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review 2019-12-28 11:35
Ich hätte gern meinen Kumpel zurück
The Getaway God - Richard Kadrey

Die „Sandman Slim“-Reihe von Richard Kadrey spielt in Los Angeles. Da Kadrey die Stadt gut kennt, obwohl er selbst in San Francisco lebt, kann er der Handlung seiner Romane konkrete Landmarken zuordnen. Ich habe ein kurzes Video entdeckt, in dem Kadrey einige wichtige Orte in L.A., die im sechsten Band „The Getaway God“ eine Rolle spielen, vorstellt. Das war wirklich interessant, denn dadurch kann ich mir die Straßen, durch die sein Protagonist Stark so oft mit seiner Höllenmaschine donnert, wesentlich besser vorstellen. Das einzige Manko des Videos besteht darin, dass es nicht regnet. In „The Getaway God“ steht L.A. nämlich die Apokalypse bevor – und dem sonnenverwöhnten Kalifornien kündigt sich diese natürlich als Dauerregen an.

 

Manche Leute würden alles tun, um ihre eigene Haut zu retten. In Zeiten der Apokalypse kann „alles“ sogar bedeuten, sich einer Sekte anzuschließen, die jenen uralten Göttern huldigt, die die Welt zu verschlingen drohen. Die grausigen Tatorte voller Leichenteile, die Der Zorn Götter hinterlässt, um den Angra Om Ya den Weg zur Erde zu ebenen, erscheinen selbst dem ehemaligen Höllengladiator James Stark aka Sandman Slim unappetitlich. Allein das Qomrama Om Ya könnte die Invasion der Angra noch aufhalten – wenn Stark denn wüsste, wie es funktioniert. Um das herauszufinden, teilt ihm sein Boss beim Golden Vigil einen skurrilen Partner zu: die jahrhundertealte Mumie eines japanischen Mönchs. Leider ahnt nicht einmal der Shonin, dass die Angra nicht nur von irdischen Anhänger_innen hofiert werden. Die Entdeckung einer weitreichenden Verschwörung zwingt Stark, die eine Seele um Hilfe zu bitten, die er mehr als alle anderen hasst: Mason Faim. Natürlich traut er Mason nicht, aber vielleicht kann Stark von seinem Wissen profitieren, um die Apokalypse abzuwenden. Und wenn nicht, bleibt ihm zumindest die Genugtuung, seinen Erzfeind zweimal getötet zu haben.

 

Eines habe ich im Verlauf von „The Getaway God“ begriffen: wenn Stark nicht gerade übernatürliche Krisen abwendet, ist sein Leben ziemlich öde. Sicherlich nicht die ergiebigste Erkenntnis einer Lektüre, aber nichtsdestotrotz wahr. Sein ganz normaler Alltag besteht aus kaum mehr als unregelmäßigen Arbeitszeiten bei Max Overdrive, alarmierendem Alkoholkonsum entweder Zuhause oder in seiner Stammkneipe Bamboo House of Dolls und endlosen Filmnächten vor dem heimischen Fernseher, allein oder in Gesellschaft von Candy und/oder Kasbian. Klingt nicht gerade fesselnd? Ist es auch nicht und die Tatsache, dass mir diese unspektakulären Muster in „The Getaway God“ bewusstwurden, sagt viel darüber aus, wie aufregend dieser sechste Band ist. Obwohl L.A. die Apokalypse durch die uralten, rachsüchtigen Angra Om Ya bevorsteht, gelang es Richard Kadrey nicht, einen durchgängigen Spannungsbogen aufzubauen. Die Handlung folgt keiner erkennbaren Zielsetzung, sie wirkte wirr und improvisiert und langweilt mit häufigen Leerlaufphasen, in denen Stark Däumchen dreht und wartet. Die drohende Invasion übersteigt seine Kompetenzen vollkommen; er kann sich nicht länger mit markigen Sprüchen und Höllenhoodoo durchschummeln. Ihn so einfallslos zu erleben war für mich sehr frustrierend, denn die Rolle des hilflosen Amateurs passt überhaupt nicht zu meinem Bild von ihm als liebenswerter Chaot, der schon alles irgendwie hinkriegt. Meiner Meinung nach hätte Kadrey das Ausmaß seiner Überforderung elegant überspielen können, hätte er einigen der vielversprechenden Ansätze in „The Getaway God“ mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Allein Starks aufgezwungene Partnerschaft mit dem mumifizierten japanischen Mönch besitzt so viel ungenutztes Potential, dass ich mir die Haare raufen möchte. Der Autor hätte ihrer Beziehung mühelos den Anstrich einer grotesken und unterhaltsamen Cop Buddy – Romanze verpassen können, hätte er sie mehr Zeit miteinander verbringen lassen, statt Stark auf die Ersatzbank zu verbannen. Keine Ahnung, warum er es nicht getan hat, ob ihm nicht klar war, was er da in den Händen hält oder ob er glaubte, diese Nebenhandlung würde zu sehr ablenken. Ich kann nur resümieren, dass ich für jede Abwechslung dankbar gewesen wäre. Den erneuten Auftritt von Mason hingegen fand ich verwirrend und weit hergeholt. Echt, darf der Mann nicht einfach mal tot bleiben? Muss Kadrey ihn immer wieder wie einen Clown aus der Kiste hervorspringen lassen? Hat Stark es nicht verdient, dieses Kapitel endlich überwinden zu können? Mason verwickelt Stark natürlich in eines seiner Psychospielchen, das am Ende zum alles entscheidenden Showdown führt. Weder habe ich Masons Strategie verstanden noch Starks aus dem Stegreif zusammengeflickten Plan, um die Angra aufzuhalten. Was der sorgfältige Abschluss eines umfangreichen Handlungsbogens sein sollte, der die Reihe seit mehreren Bänden begleitet, erschien mir aus dem Ärmel geschüttelt und nicht überzeugend.

 

„The Getaway God“ schafft es nur mit Ach und Krach auf eine Bewertung mit drei Sternen. Versuchte ich, völlig objektiv zu urteilen und ließe alle Sympathiepunkte außer Acht, hätte das Buch maximal zwei Sterne erhalten dürfen. Es ist in sich unlogisch und inkongruent, ein inhaltlicher Flickenteppich, weshalb ich das Gefühl habe, die Geschichte des sechsten Bandes ist ausschließlich im größeren Kontext von Belang und dient lediglich dazu, das ganze Tohuwabohu mit den Angra abzuschließen. Ich hoffe, das ist jetzt auch endlich der Fall. Ich hoffe, Richard Kadrey macht einen Strich unter dieses Kapitel der „Sandman Slim“-Reihe und denkt sich neue Abenteuer für Stark aus, denen er tatsächlich gewachsen ist und in denen er seine Stärken ausspielen kann. Ich möchte ihn wieder Kontrolle auf die Handlung ausüben und nicht mehr von ihr getrieben sehen – auf seine eigene, chaotische Art und Weise. Er soll wieder der Stark sein, den ich in den ersten drei Bänden kennen und lieben lernte. Bitte Mr. Kadrey, geben Sie mir meinen Kumpel zurück.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/12/28/richard-kadrey-the-getaway-god
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review 2019-03-19 09:28
Die Krux mit der Ich-Perspektive
The Sacred Lies of Minnow Bly - Stephanie Oakes

Stephanie Oakes‘ Debütroman „The Sacred Lies of Minnow Bly“ nahm einige Umwege, bis er veröffentlicht wurde. Während ihres Studiums sollte sie Gedichte zu einem Thema ihrer Wahl schreiben. Sie entschied sich für Märchen und stieß bei ihren Recherchen auf „Das Mädchen ohne Hände“. Die grausame Erzählung inspirierte sie, eine Märchenadaption zu schreiben. Zuerst konzipierte sie eine dystopische Version, die von Agent_innen und Verlagen allerdings abgelehnt wurde. Sie musste einsehen, dass ihre Geschichte nicht funktionierte. Die Rahmenbedingungen stimmten nicht: „The Sacred Lies of Minnow Bly“ verlangte nach einem realistischen Setting. Sie schrieb das gesamte Manuskript neu. Ihre Protagonistin Minnow, die Maid ohne Hände, wurde das Opfer einer Sekte im modernen Montana und das Buch endlich akzeptiert. Bei mir landete der Roman, weil mich die psychologischen Aspekte von Sekten interessieren.

 

Das Gefängnis macht der 17-jährigen Minnow Bly keine Angst. Angst machen ihr nur die dunklen Visionen ihrer Vergangenheit, besonders diejenigen dieser letzten Nacht. Der Nacht, in der ihr Heim niederbrannte.
Minnow lebte 12 Jahre in einer Sekte. Die Community war ihr Zuhause und alles, was sie kannte. Sie glaubte an die Worte des Propheten Kevin, an seine Erklärungen, an seine Weisheit und an seine strengen Regeln. Bis sie zu zweifeln begann und ihm nicht mehr glaubte. Als sie sich verliebte, erfuhr sie am eigenen Leib, wozu Kevin fähig war – und wozu sie selbst fähig ist. Minnow möchte am liebsten vergessen. Das Feuer. Die Toten. Doch sie muss sich ihren Erinnerungen stellen. Denn um eines Tages in Freiheit leben zu können, muss sie zuerst ihren Geist befreien.

 

Ich bin etwas zwiegespalten. „The Sacred Lies of Minnow Bly” ist ein spannender, eindringlicher Young Adult – Thriller, der mich fesselte und einige tiefgründige Themen anspricht, wie Identität, Glaube und freier Wille. Ich fand ihn gut. Aber ich glaube, er hätte noch besser sein können, hätte Stephanie Oakes auf Minnows Ich-Perspektive verzichtet.
Eingangs ist diese Wahl nicht hinderlich. Im Gegenteil. Durch Minnows Augen begreifen die Leser_innen schnell, dass sie sich in einer prekären Lage befindet. Sie hat etwas Schlimmes getan und ist vor etwas noch Schlimmerem davongelaufen. Außerdem offenbart sich bereits auf der ersten Seite Minnows auffälligstes äußerliches Merkmal: ihr wurden beide Hände amputiert. Sie landet in einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäterinnen. Dort, im Gefängnis, beginnt ihre eigentliche Geschichte, die sie Stück für Stück in Rückblenden aufdröselt. Dadurch entsteht graduell ein bestürzendes Bild des subtilen Horrors der Community. Das Leben der Sektenmitglieder wurde allein vom selbsternannten Propheten Kevin bestimmt; sein Wort war Gesetz. Er befahl ein striktes Patriarchat, Polygamie und einschneidende Regeln, deren Übertretung heftige physische Strafen nach sich zog. Wie in Sekten üblich herrschte Kevin mit Zuckerbrot und Peitsche. Ich hätte jedoch gern erfahren, wie er seine Anhänger_innen ursprünglich von seinen Visionen überzeugen konnte und wie sich die Anfänge der Community gestalteten, denn Minnow erwähnt, dass sadistische Maßregelungen erst später Normalität wurden. Ich hatte mir eine fundierte psychologische Schilderung der komplexen emotionalen Vorgänge in einer Sekte erhofft – doch aus Minnows Ich-Perspektive war das nicht möglich, weil ihr diese nicht bewusst sind. Ich denke darüber hinaus, dass Stephanie Oakes Minnow übertrieben unabhängig charakterisierte, um ihren Leser_innen die Bindung zu erleichtern. Minnows frühe, intuitive Ablehnung der Glaubensgrundsätze der Community erschien mir unwahrscheinlich. Schwer vorstellbar, dass sie sich nach einer Indoktrinierung seit frühester Kindheit als einzige gegen Kevins Gehirnwäsche wehren konnte. Ein realistisches psychologisches Profil hätte allerdings Denk- und Verhaltensmuster involviert, die für die junge Zielgruppe des Romans kaum nachzuvollziehen gewesen wären. Deshalb entschied Oakes vermutlich auch, Minnows persönliche Entwicklung im Gefängnis im Zeitraffer zu zeigen. „The Sacred Lies of Minnow Bly“ umspannt etwa ein Jahr – ihr Aufarbeitungsprozess ist demzufolge verkürzt und klammert frustrierende Rückschläge weitgehend aus. Trotz der Vorteile des Settings, das Minnow mit begrenzten, kontrollierten Reizen konfrontiert, und kleinerer Rebellionen fügt sie sich zu nahtlos in ihr Schicksal. Meiner Meinung nach konnte Stephanie Oakes aus Minnows Innenperspektive das Potential ihrer Geschichte nicht völlig ausschöpfen, weil eine realitätsnahe Darstellung ihres emotionalen und psychologischen Zustandes das Mitgefühl ihrer Leser_innen behindert hätte. Minnow sollte eine Heldin sein, kein seelisches Wrack voller hässlicher Abgründe. Hätte Oakes hingegen eine auktoriale Erzählsituation gewählt, hätte sie Minnows Empfindungen durch äußere Faktoren relativieren können. Das hätte selbstverständlich mehr schriftstellerischen Aufwand bedeutet, doch ich bin überzeugt, dass sich dieser gelohnt hätte. Aus einem guten Buch hätte ein großartiges Buch werden können.

 

Ich kann jede Entscheidung, die Stephanie Oakes während des Schreibprozesses von „The Sacred Lies of Minnow Bly“ traf, nachvollziehen. Das Young Adult – Genre unterliegt nun einmal gewissen Beschränkungen, die die Autorin berücksichtigen musste. Sympathie für die Figuren ist obligatorisch. Ich verstehe, dass sie dieser keinesfalls im Weg stehen wollte. Ich zolle ihr Achtung dafür, dass sie das heikle Thema des Buches für ihre junge Leserschaft verdaulich gestaltete und sich an einer Märchenadaption in einem realistischen Rahmen versuchte. Daher bin ich von diesem Thriller nicht enttäuscht, obwohl meine Erwartungen nicht gänzlich erfüllt wurden. Ich hätte die Geschichte eben einfach anders aufgezogen. Aber ich bin ja auch nur die Leserin, nicht die Autorin.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/03/19/stephanie-oakes-the-sacred-lies-of-minnow-bly
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review 2016-06-18 10:51
Geheimtipp!
Shadow, Shadow: Book One of the Shadow Pines Trilogy (English Edition) - V S Marlowe

„Shadow, Shadow“ von V.B. Marlowe war eines der ersten Bücher, die ich bei Netgalley angefragt habe. Das muss Anfang 2015 gewesen sein. Obwohl ich mich sehr darüber gefreut hatte, dass mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde, landete es auf dem SuB. Ich las es nicht sofort, denn ich fühlte mich nicht in der richtigen Stimmung für die Geschichte. Über ein Jahr versauerte es zwischen hunderten anderer Bücher, bis es mir im Mai 2016 wieder einfiel. Ich wollte mit Altlasten aufräumen, also wurde es höchste Zeit, „Shadow, Shadow“ endlich eine Chance zu geben.

 

In Shadow Pines verschwinden seit jeher ungewöhnlich viele Menschen. Es heißt, die Kleinstadt sei auf entweihtem Boden gebaut und werde heimgesucht von den Schatten einer Sekte, die im 19. Jahrhundert gelyncht wurde… Natürlich glaubt niemand diese Geschichte, erst recht nicht die rebellische Harley Fox. An ihrem 16. Geburtstag erhält sie jedoch ein sonderbares Geschenk: eine Schattenbox. Sie ist nicht die einzige. Brock, der Goldjunge der Stadt, Gianna, Shadow Pines‘ strebsame Kämpferin für die kleinen Dinge und Teaghan, die ständig gehänselt wird, bekommen ebenfalls jeweils eine Box. Angeblich verleihen ihnen die Boxen die Macht, einen Menschen ihrer Wahl verschwinden zu lassen und den Schatten zu übergeben. Sie müssen sie nicht nutzen, doch sollte nur eine oder einer von ihnen davon Gebrauch machen, sind auch die anderen gezwungen, sie einzusetzen. Sonst holen sich die Schatten ihre Liebsten. Ungläubig entscheiden Harley, Brock, Gianna und Teaghan die Boxen wegzuschließen. Doch die Aussicht, einen verhassten Menschen loszuwerden, ist verlockender, als sie ahnten. Schnell gerät die Situation außer Kontrolle und die vier müssen sich eingestehen, dass am Mythos der Schatten vielleicht mehr dran ist, als sie wahrhaben wollten…

 

Hätte ich nur gewusst, was für ein Schatz sich da in meinem SuB versteckt! „Shadow, Shadow“ hat mich völlig umgehauen. Es ist ein echter Geheimtipp. Ich bin absolut hingerissen. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass dieses unscheinbare E-Book haufenweise Spannung, Action und Mystik zu bieten hat. Ich habe wie im Rausch gelesen, weil ich es einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die Geheimnisse der „Shadow Pines Trilogy“ sind unheimlich mitreißend. Es begeistert mich, dass V.B. Marlowe sich nicht mit altbackenen, tausend Mal wiedergekäuten Ideen aufhält, sondern mutig das Unkonventionelle begrüßt und somit frischen Wind in das Genre der YA – Urban Fantasy bringt. Keine Hexen, keine Vampire, keine Werwölfe – stattdessen Schatten, vor denen sich die Menschheit seit Anbeginn der Zeit fürchtet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich meinen eigenen Schatten jemals skeptisch beäugen würde, doch nach der Lektüre von „Shadow, Shadow“ war ich bei seinem Anblick durchaus ein wenig beunruhigt. Das Bedrohliche der Schatten ist ihre permanente Präsenz. Selbst wenn wir wollten, wir könnten ihnen nicht entkommen. Jetzt stellt euch vor, sie entwickelten ein Eigenleben. Stellt euch vor, sie wären aggressiv, rachsüchtig, blutdürstig. Unheimlich, oder? Nun, mit genau dieser Aussicht müssen sich Harley, Brock, Gianna und Teaghan befassen. Die vier sind sehr unterschiedlich und auf den ersten Blick ein wenig stereotyp, da sie innerhalb des Mikrokosmos von Shadow Pines bestimmte Rollen erfüllen. Trotz dessen empfand ich sie als realistisch und glaubhaft dargestellt, voller Persönlichkeit. Im ersten Band durfte ich speziell Harley und Teaghan näher kennenlernen, da die Geschichte abwechselnd aus ihrer jeweiligen Ich-Perspektive erzählt wird. Stück für Stück erfuhr ich, dass alle vier guten Grund haben, ihre Schattenboxen zu benutzen; sie alle wünschen mindestens eine Person in ihrem Umkreis zum Teufel. Dadurch entstand eine spannungsgeladene Situation, in der ich mich nicht länger fragte, ob jemand von ihnen die Box verwenden würde, sondern nur wann und wer. Ich konnte ihre zwiespältigen Gefühle sehr gut nachempfinden. Einerseits ist ihnen natürlich vollkommen bewusst, dass es falsch ist, einen Menschen einfach mir nichts, dir nichts aus dem Leben zu reißen. Andererseits ist die Vorstellung, sich einer ungeliebten Person zu entledigen, extrem verführerisch. Ich bin nicht sicher, ob ich der Versuchung widerstehen könnte. Darüber hinaus verursacht die Kettenreaktion der Schattenboxen ein moralisches Dilemma, das es in sich hat. Opfert man eine_n Fremde_n, um die eigene Familie zu schützen? Die Frage, was ich selbst tun würde, ließ mich nicht mehr los. Das heißt allerdings nicht, dass mir nicht aufgefallen wäre, dass in Shadow Pines irgendetwas nicht stimmt. Alles ist streng reglementiert. Niemand verlässt jemals die Stadt, nicht einmal, um Urlaub zu machen. Es erinnerte mich etwas an das fiktive Stepford aus „Die Frauen von Stepford“ von Ira Levin: die blank polierte Utopie einer Stadt, die zu gut ist, um wahr zu sein. Die Schatten sind nicht das einzige Geheimnis, das sich dort versteckt, davon bin ich überzeugt. Ich platze fast vor Neugier, herauszufinden, was es mit Shadow Pines wirklich auf sich hat.

 

Es ist eine Schande, dass „Shadow, Shadow“ auf meinem digitalen SuB einstauben musste. Ich verstehe nicht, wie ich es so lange unangetastet lassen konnte. Die Geschichte hat alles, was es braucht, um mich an ein Buch zu fesseln. Ich habe schon lange nicht mehr so fieberhaft gelesen wie während dieses Trilogieauftakts. Es fühlte sich an, als hinge mein Leben davon ab. Ich kann euch das Buch wärmstens ans Herz legen, denn selten trifft man auf einen Erstling, der so gut durchdacht wirkt und mühelos überzeugt. Ich hoffe sehr, das V.B. Marlowe dieses Niveau in den beiden Nachfolgern „Moonlight, Moonlight“ und „Ember, Ember“ halten kann, die ich mir sofort nach der Lektüre von „Shadow, Shadow“ zugelegt habe. Meinen Schatten werde ich im Auge behalten. Nicht, dass er auf dumme Ideen kommt.

 

Vielen Dank an Netgalley und den Verlag All Night Reads für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/06/18/v-b-marlowe-shadow-shadow
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review 2016-03-26 13:45
Mo Hayder hat eine kranke Fantasie
Die Sekte - Mo Hayder,Rainer Schmidt

Mo Hayder ist eine Entdeckung meiner Eltern. Sie mögen ihre Thriller sehr, sortieren die Bücher jedoch direkt nach dem Lesen aus Platzmangel wieder aus. Krimis und Thriller liest man ja eher selten mehrfach. Da ich (noch) kein Platzproblem habe, gebe ich den Romanen gern ein neues Zuhause, wenn sie bei meinen Eltern ausziehen müssen. Ich besitze demzufolge eine kleine Hayder-Sammlung, obwohl ihre Bücher nie auf meiner Wunschliste standen. Daher dauerte es allerdings recht lange, bis ich das erste Mal einen ihrer Thriller auf dem Regal zog. Ich entschied mich für „Die Sekte“, weil es sich dabei um einen Einzelband handelt und ich vermutete, dass dies eine gute Möglichkeit wäre, die Autorin kennenzulernen.

 

Schenkt man den Gerüchten Glauben, ist die kleine schottische Insel Cuagach Eilean, Pig Island, die Heimat des Teufels und seiner Jünger. Seit Jahren wird wild darüber spekuliert, was auf der Insel vor sich geht, denn die dort lebende, etwas obskure Glaubensgemeinschaft schätzt die Isolation. Umso überraschter ist der Journalist Joe Oakes, dass ausgerechnet er Pig Island besuchen soll. Ein unheimliches Amateurvideo brachte die Insel in die Medien und bescherte der ansässigen Sekte ein unerwünschtes Maß an Aufmerksamkeit. Joe verdient sein Geld damit, Mysterien aufzudecken. Für ihn zählen Fakten, nicht der Aberglaube der Massen. Hochmotiviert nimmt er die Einladung an, um den Gerüchten um Pig Island ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Doch als er auf der Insel eintrifft, geraten seine rationalen Überzeugungen ins Wanken. Schon bald versinkt Pig Island in Blut und Joe muss sich fragen, ob nicht doch der Teufel seine Finger im Spiel hat.

 

Mo Hayder hat eine kranke Fantasie. Einige der Ideen, die sie in „Die Sekte“ präsentiert, grenzen meiner Meinung nach definitiv an Perversität. Nicht, weil das Buch unangemessen blutig, brutal oder grausam wäre, nein, es waren bestimmte Aspekte der dargestellten zwischenmenschlichen Beziehungen, die mich abstießen. Bei der Lektüre eines Thrillers war das eine neue Erfahrung für mich, denn normalerweise legen Autor_innen dieses Genres viel Wert darauf, dass ihre Figuren Sympathie erzeugen. Ich konnte keinen einzigen Charakter aus „Die Sekte“ leiden – für die Geschichte war das allerdings kein Hindernis. Ich denke, dass Hayder darauf abzielte. Der Protagonist Joe ist ein widerlicher Mensch, egoistisch und skrupellos. Durch seine Rolle als Journalist bietet er zwar eine interessante Herangehensweise an die Vorgänge der Handlung, weil er kein Ermittler ist, doch meiner Ansicht nach besitzt er keinerlei Berufsethik. Seine Ehefrau Lexie, die ebenfalls ihre eigene Perspektive und Stimme erhielt, ist kein Stück besser. Sie hat das Zeug zum Stalker, verhält sich obsessiv und realitätsfern. Die beiden verdienen einander. Ich war nicht in der Lage, auch nur einen Funken Mitgefühl für Joe und Lexie zu empfinden, obwohl die Ereignisse, die Mo Hayder sie durchleben lässt, wirklich schrecklich sind. Die mysteriöse, unheimliche Aura, die die Autorin um Pig Island herumwebt, gefiel mir außerordentlich gut. Selbstverständlich habe ich nie daran geglaubt, dass es dort tatsächlich mit dem Teufel zugeht, aber dem Grauen, dass die Insel ausstrahlt, konnte auch ich mich nicht entziehen. Anfangs war ich ein wenig enttäuscht davon, dass die Sekte vollkommen normal wirkte, ja sogar freundlich und einladend. Dieser Eindruck verflüchtigte sich jedoch schnell; es zeigte sich, dass die Inselbewohner_innen durchaus das eine oder andere pikante Geheimnis verstecken. Ich fand es spannend, diese aufzudecken, weil die Geschichte der Sekte recht ungewöhnlich ist. Solange die Handlung auf der Insel spielte, machte mir die Lektüre viel Spaß. Das Buch fesselte mich und löste in mir genau die Anspannung aus, die ich beim Lesen eines Thrillers erwarte. Leider verlässt Joe Pig Island an einem gewissen Punkt – von diesem Moment an wurde die Geschichte seltsam. Ich wusste nicht, was ich mit dieser Wendung anfangen sollte, weil sie die bizarre Gefühlswelt des Protagonisten fokussiert, die so weit von meiner eigenen entfernt ist, dass es mir unmöglich war, seine Empfindungen nachzuvollziehen. Das bedeutet nicht, dass sie mir unrealistisch erschienen, ich konnte sie nur einfach nicht verstehen. Ich hatte von Anfang an Probleme, mich in Joe hineinzuversetzen, doch diese Entwicklung trieb meine Distanz zu ihm auf die Spitze. Ich wollte ihm gar nicht nahe sein. Daher fiel es mir auch schwer, während des für ihn zugegebenermaßen dramatischen Höhepunkts der Geschichte mit ihm zu fühlen. Durch diesen stellte sich heraus, dass ich erstaunlicherweise mit meinen Vermutungen hinsichtlich der wahren Natur der Ereignisse auf Pig Island gar nicht so falsch lag. Ich war auf der richtigen Spur, nahm unterwegs allerdings gedanklich eine falsche Abzweigung, die mich in die Irre führte. So hätte ich das Ende niemals voraussehen können. Es war eine positive Überraschung, die mich die Handlung nach dem Lesen noch einmal rekapitulieren ließ, um zu überprüfen, welche Hinweise ich übersehen hatte.

 

Ich bin nicht sicher, ob „Die Sekte“ nun tatsächlich exemplarisch für Mo Hayders Schaffen steht oder eher ungewöhnlich ist. Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Thriller aus ihrem übrigen Werk heraussticht, weil er ziemlich eigenwillig ist und nicht den gängigen Normen des Genres entspricht, doch ich werde es wohl erst herausfinden, wenn ich weitere Romane aus ihrer Feder gelesen habe. Daher war „Die Sekte“ vielleicht nicht unbedingt die beste Wahl für die Annährung an Hayders Bücher. Ich fand es spannend und zeitweise sogar richtig unheimlich, hatte allerdings Schwierigkeiten mit der Wendung gegen Ende des zweiten Drittels. Ich denke, Hayder wollte ihre Leser_innen nicht nur durch grausame, blutige Morde schockieren, sondern auch durch ihre Charakterisierung krankhafter zwischenmenschlicher Beziehungen. Ich rate euch, euch darauf einzustellen, solltet ihr „Die Sekte“ lesen wollen. Thrill kann auf viele Weisen entstehen – nicht alle haben mit körperlicher Gewalt zu tun.

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review 2015-02-13 08:59
Meine Hochachtung für dieses Buch
Euer Traum war meine Hölle: Als Kind misshandelt und missbraucht in einer Sekte - Natacha Tormey,Nadene Ghouri,Magdalena Breitenbach

Natacha Tormey: Euer Traum war meine Hölle
Bastei Luebbe | 284 Seiten | Erscheinungsjahr: 2015 | Originaltitel: Born into the Children of God

 

ZITAT
Heftig sauste die Fliegenklatsche auf meinen Hintern hinunter und brannte auf meiner Kinderhaut. Ich schrei auf, mehr vor Schreck und Empörung als vor Schmerz, biss die Zähne fester zusammen, entschlossen, ihm die Befriedigung zu versagen, er habe mich zum Weinen gebracht. "Ungezogenes, nichtsnutziges Ding!" brüllte er und schlug erneut zu. Und dann noch ein drittes Mal. "Ich hoffe, du begreifst, warum ich das tun muss, Natacha. Es ist nur zu deinem eigenen Besten, weil ich dich liebhabe. Und jetzt geh ins Bett und bitte den Herrn, dir zu vergeben", sagte er mit schnellem Atem.

 

MEINE MEINUNG
Das Buch beginnt mit der Geschichte von Natachas Vater. Sie berichtet, wie es dazu kam, dass ihr Vater der Sekte beigetreten ist, die damals noch "Children of God" hieß. Sie berichtet unter welchen Umständen ihr Vater, Marcel, ihre Mutter kennenlernen und wie sie heirateten. Bis dahin waren die Erzählungen schon absolut befremdlich für mich, aber noch in einem ertragbaren Maße. Mir fiel es sehr schwer mich in die Situation hineinzuversetzen, weil ich für diesen Glauben nicht empfänglich bin.

 

Die Autorin berichtet von ihrem Leben und ihrem Leiden innerhalb der Sekte, die sich mit der Zeit umbenannt hat in "Family". Dies sollte klar machen, dass sie alle zusammengehören. Für mich war es besonders schwer zu verstehen, wie erwachsene Menschen diesem 'King David' (dem Oberhaupt der Sekte) wirklich glauben konnten, auf ihn gehört haben und seine 'Lehren' verbreitet haben. Jedes erwachsene Mitglied der Sekte durfte jedes Kind der Sekte maßregeln und erziehen, schließlich waren sie eine 'Family'. Im Lauf der Geschichte wurde die Lehren und Regeln immer absurder und Natacha musste mehr als einmal mit ihrer Familie in andere Länder umziehen, sich immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen, sich wieder neuen Erwachsenen (Onkeln und Tanten) aussetzen und dabei blieben nicht selten diejenigen auf der Strecke, die ihr wichtig waren.

 

Es ist für mich wirklich unbegreiflich, wie man sich über Jahre derartig manipulieren lassen kann und das als Erwachsener. Sicherlich hatte das ein und andere Mitglied einfach schlichtweg seinen Spaß an der Ideologie dieser Sekte, aber das schien bei den Eltern von Natacha nicht der Fall gewesen zu sein. Ich könnte jetzt noch stundenlang darüber berichten, was Natacha geschrieben hat und wie ich zu diesen Sachverhalten stehe, aber ich empfehle: lest es.

 

Ich habe das Buch sehr gerne und mit Interesse gelesen. Es ist gut geschrieben und ganz ohne Effekthascherei. Natacha berichtet natürlich auch von Missbrauch, aber es liegt nicht das Hauptaugenmerk auf diesen Themen. Manche Passagen waren sehr kühl und analysierend beschrieben, bei denen ich dachte, das dort einfach mehr Gefühl drinstecken müsste, aber wahrscheinlich hat die Autorin einfach zu viel durchmachen müssen oder wollte bei ihren Erzählungen nicht auf die Tränendrüse drücken, was ich vollkommen verstehen kann. Für mich war es spannend zu lesen, wie Natacha ihre Kindheit und Jugend in dieser Sekte empfunden hat, wie sie schon immer ihre Zweifel an der Ideologie hatte und was im Endeffekt aus ihrer Familie geworden ist.

 

FAZIT: Meine Hochachtung
Ich kann für Natacha einfach nur größten Respekt empfinden. Ich finde es toll, dass sie dieses Buch geschrieben hat und die Umstände, die in dieser Sekte herrschen, dargelegt hat. Ich habe mich vorher noch nie wirklich mit diesem Thema beschäftigt, auch wenn man natürlich einiges darüber hört, sei es in der Schule oder aus dem Fernsehn. Ich bin froh, dass ich das Buch gelesen habe,  denn niemals hätte ich mir das Ausmaß der Grausamkeit und des Zwangs einer Sekte vorstellen können. Ich würde dieses Buch allen empfehlen: Lesern, die keine Kenntnisse über Sekten und ihre Vorgehensweisen haben und auch Lesern, die sich für das Thema interessieren und vielleicht noch nie was von "Family" gehört/gelesen haben. Dieses Buch gehört gelesen.

Source: www.lottasbuecher.de/2015/02/natacha-tormey-euer-traum-war-meine.html
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