ich hatte Probleme, mich mit Kristians distanziertem Schreibstil anzufreunden, weil dieser stark mit der Handlung kontrastiert, die sehr blutig, sehr brutal und sehr explizit ist. Eine Jugendwarnung auf dem Cover wäre durchaus berechtigt. Ich bin wahrlich nicht empfindlich und kann gewalttätigen Szenen eine Menge abgewinnen, aber selbst mir war es fast zu viel. Nicht, weil ich mich geekelt hätte, sondern weil ich der Meinung bin, dass die Geschichte rund um Sigurd und seine tapferen Mannen hinter all den Kämpfen etwas dünn geraten und dadurch nur mäßig packend ist.
Darüber hinaus konnte ich mich nicht gut in Sigurd hineinversetzen. Kristian ließ mich nicht an der Planung seiner Rache an König Gorm und Jarl Randver teilhaben, weswegen ich seine Entscheidungen nur selten nachvollziehen konnte. Ich fühlte mich vor vollendete Tatsachen gestellt und ausgeschlossen. Ich hatte keine Chance, Sigurd wirklich nahe zu kommen und muss gestehen, dass ich ihn von allen auftretenden Charakteren am unsympathischsten fand. Seine Truppe hingegen hat einige interessante Persönlichkeiten zu bieten. Die meisten der Krieger sind recht einfach gestrickt, erschienen mir mit ihrer derben Rauheit und ihrem Hang, genau das auszusprechen, was sie denken, allerdings äußerst bodenständig und auf brachiale Weise liebenswert. Sie sind genau so, wie man sich Wikinger vorstellt: unanständig, laut und niemals um einen Kampf verlegen. Das Problem mit dieser Charakterisierung, so sympathisch sie auf den ersten Blick sein mag, ist die Klischeehaftigkeit. Ich konnte nicht anders, als mich während des Lesens zu fragen, ob Wikinger zu ihrer Zeit wohl tatsächlich so waren. Eigentlich ist es paradox, dass mich diese Gedanken umtrieben, denn schließlich wollte ich ein typisches Wikinger-Abenteuer erleben. Ich denke, hätte mich die Geschichte an sich mehr überzeugt, hätte mich ein wenig Schubladendenken nicht gestört, aber da mich Sigurds Rachefeldzug nicht voll und ganz mitriss, hatte mein Kopf die Zeit, an dem Roman herumzukritteln. Vielleicht waren meine Erwartungen auch zu hoch, das will ich nicht ausschließen. Durch „Vikings“ bin ich hinsichtlich der Wikinger-Thematik absolut verwöhnt – ich habe freilich gehofft, dass „Götter der Rache“ ähnlich dramatisch, subtil und perfide ist. Ich liebe Verrat, Intrigen und Geheimnisse einfach. Giles Kristian hat einen direkteren Handlungsverlauf gewählt. Diese Wahl akzeptiere ich und möchte sie ihm unter keinen Umständen ankreiden.

 

„Götter der Rache“ war ein Ausflug in eine Welt, die mich seit jeher fasziniert und in ein Genre, mit dem ich bisher nicht richtig warm werden konnte. Leider fand ich dieses Buch von Giles Kristian nicht so grandios, dass ich nun meine unsterbliche Liebe zu den historischen Romanen entdeckt hätte. Es ist solide, doch der große Knall blieb aus. Ich wünschte wirklich, ich hätte mehr Hingabe seitens des Autors spüren können.
Es fällt mir schwer, die Qualität von „Götter der Rache“ einzuordnen, weil ich so gut wie keine Erfahrung mit dem Genre habe. Vielleicht ist Giles Kristian DIE Autorität in Sachen Wikinger-Romane? Ich weiß es nicht. Ich denke, wenn ihr euch für die Kultur der Wikinger begeistern könnt, ist „Götter der Rache“ eine naheliegende Wahl. Bei einem schwachen Magen würde ich euch allerdings davon abraten. Spritzendes Blut, gebrochene Knochen und abgetrennte Gliedmaßen sind eben nicht für jede_n etwas. ;)

Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/12/04/giles-kristian-goetter-der-rache
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