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review 2017-11-29 10:36
Charakterstudie eines Antihelden
Emperor of Thorns - Mark Lawrence

Mark Lawrence ist nicht nur Autor mehrerer erfolgreicher Fantasy-Romane aus der Grimdark-Ecke, er betätigt sich darüber hinaus als Dichter. Unerwartet, oder? Ich hätte ihm eine Ader für Gedichte nicht zugetraut. Während ich seine Werke auf seiner Website las, legte sich meine Überraschung. Diese Art der Lyrik passt wie die Faust aufs Auge. Melancholische Formulierungen, die in mir Assoziationen von Trauer und Depression wecken, ein düsterer Grundtenor, Naturthemen – Lawrence bleibt seinem grundlegenden Stil treu, obwohl seine Gedichte selbstverständlich keinerlei Gewaltdarstellungen enthalten, im Gegensatz zu seinen Romanen. „Emperor of Thorns“ ist das Finale der „The Broken Empire“ – Trilogie und schließt die Geschichte rund um den ehrgeizigen, fragwürdigen Protagonisten Jorg von Ancrath ab.

 

Man könnte behaupten, der Thron des Zersplitterten Reiches sei verwaist. Jorg von Ancrath bevorzugt es, ihn als „frei“ zu betrachten – der Thron wartet nur darauf, von ihm in Besitz genommen zu werden. Leider kann die Würde des Imperators nicht erobert werden. Es handelt sich um ein gewähltes Amt. Wie unwillkommen. Um Imperator zu werden, muss Jorg genügend Stimmen für sich unter den Königen und Königinnen während des Kongresses in Vyene sammeln. Bereits Jahre zuvor schloss er unwahrscheinliche Allianzen, die seinen Sieg garantieren sollen. Als König von sieben Nationen stehen seine Chancen überraschend gut. Vorausgesetzt, er erreicht Vyene gesund und munter. Die lebenden Toten bedrängen die Ländereien des Reiches. Nekromantie breitet ihre giftigen Klauen aus. Der Einfluss des Toten Königs erstarkt. Niemand kennt seine Identität oder Ziele. Doch eines ist deutlich: sein rätselhaftes persönliches Interesse an Jorg…

 

Die Lektüre des Finales eines Mehrteilers ist für mich normalerweise mit einer latenten Anspannung verbunden. Gelingt es dem Autor bzw. der Autorin, einen würdigen Abschluss zu konstruieren? Im Fall von „Emperor of Thorns“ empfand ich diese Anspannung nicht. Ich zweifelte nicht daran, dass Mark Lawrence diese Aufgabe zufriedenstellend meistern würde, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, in welche Richtung er Jorg schicken wollte. Ich behielt Recht. „Emperor of Thorns“ ist ein voll und ganz rundes, befriedigendes und überraschendes Finale, das in mir die Gier nach mehr schürte, wie von Lawrence beabsichtigt. Erstaunlicherweise erlitt ich trotz dessen keinerlei Abschiedsschmerz. Es fiel mir nicht schwer, Jorg gehen zu lassen, weil ich mich niemals mit ihm identifizieren konnte und – wenn überhaupt – lediglich eine sehr vorsichtige, komplizierte Form von Sympathie für ihn empfand, die sich hauptsächlich aus seiner brutalen Ehrlichkeit sich selbst gegenüber speiste. Meiner Meinung nach kann man Jorg nicht einfach mögen. Auch im letzten Band der „The Broken Empire“ – Trilogie erwischte mich seine grenzenlose Skrupellosigkeit kalt. Ich hätte nicht mehr verblüfft sein sollen, hätte wissen müssen, dass er niemals zögert, harte, bedenkliche Entscheidungen zu treffen, um seine Ziele zu erreichen – und doch war ich es. Vielleicht hegte ich noch immer einen Funken Hoffnung für ihn, den Lawrence durch die beeindruckende Entwicklung unterstützte, die er seinen Protagonisten durchleben ließ. Die Handlung ist erneut in Gegenwart und Vergangenheit unterteilt: in der Gegenwart beobachten die Leser_innen Jorgs Reise nach Vyene, in der Vergangenheit begleiten sie ihn auf einer erschöpfenden Solo-Expedition über die Grenzen des Zersplitterten Reiches hinaus, das als erschreckendes Spiegelbild und beklemmende Zukunftsvision unserer Realität fungiert. Diese Expedition veränderte ihn. Er reifte deutlich, fand zu einer gewissen inneren Balance und kann der gewalttätigen Abwärtsspirale seines Lebens doch nicht entfliehen. Jorg ist ein anschauliches, überzeugendes Beispiel dafür, dass Menschen dieselben Muster stetig zwanghaft wiederholen. Er wird vom Schlüsselmoment seiner persönlichen Vergangenheit, dem Mord an seinem kleinen Bruder, gnadenlos eingeholt. Paradoxerweise sind sein kaltblütiger Charakter und seine verkrüppelte Seele allerdings genau die Eigenschaften, die ihn als beste Chance der Welt im Kampf gegen den Toten König kennzeichnen. Sein einzigartiges Talent, ausweglose Situationen zu seinen Gunsten zu drehen, seine Bereitschaft, genau das zu tun, was diese Situationen seiner Ansicht nach von ihm verlangen, egal wie verrückt oder abstoßend die Anforderungen sein mögen, versetzen ihn in „Emperor of Thorns“ in die Position des Helden. Diese Verschiebung seines Status in der übergreifenden Geschichte ist Mark Lawrences brillanter Geniestreich. Natürlich ist Jorg die Verkörperung des ultimativen Antihelden, der eher versehentlich selbstlos und niemals ehrenhaft handelt – aber er rettet die Welt, daran gibt es nichts zu rütteln.

 

„The Broken Empire“ ist eine ungemein figurenzentrierte Trilogie. Oh, selbstverständlich sind Worldbuilding und Handlungskonstruktion bemerkenswert, feinsinnig und intelligent. Doch all diese Elemente verblassen neben dem einnehmenden Protagonisten. Meiner Meinung nach ist Jorg von Ancrath mehr als die Hauptfigur der Romane, er ist ihr (schwarzes) Herz und Anker. Ich glaube, Mark Lawrence wollte Jorgs Geschichte erzählen, um gezielt dessen Entwicklung zu untersuchen. Er wollte sein Potential gemeinsam mit den Leser_innen erforschen, experimentieren und herausfinden, wie er auf die Herausforderungen seiner Welt reagiert. Betrachtet man die Trilogie aus dieser Perspektive, erschließt sich, dass es sich dabei um eine umfangreiche Charakterstudie handelt. Deshalb ist es kein Hindernis, dass Jorg kein Sympathieträger ist. Erst seine seelischen Abgründe eröffnen zahllose Möglichkeiten. Er faszinierte mich und brannte sich in mein Gedächtnis. So schnell werde ich Jorg nicht vergessen: Prinz, König, abschreckendes Beispiel und Held wider Willen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/11/28/mark-lawrence-emperor-of-thorns
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review 2017-07-20 10:55
Nur ein Wort: Grimdark
King of Thorns - Mark Lawrence

Habt ihr schon mal den Begriff Grimdark gehört und euch gefragt, was das nun wieder ist? Grimdark ist ein Subgenre der Fantasy: die Charaktere sind zwielichtiger, ihre Entscheidungen fragwürdiger, ihre Handlungen gewalttätiger. Alles ist etwas extremer, härter, blutiger, kompromissloser. So würde ich Grimdark erklären, denn bisher scheint es keine einheitliche Definition zu geben. Mein persönlicher Favorit ist die Beschreibung des Autors Adam Roberts, der Grimdark ganz simpel als „Anti-Tolkien“ bezeichnet – obwohl ich nicht glaube, dass dieses Subgenre zwangläufig eine Definition braucht. Ich halte es für eine intuitive Kategorie, die lediglich eine bestimmte Atmosphäre vermitteln und eine gewisse emotionale Resonanz erzeugen sollte.
„King of Thorns“, der zweite Band der Trilogie „The Broken Empire“ von Mark Lawrence, qualifiziert sich nach meinen Maßstäben spielend als Grimdark.

 

Als Jorg Ancrath schwor, er würde im Alter von 14 Jahren König sein, wurde er verspottet und belächelt. Er bewies, dass er niemals leere Reden schwingt, strafte seinen Onkel für den Verrat an seiner Mutter und seinem Bruder und entriss ihm sein Königreich. Heute ist Jorg 18 Jahre alt, herrscht seit vier Jahren über das Gebirgsland Renar und befindet sich in einer deprimierend aussichtslosen Lage. Vor den Toren seiner Burg versammelt sich eine gewaltige Streitmacht, die Jorgs Truppen zahlenmäßig weit überlegen ist. Der Prinz der Pfeile ist entschlossen, Renar zu erobern, denn er will zum Imperator ernannt werden, um den Krieg der Hundert ein für alle Mal zu beenden. Jorgs Chancen, ihm zu trotzen, sind gering. Jedenfalls in einem fairen Kampf. Vor vier Jahren entdeckte der junge König während einer Reise Artefakte der Erbauer von unsäglicher Macht. Niemand hat behauptet, Jorg würde fair kämpfen, richtig?

 

Ich hatte vor der Lektüre keinen blassen Schimmer, was mich im zweiten Band der „The Broken Empire“ – Trilogie, „King of Thorns“, erwarten würden. Es ist unheimlich schwierig, vorauszusagen, wie Mark Lawrence seinen Protagonisten Jorg handeln lassen wird, weil Unberechenbarkeit ein dominanter Zug seiner Persönlichkeit ist. Ich schlug das Buch auf und wäre beinahe rückwärts vom Stuhl gekippt – über dem ersten Kapitel steht in dicken Lettern „Wedding Day“. Hochzeitstag? Wer heiratet? Jorg etwa? Nicht möglich! Oder doch? Seit „Prince of Thorns“ vergingen vier Jahre, vielleicht hat er sich ja tatsächlich weiterentwickelt, ist gereift und ruht nun in sich selbst? Klingt das in euren Ohren genauso lächerlich wie in meinen, verstehen wir uns. Nein, darüber hätte ich mir wirklich keine Gedanken machen müssen, Jorg ist noch immer derselbe, beängstigende, bis in den Kern verrottete, von Hass, Rache und giftigem Ehrgeiz getriebene junge Mann, der er schon mit 14 war. Selbstverständlich verrät Mark Lawrence seinen Leser_innen, was er in den letzten Jahren getrieben hat. Erneut unterteilt er die Handlung aus Jorgs Ich-Perspektive heraus in Vergangenheit und Gegenwart und veranschaulicht auf diese Weise geschickt, dass sich die aktuelle Situation bereits vor vier Jahren abzeichnete. Vor vier Jahren begegnete Jorg dem Prinzen der Pfeile das erste Mal. Seit dieser schicksalhaften Begegnung wusste er, dass der Konflikt zwischen ihnen eines Tages unvermeidlich eskalieren würde. Nun, Jorg wäre nicht Jorg, hätte er nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen. Er bereitete sich auf eben diesen Angriff der Gegenwart vor, zeigt in der Hitze der unausweichlichen, mitreißenden Schlacht eine überraschend kühle, militärisch-strategische Gewandtheit und spuckt der Ausweglosigkeit der Umstände frech ins Gesicht. Er würde lieber brennen, als sich einem Rivalen zu unterwerfen. Aus seiner Sicht begehrt der Prinz der Pfeile, was rechtmäßig ihm zusteht: den Thron des Imperators. Er will diesen Titel, also hat er ein Anrecht darauf, basta. Diese Einstellung illustriert Jorgs verdorbenen Charakter haargenau und unmissverständlich. Wer noch Hoffnung für ihn hegte, wird schonungslos desillusioniert. Sein schwarzes Herz verfolgt ihn auch auf seiner Reise, immer wieder wird er mit seinen Sünden konfrontiert, weil die wahren Puppenspieler des Krieges der Hundert glauben, ihn so kontrollieren zu können. Ich fand es beeindruckend, wie ausgeklügelt Mark Lawrence permanent eine unterschwellige Spannung aufrechterhält, indem er die verborgenen Akteure seines brutalen Universums langsam und widerwillig identifiziert. Dadurch bleibt stets ein Gefühl der Neugier bestehen. Manchmal war diese Neugier das einzige, das mich zum Weiterlesen bewog, denn ich kann nicht leugnen, dass „King of Thorns“ hin und wieder reichlich zäh ist. Die Lektüre war anstrengend, weil Mark Lawrence viele bedeutsame Details lediglich andeutet. Dadurch erfordert das Buch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Eine Sekunde nicht aufgepasst und schwupps – schon ging ein wichtiges Informationskrümelchen verloren.

 

„King of Thorns“ ist eine würdige Fortsetzung der Trilogie „The Broken Empire“ und steht dem Auftakt „Prince of Thorns“ in nichts nach. Noch immer bin ich vollkommen fasziniert vom Protagonisten Jorg, sodass es mir teilweise sogar schwerfällt, mich auf die Handlung zu konzentrieren, obwohl diese äußerst feinsinnig und intelligent konstruiert ist. All die Fäden, die Mark Lawrence mit gewissenhafter Autorität spinnt, verknüpfen sich erst ganz am Ende des Buches, ergeben dann aber ein überzeugendes Gewebe. Für mich wiegt es nicht allzu schwer, dass Lawrence zur Geheimniskrämerei neigt, weil er dadurch das eine oder andere Ass im Ärmel behält, das wunderbares Material für überraschende Wendungen bietet. Die Unberechenbarkeit von Autor, Handlung und Protagonist, die schiere Ahnungslosigkeit, die ich beim Lesen empfand, vermischen sich mit der unbequemen, düsteren, gewaltgeschwängerten Atmosphäre zu einer besonderen Lektüre, für die es vermutlich tatsächlich nur eine passende Beschreibung gibt: Grimdark.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/07/20/mark-lawrence-king-of-thorns
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review 2017-05-25 14:39
[Rezension] Jörg Nießen - Die Sauerei geht weiter ... ~ 20 neue wahre Geschichten vom Lebenretten
Die Sauerei geht weiter...: 20 neue wahr... Die Sauerei geht weiter...: 20 neue wahre Geschichten vom Lebenretten - Jörg Niessen
Beschreibung:
Der überwältigende Erfolg von Jörg Nießens erstem Buch »Schauen Sie sich mal diese Sauerei an« schrie förmlich nach einer Fortsetzung. Und inzwischen konnte der sympathische Rettungsassistent und Feuerwehrmann genügend Stoff für einen zweiten Band sammeln – und zwar von der Sorte Einsätze, die den Leser zum Schmunzeln und zum Lachen bringen, die kaum zu glauben, aber doch passiert sind. 
In Jörg Nießens neuem Buch ist natürlich auch wieder Hein, des Autors liebster Kollege, mit von der Partie und zusammen erwarten die beiden verunfallte Pianisten, brennende Vereinsheime, pädagogisch wertvolle Wasserschäden, schräge Psychosen, dramatische Kinderkrankheiten und vieles mehr. 
In »Die Sauerei geht weiter ...« zeigt Jörg Nießen erneut sehr eindrucksvoll, dass das Leben selbst die besten Geschichten schreibt und dass Humor ein wichtiger Verbündeter im Alltag eines Lebensretters ist. Witzige Illustrationen von Jana Moskito begleiten die Geschichten.
 
Details:
Taschenbuch: 256 Seiten
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. September 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 386265060X
ISBN-13: 978-3862650606
Größe: 12,7 x 2,7 x 19,2 cm
 
Fazit:
Momentan sind ja Geschichten aus dem wahren Leben ein Trend - egal ob auf der Mattscheibe oder als Buch und eigentlich macht man ja solchen Trends eher unbewusst mit, aber dieses Mal muss man sagen, das was, Jörg Nießen da aufs Papier bringt, ist wirklich anschaulich gemacht. 
Nicht nur, dass die Illustrationen von Jana Moskito wirklich gut passen und das ganze Buch wirklich auflockern, sondern auch die Anschaulichkeit, mit er die Fälle beschreibt, gepaart mit einem gewissen Wortwitz machen aus einem eigentlich recht schockierenden Thema, was Rettungseinsätze ja im Allgemeinen sind, ein Buch, was eben nicht nur unterhält, sondern was auch zeigt, dass der Berufsstand der Rettungssanitäter nicht immer so wahnsinnig schockierend sein muss. Natürlich bemerkt man am Stil, dass da kein geborenen Autor sitzt, aber damit sollte man dann schon rechnen, wenn man sich ein Buch mit dem Titel kauft, den Jörg Nießen schreibt, wie er auch eben wahrscheinlich auch im Leben ist - ehrlich und gerade raus. 
Natürlich könnte man die Frage nach der Glaubhaftigkeit stellen, aber man sollte schon mit einem wachen Verstand durch das Buch gehen und wenn man dann selber schon mal Einsätze miterlebt hat, dann kann man wirklich sagen, es gibt nichts, was es nicht gibt. 
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review 2017-05-01 00:00
Hochsaison
Hochsaison - Jörg Maurer Im Gegensatz zur saukomischen Nummer 1 kommt diese Story einfach nur wirr und langweilig daher. Da rettet auch die durchaus gelungene Lesung durch den Autoren höchstselbst nicht mehr viel.
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review 2016-12-01 10:28
Ein Schatten bemächtigte sich meiner
Prince of Thorns - Mark Lawrence

Auf die Frage hin, welche Autor_innen Mark Lawrence inspirierten, seinen Debütroman „Prince of Thorns“ zu schreiben, antwortete er „A Clockwork Orange“ von Anthony Burgess. Hätte ich das gewusst, hätte ich vielleicht eher zu diesem Roman gegriffen, denn ich liebe die Geschichte des zum Gutmenschen konditionierten Alex. Hätte ich es gewusst, wären meine Erwartungen allerdings enttäuscht worden, weil die beiden Bücher letztendlich kaum etwas gemeinsam haben. Lediglich ihre Protagonisten sind sich sehr ähnlich: sowohl Alex als auch Jorg sind ultragewaltbereite, intelligente, einnehmende Figuren. Demzufolge war es vermutlich von Vorteil, dass ich erst im Nachhinein erfuhr, dass „Prince of Thorns“ ursprünglich als Hommage an Burgess‘ großen Roman gedacht war. So konnte ich mich der Lektüre unbelastet widmen.

 

Der Tod seiner Mutter und seines Bruders veränderten Jorg. Das Attentat, das eigentlich auch ihn beseitigen sollte, machte aus einem unschuldigen Kind den skrupellosen Kopf einer Räuberbande, die plündernd und mordend durch die Lande zieht. Aus Gier und Opportunismus halten sie ihm, einem 14-jährigen Burschen, die Treue. Vier Jahre ist es her, dass Jorg davonlief. Nun ist es Zeit, heimzukehren, an den Hof des Königs von Ancrath. Denn unter den Schichten aus Grausamkeit, Dreck und bitteren Erinnerungen ist Jorg niemand geringes als der Kronprinz des Reiches. Er ist fest entschlossen, seinen Anspruch auf den Thron durchzusetzen und seinen Vater dafür bluten zu lassen, dass er das Leben seiner Frau und seines Sohnes verscherbelte. Ebenso, wie er ihren Mörder für seine Tat bezahlen lassen wird. Von Rachedurst getrieben führt Jorg seine Bruderschaft Ausgestoßener in das Herz der Macht. Ein tödliches Netz aus Magie und Intrigen erwartet ihn. Doch Jorg weiß, wie das Spiel gespielt wird. Er weiß, wie man gewinnt. Und er will verdammt sein, wenn er mit 15 nicht bereits König ist!

 

„Prince of Thorns“ hat mir die Sprache verschlagen. Dieser Trilogieauftakt ist beklemmend düster, viel düsterer, als ich erwartet hatte. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, ein Schatten würde über den Seiten liegen, der mit Fortschreiten der Handlung immer dichter wurde und sich meiner bemächtigte. Sowas habe ich noch nie erlebt. Ich habe allerdings auch noch nie einen Protagonisten wie Jorg erlebt. Schon oft bekam ich es mit finsteren Antihelden zu tun, die es kaum auf eine nennenswerte positive Eigenschaft brachten (ja, ich schaue dich an, Ringil Eskiath), aber Jorg ist so… jung. 14 Jahre. Ich weiß, es klingt banal, doch seine Jugend bereitete mir wirklich Probleme, weil ich einfach nicht fassen konnte, dass jemand in diesem Alter so grausam, eiskalt und kompromisslos sein kann. Er ist doch fast noch ein Kind. Oder er sollte es sein. Da das Buch aus Jorgs Ich-Perspektive geschrieben ist, befand ich mich während der Lektüre unmittelbar in der Gedankenwelt des Prinzen – ich kann euch versichern, da ist nichts Kindliches. Gar nichts. Ich verstehe selbstverständlich, wie und warum Jorg so wurde wie er ist, denn Mark Lawrence erklärt seine Entwicklung nachvollziehbar durch eine hervorragende Mischung aus aktuellen Ereignissen und Rückblenden. Umso tragischer erscheint mir jedoch seine Figur. Der Tod seiner Mutter und seines Bruders zerfetzten alles Unschuldige in ihm innerhalb eines Wimpernschlags. Er wurde sehr schnell sehr radikal erwachsen und glaubt, alle zärtlichen Gefühle im Keim ersticken zu müssen, um nie wieder angreifbar und verletzlich zu sein. Jorgs Seele ist eine verbrannte, von Asche bedeckte Ödnis und das verheerende Feuer, das sie zerstörte, legte er selbst. Nichtsdestotrotz wird er von Schuld zerfressen. Tief in seinem Inneren glaubt Jorg noch immer, dass er seine Mutter und seinen Bruder hätte retten können. Er fühlt sich ohnmächtig und hilflos – um dieses Gefühl zu kompensieren, schlägt er um sich und versucht zu beweisen, dass er es an Brutalität und Skrupellosigkeit mit Männern aufnehmen kann, die doppelt so alt sind wie er. Ich denke, sein Plan, König zu werden, ist ebenfalls Ausdruck seines Bedürfnisses, als vollwertiger Erwachsener wahrgenommen zu werden. Er behauptet zwar, das zersplitterte Reich einen zu wollen, das der Trilogie ihren Namen gibt, aber so ganz nehme ich ihm das nicht ab. Trotz dessen zweifle ich nicht daran, dass es durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, dass er dieses Ziel erreicht, denn was Jorg an Erfahrung und Weitblick fehlt, macht er durch pure Willensstärke, Intelligenz und unkonventionelles Denken wett. Ich habe gelernt, ihn niemals zu unterschätzen, weil er mich ein ums andere Mal überraschte.

 

Beim Lesen von „Prince of Thorns“ fesselte mich die Figur des Protagonisten dermaßen, dass ich kaum Zeit und Gelegenheit hatte, mich auf etwas Anderes als ihn zu konzentrieren. In den beiden Folgebänden werde ich hoffentlich die Möglichkeit haben, mich mit Mark Lawrences Universum vertraut zu machen. Ebenso hoffe ich, das vielfältige Magiesystem besser zu verstehen. Da liegt eine Menge Arbeit vor mir. Das schreckt mich jedoch nicht, im Gegenteil, ich freue mich darauf, all die Details der Trilogie „The Broken Empire“ zu erforschen und in einen größeren Zusammenhang zu bringen.
Ich fand „Prince of Thorns“ unbequem und faszinierend. Es ist ein düsteres, blutiges Buch, das eine giftige Atmosphäre von Zerstörung und Unsicherheit verströmt und einen zwielichtigen, grenzwertigen Protagonisten fokussiert. Ich weiß zwar noch nicht so recht, wie ich diesen Low Fantasy – Roman einordnen soll, weil ich mir nicht im Mindesten vorstellen kann, wohin Mark Lawrence eigentlich mit mir möchte, aber ich bin gewillt, es herauszufinden. Die Dunkelheit in Jorgs Seele übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus. Ich will ihn seine Schatten reiten sehen, diesen Prinzen der Dornen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/12/01/mark-lawrence-prince-of-thorns
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