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review 2019-02-27 08:48
Habe ich das Buch überhaupt gelesen?
The Breedling and the City in the Garden (The Element Odysseys) - Kimberlee Ann Bastian

Kennt ihr die irische Legende von Stingy Jack? Vielleicht kennt ihr ihn als Jack O’Lantern, zu dessen Ehren an Halloween Kürbislaternen aufgestellt werden. Der Sage zufolge trickste Jack den Teufel am Abend vor Allerheiligen aus, sodass dieser niemals seine Seele beanspruchen würde. Als Jack starb, wiesen ihn sowohl Himmel als auch Hölle ab. Er wurde auf die kalte, dunkle Erde zurückgeschickt, um dort auf ewig unter den Sterblichen zu wandeln. Aber der Teufel hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm ein Stück Kohle, das Jack in einer ausgehöhlten Rübe aufbewahrte. Daraus leitete sich der Volksglaube ab, dass eine Rüben- oder Kürbislaterne vor dem Teufel und bösen Geistern schützt. Außerdem inspirierte die Legende die Autorin Kimberlee Ann Bastian dazu, ihren Debütroman „The Breedling & The City in the Garden“ zu schreiben, Auftakt der Reihe „The Element Odysseys“, den ich als Rezensionsexemplar via Netgalley erhielt.

 

Jahrhundertelang kannte Bartholomew nur die Grenzen seines Käfigs, in den ihn seine Meister als Strafe für seinen Ungehorsam sperrten. Der unsterbliche Seelenfänger traf eine Wahl. Er wählte den Widerstand, um ein Geheimnis zu schützen. Seiner magischen Kraft beraubt siechte er in seinem Gefängnis dahin, ohne Hoffnung auf Freiheit. Bis sich unerwartet eine Tür in die menschliche Welt öffnete und Bartholomew sich in einem Inferno wiederfand. Desorientiert und traumatisiert wäre er in den Flammen des brennenden Waisenhauses gestorben, hätte ihn nicht der junge Charlie Reese gerettet. Nun sind ihre Schicksale verknüpft. Unter Charlies Führung versuchen sie, in Chicagos Straßen der 30er Jahre einen Hinweis auf Bartholomews ursprüngliche Mission und das Geheimnis zu aufzuspüren, das er von seinen Meistern bewahrte. Doch Gefahren lauern an jeder Ecke und schon bald muss Bartholomew entscheiden, ob er bereit ist, für seinen Auftrag Charlies Seele zu riskieren.

 

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob meine Inhaltsangabe den Kern von „The Breedling & The City in the Garden“ erfasst. Ich weiß es nicht, weil ich nur eine vage Vorstellung davon habe, worum es in diesem historischen Urban Fantasy – Roman geht. Die Lektüre war eine absurde Verschwendung meiner kostbaren Lesezeit. Ich habe aus dem Klappentext auf Goodreads mehr über den Inhalt der Geschichte erfahren, als durch das Buch selbst. Meinem Empfinden nach wollte Kimberlee Ann Bastian besonders pfiffig sein und die Grundpfeiler ihres Reihenauftakts sehr subtil vermitteln – so subtil, dass ich sie nicht finden konnte. In meinem Kopf herrscht ein wildes Durcheinander verschiedener Elemente und Momentaufnahmen, an die ich mich erinnere, aber ich bin nicht fähig, sie zu einem konsistenten Gesamtbild zu kombinieren oder sie mit der Legende von Jack O’Lantern in Zusammenhang zu bringen. Ein dauerhaftes Ärgernis war Bartholomew, den ich mir von Anfang an völlig anders vorgestellt hatte. Die kleine Kröte ist ein Kind. Ich dachte, ich bekäme es mit einem zwielichtigen, erwachsenen Magier und Seelensammler zu tun. Ich war wie vom Donner gerührt, als er sich als etwa 8-jähriger Junge entpuppte. Nun könnte man argumentieren, dass er nur äußerlich ein Kind, in Wahrheit aber unsterblich und uralt ist. Dem muss ich vehement widersprechen. Bartholomew ist definitiv kindlich. Ein sensationell anstrengendes, bedürftiges und hilfloses Kind. Der arme Charlie tat mir schrecklich leid, weil er ihn ertragen musste. Ich mochte den 17-jährigen gern, aber meinem Verständnis von „The Breedling & The City in the Garden“ half das leider nicht. Die Handlungen, Entscheidungen und Reaktionen aller Figuren gaben mir Rätsel auf. Dafür, wie dialoglastig das Buch ist, wird schockierend wenig offenbart. Es gibt kaum Szenen, in denen sich niemand unterhält, was mir unfokussiert und langatmig erschien. Ich musste wichtige Informationen Krümelchen für Krümelchen aus dem stetigen Strom überflüssigen Geblubbers herausfiltern. Ein passendes Beispiel: Bartholomew fragt Charlie, wieso er im Waisenhaus war, was mit seinen Eltern geschah. Statt einfach die Frage zu beantworten, lässt sich Charlie erst einmal lang und breit über die Persönlichkeiten seiner Mutter und seines Vaters aus. So ist das ganze Buch: eine enervierende Abfolge zielloser Gespräche vor einer schemenhaften Kulisse. Die Atmosphäre der 1930er Jahre in Chicago kam überhaupt nicht rüber; ich könnte nicht einmal sagen, zu welcher Jahreszeit „The Breedling & The City in the Garden“ spielt. Von der Parallelwelt, aus der Bartholomew stammt, mal ganz zu schweigen. Über diesen nebulösen Ort erfuhr ich gar nichts. Ich vermute, dass die Entitäten, die wir als Elemente kennen, also Feuer, Erde, Wasser und Luft, laut Kimberlee Ann Bastians Entwurf Wesen aus dieser Parallelwelt sind, die in der menschlichen Realität dann zu entscheidenden Akteuren des christlichen Glaubens wurden. Das Feuer ist der Teufel, so in der Art. Klingt verdreht und unnötig kompliziert? Goldrichtig. Irgendwie besteht eine Verbindung zu Bartholomew, er muss irgendwas tun – ich habe keinen Schimmer, was. Ich weiß weder, wieso genau er gefangen war, noch welches Geheimnis er schützte oder was das alles mit Charlie zu tun hat. Aber es ist mir auch vollkommen egal.

 

Ich habe noch nie eine Rezension über ein Buch geschrieben, über das ich so wenig wusste wie über „The Breedling & The City in the Garden“. Es fühlt sich an, als hätte ich es gar nicht gelesen. Dieser Reihenauftakt ist unzusammenhängend, wirr und konfus. Ich musste mich durchquälen, war abwechselnd gelangweilt und genervt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei diesem Debüt um ein weiteres Rezensionsexemplar, das noch viel zu roh und unausgereift ist, um es Leser_innen vorzusetzen. Ich konnte nicht einmal erkennen, was Kimberlee Ann Bastian eigentlich erreichen wollte. Ich muss euch daher raten, einen weiten Bogen um „The Breedling & The City in the Garden“ zu machen und euch die Reihe „The Element Odysseys“ zu ersparen.

 

Vielen Dank an Netgalley und den Verlag Wise Ink Creative Publishing für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/27/kimberlee-ann-bastian-the-breedling-the-city-in-the-garden
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review 2017-06-09 10:05
Eine Hommage an alles Zauberhafte, Unerklärliche und Wundersame
Der Nachtzirkus - Erin Morgenstern

Erin Morgenstern, die Autorin des Erfolgsromans „Der Nachtzirkus“, ist mir unheimlich sympathisch. Nicht, weil ihr Buch zauberhaft ist (obwohl es das ist), sondern weil sie ehrlich ist. Seit 2011 hat Morgenstern nichts mehr veröffentlicht. Sie arbeitet an einem neuen Projekt, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Warum wird die gute Frau nicht fertig, fragt ihr euch? Weil ihr das Schreiben unfassbar schwerfällt, was sie auf ihrem Blog offen bekennt. Genau das ist der Grund, weshalb ihr spontan mein Herz zufliegt. Sie ist kein Naturtalent. Sie muss hart für jedes Wort kämpfen und jeden Satz mühsam erarbeiten. Ich verstehe, dass sie der Schreibprozess folglich häufig frustriert und das letzte, was sie hören oder lesen möchte, Fragen danach sind, wann endlich ihr neues Buch rauskommt. Also, lassen wir Erin Morgenstern doch einfach in Ruhe und erfreuen uns an dem, was wir haben: „Der Nachtzirkus“.

 

Er kündigt sich nicht an. Er kommt auf leisen Sohlen, im Schutz der Nacht. Eines Morgens stehen seine Zelte plötzlich auf einem Feld oder einem freien Platz in deiner Stadt, wie von Geisterhand. Er öffnet erst nach Einbruch der Dunkelheit. Einen Besuch wirst du nie mehr vergessen. Er lehrt dich das Staunen, verzaubert dich mit unbeschreiblichen Wundern: der Cirque des Rêves.
Niemand ahnt, dass der gefeierte Zirkus der Träume hinter den Kulissen der Austragungsort eines magischen Wettstreits ist. Zwischen den fantastischen Zelten einzigartiger Attraktionen tobt der Kampf zweier konkurrierender Zauberer, ein Kampf auf Leben und Tod. Jahrelang bereiteten sie ihre Schützlinge akribisch auf die Anforderungen des Wettbewerbs vor, schulten und testeten sie unabhängig voneinander. Marco und Celia wurde das Geschenk der Magie zuteil. Doch dieses Geschenk fordert einen entsetzlich hohen Preis. Wie hoch dieser Preis tatsächlich ist, erfahren sie erst, als sie sich begegnen und sich unsterblich ineinander verlieben…

 

Ich will mir ein Beispiel an Erin Morgensterns Ehrlichkeit nehmen: die Rezension zu „Der Nachtzirkus“ fällt mir schwer. Ich weiß nicht so richtig, was ich schreiben soll. Diesem Buch ist nichts hinzuzufügen, es gibt meiner Meinung nach keine Rätsel, die analysiert oder entschlüsselt werden müssten. Es steht für sich selbst. Die Geschichte lebt durch sich selbst, nach versteckten Bedeutungen fahndete ich vergeblich. Ich habe das Gefühl, dass Erin Morgenstern nicht versuchte, eine Botschaft zu vermitteln, sondern einfach einen Roman schrieb, der eine wundervolle Hommage an die Fantasie und die Liebe, an alles Zauberhafte, Unerklärliche und Wundersame ist. Sie schrieb ein Buch zum Genießen, ein Buch zum Träumen. Ich denke nicht, dass sie möchte, dass sich ihre Leser_innen den Kopf über Dinge zerbrechen, die gar nicht da sind, auf Teufel komm raus jedes Wort interpretieren und jeden Satz zerpflücken. Ich glaube, dieses Buch muss man einfach so nehmen, wie es ist: märchenhaft und träumerisch. Dieser Intuition folgte ich während der Lektüre und gab mir große Mühe, den Cirque des Rêves wahrhaft zu erleben, mich der geheimnisvollen, mystischen Atmosphäre hinzugeben und jeden Augenblick auszukosten. Der Zirkus ist eine sagenhafte Kulisse und ein unverzichtbarer Baustein im Geflecht der Geschichte. Fast wirkte er auf mich wie ein lebendiges Wesen, mit einer individuellen Persönlichkeit und einem eigenen Charakter. Er verbindet die vielen verschiedenen, liebenswert skurrilen Akteure des Romans, die in ihm alle etwas anderes, aber genau das finden, was sie suchen und brauchen. Er erfüllt die Menschen, Besucher_innen wie Betreiber_innen gleichermaßen. Er inspiriert Liebe und die Bereitschaft, an Wunder zu glauben. Magie schimmert zwischen und in den Zelten, in jeder Ecke und jedem Winkel, da Marco und Celia ihm während ihres unfreiwilligen Wettstreits unbeabsichtigt Leben einhauchen. Ihre Liebesgeschichte ist eine bezaubernde Variation des „Romeo und Julia“ – Motivs, die sich unaufdringlich einschleicht. Obwohl ihre Situation durchaus dramatisch und tragisch ist, verzichtete Erin Morgenstern auf billige, plakative Dramatik und schildert ihren verzweifelten Kampf gegen die Beschränkungen und Regeln des Wettbewerbs, für eine gemeinsame Zukunft, ernsthaft und glaubwürdig. Effekthascherei und Kitsch scheinen ihr völlig fremd zu sein, sodass ich mich von der emotionalen Ebene in „Der Nachtzirkus“ nicht abgestoßen, sondern berührt fühlte. Ich wünschte Marco und Celia, dass sie eine Möglichkeit finden, zusammen zu sein. Trotz dessen muss ich gestehen, dass mir das Buch beinahe zu leise, zu sanft und zart erschien. Es ist so filigran und subtil, dass mir ein wenig der Wow-Moment fehlte. Beim Lesen empfand ich keine Spannung, sondern Faszination. Es reißt nicht mit, es nimmt die Leser_innen behutsam an die Hand. Nun ist das natürlich reine Geschmackssache, doch ich mag es einfach etwas zupackender.

 

„Der Nachtzirkus“ ist fantasievoll und charmant. Der Reiz der Geschichte bündelt sich in dem atemberaubenden Setting, denn der Cirque des Rêves ist Dreh- und Angelpunkt aller inhaltlichen Entwicklungen. Er ist Ursache und Wirkung, Alpha und Omega, Anfang und Ende. Jede Seite des Buches ist von seiner besonderen Magie gezeichnet, weshalb die Lektüre für mich eine einzigartige Erfahrung war, die ich von Herzen weiterempfehlen kann. Obwohl ich normalerweise keine große Vorliebe für Liebesgeschichten habe, ging die anmutige Romantik von Marcos und Celias Beziehung zueinander und ihrer Beziehung zum Zirkus nicht an mir verloren. Ich war verzaubert. Ich wünschte, ich könnte nur eine Nacht lang durch die Gänge und Zelte schlendern, den Alltag vergessen und selbst all die Wunder erleben, die hinter den schwarz-weiß gestreiften Planen darauf warten, entdeckt zu werden. Es ist wahr: einen Besuch im Cirque des Rêves vergisst man nie mehr. Selbst, wenn man ihn nur mental mit Erin Morgensterns Hilfe in „Der Nachtzirkus“ betreten konnte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/06/09/erin-morgenstern-der-nachtzirkus
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review 2016-01-15 09:58
Märchenhaft
Heaven - Stadt der Feen - Christoph Marzi

Christoph Marzi. *seufz* Meine Beziehung zu diesem Autor ist kompliziert. Als Teenager habe ich seine vierteilige Reihe „Die Uralte Metropole“ gelesen und von Herzen geliebt. So sehr, dass ich sie sogar mehrfach gelesen habe. Bis heute gehören die Romane zu meinen All-Time-Favorites. Leider konnte Marzi danach meiner Meinung weder mit dem Zweiteiler „Fabula“ noch mit dem Einzelband „Grimm“ an seine eigene Brillanz anknüpfen. Dreimal hat er mich nach „Die Uralte Metropole“ enttäuscht. Trotz dessen kann ich nicht aufhören, ihm immer wieder eine Chance zu geben, weil ich weiß, was er kann. Ich weiß, wie viel Talent und sprachliche Schönheit in ihm schlummern. „Heaven: Stadt der Feen“ ist ein weiterer Versuch, in seinem Schaffen abermals das zu finden, was er mir vor Jahren mit „Lycidas“ und dessen Nachfolgern geboten hat.

 

Auf den Dächern Londons fühlt David sich frei. Hier oben kann er der erdrückenden Enge der Stadt entfliehen, ohne Mauern, Wände und Grenzen. David kann gehen, wohin auch immer er möchte. Eines Abends ist er wieder einmal unterwegs, um einen Auslieferungsauftrag zu erfüllen, als er plötzlich stolpert und beinahe vom Dach rutscht. David sieht sich um und stellt fest, dass ihn nicht etwas zu Fall brachte, sondern jemand. Ein Mädchen. Sie scheint Hilfe zu brauchen, also gibt sich David einen Ruck und spricht sie an. Sie sagt, ihr Name sei Heaven. Sie erzählt ihm eine ungeheuerliche, haarsträubende Geschichte: zwei unheimliche Männer haben ihr Herz gestohlen. Wortwörtlich. Und doch ist Heaven am Leben, spricht und atmet. Wie ist das möglich? David ist nicht sicher, ob er ihr glaubt, aber irgendetwas an ihr fasziniert ihn und so beschließt er, ihr beizustehen. Gemeinsam begeben sie sich auf die gefährliche Suche nach Heavens Herz und enträtseln dabei ein Mysterium, das London seit vielen Jahren umgibt.

 

„Heaven“ gibt mir für Christoph Marzi als Autor wieder Hoffnung. Es ist lange nicht so zauberhaft, detailreich und überzeugend wie „Die Uralte Metropole“, aber um einiges besser als „Fabula“ und „Grimm“. Vielleicht ist es nicht fair, das Buch nicht eigenständig zu bewerten, doch ich glaube, ein Schriftsteller muss es sich nun einmal gefallen lassen, dass man ihn an seinen vorangegangenen Werken misst. Ich habe den Eindruck, dass Marzi sich für diesen Einzelband auf seine Wurzeln besann. Die Handlung ist bodenständig, verzichtet auf Schlenker in andere, parallele Realitäten und konzentriert sich auf das Wesentliche. Ich bin erleichtert, dass dieser Roman so bescheiden geraten ist, denn auf diese Weise beweist Marzi, dass er noch immer eine glaubhafte, runde Geschichte schreiben kann. Über die Jagd nach Heavens Herz führt er seine beiden ProtagonistInnen durch die faszinierende Kulisse Londons und ließ vor meinen Augen ganz ähnliche Bilder entstehen wie damals vor vielen Jahren bei der Lektüre von „Die Uralte Metropole“. Ich kann seine Leidenschaft für diese alte Lady, für den charaktervollen Gegensatz von Geschichte und Moderne, absolut nachvollziehen. Diese Stadt umgibt von Natur aus ein Hauch Magie, den Marzi dank seines märchenhaften Schreibstils nicht nur in eine überzeugende, geheimnisvolle Atmosphäre verwandelt, sondern auch für sich arbeiten lässt. London selbst treibt Heavens und Davids Geschichte bereits voran, sodass sie sich ganz von allein entwickelt. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass Marzi jemals die Kontrolle verloren hätte – nein, er wusste, was er tat. Ich hätte mir allerdings etwas mehr Umfang gewünscht. „Heaven“ beschränkt sich fast ausschließlich auf Heaven und David und nimmt keine größeren Dimensionen ein, obwohl die Möglichkeit dazu meiner Ansicht nach durchaus präsent war. Es war, als würde die große Geschichte, die „Heaven“ hätte werden können, stets hinter der Handlung darauf warten, eingefangen zu werden. Ich kann natürlich nur vermuten, warum Marzi sie nicht lebendig werden ließ, doch ehrlich gesagt ist es mir so lieber, als hätte sich der Autor ein weiteres Mal verzettelt. Außerdem sind Heaven und David wirklich sympathisch, sodass ich sie gern begleitet habe. David hat genau das Feuer, das ich in der Figur des Oliver Twist von Charles Dickens vermisst habe. Ein wenig draufgängerisch, mutig und ein Herz aus Gold – eine Kombination, die man einfach mögen muss. Heaven ist nicht minder tapfer, aber sie besitzt ein zarteres, sanfteres Wesen als David. Ich empfand sie als introvertierte Persönlichkeit, die sowohl ihre innere wie auch ihre äußere Schönheit durch ihre Scheu verbirgt. Sie vereint Stärke und Zerbrechlichkeit, wodurch ihre Figur außerordentlich gut zum übernatürlichen Thema des Buches passt: Feen. Christoph Marzi hat sich ein ganz wundervolles, originelles Konzept dieser fantastischen Geschöpfe überlegt; anders als alles, was ich bisher über Feen gelesen habe. Ich fand seine Idee wahnsinnig interessant – schade, dass er nur kurz darauf eingeht.

 

„Heaven: Stadt der Feen“ ist ein märchenhafter Einzelband, mit dem Christoph Marzi meiner Meinung nach langsam wieder zu seiner alten Form zurückfindet. Nach den letzten drei Enttäuschungen freut es mich sehr, dass „Heaven“ mich überzeugen konnte, rund und ausgeglichen ist und tolle Ideen zusammenhängend verarbeitet. Ich finde, es passt hervorragend in die Weihnachts- und Winterzeit, weil es diese besondere Magie transportiert, die ich mit dieser Saison assoziiere. Dabei wirken die übernatürlichen Elemente angenehm dezent und sind nicht zu dominant integriert. Ich bin gespannt, ob das auf „Memory: Stadt der Träume“ auch zutreffen wird, obwohl es keine Fortsetzung ist.
Wenn ihr Lust auf ein modernes, zauberhaft geschriebenes Märchen habt, ist „Heaven“ genau die richtige Wahl. In London, dieser Stadt der Mythen und Geheimnisse, sind Feen lebendig und Mädchen ohne Herz können die Liebe finden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/01/15/christoph-marzi-heaven-stadt-der-feen
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review 2015-12-29 15:56
Alles nur Kulisse
Alles nur Kulisse - Ina Steg

Story:
Einmal hinter die Kulissen eines Filmsets blicken – für Liesa geht dies in Erfüllung, als sie die Stelle der Assistentin der beliebten Soap Opera Darstellerin Ashley Morten ergattert. Fortan ist es ihre Aufgabe sich um die Schauspielerin zu kümmern und in allen Belangen zu unterstützen. Obgleich die Arbeit stressig ist, findet sich Liesa schnell zurecht und kommt Ashley schon bald näher. Die beiden Frauen ziehen nicht nur zusammen, um ihre Tagesabläufe anzugleichen, Ashley nimmt Liesa auch zu einer seltsamen Organisation mit, die sich darauf spezialisiert hat, Menschen zum Erfolg zu führen. Hierfür soll Liesa die Rolle der Gefährtin annehmen, um Ashley noch intensiver zu unterstützen. Doch der zunehmende Druck wirkt wie Gift auf Ashleys Karriere, insbesondere da sie Konkurrenz in Form einer neuen Darstellerin der Soap Opera bekommt. Zudem hat Liesa das Problem, dass sie sich zu Ashley hingezogen fühlt, und diese zumindest einige heimliche Affären mit Frauen hat, seitdem sie mit ihrer Assistentin zusammenlebt …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Alles nur Kulisse“ präsentiert die Autorin Ina Steg im Ylva Verlag ihr Debüt. Neben dem Roman liegt noch die Kurzgeschichte „12Tage“ vor, die nur als eBook zu haben ist.

Die Geschichte kommt düsterer und ernster daher, als die üblichen, lockerleichten Romane (wie z.B. von JAE) des Verlags. So ist die Handlung in der Zukunft angesiedelt und es geht nicht nur rein um die Beziehung zwischen den Figuren, sondern um den Erfolgsdruck und die als Verein getarnte Sekte, die ab der Hälfte eine größere Rolle spielen. Auch die allgemeinen Hintergründe und der Klappentext versprechen eine Mischung aus Spannung, Dramatik und Gefühl. Leider gelingt es Ina Steg fast gar nicht den Anforderungen gerecht zu werden. Dafür bleiben zu viele im Dunkeln oder werden fas gar nicht aufgeklärt. An erster Stelle bleibt die Frage, warum die Geschichte überhaupt in der Zukunft angesiedelt wurde, wenn nichts darauf schließen lässt: keine Beschreibungen deuten dies an und für die Handlung ist der Umstand, dass wir das Jahr 2024 haben, auch nicht wichtig. Dann gehört Liesa am Anfang einer Gruppe an, die sich heimlich für die Stadt engagiert, sprich Schmierereien entfernt und den Park nachts säubert. Dies wird gleich zu Beginn des Buches beschrieben, spielt dann jedoch keine Rolle mehr. Warum diese Punkte nicht einfach gestrichen wurden, ist dem Leser ein Rätsel, denn sie werfen nur Fragen auf.

Dafür beschäftigt sich Ina Steg sehr ausgiebig mit dem Alltag am Filmset und der seltsamen Sekte, die Ashley und Liesa auf so perfide Art steuern und kontrollieren wollen. Ersteres wird mit der Zeit etwas langweilig, da es nichts zur Weiterentwicklung der Charaktere und zum Voranschreiten der Handlung beiträgt, letzteres bleibt seltsam schwammig. Was ist das Ziel der Gruppierung, welchen Stellenwert hat sie in der Gesellschaft etc. Es fehlt einfach der Tiefgang, die Hintergründe und die Spannung, die man hätte aufbauen können, wenn Liesa herausfindet, was es mit der Gruppe auf sich hat. Doch selbst dann macht sie nichts – sie warnt Ashley nicht, sie versucht nicht einmal auszusteigen. Diesen Punkt kann man so gar nicht nachvollziehen.
Einzig die sich langsam entwickelnde Liebe zwischen Ashley und Liesa ist sehr schön gelungen, da die beiden Frauen erst Freunde werden und sich erst nach und nach näherkommen. Allgemein ist die Geschichte eher ruhig gehalten – nicht laut, nicht pompös, nicht romantisch. Vieles spielt sich zwischen den Zeilen ab, zumeist übersieht der Leser es jedoch und ist verwirrt.

Einer der Hauptgründe, warum man nur schwer mit „Alles nur Kulisse“ zurechtkommt, sind die unzulänglichen Charaktere. An allererster Stelle steht Liesa, die unglaublich schwammig gezeichnet ist. Man kann sich nur schwer identifizieren, was vor allem daran liegt, dass man ihre Gedanken, Gefühle und Entscheidungen (insofern überhaupt vorhanden) kaum nachvollziehen kann. Sie ist weder gefestigt, noch scheint sie Ziele zu haben, übernimmt zwar Verantwortung für Ashley, ist aber im Grunde nicht in der Lage dazu, da sie nicht einmal für sich selbst sorgen kann. Sie ist ein einziger Widerspruch in sich. Ihre Gefühle kommen nicht beim Leser an, weder als sie sich in Ashley verliebt, noch als sie herausfindet, dass sie sich in die Hände einer Sekte begeben hat. Sie lässt sich einfach treiben, wird kaum aktiv und reagiert im Grunde nur auf ihr Umfeld.
Ashley ist das direkte Gegenteil – erfolgsorientiert, zielsicher und mit beiden Beinen fest im Leben stehend. Dennoch ist auch sie seltsam inkonsistent, wenngleich man dies bei dem Druck, der auf ihr lastet auch verstehen kann.

Die Nebenfiguren sind ein wenig blass geraten – viele tauchen nur am Rande auf und sind schnell wieder von der Bildfläche verschwunden. Gut gelungen sind auf jeden Fall die Leiter der Produktion der Soap Opera und Simon, der zur Sekte gehört und zumeist Druck auf Liesa und Ashley ausübt.

Stilistisch ist „Alles nur Kulisse“ Geschmackssache – Ina Steg hat einen sehr leisen Stil, der mitunter fast ein wenig langweilig ist. Zwar sind einige Beschreibungen sehr schön, auch die Wortwahl kann mitunter begeistern, doch die Geschichte plätschert einfach nur vor sich hin und es kommt kaum Spannung auf. Es gibt keine Höhepunkte (nicht nur auf Erotik gemünzt), keinen Moment, wo man mit den Charakteren mitfiebert- oder leidet. Ina Stegs Stil ist seltsam distanziert, so dass der Leser nicht eintauchen kann und keinerlei Bindung zu den Figuren aufbaut. Das ist schade, denn der Klappentext versprach so viel mehr …

Fazit:

„Alles nur Kulisse“ ist ein durchwachsener Roman, der nicht Fisch, nicht Fleisch ist. Für einen ernsten, dramatischen Roman kommt er zu schwammig und unspektakulär daher, für eine Liebesgeschichte sind Stil und Charaktere zu distanziert. Er hat einige gute Ansätze, die leider nicht ausgearbeitet werden, so dass man das Buch am Ende mit einem unzufriedenen Gefühl beiseitelegt. Schade – da hätte man so viel mehr draus machen können. Leider nicht zu empfehlen.

Source: www.like-a-dream.de
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