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review 2019-06-11 08:09
Niemand wird böse geboren
Fairest - Marissa Meyer

Als Marissa Meyer begann, die „Lunar Chronicles“ zu schreiben, wusste sie, dass die zentrale Antagonistin ihrer Geschichte auf der bösen Königin aus „Schneewittchen“ basieren würde. Ihre Figur faszinierte sie. Welche Frau würde so großen Wert auf Schönheit legen, dass sie bereit wäre, all diese furchtbaren Dinge zu tun? Was müsste dieser Frau zugestoßen sein, um diese Skrupellosigkeit zu entwickeln? Meyer gab ihrer bösen Königin den Namen Levana. Sie konzipierte ihre Biografie mental parallel zu den Heldinnen ihrer Reihe, stieß mit dieser Taktik jedoch an eine Grenze, als sie den letzten Band „Winter“ schrieb. Einige Szenen bereiteten ihr Schwierigkeiten. All diese Szenen hatten eines gemeinsam: sie drehten sich um Levana. Um ihre Blockade aufzulösen, entschied die Autorin, Levanas Hintergrundgeschichte auszuformulieren. Das Ergebnis ist der Zwischenband „Fairest“, den man laut Meyer nicht zwangsläufig zwischen „Cress“ und „Winter“ lesen muss, der allerdings gewisse Entwicklungen in „Winter“ verständlicher gestaltet. Ich hielt mich an Meyers Empfehlung und las „Fairest“ nach „Cress“.

 

Cinder und ihre Verbündeten kennen Königin Levana als skrupellose, kaltherzige Herrscherin des Reiches Luna. Doch einst war sie ein junges Mädchen voller Hoffnungen und Träume. Am Hofe Lunas war sie unsichtbar. Sie wollte geliebt werden, sehnte sich nach Aufmerksamkeit und Respekt. Sie wurden ihr verwehrt. Ihre Einsamkeit vergiftete ihre Seele, bis sie vor nichts mehr zurückschreckte, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Dies ist ihre Geschichte, eine Geschichte voller Tragik und Leid. Denn niemand wird als böse Königin geboren.

 

Ich bin sehr froh, dass Marissa Meyer „Fairest“ schrieb und veröffentlichte. Meiner Meinung nach ist es der bisher beste Band der „Lunar Chronicles“ und eine wertvolle Ergänzung der Reihe, die mein Verständnis der Ereignisse vertiefte und Königin Levana in ein anderes Licht rückte, weg von der einseitigen Darstellung als ultrafiese Antagonistin. Levanas Biografie ist eine Tragödie voll enttäuschter Liebe und traumatischer Erfahrungen, die mein Mitgefühl weckte und ihre Motivationen nachvollziehbar und einfühlsam enthüllte. Sie ist garantiert kein Unschuldslamm und trifft egoistische und oft schlicht grausame Entscheidungen, aber nicht, weil sie von Geburt an eine schlechte Person wäre, sondern weil sie einsam, zornig und bedauernswert unglücklich ist. Sie wurde emotional verkrüppelt und rutschte langsam in ihren ganz persönlichen Wahnsinn hinab, der sie jede abscheuliche Tat vor sich selbst rechtfertigen lässt. Ich fand es erstaunlich, dass sie angesichts der Schwere der psychischen Verletzungen, die ihr seit frühester Kindheit zugefügt wurden, überhaupt zu einer einigermaßen verträglichen Persönlichkeit heranwuchs. Es hätte noch viel schlimmer kommen können, denn Levana hatte niemals ein positives Vorbild, keinerlei Orientierung, die sie den Unterschied zwischen Richtig und Falsch lehrte. Das ist einerseits ein Versäumnis ihrer dysfunktionalen Familie, andererseits eine Folge der gesellschaftlichen Umstände auf Luna. Meyer bietet mit „Fairest“ nicht nur ein überzeugendes Porträt von Levana, sie gewährt ihren Leser_innen darüber hinaus intime Einblicke in Lunas soziale, politische und wirtschaftliche Strukturen. Das Königreich des Mondes ist eine klassische, totalitäre Monarchie, die sich klar in eine Elite und das gemeine Volk teilt. Lunas Hof vermittelt eine entschieden barocke Atmosphäre; Protz und Prunk beherrschen das Bild und der Adel vertreibt sich die Zeit mit komplizierten Intrigen. Echtes politisches Interesse ist rar gesät, weshalb ich geschockt war, dass sich Levana tatsächlich als gute Königin entpuppt, die sich aufrichtig um das Wohl Lunas sorgt. Es wäre allerdings ein Fehler, anzunehmen, dass ihre Bemühungen die Nöte ihrer Untergebenen berücksichtigen würden. Levana begreift ihr Reich nicht als Gesamtheit ihres Volkes, sondern als abstrakte Idee und Verlängerung ihres Ichs. Deshalb ist es für sie keineswegs problematisch, Erlasse zu realisieren, die herzlos wirken. Ihre oberste Priorität besteht darin, Luna als Nation voranzubringen und aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Erde zu führen. Aus dieser Perspektive betrachtet und unter Einbeziehung ihrer kulturellen Prägung sind die meisten ihrer politischen Entscheidungen vollkommen logisch und naheliegend. Dennoch hat ihr Plan, die Erde zu kontrollieren, überraschend wenig mit politischem Kalkül zu tun. Nein, darin zeigt sich das verzweifelte kleine Mädchen, das Levana in ihrem Inneren noch immer ist und ihre zunehmende Distanz zur Realität. Ach, was hätte aus ihr werden können, wäre all ihr Potential nicht in Negativität gelenkt worden?

 

Ich glaube, Marissa Meyer und ich haben etwas gemeinsam: wir haben ein Herz für böse Königinnen. Meiner Ansicht nach muss sie Levana trotz ihrer Fehler wahrhaft lieben, sonst hätte sie „Fairest“ nicht schreiben können. In diesem Zwischenband erstellt sie ein glaubhaftes, fundiertes psychologisches Profil, das nachdrücklich Empathie für eine Figur einfordert, die bisher sicherlich keine Sympathieträgerin war. Sie diktiert ihren Leser_innen nicht, wie sie für Levana zu empfinden haben, sie ruft uns lediglich ins Gedächtnis, dass niemand böse geboren wird. Levana ist das Produkt einer Vielzahl verstörender Erlebnisse, die nicht spurlos an ihr vorbeigingen. Ich habe sehr viel über sie gelernt und war fasziniert davon, wie sie sich selbst sieht. Obwohl „Fairest“ streng genommen nicht zur Geschichte der „Lunar Chronicles“ zählt, kann ich euch nur empfehlen, nicht auf die Lektüre zu verzichten. Es ist ein leuchtendes Stück Young Adult – Literatur, ein Buch, das sich nicht nur im Rahmen der Reihe lohnt, sondern auch für sich selbst. Viele Autor_innen können liebenswerte Figuren konzipieren – nur wenige können Figuren erschaffen, die man nicht mögen muss, um sie zu verstehen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/06/11/marissa-meyer-fairest
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review 2019-04-03 20:30
Zauberhafte, teils tragische Liebesgeschichte mit Startschwierigkeiten
Zwischen uns die Sterne - Tara Sivec

Informationen zum Buch: 
Der Roman „Zwischen uns die Sterne“ aus dem Mira Taschenbuch Verlag umfasst 416 Seiten und ist seit dem 4. Januar 2019 als Taschenbuch und E-Book erhältlich. 

Worum geht es: 
Camerons Eltern leiten das Camp Rylan, welches als freizeitlicher Erholungs- und Therapieort für Kinder dient, deren Eltern aus dem Militäreinsatz zurück gekehrt oder gestorben sind. In diesem Camp lernt sie in ihrer Kindheit die 3 Jahre älteren Jungs Aiden und Everett kennen. Die drei werden schnell Freunde und sind nahezu unzertrennlich. In ihrem Baumhaus schreiben sie jedes Jahr ihre Wünsche auf kleine Sternenzettel, die sie in kleinen Kartons voreinander verbergen. Dass Cameron und Everett den selben Wunsch haben, wissen sie nicht. Die beiden trauen sich nicht ihre Gefühle voreinander zu offenbaren und Everett flieht später ins Ausland, um das Glück zwischen Cameron und Aiden nicht zu zerstören, der ebenfalls Interesse an ihr bekundet. Als Everett von Aidens Tod erfährt, reist er zurück und die lange Funkstille zwischen ihm und seinen ehemals besten Freunden, sowie sein Auslandsaufenthalt prasseln plötzlich schmerzlich auf ihn ein. 

Meine Meinung: 
Anfangs habe ich mich sehr über die furchtbaren Missverständnisse und die daraus entstandenen Dummheiten aufgeregt und musste das Buch immer wieder weglegen. Ich persönlich finde es sehr schwierig, solche Szenen zu lesen. Irgendwann ging es dann aber immer mehr bergauf und das Buch entwickelte sich zu der süßen Liebesgeschichte, die es ist, auch wenn sie einige tragische Szenen beinhaltet. Das Buch ist gespickt von kleinen, gefühlvoll beschriebenen Rückblicken in die Kindheit und Jugend der Figuren und die Geschichte ist abwechselnd aus Everetts und Camerons Perspektive erzählt, so, dass man sich sehr gut in die Gefühlswelt der beiden hinein versetzen kann. Der Schreibstil ist eher detailliert und einfühlsam, lässt sich aber leicht und schnell lesen. 

Das Cover finde ich unglaublich schön und sehr passend. 

Fazit: 
Eine, teils tragische, Liebesgeschichte, die einmal mehr zeigt, wie wichtig es ist, über seine Gefühle zu reden.

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review 2019-04-03 09:29
Kein Zirkusspektakel
The Troupe - Robert Jackson Bennett

Hände hoch: wer hat schon einmal „Dinner for One“ gesehen? Ich stelle mir ein Meer erhobener Hände vor. Aber wusstet ihr, dass der Silvestersketch aus der US-amerikanischen Bühnenunterhaltungsform Vaudeville hervorging? Das Vaudeville war eine Vorstufe des Varietés im 19. Jahrhundert. Die Vorführungen bestanden aus mehreren in sich abgeschlossenen Nummern, die von Schauspiel, Gesang, Tierdressur, Bauchrednern bis zu Akrobatik und Tanz reichten. Die Theater, die eher an Schaubuden erinnerten, gehörten weitgehend zu großen Ketten, weshalb die Künstler_innen häufig durch das ganze Land tourten. Viele spätere Berühmtheiten wie zum Beispiel die Drei Stooges begannen ihre Karriere im Vaudeville. In seinem Roman „The Troupe“ entführt der Autor Robert Jackson Bennett seine Leser_innen in diese bunte, exotische Welt.

 

Der 16-jährige George Carole ist ein musikalisches Wunderkind. Sein Pianospiel ist beinahe magisch. Niemand versteht, warum er sich ausgerechnet im Vaudeville eine Anstellung suchte. Sein Talent könnte ihm die Türen der großen Konzerthäuser öffnen und seine Taschen füllen. Aber George interessiert sich nicht für Reichtum und Ruhm. Er hat nur einen Wunsch: er möchte seinen Vater kennenlernen. Dieser ist niemand geringeres als der berühmt-berüchtigte Heironomo Silenus. Die Shows seiner Truppe sind in Vaudeville-Kreisen legendär; sie gelten als einzigartig, mystisch, lebensverändernd. Als es George tatsächlich gelingt, Silenus auf sich aufmerksam zu machen und Teil seines Ensembles zu werden, steht ihm jedoch eine entsetzliche Offenbarung bevor. Die skurrile Künstlergruppe führt ein Leben auf der Flucht, im ewigen Krieg gegen die Dunkelheit, die droht, die Welt zu verschlingen. Sie sind die einzigen, die das göttliche Geheimnis kennen und sich dem abgrundtief Bösen entgegenstellen. George wird in einen uralten Kampf hineingezogen, der ihm mehr abverlangt, als er vielleicht zu geben bereit ist…

 

Robert Jackson Bennett veröffentlichte „The Troupe“ 2012. Damit erschien der Urban Fantasy – Roman zwei Jahre vor „City of Stairs“, dem ersten Band der „Divine Cities“-Trilogie, die ich begeistert feierte. Es ist immer ein bisschen ungünstig, sich rückwärts durch das Werk eines Autors oder einer Autorin zu lesen. Zwei Jahre erscheinen wenig, können in der Entwicklung eines schriftstellerischen Stils aber durchaus einen Unterschied machen. „The Troupe“ wirkte auf mich, als hätte Bennett seine individuelle Stimme damals noch nicht so ganz gefunden. Sein formidabler Schreibstil war noch nicht ausgereift, blitzt jedoch schon manchmal auf. Besonders das Ende des Einzelbands, das ein weiteres Mal beweist, was für ein Händchen der Autor für berührende, poetische Abschlüsse hat, zeichnet seinen zukünftigen Werdegang bereits vor. Zuvor las sich das Buch für mich hingegen etwas zäh und träge. Ich konnte lange nicht erkennen, worauf Bennett hinauswollte und war ein bisschen enttäuscht, dass „The Troupe“ meine Erwartungen nicht erfüllte. Als ich erfuhr, dass die Handlung im Rahmen des Vaudevilles spielen sollte (und den Begriff gegoogelt hatte), rechnete ich mit einer Art fahrender Freakshow voller bizarrer Figuren, die reihenweise groteske Auftritte absolvieren. Tatsächlich ist die Truppe, der der Protagonist George beitritt, wesentlich kleiner und unspektakulärer, als ich mir vorgestellt hatte. Sie besteht aus Heironomo Silenus, einer orientalischen Tänzerin namens Colette, dem Bauchredner Kingsley, der Starken Frau Franny und dem Cellisten Stanley. Die fünf sind zweifellos skurril, doch meinem Empfinden nach wurde ihre Ausstrahlung von der Tragik ihrer Biografien dominiert. Sie wirkten schnell nicht mehr faszinierend oder kapriziös auf mich, sondern wie ein ziemlich jämmerlicher Haufen, dem das Vaudeville kaum etwas bedeutet. Das Setting dient ihnen lediglich als Tarnung. Ihre Exzentrik und jeweilige Verbindung mit dem Übernatürlichen stehen nicht im Mittelpunkt der Geschichte, sondern ihre Mission: der Krieg gegen die abstrakte Bedrohung der Dunkelheit, den Bennett in den Kontext eines kreativen Schöpfungsmythos integriert, dessen schlichte, bezaubernde Schönheit eher an ein Märchen als an christliche Narrative erinnert. Die Truppe war anders, als ich angenommen hatte, sie überraschten mich dadurch allerdings sehr oft und verhielten sich unvorhersehbar, wodurch „The Troupe“ eine charismatische, charakterzentrierte Form der Spannung aufrechterhielt. Niemand ist in diesem Buch wirklich heldenhaft, nicht einmal George, den Bennett unverfälscht, ehrlich und erfrischend fehlbar portraitiert. Daher war ich fähig, meine Erwartungshaltung zu korrigieren und der hässlichen Wahrheit ins Gesicht zu sehen: der Kampf gegen das Böse ist nicht glorreich, sondern produziert kaputte Persönlichkeiten, die zu traumatisiert sind, um als Held_innen betrachtet zu werden und dennoch Hoffnung vermitteln.

 

Als ich „The Troupe“ ausgelesen hatte und das Buch zuschlug, dachte ich zuerst, wie unsagbar traurig diese Geschichte ist. Das ist sie definitiv. Wer auf einen bunten, schrillen, fröhlichen Roman hofft, wird enttäuscht werden. Robert Jackson Bennett ist kein Autor für seichte, oberflächliche Unterhaltung. Er skizziert in diesem Einzelband ein Bild exquisiter, ästhetischer Tragik, kein Zirkusspektakel. Ich war von dessen bedeutungsschwerer Tiefe selbst überrascht und versuche immer noch, das Gefühl der Trauer abzuschütteln, das mich überfällt, wenn ich über das Buch nachdenke. Daher fiel mir die Bewertung ziemlich schwer. Einerseits negierte „The Troupe“ beinahe alle Erwartungen, die ich vor der Lektüre entwickelt hatte. Andererseits habe ich viel mehr bekommen, als ich jemals vermutet hätte, nur auf eine andere Art und Weise. Deshalb vergebe ich vier Sterne. Euch rate ich, euch für eine emotional fordernde Erfahrung zu wappnen, solltet ihr „The Troupe“ lesen wollen. Dieses Buch sticht mitten ins Herz.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/03/robert-jackson-bennett-the-troupe
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review 2019-02-19 11:16
Die Essenz der Jugend
Every Day - David Levithan

Sucht man nach LGBT-Jugendliteratur, stößt man schnell auf David Levithan. Der Autor erarbeitete sich eine beachtliche Reputation, weil Diversität in seinen Büchern eine wichtige Rolle spielt. Er begann seine Karriere als Lektor; sein erster Roman „Boy Meets Boy“ stellte sein Traum-Manuskript dar: eine Geschichte über homosexuelle Teenager fern jeglicher Klischees und Stereotypen. Offenbar war er nicht der einzige, der sich das wünschte, denn das Buch wurde ein Erfolg. Sein vermutlich bekanntestes Buch ist jedoch „Every Day“, in dem er untersucht, wie eine Existenz ohne Label wie Gender, Sexualität und Rasse, die Menschen zur Kategorisierung verwenden, aussähe. Außerdem wollte er herausfinden, ob es möglich wäre, eine Person zu lieben, die sich jeden Tag verändert. Der 2012 erschienene Roman erfuhr einen unfassbaren Hype, der auch an mir nicht vorbeiging. Aber da ich dazu neige, die Letzte zu sein, die ein gehyptes Buch liest, holte ich „Every Day“ erst 2018 von meinem SuB.

 

Stell dir vor, du müsstest jeden Tag aufs Neue herausfinden, wer du bist. Stell dir vor, du hättest keinen eigenen Körper, kein eigenes Leben, keinen Anker. Nur deine Identität, dein abstraktes, formloses, heimatloses Ich, das Tag für Tag in der Existenz eines anderen Menschen erwacht. Was würdest du tun? Würdest du das Abenteuer suchen, Grenzen überschreiten? Würdest du verantwortungsvoll mit dem Leben umgehen, das dir anvertraut wurde? Was würdest du vermissen? Dein Gesicht im Spiegel? Familie, Freunde, Routine? Oder die Hoffnung auf die große Liebe?
Seit A denken kann, bedeutete Leben, in eine andere Person hineinzuschlüpfen. So war es immer. Doch Rhiannon änderte alles.

 

Ich erinnere mich gern an die Lektüre von „Every Day“. Ich begann das Buch auf meinem Weg zur Arbeit. Es war ein schöner Tag, ich hatte im Bus einen Fensterplatz und Sonnenstrahlen tanzten über die Seiten. Ich konnte fühlen, wie ich eingesaugt wurde, innerhalb kürzester Zeit eine Verbindung aufbaute und sich ein glückliches Lächeln auf mein Gesicht stahl. Ich lächelte während des gesamten ersten Kapitels. David Levithan benötigte nicht einmal 30 Seiten, um mich abzuholen. Zwar hielt diese magische Verbundenheit nicht die gesamte Lektüre über an, aber es war dennoch ein besonderes Leseerlebnis. Die Geschichte startet an Tag 5994 von A’s Leben. A ist 16 Jahre alt und… ja, was eigentlich? Pures Bewusstsein. Eine Lebensform ohne physische Präsenz, eine reisende Seele, ein Parasit. A besitzt keinen Körper und demzufolge weder Geschlecht noch Gender oder Rasse. Stattdessen erwacht er/sie unfreiwillig jeden Tag im Körper einer anderen Person im selben Alter und übernimmt diesen. Deshalb war es unmöglich, A außerhalb der Wirte zu visualisieren. Trotzdem entwickelte ich eine unverwechselbare Vorstellung der Persönlichkeit, die mir in Ich-Perspektive Einblicke in ihre Existenz gewährte. Levithan individualisierte A’s Stimme gewissenhaft und beweist, dass ein Charakter nicht auf Äußerlichkeiten angewiesen ist, um überzeugend und glaubhaft zu sein. Es wundert mich nicht, dass „Every Day“ in der LGBT-Community als ikonisch gilt, denn die Selbstverständlichkeit, mit der der Autor sexuelle Identität behandelt, beeindruckte mich und regte mich zum Nachdenken an. Er lehrte mich, dass auch ich so daran gewöhnt bin, zu kategorisieren, dass ich A grundlos als männlich einstufte. Vielleicht lag es daran, dass A das erste Kapitel im Körper von Justin erlebt und meine Leseerfahrung dadurch prägte. Erst scheint sich Tag 5994 für A durchschnittlich zu gestalten. Obwohl seine/ihre Existenz haarsträubend wirkt, hat er/sie diese akzeptiert, wie sie ist. Er/Sie ist es gewohnt, sich schnell in einem neuen Körper zurechtzufinden, die Erwartungshaltung des Umfelds zu erfüllen und sich respektvoll zu verhalten. Es gefiel mir, dass sich A der Verantwortung, die mit der Inbesitznahme einhergeht, bewusst ist. Normalerweise bemüht sich A, den Wirt so gut wie möglich zu verkörpern, doch als ihm/ihr Justins Freundin Rhiannon begegnet, ist dieser Vorsatz schnell vergessen. Rhiannon ändert für A alles, weil er/sie sich in sie verliebt. Durch diese Gefühle offenbart sich die erschütternde Tragik in A’s Dasein. Er/Sie kann keine Beziehungen aufbauen, weil diese keinen Bestand haben können. Ihm/Ihr fehlt ein entscheidendes Stück der Identitätsbildung und Erfahrungen, die für Menschen sonst normal sind, erlebt er/sie nur aus zweiter Hand. Obwohl A’s Bekanntschaft mit tausenden komprimierten Leben unvergleichlich aufregend ist, sehnt er/sie sich nach Konstanz – in Person von Rhiannon. Leider ist das der Grund, warum mich „Every Day“ nicht dauerhaft zu fesseln vermochte. A versucht, Rhiannon in unterschiedlichen Körpern von sich überzeugen. Diese Tage ähneln sich sehr. Ich fand diese Kapitel daher nicht abwechslungsreich genug und etwas schnulzig. Aber gut, im Kern ist das Buch trotz der spektakulären Umstände eine Liebesgeschichte, was will man da erwarten?

 

„Every Day“ ist ein Buch simpler Poetik, das zahlreiche philosophische Lebensweisheiten enthält, mit denen sich die meisten Leser_innen sicher identifizieren können. David Levithan vermittelt die unmissverständliche Botschaft, dass sich das Herz nicht für oberflächliche Eigenschaften interessiert. Liebe ist blind. Meiner Ansicht nach verfügt dieser Roman allerdings über eine zusätzliche Metaebene. Ich sehe in „Every Day“, in A’s wechselhafter Existenz, auch eine Metapher für die Jugend selbst. Wenn man jung ist, probiert man viele verschiedene Identitäten aus, möchte alles auf einmal und doch wieder ganz anders sein, fühlt sich manchmal allein, losgelöst und unsichtbar. A ist eine konzentrierte Personifizierung dieses Lebensabschnitts. Ich hoffe, dass er/sie irgendwann in sich selbst ankommt. Deshalb freue ich mich mehr auf das Sequel „Someday“, als auf „Another Day“, das Rhiannons Perspektive beleuchtet, denn ich wünsche A vor allem eines: eine Heimat.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/19/david-levithan-every-day
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review 2019-01-01 23:12
Tragischer Liebesroman, der das Herz berührt
Das Leuchten unserer Träume: Roman - Dani Atkins,Sonja Rebernik-Heidegger

Informationen zum Buch:
Das Buch „Das Leuchten unserer Träume“ aus dem Knaur Verlag umfasst 448 Seiten und ist seit Anfang Oktober 2018 als Print und E-Book erhältlich.

 

Worum geht es:
Sophie Winter fällt es schwer, Menschen in ihr Herz zu lassen. Der Verlust ihres großen Bruders, den sie im Teenageralter erlitten hat, nimmt sie immer noch mit und so wohnt sie mit mittlerweile einunddreißig zusammen mit ihrem Kater Fred in einem Mehrfamilienhaus und lenkt sich mit ihrer Tätigkeit als Übersetzerin ab. Bis eines Nachts in der Wohnung unter ihr ein Feuer ausbricht und sie quasi in letzter Sekunde von einem extrem hilfsbereiten jungen Mann gerettet wird. Doch auch Ben trägt eine Menge Gepäck mit sich herum.

 

Meine Meinung:
Eine wirklich sehr warmherzige Geschichte, bei der man vielleicht auch mal die ein oder andere Träne vergießt. Man kann sich gut in Sophie hineinfühlen und gerade deshalb nimmt einen alles wahrscheinlich noch mehr mit. Trotz der teils tragischen Ereignisse gibt es natürlich auch sehr viele wundervolle Momente und Szenen, wo man einfach nur grinsend vor dem Buch sitzt. Die Personen sind allesamt detailliert ausgearbeitet und handeln schlüssig. Die gesamte Handlung ist realistisch und wirkt nicht überzogen oder unnötig aufgebauscht. Natürlich ist einiges vorhersehbar, aber ich wurde auch des Öfteren überrascht. Besonders am Ende des Buches. Die Thematiken, die in dem Buch behandelt werden, überzeugen mit Tiefgang und basieren teilweise auf, mit der Autorin geteilten, Erfahrungen. Das ist im Buch auch spürbar. Ich mag vor allem die positive Message, die dieses Buch einem mit auf den Weg gibt.

 

Das Cover gefällt mir ebenfalls sehr gut. Es passt zur Geschichte, ist farblich angenehm und wirkt nicht überladen. Mir gefallen auch die kleinen Illustrationen an den Kapitelanfängen und die Gestaltung der Innenklappe.

 

Fazit:
Ein sehr warmherziger Liebesroman für alle, die nicht vor der Tragik des Lebens zurückschrecken.

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