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review 2016-11-19 07:55
Ist Marie Lu noch nicht bereit für High Fantasy?
The Midnight Star - Marie Lu

Im Nachwort meiner Ausgabe von „The Midnight Star“, Finale der „The Young Elites“ – Trilogie, schreibt die Autorin Marie Lu, dass es ihr immer ein wenig peinlich ist, zuzugeben, dass die Protagonistin Adelina von ihr selbst inspiriert ist. Ich sehe dafür keinen Grund. Im Gegenteil, ich finde, sie sollte stolz darauf sein, dass sie ihre dunkle Seite anerkennt und akzeptiert. Wir alle tragen ein Biest in uns. Nur ist es dankenswerterweise nicht bei allen so ausgeprägt und lebendig wie bei Adelina. ;)

 

Adelina Amouteru hat all ihre Ziele erreicht. Sie ist die Königin von Kenettra. Sie befreite die malfettos. Ihre Streitmacht erobert in ihrem Namen zusätzliches Territorium. Die Inquisition folgt allein ihren Befehlen. Einzig die Liebe ihrer Schwester Violetta bleibt Adelina verwehrt. Seit sie aus dem Palast floh, ist Violetta verschwunden. Bis eines Tages ein Brief eintrifft und kaum verheilte Wunden aufreißt. Raffaele teilt Adelina mit, dass sich Violetta bei den Daggers aufhält. Sie liegt im Sterben. Ihre Kräfte zerreißen sie von innen. Raffaele erinnert Adelina an seine Theorie, dass die menschlichen Körper der Young Elites nicht für die göttliche Macht ihrer Fähigkeiten geschaffen sind. Er schlägt eine Allianz vor, um die Elites ein für alle Mal von ihrem Leiden zu erlösen. Adelina wittert eine Falle, doch sie kann nicht leugnen, dass auch ihre Fähigkeiten mehr und mehr außer Kontrolle geraten. Ihre Grausamkeit wächst von Tag zu Tag. Die Dunkelheit in ihrem Herzen flüstert ihr furchtbare Dinge zu, verhöhnt sie und quält sie selbst im Schlaf. Wird sie das Risiko eingehen, ihren Feinden zu vertrauen, um das Leben ihrer Schwester zu retten und sich selbst von den Stimmen zu befreien?

 

Ich frage mich, ob Marie Lu vielleicht noch nicht bereit war für die Königsklasse der High Fantasy. High Fantasy verlangt ein Gespür für Zusammenhänge und Feinheiten. Es verlangt eine exakte Kenntnis der fiktiven Welt, in der die Handlung spielt. Ich hatte das Gefühl, dass Marie Lu im Universum der „The Young Elites“ – Trilogie nur Gast war und nicht diejenige, die sie konstruierte. Das Worldbuilding ist skizzenhaft und roh. Die Kontinente und Länder sind nicht differenziert ausgearbeitet; ich sehe kaum Unterschiede, kein politisches Zusammenspiel und keine individuellen Kulturen, die Handlung und Charaktere beeinflussen. Sie hätte so viel mehr aus ihrem Setting herausholen können, nutzte es jedoch lediglich als Bühne für das Drama ihrer Figuren. In „The Midnight Star“ wird nicht deutlich, dass die Young Elites eine direkte Folge der Besonderheiten ihres Universums sind und ihre Existenz ausschließlich dort möglich war. Erst gegen Ende des Buches erklärt Marie Lu, dass das Blutfieber, welches die malfettos und die Elites hervorbrachte, das Ergebnis göttlicher Einmischung in weltliche Belange war. Obwohl ich mich freute, nun endlich zu verstehen, woher die Elites ihre übermenschlichen Fähigkeiten haben, hätte ich mir gewünscht, dass Glaubenssystem und Götterpantheon in den vorangegangenen Bänden besser etabliert worden wären. Mir war nicht bewusst, dass Glaube in dieser Welt eine große Rolle spielt. Ich kann mich nicht erinnern, Adelina jemals beim Beten erlebt zu haben.
Im finalen Band büßte die Antiheldin zahllose Sympathiepunkte ein. Adelina ist eine Heulsuse. Dass mir das vorher nie aufgefallen ist. Sie sieht sich stets als Opfer, fühlt sich grundsätzlich ungerecht behandelt und findet daher immer eine Legitimation für ihre Grausamkeit. Sie schiebt die Verantwortung für ihre eigene Verderbnis prinzipiell äußeren Einflüssen zu, mal ihren Feinden, mal den Stimmen in ihrem Kopf. Sie ist kaltblütig und gnadenlos und wundert sich dann darüber, dass sie kaum jemand mag und ihr so gut wie niemand vertraut. Ich hätte überhaupt keine Schwierigkeiten mit ihrer düsteren Persönlichkeit, würde sie denn dazu stehen, wie sie ist. Aber nein, Adelina ist ohne Fehl und Tadel. Die anderen sind schuld. Ich verstehe nicht, wie Magiano es an ihrer Seite aushält. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ist Adelina außerdem eine entsetzliche Königin. Ich weiß gar nicht, wie sie auf die Idee kommen konnte, dass sie für diesen Posten geeignet wäre. Sie hat keine Vision für Kenettra. Sie missbraucht ihre Macht für private, persönliche Ziele. Ihre einzig gute Tat ist die Befreiung der malfettos, die sie allerdings wieder ruiniert, indem sie alle Nicht-Gezeichneten unterdrückt und demzufolge erneut für Spannungen in ihrem Volk sorgt. Das Mädchen ist eine wandelnde Katastrophe und ich finde, dass Marie Lu am Ende der Geschichte sehr lasch mit ihr umgeht, weil sie dieses märchenhaft und hoffnungsvoll gestaltete. Ich bin nicht sicher, ob Adelina diese Güte verdient. Ich bin nicht sicher, ob sie Vergebung verdient.

 

Ich kann nicht abstreiten, dass ich mir vom Finale der „The Young Elites“ – Trilogie weit mehr versprochen habe. „The Midnight Star“ bringt all die Handlungsstränge der beiden Vorgänger irgendwie zusammen, aber richtig stimmig ist das Buch nicht. Mir fehlte vor allem die Kreativität, die ich sonst von Marie Lu gewohnt bin. Ich glaube, als sie den Auftakt „The Young Elites“ schrieb, wusste sie nicht, wohin ihre Geschichte sie führen würde. Sie hatte keinen Plan. Dadurch wirkte der zweite Band „The Rose Society“ holprig und darunter litt auch die Überzeugungskraft des finalen Bandes. Ich wünschte, ich könnte anders urteilen, doch ich denke wirklich, sie ist noch nicht bereit für die speziellen Anforderungen der High Fantasy, die von fleißiger, detaillierter Vorbereitung lebt.
„The Midnight Star“ schaffte es mit Hängen und Würgen auf 3 Sterne. Ich war großzügig, weil ich trotz der Mängel Spaß beim Lesen hatte und mich in der Atmosphäre der gesamten Trilogie sehr wohlfühlte. Ich mag Marie Lus Schreibstil und möchte ihren Mut, die Geschichte einer Antiheldin zu erzählen, honorieren. Ich hoffe allerdings, dass ihr nächstes Projekt „Warcross“ überzeugender ausfällt. Auch Vorschusslorbeeren verlangen Pflege.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/11/19/marie-lu-the-midnight-star
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review 2016-06-08 09:59
Die Düsternis hat einen Namen
The Rose Society - Marie Lu

Seit ich den gleichnamigen Auftakt von Marie Lus neuster Trilogie „The Young Elites” im Mai 2015 voller Begeisterung gelesen habe, fieberte ich der Fortsetzung „The Rose Society“ entgegen. Diese erschien im Oktober 2015, ich versuchte jedoch, mich zurückzuhalten, weil ich wusste, dass das Finale „The Midnight Star“ erst ein Jahr später im Oktober 2016 veröffentlicht würde. Im Mai 2016 hielt ich es nicht länger aus. Ich musste einfach wissen, wie es mit Adelina und den Young Elites weitergeht.

 

Adelina Amouteru wurde verraten. Familie und Freunde ließen sie im Stich, ihre Verbündeten wandten sich von ihr ab, weil sie ihre ungezügelte Macht fürchten. Adelina schwört, Rache zu nehmen. Begleitet von ihrer kleinen Schwester Violetta flieht sie nach Merroutas, um Kenettras Inquisition unter Teren Santoro zu entkommen und andere malfettos zu finden, die ähnliche Kräfte wie sie selbst besitzen. Sie plant, ihre eigene Gesellschaft von Elites zu gründen und mit ihrer Hilfe sowohl die Inquisition als auch die Dagger Society zu zerschlagen. Sie alle werden büßen für das Leid, das Adelina erdulden musste. Sie alle werden vor ihr zittern. Sie alle werden den Tag bereuen, an dem sie die Weiße Wölfin herausforderten. In ihrem blinden Bestreben nach Macht und Vergeltung bemerkt Adelina nicht, dass ihre Fähigkeiten, die sich von Schmerz und Angst nähren, sie zu verschlingen drohen. Sie verliert die Kontrolle. Die Dunkelheit ist ein Teil ihrer Seele – wird sie sich ihren Einflüsterungen hingeben oder an dem Guten in sich festhalten?

 

In „The Rose Society“ schildert Marie Lu die Geschichte von Adelinas Fall in die Dunkelheit. Wiederholt lässt sie sich verführen und gibt der unsagbaren Wut in ihrem Herzen nach, um skrupellos ihre Ziele zu erreichen. Adelina kennt keine Bescheidenheit. Adelina will Königin sein, basta. Sie ist überzeugt, dass ihre Macht allein als Anspruch genügt. Wehe, ihr kommt jemand in die Quere. Ihr könnt euch anhand dieser Beschreibung sicher vorstellen, dass es nicht einfach war, Adelina im zweiten Band der Trilogie „The Young Elites” zu ertragen. Ich wusste, dass Marie Lu „The Rose Society“ als das (bisher) düsterste Buch ihrer Karriere bezeichnet. Ich habe damit gerechnet, dass Adelina eine erschreckende Entwicklung durchleben wird; dass sie, berauscht von ihren Fähigkeiten, jegliches Gespür für Anständigkeit bewusst zum Schweigen bringt. Diesen Prozess zu erleben, empfand ich trotzdem als Herausforderung. Ich spürte, dass mir Adelina immer weiter entglitt und meine Verbindung zu ihr bröckelte. Ich wollte mich von ihr abwenden, konnte mich dem Sog der Geschichte aber nicht entziehen. Adelinas moralischer Verfall übte eine morbide Faszination auf mich aus, obwohl die Handlung, die diese Entwicklung einrahmt, meines Erachtens nach etwas holprig und nicht völlig überzeugend geriet. Für mich war es problematisch, Adelinas Pläne ernst zu nehmen, weil sie streng genommen keine Pläne macht. Sie reagiert lediglich, handelt selten vorausschauend und legt sich nicht ein einziges Mal eine längerfristige Strategie zurecht. Marie Lu lässt sie wie ein Blatt im Wind treiben, das mal hierhin, mal dorthin fliegt, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Adelina wird mit Situationen konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet ist und dementsprechend durch impulsive Entscheidungen bewältigen muss. Einzig ihre enormen Fähigkeiten und ihr Wille, erforderlichenfalls Leben zu opfern, erlauben ihr, Erfolge zu verzeichnen. Unterstützt wird sie dabei von ihrer kleinen Schwester Violetta und einem neuen Charakter, dem Elite Magiano. Ich fand ihre jeweiligen Rollen in der Geschichte äußerst interessant, da sie beide auf ihre Art ein Gegengewicht zu Adelinas geballter Negativität darstellen. Violetta agiert als Adelinas zartfühlendes Gewissen, erinnert sie aber stets an das Leid, dem sie unter ihrem grausamen Vater ausgesetzt war. Violettas Gegenwart ist für Adelina eine zweischneidige Klinge, die sie entweder beruhigt oder erzürnt. Sie fühlt sich von Violettas Fähigkeiten bedroht, da sie die einzige ist, die Adelina aufhalten könnte, erkennt jedoch ihr Potential als mächtige Waffe. Ihre Gefühle für ihre kleine Schwester sind widersprüchlich; sie ist hin- und hergerissen zwischen Liebe, Paranoia und eiskalter Berechnung. Magiano hingegen könnte Adelina vor sich selbst retten, wenn sie ihn ließe. Ich war entsetzt, dass sie nicht erkennt, wie gut er ihr tut. Magianos schalkhafte, gutherzige Positivität überfordert sie, weil sie sich nicht erlaubt, ihm völlig zu vertrauen. Stattdessen hält sie an Enzo fest, mit dem sie eine manische, verzehrende Leidenschaft verbindet, die der Düsternis ihrer Seele Nahrung bietet. Magiano würde Licht und Wärme in ihr Leben bringen, aber sie weigert sich, mehr in ihm zu sehen als ein Mittel zum Zweck und entscheidet sich erneut für die Dunkelheit.

 

Ich fand den ersten Band der Trilogie, „The Young Elites“, besser als die Fortsetzung „The Rose Society“. Nichtsdestotrotz verstehe ich, welche Absicht Marie Lu verfolgte und freue mich nun sehr auf das Finale „The Midnight Star“. Im zweiten Band werden einige Punkte angedeutet, die meine Neugier entfachen und auf einen fulminanten Abschluss hoffen lassen. Ich bin gespannt, ob Lu ihre finstere Antiheldin läutern oder bestrafen möchte. Ich habe noch nicht entschieden, welches Schicksal ich ihr wünsche, befürchte aber, dass es für Adelina bereits zu spät ist.
Für mich ist diese Trilogie reizvoll und lesenswert, weil sie so anders ist. Man trifft im Young Adult – Genre nicht oft auf Antiheld_innen. Selbst wenn ich „The Rose Society“ völlig enttäuschend gefunden hätte, würde ich weiterlesen, um herauszufinden, wie Marie Lu ihre Geschichte beenden wird. Glücklicherweise empfand ich das Buch allerdings als fesselnd und atmosphärisch, voller faszinierender Beziehungen und menschlicher Schattenseiten. Die Düsternis hat einen Namen: Adelina Amouteru.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/06/08/marie-lu-the-rose-society
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review 2015-06-17 09:24
Überraschend düster und beeindruckend originell
The Young Elites - Marie Lu

Adelina Amouteru soll sterben. Für den Mord an ihrem Vater wird die gnadenlose Inquisition der Krone Kenettras sie hinrichten. Dass es ein Unfall war, ausgelöst von einer fantastischen Fähigkeit, die jahrelang unentdeckt in ihr schlummerte, spielt keine Rolle, denn Adelina ist eine malfetto – eine Überlebende des Blutfiebers, das Kenettra vor über 10 Jahren heimsuchte. Am Tag ihrer Hinrichtung kommt jedoch alles anders. Noch während der Scheiterhaufen unter Adelinas Füßen brennt, bricht ihre Fähigkeit erneut aus ihr hervor und im Schutz des aufwallenden Chaos retten die Young Elites, malfettos mit ähnlichen Kräften wie Adelina selbst, sie aus den Händen der Inquisition. Die Young Elites nehmen Adelina bei sich auf und lehren sie, ihre Fähigkeit zu nutzen und zu kontrollieren. Schnell stellt sich heraus, dass sie mächtiger ist als alle Young Elites vor ihr. Doch ihr Talent ist tief mit der Dunkelheit in ihrem Herzen verbunden. Als sie zwischen die Fronten der Inquisition und der Young Elites gerät, muss sie sich entscheiden: wird sie die Düsternis bezähmen oder sich von ihr verschlingen lassen und es allen heimzahlen, die ihr je Unrecht taten?

 

„The Young Elites“ war in vielerlei Hinsicht anders, als ich erwartet hatte. Für einen Young Adult-Roman ist es unheimlich düster und entspricht keinesfalls den gängigen Klischees des Genres. Marie Lu zeigt in ihrem neusten Trilogieauftakt eine völlig andere Facette ihres Könnens und überzeugte mich auf diese Weise ein weiteres Mal von ihrem Talent als Schriftstellerin. Besonders gefiel mir, dass „The Young Elites“ inhaltlich überhaupt nicht mit ihrer vorangegangenen Legend-Trilogie vergleichbar ist. Strukturell finden sich natürlich diverse Gemeinsamkeiten, doch was die Handlung betrifft, liegen Welten zwischen ihnen. Lu entführt ihre LeserInnen in ein Setting, das den malerischen, romantischen Flair des Italiens der Renaissance versprüht. Denkt an Paläste, an Wein, an wunderschöne mediterrane Villen, an fließende Kleider – schon seid ihr mitten in Kenettra. Dieses Land ist nur ein kleiner Teil einer viel größeren Welt, über die ich wohl in den nächsten Bänden mehr erfahren werde. Eines weiß ich jedoch bereits jetzt: in allen Ländern gibt es malfettos; der Unterschied liegt lediglich darin, wie sie behandelt werden. In Kenettra sind sie der Abschaum der Gesellschaft. Gehasst, gemieden, ausgegrenzt. Die Menschen fürchten eben alles, was anders ist und die malfettos sind anders. Das Fieber entstellte viele mit schrecklichen Narben und veränderte ihre Genetik, sodass ihre Haare ungewöhnliche Farben aufweisen. Einige wenige haben darüber hinaus spezielle Gaben, die von Feuer- und Windbeherrschung über das Erschaffen von Illusionen bis hin zur Manipulation von Tieren reichen. Sie sind die Young Elites und verfolgen ganz eigene Pläne hinsichtlich der Zukunft Kenettras. Sie sind keine uneigennützigen SuperheldInnen, die zur Rettung aller malfettos eilen, die ungerecht oder grausam behandelt werden. Mir gefiel diese Darstellung, obwohl die Einstellung der Young Elites der Grund dafür ist, dass die Protagonistin Adelina ihnen niemals völlig vertraut. Adelina ist eine schwierige, nichtsdestotrotz aber extrem interessante Hauptfigur, weil sie ein völlig anderes Kaliber ist als die üblichen Heldinnen des Young Adult-Genres. In den Anmerkungen des Buches schreibt Marie Lu folgendes:

„[…] I didn’t want to tell a hero’s journey; I wanted to tell a villain’s.”

Ich empfinde Adelina zwar nicht als Bösewicht oder Schurkin der Geschichte, doch sie ist definitiv ein düsterer, bedrohlicher und zum Teil sogar beängstigender Charakter. Sie ist kalt, rachsüchtig, hasserfüllt und ambitioniert in einem Maße, das sie über Leichen gehen lässt. Ihre Fähigkeit ist sehr eng mit diesen Eigenschaften verbunden; sie nährt sich von starken Emotionen wie Hass, Furcht, Leidenschaft, Neugierde und Ehrgeiz. Demzufolge basiert ihre Macht auf der Dunkelheit ihres Charakters, weshalb sie eindeutig äußerst gefährlich ist. Ich möchte weder mit ihr befreundet noch mit ihr verfeindet sein, aber ich liebe Marie Lu dafür, dass sie sich entschied, die Geschichte einer Protagonistin zu erzählen, die so gar nichts mit der gutherzigen Rebellin von nebenan zu tun hat. Dadurch bekam einfach alles eine völlig neue Perspektive; sogar die Andeutung einer kleinen Liebesgeschichte erhielt einen finsteren Anstrich. Trotz aller Faszination für Adelina muss ich jedoch zugeben, dass sie mir zeitweise gehörig auf die Nerven ging. Als sie zwischen der Inquisition und den Young Elites steht, ist sie unfähig zu erkennen, wie sie die Situation leicht entschärfen könnte – ich hätte sie gern ein bisschen geschüttelt und ihr gesagt, was sie tun soll. Ihre Unentschlossenheit und Unsicherheit schlug sich meiner Meinung nach auch im Aufbau von „The Young Elites“ nieder; die ersten zwei Drittel empfand ich als eher unspektakulär und recht langsam, doch im letzten Drittel zog Marie Lu das Tempo an und es wurde unheimlich spannend und aufregend, sodass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.

 

Ich bin beeindruckt und fasziniert von „The Young Elites“. Ich muss gestehen, eine so düstere Geschichte, die sich intensiv mit den Abgründen der menschlichen Seele beschäftigt, hätte ich Marie Lu niemals zugetraut. Ich sehe so viel Potential in ihr, dass mir quasi der Kopf explodiert, wenn ich all die möglichen Handlungsstränge denke, die Lu aus diesem Trilogieauftakt spinnen könnte. Obwohl ich mit „The Young Elites“ strukturell ähnliche Probleme wie mit „Legend“ hatte, bin ich überzeugt, die Folgebände werden schlicht großartig sein. Tatsächlich kann ich mir sogar vorstellen, dass diese Trilogie als Gesamtwerk die Legend-Trilogie noch weit übertrifft. Danke Marie Lu für den Beweis, dass das Young Adult-Genre doch noch frischen Wind zu bieten hat!

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