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review 2019-03-26 09:51
Enttäuschte Erwartungen
Die Braut: Thriller - Anita Terpstra,Simone Schroth

Laut Amnesty International wurden in den USA seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976 1.465 Menschen hingerichtet. Am 01. Juli 2017 gab es 2.817 Todeszelleninsassen, darunter 53 Frauen. Die Todesstrafe in den USA ist ein Thema, das mich seit Jahren begleitet. Für mich sind staatlich sanktionierte Hinrichtungen nicht nur eine Frage von Richtig oder Falsch, obwohl ich mich als Gegnerin verstehe. Es ist ein komplexes moralisch-ethisches Dilemma, über das ich in Abständen immer wieder grübele. 2018 beschloss ich, mich der Thematik durch den Thriller „Die Braut“ von der niederländischen Autorin Anita Terpstra, den ich als Rezensionsexemplar von Random House erhielt, aus einer anderen Perspektive zu nähern. Ich wollte herausfinden, was Frauen bewegt, eine Beziehung mit einem Todeszelleninsassen einzugehen.

 

Viele junge Mädchen malen sich ihre Hochzeit aus. Für einige wird ihr Traum eines Tages wahr. Für Mackenzie Walker nicht. Sie heiratet ihren Verlobten Matt Ayers in einem winzigen schmucklosen Raum. Gäste sind nicht gestattet. Vor den Fenstern befinden sich Gitter und nach der Zeremonie wird Matt zurück in eine Zelle geführt. Matt ist ein Gefängnisinsasse im Todestrakt. Niemand begreift, warum Mackenzie einen Mann ehelicht, dem vorgeworfen wird, mehrere junge Frauen entführt, gefangen gehalten und gefoltert zu haben. Ihr schlagen Unverständnis und purer Hass entgegen, sie erhält Drohungen. Aber Mackenzie lässt sich nicht einschüchtern und versucht, die Polizei davon zu überzeugen, in eine andere Richtung zu ermitteln. Als ihre Bemühungen fehlschlagen, trifft sie einen waghalsigen Entschluss: sie wird Matt aus dem Gefängnis holen. Ein Ausbruch ist ein riskantes Unternehmen. Noch riskanter wäre es jedoch, ihn in der Todeszelle auf seine Hinrichtung warten zu lassen. Denn für Mackenzie hängt alles davon ab, dass ihr Ehemann überlebt…

 

„Die Braut“ war nicht die richtige Lektüre, um eine Antwort auf meine Frage zu finden, wieso sich einige Frauen auf Gefängnisinsassen im Allgemeinen und Todeskandidaten im Speziellen einlassen. Der offizielle Klappentext führte mich auf den Holzweg, denn dieser Thriller von Anita Terpstra handelt nicht von der psychologischen Motivation, einen Todeszelleninsassen zu heiraten. Meine Erwartungshaltung wurde fundamental enttäuscht. Der Inhalt basiert fast ausschließlich auf einer überraschenden Wendung am Ende des zweiten Drittels, die für mich viel zu spät kam, um noch irgendetwas zu retten. Terpstra bemühte sich, ihre Leser_innen an der Nase herumzuführen. Glückwunsch, es ist ihr gelungen. Leider verlor sie mich auf dem Weg dorthin. Die Protagonistin Mackenzie war nicht die Person, die ich zu treffen gehofft hatte. Vor der Wendung fand ich sie naiv und unreflektiert. Ich mochte sie nicht. Sie hinterfragt den Ursprung ihrer Entscheidung, den verurteilten Straftäter Matt Ayers zu heiraten, nicht ein einziges Mal. Ich verstand nicht, warum sie an Matts Schuld zweifelte. Weil er ihr sagte, er sei unschuldig? Bitte. In jedem Gefängnis der Welt sitzen hunderte „Unschuldige“. Auf einige trifft das sicher sogar zu, aber in Mackenzies Fall hatte ich eher das Gefühl, dass sie ihre persönlichen Unzulänglichkeiten auf Matt projiziert. Dennoch: ihr stures Festhalten an einer alternativen Theorie förderte Indizien zutage, die ich nicht ignorieren konnte. Sie überzeugte mich davon, dass einige Fakten nicht zusammenpassten. Terpstra hatte mich dazu verleitet, Mackenzie zu glauben und anzunehmen, ich wüsste, was vor sich geht. Das Problem war, dass ich diesen Handlungsabschnitt insgesamt einfach lahm fand. Die gut gemachte Wendung erwischte mich dann tatsächlich kalt und lenkte „Die Braut“ in eine deutlich interessantere Richtung. Theoretisch müsste ich mit dem Wissen, das ich nun nach der Lektüre über den inhaltlichen Verlauf besitze, die ersten beiden Drittel noch einmal lesen, um zu überprüfen, wie konsequent die Autorin vorgegangen ist. Aspekte, die mir besonders in Mackenzies Verhalten als Mängel aufgestoßen waren, wurden erklärt, relativiert und erhielten eine neue Perspektive. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Nicht nur konnte ich mich nicht überreden, die Protagonistin doch noch in mein Herz zu schließen, der Beginn des letzten Drittels erstickte in mir auch jegliche Hoffnung auf einen substanziellen, psychologischen Thriller. Konzeptionell ist es ein pfiffiges Buch, das sich für mich flüssig las. Ich war erstaunt, wie schnell ich durch war. Der inhaltliche Themenschwerpunkt enttäuschte mich hingegen, was wohl der Grund dafür ist, dass ich die Geschichte selbst nicht sehr aufregend oder spannend fand. Ich wollte etwas lernen, ein kurioses, spezifisches Phänomen begreifen – ich habe das Buch nicht ausgesucht, weil ich mit Ermittlungsarbeit konfrontiert werden wollte, unabhängig davon, wie ungewöhnlich diese gestaltet war. „Die Braut“ konnte mich nicht mehr begeistern, weil es schlicht nicht das bot, was ich erwartet hatte.

 

Mir ist bewusst, dass meine Wahrnehmung von „Die Braut“ entscheidend von meiner eigenen Erwartungshaltung geprägt war. Deshalb habe ich entschieden, in der Bewertung nicht allzu streng vorzugehen, denn ich sehe die Schuld für diese etwas missglückte Leseerfahrung bei mir selbst und bei der Person, die den offiziellen Klappentext verfasste. Anita Terpstra kann nichts dafür, dass ihr Roman mein Interessengebiet verfehlte. Ich möchte betonen, dass ich glaube, „Die Braut“ hätte auf mich völlig anders gewirkt, hätte ich nicht bereits im Vorfeld zu wissen geglaubt, wovon dieser Thriller handelt. Statt eine Empfehlung auszusprechen oder euch davon abzuraten, das Buch zu lesen, möchte ich daher eine Warnung formulieren: „Die Braut“ ist ein ausgefallener Ermittlungsthriller. Es geht darin nicht um die psychologischen Faktoren, die Frauen motivieren, Häftlinge zu heiraten. Hoffentlich kann euch dieser Hinweis eine ähnliche Enttäuschung ersparen.

 

Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House und den Verlag blanvalet für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/03/26/anita-terpstra-die-braut
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review 2019-03-19 09:28
Die Krux mit der Ich-Perspektive
The Sacred Lies of Minnow Bly - Stephanie Oakes

Stephanie Oakes‘ Debütroman „The Sacred Lies of Minnow Bly“ nahm einige Umwege, bis er veröffentlicht wurde. Während ihres Studiums sollte sie Gedichte zu einem Thema ihrer Wahl schreiben. Sie entschied sich für Märchen und stieß bei ihren Recherchen auf „Das Mädchen ohne Hände“. Die grausame Erzählung inspirierte sie, eine Märchenadaption zu schreiben. Zuerst konzipierte sie eine dystopische Version, die von Agent_innen und Verlagen allerdings abgelehnt wurde. Sie musste einsehen, dass ihre Geschichte nicht funktionierte. Die Rahmenbedingungen stimmten nicht: „The Sacred Lies of Minnow Bly“ verlangte nach einem realistischen Setting. Sie schrieb das gesamte Manuskript neu. Ihre Protagonistin Minnow, die Maid ohne Hände, wurde das Opfer einer Sekte im modernen Montana und das Buch endlich akzeptiert. Bei mir landete der Roman, weil mich die psychologischen Aspekte von Sekten interessieren.

 

Das Gefängnis macht der 17-jährigen Minnow Bly keine Angst. Angst machen ihr nur die dunklen Visionen ihrer Vergangenheit, besonders diejenigen dieser letzten Nacht. Der Nacht, in der ihr Heim niederbrannte.
Minnow lebte 12 Jahre in einer Sekte. Die Community war ihr Zuhause und alles, was sie kannte. Sie glaubte an die Worte des Propheten Kevin, an seine Erklärungen, an seine Weisheit und an seine strengen Regeln. Bis sie zu zweifeln begann und ihm nicht mehr glaubte. Als sie sich verliebte, erfuhr sie am eigenen Leib, wozu Kevin fähig war – und wozu sie selbst fähig ist. Minnow möchte am liebsten vergessen. Das Feuer. Die Toten. Doch sie muss sich ihren Erinnerungen stellen. Denn um eines Tages in Freiheit leben zu können, muss sie zuerst ihren Geist befreien.

 

Ich bin etwas zwiegespalten. „The Sacred Lies of Minnow Bly” ist ein spannender, eindringlicher Young Adult – Thriller, der mich fesselte und einige tiefgründige Themen anspricht, wie Identität, Glaube und freier Wille. Ich fand ihn gut. Aber ich glaube, er hätte noch besser sein können, hätte Stephanie Oakes auf Minnows Ich-Perspektive verzichtet.
Eingangs ist diese Wahl nicht hinderlich. Im Gegenteil. Durch Minnows Augen begreifen die Leser_innen schnell, dass sie sich in einer prekären Lage befindet. Sie hat etwas Schlimmes getan und ist vor etwas noch Schlimmerem davongelaufen. Außerdem offenbart sich bereits auf der ersten Seite Minnows auffälligstes äußerliches Merkmal: ihr wurden beide Hände amputiert. Sie landet in einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäterinnen. Dort, im Gefängnis, beginnt ihre eigentliche Geschichte, die sie Stück für Stück in Rückblenden aufdröselt. Dadurch entsteht graduell ein bestürzendes Bild des subtilen Horrors der Community. Das Leben der Sektenmitglieder wurde allein vom selbsternannten Propheten Kevin bestimmt; sein Wort war Gesetz. Er befahl ein striktes Patriarchat, Polygamie und einschneidende Regeln, deren Übertretung heftige physische Strafen nach sich zog. Wie in Sekten üblich herrschte Kevin mit Zuckerbrot und Peitsche. Ich hätte jedoch gern erfahren, wie er seine Anhänger_innen ursprünglich von seinen Visionen überzeugen konnte und wie sich die Anfänge der Community gestalteten, denn Minnow erwähnt, dass sadistische Maßregelungen erst später Normalität wurden. Ich hatte mir eine fundierte psychologische Schilderung der komplexen emotionalen Vorgänge in einer Sekte erhofft – doch aus Minnows Ich-Perspektive war das nicht möglich, weil ihr diese nicht bewusst sind. Ich denke darüber hinaus, dass Stephanie Oakes Minnow übertrieben unabhängig charakterisierte, um ihren Leser_innen die Bindung zu erleichtern. Minnows frühe, intuitive Ablehnung der Glaubensgrundsätze der Community erschien mir unwahrscheinlich. Schwer vorstellbar, dass sie sich nach einer Indoktrinierung seit frühester Kindheit als einzige gegen Kevins Gehirnwäsche wehren konnte. Ein realistisches psychologisches Profil hätte allerdings Denk- und Verhaltensmuster involviert, die für die junge Zielgruppe des Romans kaum nachzuvollziehen gewesen wären. Deshalb entschied Oakes vermutlich auch, Minnows persönliche Entwicklung im Gefängnis im Zeitraffer zu zeigen. „The Sacred Lies of Minnow Bly“ umspannt etwa ein Jahr – ihr Aufarbeitungsprozess ist demzufolge verkürzt und klammert frustrierende Rückschläge weitgehend aus. Trotz der Vorteile des Settings, das Minnow mit begrenzten, kontrollierten Reizen konfrontiert, und kleinerer Rebellionen fügt sie sich zu nahtlos in ihr Schicksal. Meiner Meinung nach konnte Stephanie Oakes aus Minnows Innenperspektive das Potential ihrer Geschichte nicht völlig ausschöpfen, weil eine realitätsnahe Darstellung ihres emotionalen und psychologischen Zustandes das Mitgefühl ihrer Leser_innen behindert hätte. Minnow sollte eine Heldin sein, kein seelisches Wrack voller hässlicher Abgründe. Hätte Oakes hingegen eine auktoriale Erzählsituation gewählt, hätte sie Minnows Empfindungen durch äußere Faktoren relativieren können. Das hätte selbstverständlich mehr schriftstellerischen Aufwand bedeutet, doch ich bin überzeugt, dass sich dieser gelohnt hätte. Aus einem guten Buch hätte ein großartiges Buch werden können.

 

Ich kann jede Entscheidung, die Stephanie Oakes während des Schreibprozesses von „The Sacred Lies of Minnow Bly“ traf, nachvollziehen. Das Young Adult – Genre unterliegt nun einmal gewissen Beschränkungen, die die Autorin berücksichtigen musste. Sympathie für die Figuren ist obligatorisch. Ich verstehe, dass sie dieser keinesfalls im Weg stehen wollte. Ich zolle ihr Achtung dafür, dass sie das heikle Thema des Buches für ihre junge Leserschaft verdaulich gestaltete und sich an einer Märchenadaption in einem realistischen Rahmen versuchte. Daher bin ich von diesem Thriller nicht enttäuscht, obwohl meine Erwartungen nicht gänzlich erfüllt wurden. Ich hätte die Geschichte eben einfach anders aufgezogen. Aber ich bin ja auch nur die Leserin, nicht die Autorin.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/03/19/stephanie-oakes-the-sacred-lies-of-minnow-bly
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review 2019-02-27 08:48
Habe ich das Buch überhaupt gelesen?
The Breedling and the City in the Garden (The Element Odysseys) - Kimberlee Ann Bastian

Kennt ihr die irische Legende von Stingy Jack? Vielleicht kennt ihr ihn als Jack O’Lantern, zu dessen Ehren an Halloween Kürbislaternen aufgestellt werden. Der Sage zufolge trickste Jack den Teufel am Abend vor Allerheiligen aus, sodass dieser niemals seine Seele beanspruchen würde. Als Jack starb, wiesen ihn sowohl Himmel als auch Hölle ab. Er wurde auf die kalte, dunkle Erde zurückgeschickt, um dort auf ewig unter den Sterblichen zu wandeln. Aber der Teufel hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm ein Stück Kohle, das Jack in einer ausgehöhlten Rübe aufbewahrte. Daraus leitete sich der Volksglaube ab, dass eine Rüben- oder Kürbislaterne vor dem Teufel und bösen Geistern schützt. Außerdem inspirierte die Legende die Autorin Kimberlee Ann Bastian dazu, ihren Debütroman „The Breedling & The City in the Garden“ zu schreiben, Auftakt der Reihe „The Element Odysseys“, den ich als Rezensionsexemplar via Netgalley erhielt.

 

Jahrhundertelang kannte Bartholomew nur die Grenzen seines Käfigs, in den ihn seine Meister als Strafe für seinen Ungehorsam sperrten. Der unsterbliche Seelenfänger traf eine Wahl. Er wählte den Widerstand, um ein Geheimnis zu schützen. Seiner magischen Kraft beraubt siechte er in seinem Gefängnis dahin, ohne Hoffnung auf Freiheit. Bis sich unerwartet eine Tür in die menschliche Welt öffnete und Bartholomew sich in einem Inferno wiederfand. Desorientiert und traumatisiert wäre er in den Flammen des brennenden Waisenhauses gestorben, hätte ihn nicht der junge Charlie Reese gerettet. Nun sind ihre Schicksale verknüpft. Unter Charlies Führung versuchen sie, in Chicagos Straßen der 30er Jahre einen Hinweis auf Bartholomews ursprüngliche Mission und das Geheimnis zu aufzuspüren, das er von seinen Meistern bewahrte. Doch Gefahren lauern an jeder Ecke und schon bald muss Bartholomew entscheiden, ob er bereit ist, für seinen Auftrag Charlies Seele zu riskieren.

 

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob meine Inhaltsangabe den Kern von „The Breedling & The City in the Garden“ erfasst. Ich weiß es nicht, weil ich nur eine vage Vorstellung davon habe, worum es in diesem historischen Urban Fantasy – Roman geht. Die Lektüre war eine absurde Verschwendung meiner kostbaren Lesezeit. Ich habe aus dem Klappentext auf Goodreads mehr über den Inhalt der Geschichte erfahren, als durch das Buch selbst. Meinem Empfinden nach wollte Kimberlee Ann Bastian besonders pfiffig sein und die Grundpfeiler ihres Reihenauftakts sehr subtil vermitteln – so subtil, dass ich sie nicht finden konnte. In meinem Kopf herrscht ein wildes Durcheinander verschiedener Elemente und Momentaufnahmen, an die ich mich erinnere, aber ich bin nicht fähig, sie zu einem konsistenten Gesamtbild zu kombinieren oder sie mit der Legende von Jack O’Lantern in Zusammenhang zu bringen. Ein dauerhaftes Ärgernis war Bartholomew, den ich mir von Anfang an völlig anders vorgestellt hatte. Die kleine Kröte ist ein Kind. Ich dachte, ich bekäme es mit einem zwielichtigen, erwachsenen Magier und Seelensammler zu tun. Ich war wie vom Donner gerührt, als er sich als etwa 8-jähriger Junge entpuppte. Nun könnte man argumentieren, dass er nur äußerlich ein Kind, in Wahrheit aber unsterblich und uralt ist. Dem muss ich vehement widersprechen. Bartholomew ist definitiv kindlich. Ein sensationell anstrengendes, bedürftiges und hilfloses Kind. Der arme Charlie tat mir schrecklich leid, weil er ihn ertragen musste. Ich mochte den 17-jährigen gern, aber meinem Verständnis von „The Breedling & The City in the Garden“ half das leider nicht. Die Handlungen, Entscheidungen und Reaktionen aller Figuren gaben mir Rätsel auf. Dafür, wie dialoglastig das Buch ist, wird schockierend wenig offenbart. Es gibt kaum Szenen, in denen sich niemand unterhält, was mir unfokussiert und langatmig erschien. Ich musste wichtige Informationen Krümelchen für Krümelchen aus dem stetigen Strom überflüssigen Geblubbers herausfiltern. Ein passendes Beispiel: Bartholomew fragt Charlie, wieso er im Waisenhaus war, was mit seinen Eltern geschah. Statt einfach die Frage zu beantworten, lässt sich Charlie erst einmal lang und breit über die Persönlichkeiten seiner Mutter und seines Vaters aus. So ist das ganze Buch: eine enervierende Abfolge zielloser Gespräche vor einer schemenhaften Kulisse. Die Atmosphäre der 1930er Jahre in Chicago kam überhaupt nicht rüber; ich könnte nicht einmal sagen, zu welcher Jahreszeit „The Breedling & The City in the Garden“ spielt. Von der Parallelwelt, aus der Bartholomew stammt, mal ganz zu schweigen. Über diesen nebulösen Ort erfuhr ich gar nichts. Ich vermute, dass die Entitäten, die wir als Elemente kennen, also Feuer, Erde, Wasser und Luft, laut Kimberlee Ann Bastians Entwurf Wesen aus dieser Parallelwelt sind, die in der menschlichen Realität dann zu entscheidenden Akteuren des christlichen Glaubens wurden. Das Feuer ist der Teufel, so in der Art. Klingt verdreht und unnötig kompliziert? Goldrichtig. Irgendwie besteht eine Verbindung zu Bartholomew, er muss irgendwas tun – ich habe keinen Schimmer, was. Ich weiß weder, wieso genau er gefangen war, noch welches Geheimnis er schützte oder was das alles mit Charlie zu tun hat. Aber es ist mir auch vollkommen egal.

 

Ich habe noch nie eine Rezension über ein Buch geschrieben, über das ich so wenig wusste wie über „The Breedling & The City in the Garden“. Es fühlt sich an, als hätte ich es gar nicht gelesen. Dieser Reihenauftakt ist unzusammenhängend, wirr und konfus. Ich musste mich durchquälen, war abwechselnd gelangweilt und genervt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei diesem Debüt um ein weiteres Rezensionsexemplar, das noch viel zu roh und unausgereift ist, um es Leser_innen vorzusetzen. Ich konnte nicht einmal erkennen, was Kimberlee Ann Bastian eigentlich erreichen wollte. Ich muss euch daher raten, einen weiten Bogen um „The Breedling & The City in the Garden“ zu machen und euch die Reihe „The Element Odysseys“ zu ersparen.

 

Vielen Dank an Netgalley und den Verlag Wise Ink Creative Publishing für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/27/kimberlee-ann-bastian-the-breedling-the-city-in-the-garden
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review 2018-09-12 11:42
Shakespeares Erbin
If We Were Villains - Linda M. Rio

Das Theater ist ein wesentlicher Bestandteil im Leben der Amerikanerin M.L. Rio. Ihre erste Rolle übernahm sie in der ersten Klasse, entdeckte kurz darauf Shakespeares Stücke und entwickelte eine unsterbliche Leidenschaft für ihn. Sie studierte Englisch und Dramatik und zog nach ihrem Abschluss nach London, um am renommierten King’s College ihren Master in Shakespeare Studies zu machen. 2016 gewann sie zum 400. Todestag Shakespeares eine Reise zu Hamlets dänischem Schloss Kronborg und war die erste Person, die dort seit 100 Jahren übernachtete. Rio ist ein Shakespeare-Nerd. In den ersten Semestern ihres Masterstudiums begann sie, ihren Debütroman zu schreiben, der sowohl ihrer Begeisterung fürs Theater als auch für den alten Barden Ausdruck verleiht: „If We Were Villains“.

 

„Das Leben ist eine Bühne“ – für Oliver Marks und seine Freunde war dieses Sprichwort Realität. Ihre exklusive Ausbildung an der elitären Dellecher Kunsthochschule überzeugte sie davon, sich als Erben Shakespeares zu verstehen. Glorreiche Tage voller Verse und Dekadenz. Sie lebten und atmeten ihre Rollen, nahmen sie in Besitz, bis ihre Rollen auch von ihnen Besitz ergriffen. Sogar abseits der Bühne verkörperten sie die Charaktere, denen sie Leben einhauchten. Ihre Leidenschaft schweißte sie zusammen. Sie waren unzertrennlich, unbesiegbar. Doch in ihrem Abschlussjahr entflammte eine nie gekannte Rivalität. Ihre Lehrer_innen änderten die Besetzung und provozierten einen Konkurrenzkampf, der ihre Gemeinschaft vergiftete. Aus Freunden wurden Feinde und eines Morgens war ein Mitglied ihrer Clique tot. 10 Jahre später wird Oliver aus dem Gefängnis entlassen und kehrt nach Dellecher zurück, um die Wahrheit zu offenbaren. Noch einmal durchlebt er seine schmerzvollen Erinnerungen an die überreizten Monate, die in einer katastrophalen Tragödie endeten. Hat er das furchtbare Verbrechen, für das er büßte, wirklich begangen?

 

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. „If We Were Villains“ ist streng genommen ein Krimi. Normalerweise sind mir Krimis zu langweilig. Dieses Buch hingegen ist mehr als ein schnöder Krimi. Es ist eine formvollendete Tragödie in Shakespeare-Manier, was wahrscheinlich das größte Kompliment ist, das man M.L. Rio aussprechen kann. Ich glaube, ihr Debütroman hätte dem alten Barden gefallen. Es ist ihr gelungen, in jeder Facette der Geschichte eine unvergleichliche Intensität einzufangen, die die frenetische Atmosphäre prägte. Die Strukturierung des Buches in Szenen und Akte unterstützte den Eindruck eines shakespeareesken Theaterstückes natürlich, aber ich bin sicher, dass dieser auch mit einer konventionellen Einteilung entstanden wäre, weil die Figuren in bedeutendem Maße dazu beitragen. Shakespeares Stücke zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass seine Figuren innerhalb sehr kurzer Zeit ein überwältigendes Wechselbad der Emotionen durchleben. Diese erratische Sprunghaftigkeit ist M.L. Rios Charakteren ebenfalls eigen. Olivers Clique lebte in einem Shakespeare-Stück. Sie führten Dialoge in Zitaten und ließen sich völlig von der komprimierten Darstellung menschlicher Beziehungen vereinnahmen. In der elitären Umgebung der Dellecher Kunsthochschule verloren sie den Kontakt zur Realität. Die Schule wirkte auf mich beinahe wie eine Sekte, denn Oliver und seine sechs Freunde wurden in dem Empfinden, dass eine Welt außerhalb ihrer Mauern nicht existent oder zumindest irrelevant ist, subtil bestärkt. Ihre Ausbildung war ihr Universum; Dellecher war ihr Heim, ihre Freunde waren ihre Familie und Shakespeare war ihre Religion, der sie mit kompromissloser Opferbereitschaft huldigten. Die uneingeschränkte Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Rollen einnahmen, war geradezu unheimlich. Mir war nicht immer klar, wo die Rolle aufhörte und der Mensch begann. Ihre Mimikry war vollkommen bis zur Selbsttäuschung und beeinflusste die Dynamik ihrer Gruppe maßgeblich. Eine Umbesetzung seitens ihrer Lehrer_innen störte das sensible Gleichgewicht zwischen ihnen und ihre Freundschaft wankte. Bis zum Ende des zweiten Akts lag die Spannung von „If We Were Villains“ folglich darin, herauszufinden, welches Mitglied der Clique den Tod finden würde. Danach ist die bestimmende Frage, wer schuldig ist. Meine Verdächtigungen variierten, lediglich den Protagonisten Oliver zog ich nie in Betracht. Sein unterstützendes Wesen, das Wesen einer Nebenrolle, das sich allerdings ausschließlich auf ihre Gemeinschaft bezog, zeichnete diese Möglichkeit für mich als unvorstellbar. Der Tod des Mitglieds und die resultierenden polizeilichen Ermittlungen zwangen die Clique in eine Lage, in der sie nicht mehr fähig waren, ihre Rollen aufrechtzuerhalten. Der enorme emotionale Druck zerrte die Persönlichkeiten hinter den Rollen hervor. Ihre Gruppe brach auseinander, weil sie nicht länger funktionierten, was Oliver 10 Jahre später, nach seiner Inhaftierung, durchaus bewusst zu sein scheint. Durch seine rückblickende Erzählung erfasst M.L. Rio den Niedergang der sieben Jugendlichen eindringlich und vermittelt glaubhaft, dass sie sich gegenseitig zugrunde richteten. Niemand konnte ihnen etwas anhaben – nur sie selbst.

 

„If We Were Villains“ ist der vermutlich beste Krimi, den ich je gelesen habe, weil sich das Buch eben nicht wie ein Krimi anfühlte, sondern wie ein waschechtes Shakespeare-Stück. Der Mord ist lediglich ein einzelnes Puzzleteil in dieser berauschenden Erzählung von Leidenschaft, Besessenheit und Hingabe. Die psychologisch komplexe, vielschichtige Darstellung einer komplizierten, prekären Freundschaft, die ausschließlich unter sehr spezifischen Bedingungen überlebte und eskalierte, sobald sich diese Bedingungen änderten, beeindruckte mich und hätte den alten Barden stolz gemacht. M.L. Rio darf sich meiner Meinung nach ohne Arroganz Shakespeares Erbin nennen – obwohl in ihrem Roman nicht alle Figuren sterben.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/09/12/m-l-rio-if-we-were-villains
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review 2018-03-06 10:26
Die Cop Buddies der High Fantasy
The Fifth Ward: First Watch - Dale Lucas

Eine Mischung aus „Herr der Ringe“ und „Lethal Weapon“ – so beschreibt Dale Lucas seinen Roman „First Watch“. Der Auftakt der Reihe „The Fifth Ward“ vereint die Action eines Cop Buddy – Films mit den klassisch-epischen Elementen eines High Fantasy – Schmökers. Ich verrate euch ein Geheimnis: ich liebe die Lethal Weapon“-Filme. Riggs und Murtaugh sind für mich der Inbegriff des cineastischen Ermittler-Duos, das ich seit meiner Kindheit feiere. Ich konnte nicht widerstehen, ihre HF-Äquivalente kennenzulernen und stürzte mich mit Freuden auf „First Watch“.

 

Sich der Stadtwache Yenaras anzuschließen, um aus dem Gefängnis freizukommen, schien Rem eine brillante Idee zu sein. Schließlich wollte er keinesfalls noch länger hinter Gittern versauern und brauchte dringend einen Job. Doch als er seinen Partner kennenlernt, beschleicht ihn das Gefühl, dass seine spontane Entscheidung vielleicht nicht ganz so raffiniert war. Der polternde, übellaunige Zwerg Torvald ist alles andere als begeistert, sich um den Frischling kümmern zu müssen. Widerwillig schleppt er Rem in die Straßen der multikulturellen Metropole, in der Orks mit Drogen dealen, Magier_innen ihren dubiosen Geschäften nachgehen und die Präfekten der Bezirke offen ihre Feindseligkeit für einander ausleben. Unter der grimmigen Führung Torvalds erlebt Rem einen turbulenten ersten Tag, dessen trauriger Höhepunkt ihn am Ende ihrer Schicht erwartet. Unter einer Brücke wird eine Leiche entdeckt. Torvald genügt ein Blick, um festzustellen, dass es sich bei dem Toten um seinen Stammpartner Freygaf handelt. Er wurde ermordet. Wer würde ein Mitglied der Stadtwache heimtückisch umbringen und warum? In welche schmutzigen Geheimnisse war Freygaf verwickelt? Hängt sein Tod mit dem Verschwinden mehrerer Töchter und Söhne aus wohlhabenden Familien zusammen? Torvald schwört, Freygafs Mörder aufzuspüren und Rache zu nehmen. Rem hat keine andere Wahl, als seinen Partner bei seiner Jagd zu unterstützen. Mitgehangen, mitgefangen.

 

Meiner Meinung nach hat „First Watch“ eindeutig mehr mit „Lethal Weapon“ gemeinsam als mit „Herr der Ringe“. Mal davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass J.R.R. Tolkien diese Entwicklung der von ihm mitbegründeten High Fantasy vorausgesehen hätte, ist „episch“ nicht die Formulierung, die ich nutzen würde, um den Reihenauftakt zu beschreiben. Für dieses Attribut ist der Horizont der Geschichte meinem Empfinden nach zu eng. Ich meine das nicht negativ, denn heutzutage muss High Fantasy nicht zwangsläufig gigantische Dimensionen abbilden oder gewaltige Geschichten von Heldenmut erzählen. Ein kleinerer Rahmen ist für mich völlig in Ordnung und wie ich in der Einleitung bereits erwähnte, liebe ich „Lethal Weapon“, sodass es mich überhaupt nicht stört, dass die Parallelen zwischen der Filmreihe und diesem Buch prägnanter sind als die Gemeinsamkeiten mit Tolkiens weltberühmtem Epos. Natürlich greift „First Watch“ gewisse klassische Elemente des Genres auf; der multikulturelle, brodelnde Schmelztiegel Yenara wird von den üblichen Verdächtigen bevölkert. Orks, Elfen, Zwerge, Magier_innen und Menschen, die in jedem Kontext ein besonderes Talent für kriminelle Energie aufweisen – sie alle sind in den aufregenden, bis zum Bersten mit Leben gefüllten Straßen zu finden. Ich hatte das Gefühl, erfreulich viel von der Stadt zu sehen, weil unsere beiden sympathischen Helden Rem und Torvald ausschließlich zu Fuß unterwegs sind und dadurch beiläufig ein verlässliches Gesamtbild des Settings vermitteln. Trotz dessen hätte ich mir eine Karte gewünscht, um Aufbau, Organisation und Aufteilung der Metropole in Bezirke besser visualisieren zu können. Die Idee, ein High Fantasy – Setting bürokratisch aufzuziehen und umfangreiche Regeln und Gesetze zum Zusammenleben der einzelnen Völker zu formulieren, fand ich sowohl naheliegend als auch amüsant. Dale Lucas scheint sich genau überlegt zu haben, wie er die Dynamik der Stadt gestalten möchte und das beeindruckte mich definitiv. Die Handlung hingegen überzeugte mich nur mäßig. Ich fand „First Watch“ inhaltlich wenig substanziell, weil die Ermittlungen des ungleichen Duos zu lange feststecken und kaum Fortschritte verzeichnen. Stattdessen erlebte ich zahlreiche Prügeleien, die meist von Torvald provoziert werden. Der wehrhafte Zwerg wirkt im ersten Band von „The Fifth Ward“ plump konstruiert, ihm fehlt wahre Tiefe und daher auch Individualität. Eine tragische Vorgeschichte soll seine übertriebene Gewaltbereitschaft relativieren und bei den Leser_innen Mitgefühl wecken. Ich kann ihn mit vier Worten charakterisieren: harte Schale, weicher Kern. Dem gegenüber steht der unerfahrene Rem, dessen Biografie Dale Lucas bisher nur andeutet. Ihre oberflächliche Gegensätzlichkeit erschien mir affektiert und stereotyp, wodurch sie den Verlauf ihrer Beziehung bereits vorzeichnet. Insgesamt fand ich „First Watch“ recht vorhersehbar. Lediglich das Ende entpuppte sich als echte Überraschung, weil die Auflösung des Falls wesentlich komplexer und intelligenter geriet, als ich der Geschichte und Dale Lucas zugetraut hätte.

 

Ihr mögt das Cop Buddy – Schema à la „Alter Haudegen trifft jungen, unerfahren Frischling und muss mit ihm einen sehr persönlichen Fall lösen“? Dann seid ihr mit „First Watch“ von Dale Lucas gut beraten, ihr solltet allerdings nicht erwarten, dass der Autor das Rad neu erfindet. Nein, dieser Reihenauftakt erzählt dieselbe Geschichte, die wir längst aus zahlreichen Filmen kennen und verpasst ihr mit dem High Fantasy – Charakter des Settings lediglich einen frischen Anstrich. Das ist per se natürlich nicht schlecht, wenn man Lust auf eine Erzählung dieser Art hat. Wie so oft kommt es auf das Timing an. Ich hatte durchaus Spaß mit der locker-luftigen Lektüre und werde „The Fifth Ward“ weiterverfolgen. Ich lauere nämlich darauf, dass Torvald irgendwann den einen berühmten Satz sagt: „Ich bin zu alt für diesen Sch***“.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/03/06/dale-lucas-first-watch
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