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review 2018-09-25 09:32
Er ist ein Mörder
The Run of His Life: The People v. O. J. Simpson - Jeffrey Toobin

Heute starten wir zusammen ein Rezensionsexperiment. In den nächsten Tagen werde ich euch drei Rezensionen präsentieren, die drei Bücher mit ganz unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Thema besprechen. Wir werden uns mit einer der bedeutendsten Fehlentscheidungen der US-amerikanischen Justiz auseinandersetzen, die drei verschiedene Personen vollkommen divergierend wahrnahmen, erlebten und beschrieben. Wir werden uns mit dem Fall O.J. Simpson beschäftigen.

 

Wir beginnen mit Jeffrey Toobins literarischer Dokumentation „The Run of His Life: The People V. O.J. Simpson”. Ich muss euch warnen: bevor ich über das Buch selbst spreche, werde ich euch mit Fakten und Hintergrundwissen überfluten. Meiner Ansicht nach können wir uns erst dann über das Buch verständigen, wenn wir einen annährend ähnlichen Wissensstand erreicht haben. Außerdem dient die heutige Rezension als Basis für die beiden folgenden Besprechungen in den nächsten zwei Tagen. Ich betrachte diese drei Rezensionen als Verbund, die aufeinander aufbauen. Heute legen wir das Fundament.


Laut US-amerikanischem Strafprozessrecht steht jedem bzw. jeder Angeklagten eine faire Verhandlung vor einer Jury zu. Diese sogenannte Trial Jury besteht aus 12 Geschworenen, die im Idealfall einen Querschnitt der Gesellschaft wiederspiegeln. Diese 12 Laien entscheiden über Schuld oder Unschuld des/der Angeklagten. In der Regel verfügen sie über keinerlei juristisches Vorwissen und stützen ihr Urteil auf die Beweislage, die ihnen von Anklage und Verteidigung während des Prozesses präsentiert wurde. Anders als in Deutschland hat der Richter oder die Richterin keinen direkten Einfluss auf Schuld- oder Freispruch. Er/Sie erfüllt eher eine moderierende Funktion und kann das Urteil einer Jury ausschließlich unter sehr spezifischen Bedingungen aufheben oder ändern.

 

Um Voreingenommenheit zu vermeiden, dürfen die 12 Geschworenen keine Vorkenntnisse über den zu verhandelnden Fall haben. Für die Dauer des Prozesses wird die Gruppe isoliert, um nachfolgende Beeinflussung ebenfalls auszuschließen. Sie werden oft in einem Hotel auf Staatskosten untergebracht und ihr Zugang zu Medien wie Zeitung, Fernsehen und Internet wird reglementiert. Besuch von ihren Familien dürfen sie nur unter strengen Auflagen erhalten.
Geschworenendienst bedeutet häufig Erwerbsausfall. Nicht nur werden Juroren für ihr Engagement häufig mager bezahlt (die Süddeutsche Zeitung spricht von 10$ pro Tag), viele Firmen stellen ihre Lohnzahlungen bereits nach kurzer Zeit ein. Langwierige Prozesse können ein Jurymitglied finanziell ruinieren.

 

In einem Strafprozess muss das Urteil der Jury einstimmig sein. Es obliegt der Anklage, sie davon zu überzeugen, dass der/die Angeklagte die Tat „beyond reasonable doubt“ begangen hat – das heißt, es dürfen keine berechtigten Zweifel bestehen, dass er oder sie schuldig ist. Da diese Voraussetzung keiner festen Definition folgt und die Geschworenen nicht verpflichtet sind, ihr Urteil zu begründen, besteht die Möglichkeit, dass Angeklagte willkürlich schuldig oder freigesprochen werden. Selbst wenn die Beweislage erdrückend ist.

 

Warum erzähle ich euch das alles?

 

Ich erkläre euch die Grundzüge des US-amerikanischen Geschworenensystems, weil dieses Wissen eine Voraussetzung ist, um zu verstehen, wie Orenthal James Simpson am 03. Oktober 1995 des zweifachen Mordes freigesprochen werden konnte. Ich erkläre es euch, damit ihr versteht, warum O.J. Simpson trotz überwältigender physischer Beweise für unschuldig befunden werden konnte.

 

Der Fall O.J. Simpson ist wie kaum ein zweiter im kollektiven Gedächtnis der USA verankert. Anspielungen auf seinen spektakulären Prozess sind in der Popkultur keine Seltenheit. Wann immer die US-amerikanische Justiz kritisiert oder durch den Kakao gezogen wird, ist die Erinnerung an O.J. und den berüchtigten Handschuh nicht weit.

 

Orenthal James Simpson ist ein ehemaliger Profi-Footballspieler. Er wurde am 09. Juli 1947 in San Francisco geboren. Als Runningback spielte er von 1969 bis 1979 bei den Buffalo Bills und den San Francisco 49ers und verdiente sich aufgrund seiner schnellen Füße und seiner Initialen (O.J. = Orange Juice) den Spitznamen „The Juice“.  Nach seiner erfolgreichen aktiven Karriere arbeitete er als Sportkommentator und strebte ins Showbusiness. Er versuchte sich als Schauspieler und verkörperte mehrere kleine Rollen, unter anderem in der Filmreihe „Die nackte Kanone“, konzentrierte sich jedoch hauptsächlich auf die Vermarktung seiner selbst. Er war jahrelang Werbepartner der Autovermietung Hertz.
Seit 1985 war O.J. Simpson in zweiter Ehe mit der Kellnerin Nicole Brown Simpson verheiratet. Kennengelernt hatte er sie bereits sieben Jahre zuvor, als sie 18 Jahre alt war und er in Trennung von seiner ersten Ehefrau lebte. Das Paar bekam zusammen zwei Kinder. Ihre Beziehung war stets turbulent und von teils gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt, die durch Zeugenaussagen und Polizeiberichte belegt sind. Sie ließen sich im Oktober 1992 scheiden, versuchten später allerdings, sich wieder zu versöhnen. Erst im Frühjahr 1994 entschieden sie, sich endgültig zu trennen.

 

Nicole Brown Simpson wurde kurz nach Mitternacht am Morgen des 13. Juni 1994 tot vor ihrem Haus in Los Angeles aufgefunden. Neben ihrem leblosen Körper befand sich die Leiche des jungen Kellners Ronald Goldman. Beide Opfer wiesen erhebliche Verletzungen auf und lagen in einer Blutlache. Die Gerichtsmedizin schlussfolgerte später, dass sie mit einem Messer angegriffen worden waren.
Am Tatort entdeckten die eintreffenden Ermittler einen schwarzen ledernen Herrenhandschuh, Blutstropfen und Fußabrücke, die von Browns Heim fortführten. Als sie ihren Ex-Mann O.J. Simpson, der nur wenige Minuten entfernt wohnte, von ihrem Tod informieren wollten, standen sie vor verschlossenen Türen. In der Einfahrt parkte ein weißer Ford Bronco, an dem den Polizisten ebenfalls Blutspuren auffielen. Besorgt, dass Simpson in Gefahr sein könnte, verschafften sie sich Zutritt und erfuhren von seiner Tochter aus erster Ehe, dass ihr Vater am Abend geschäftlich nach Chicago geflogen war. Auf dem Grundstück bemerkten sie weitere Blutstropfen, die ins Haus zu führen schienen, außerdem entpuppte sich ein Bündel auf einem Pfad neben einem der Gästehäuser als schwarzer Lederhandschuh. Nun galt O.J. Simpson inoffiziell als tatverdächtig.

 

Simpson weilte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in Chicago, kehrte aber noch am 13. Juni nach L.A. zurück. Er wurde aufs Revier gebracht und befragt. Obwohl seine Aussagen teilweise widersprüchlich und wirr waren und er nicht erklären konnte, wie er sich eine blutende Wunde am Finger zugezogen hatte, ließen ihn die Ermittler wieder gehen. Die nächsten Tage verbrachte Simpson im Haus seines Freundes Robert Kardashian, während die Polizei weitere Beweise gegen ihn sammelte. Am 17. Juni wurde offiziell Haftbefehl erlassen. Simpson entzog sich seiner Verhaftung und wagte einen skurrilen Fluchtversuch in Begleitung seines Freundes Al Cowlings. In Cowlings weißem Ford Bronco (das gleiche Modell, das Simpson besaß und in dem Blutspuren gefunden wurden) schlichen sie über die Straßen in Los Angeles und lieferten sich mit der Polizei eine Verfolgungsjagd im Schneckentempo. Cowlings fuhr, Simpson saß auf der Rückbank und drohte, sich selbst zu erschießen. Seine Flucht wurde live im TV übertragen und wurde zum meistgesehenen Fernsehereignis der 90er Jahre. Die Einwohner_innen von L.A. waren nicht etwa schockiert, sondern feuerten ihren Footballhelden an und malten sogar Schilder, um ihm vom Straßenrand aus zuzujubeln. Die irrwitzige Verfolgungsjagd endete am Abend vor Simpsons Haus. Er ließ sich festnehmen, ohne Widerstand zu leisten. In Cowlings Wagen fanden Polizeibeamte Bargeld, einen Reisepass und einen falschen Schnurrbart. Die Vermutung, O.J. habe sich über die Grenze absetzen wollen, lag nahe, er behauptete jedoch, er habe lediglich Nicoles Grab besuchen wollen.

 

O.J. Simpson wurde am 30. Juni 1994 offiziell des zweifachen vorsätzlichen Mordes angeklagt. Der eigentliche Prozess begann am 22. Juli 1994. Den Vorsitz führte der Richter Lance Ito, die leitende Staatsanwältin war Marcia Clark. Simpson wurde von einem Team hochdekorierter Anwälte vertreten, darunter sein Freund Robert Kardashian, Robert Shapiro, F. Lee Bailey, der Harvarddozent Alan Dershowitz, der DNA-Spezialist Barry Scheck und der afroamerikanische Anwalt Johnnie Cochran, der bereits häufig schwarze Mandanten gegen die Stadt vertreten hatte. In den Medien wurde Simpsons Verteidigung das „Dreamteam“ genannt. Die vorherrschende Meinung besagte, er habe sich die besten Anwälte, die „für Geld zu haben sind“ gesichert.

Der Strafprozess gegen O.J. Simpson war ungemein kompliziert und komplex. Viele Faktoren spielten eine Rolle, die Anklage förderte bergeweise Beweismaterial gegen Simpson zu Tage und es kam zu spektakulären Szenen im Gerichtssaal, zum Beispiel, als Simpson von der Staatsanwaltschaft aufgefordert wurde, die belastenden Handschuhe anzuprobieren, die sowohl seine als auch DNA-Spuren der Opfer trugen. Durch die geschickte Haltung seiner Hände täuschte er vor, die Handschuhe seien zu klein. Der alles bestimmende Aspekt der Verhandlung war allerdings die Entscheidung seitens Simpsons „Dreamteam“, angeführt von Johnnie Cochran, die sogenannte „Rassenkarte“ auszuspielen.

 

O.J. war ein schwarzer Mann, der von der bekanntermaßen mit Rassismus in den eigenen Reihen kämpfenden, überwiegend weißen Polizei von L.A. festgenommen worden war. Cochran war fest entschlossen, seinen Fall als Verschwörung des korrupten, rassistischen L.A.P.D. gegen seinen schwarzen Mandanten zu inszenieren. Die Verteidigung behauptete, Beweise seien manipuliert und platziert, O.J. sei hereingelegt worden. Diese Theorie war nicht nur aufgrund der logischen Abläufe während der Ermittlung sehr weit hergeholt, sondern auch, weil Simpson sich einerseits nie für die afroamerikanische Community eingesetzt hatte und sich selbst offenbar nicht als schwarz begriff (Einem berühmten Zitat zufolge soll er gesagt haben „Ich bin nicht schwarz, ich bin O.J.“) und andererseits sehr gute Beziehungen zu den Polizisten des L.A.P.D. unterhielt. Viele Beamte waren in den vergangenen Jahren auf seinem Grundstück ein und aus gegangen und deckten ihn bezüglich der Vorfälle von häuslicher Gewalt gegen Nicole. Es war absurd, anzunehmen, O.J. sei das Opfer einer Verschwörung. Doch die Taktik der Verteidigung ging auf.

 

Die Jury im Prozess gegen O.J. Simpson bestand hauptsächlich aus schwarzen Bürger_innen. Während der Vorbereitungen hatten sowohl die Teams der Verteidigung als auch der Anklage herausgefunden, dass speziell afroamerikanische Frauen dazu neigten, O.J. als unschuldig zu betrachten. Ungeachtet der Beweise sah die schwarze Bevölkerung in O.J. einen Helden, der seine schwierige Herkunft überwunden und in der Welt der Weißen erfolgreich geworden war. Diesen Helden zugunsten des rassistischen, weißen L.A.P.D. zu verurteilen, war für viele vollkommen unvorstellbar. Die Theorie der Verteidigung, O.J. sei das Opfer einer Verschwörung, lieferte ihnen eine plausible Berechtigung, die Beweise zu ignorieren und ihn freizusprechen.

O.J. Simpson wurde nach über einem Jahr der Prozessdauer am 03. Oktober 1995 von den 12 Geschworenen bedingungslos freigesprochen. Die Jury beriet sich trotz der Länge und Komplexität des Prozesses lediglich vier Stunden. Sie begründeten ihr Urteil nicht. O.J. war ein freier Mann.

 

Ein Jahr nach dem Urteil im Strafprozess musste sich O.J. Simpson in einem Zivilprozess verantworten, den die Familien der Opfer, die Browns und die Goldmans, initiierten. Die Voraussetzungen für eine Verurteilung in einem Zivilverfahren sind deutlich lockerer. Er wurde schuldig gesprochen. Mittlerweile gilt als bewiesen, dass O.J. Simpson ein Mörder ist. Er tötete seine Ex-Frau Nicole Brown Simpson und den Kellner Ronald Goldman.

 

Puh. Habt ihr jetzt auch das Bedürfnis, erst einmal tief Luft zu holen? Ich weiß, ich habe euch nun mit einer Menge Fakten konfrontiert. Ich habe mich bemüht, den Mordprozess gegen O.J. Simpson so knapp wie möglich zusammenzufassen, doch die Komplexität des Falles zwang mich, ordentlich auszuholen. Ich wollte sicher sein, dass ihr genau wisst, wovon ich spreche, wenn wir uns der Rezension zu „The Run of His Life: The People V. O.J. Simpson“ von Jeffrey Toobin widmen. Bevor wir uns mit diesem brillanten Buch beschäftigen, möchte ich euch allerdings zuerst eine kleine Verschnaufpause gönnen und berichten, wie es überhaupt den Weg in mein Bücherregal fand.

 

Der Fall O.J. Simpson tanzte lange am Rande meiner Wahrnehmung entlang. Durch die starke popkulturelle Präsenz, die dieser Mordprozess erlangte, wurde ich in unregelmäßigen Abständen mit Anspielungen konfrontiert, die ich lediglich ansatzweise verstand, beispielsweise in den „Simpsons“ oder im Song „Lifestyles of the Rich and the Famous“ der Band Good Charlotte. Ich begriff, dass O.J. Simpson irgendein Promi war, der leugnete, ein furchtbares Verbrechen begangen zu haben, aber ich kapierte nicht, wieso er damit beißenden Spott provozierte. Während des eigentlichen Prozesses war ich selbstverständlich noch viel zu jung, um überhaupt zu realisieren, was dort in diesem fernen Land namens Amerika passierte. Folglich verfügte ich über keinerlei Kontext, um die bissigen, ironischen Erwähnungen von O.J., des Handschuhs oder Johnnie Cochran korrekt einzuordnen. Ich plante zwar immer, den Fall irgendwann einmal zu recherchieren, aber wie es eben so ist im Leben, habe ich es nie getan.

 

Meine Neugier wurde erst richtig geweckt, als ich die Ankündigung las, dass es einen Ableger von „American Horror Story“ geben sollte. In diesem Spin-Off mit dem Titel „American Crime Story“ werden reale Fälle der US-amerikanischen Justiz vorgestellt, die große öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben. Die erste Staffel behandelt den Fall O.J. Simpson. Da „American Horror Story“ zu meinen Lieblingsserien zählt, hatte ich keine Zweifel, was die Qualität von „American Crime Story“ betrifft und betrachtete es als günstige Gelegenheit, meine Wissenslücken endlich zu schließen.
Die erste Staffel gefiel mir außerordentlich gut. Ich fand die filmische Umsetzung des Prozesses gegen O.J. Simpson ungemein spannend und mitreißend. Die Tatsache, dass es sich um reale Ereignisse handelte, verursachte einen zusätzlichen Kitzel und als ich die 10 Folgen der Staffel vollständig gesehen hatte, ließ mich das Thema nicht los. Ich war fasziniert und wollte unbedingt noch mehr über diesen sensationellen Fall, der als beispielloser Justizirrtum in die Geschichte der USA einging, wissen. Ich wollte mehr Details. Ich wollte wissen, wie akkurat „American Crime Story“ die Fakten verarbeitet hatte und wie viel Interpretation in den Szenen steckte. Ich wollte mir eine eigene Meinung bilden.

 

Zuerst sah ich mir Fotos der Beteiligten an und surfte durch Wikipedia-Artikel, aber als passionierter Bücherwurm war es für mich natürlich naheliegend, Antworten in Büchern zu suchen. Glücklicherweise haben beinahe alle Mitwirkenden irgendwann biografische Bücher ihrer Erlebnisse während des Prozesses veröffentlicht, sodass ich nicht mühsam Lektüre ausfindig machen musste, sondern einfach auswählen konnte, was mich interessierte. Ich nahm Abstand von den Biografien der Verteidiger, weil mich die Selbstinszenierung, die viele der Anwälte in O.J.s Kielwasser betrieben hatten, abstieß. Stattdessen entschied ich mich für drei Werke, die den Fall meinen Erwartungen zufolge umfassend abdeckten: „Without A Doubt“ von der leitenden Staatsanwältin Marcia Clark, das hypothetische Geständnis „If I Did It“ von O.J. Simpson selbst und „The Run of His Life: The People V. O.J. Simpson“ des ehemaligen Anwalts und Journalisten Jeffrey Toobin.

 

„The Run of His Life“ landete aus zwei Gründen auf meiner Auswahlliste: erstens wusste ich, dass dieses Buch als Vorlage für „American Crime Story“ diente; zweitens erhoffte ich mir von Toobin eine objektive Schilderung des Prozesses, da er als Journalist selbst nicht direkt involviert war. Aus denselben Gründen entschied ich, meine private Recherchemission mit exakt diesem Bericht zu beginnen.

Jeffrey „Jeff“ Toobin arbeitete zur Zeit des Strafprozesses gegen O.J. Simpson als Journalist beim New Yorker und wurde von seinem Blatt nach L.A. geschickt, um wenn möglich direkt aus dem Gerichtssaal zu berichten. Er war selbst eine Zeit lang Anwalt und qualifizierte sich daher als geeigneter Reporter, der die Feinheiten juristischer Strategien erkannte, begriff und den Leser_innen erklären konnte. Toobin begleitete den gesamten Prozess, da er einen der wenigen, heiß begehrten festen Sitze für die Presse in Lance Itos Saal ergatterte. „The Run of His Life“ ist das Ergebnis seiner persönlichen Beobachtungen, Analysen und Gedanken aus über zwei Jahren der Berichterstattung, sowie der ausführlichen Sichtung von Beweis- und Medienmaterial und zahlreicher Interviews mit mehr als 200 Menschen, die in irgendeiner Form vom Mordprozess gegen O.J. Simpson betroffen waren.

 

Meiner Meinung nach ist „The Run of His Life” ein Recherche-Meisterwerk. Es ist eine unglaublich aufwendige Fleißarbeit, in der Jeffrey Toobin eine überzeugende, detailreiche Zusammenfassung des über ein Jahr andauernden Strafprozesses gegen O.J. Simpson bietet. Er integrierte neben seinen persönlichen Erinnerungen Hintergrund- und biografische Informationen zu allen (wichtigen) Beteiligten, nachvollziehbare Einschätzungen der Vorgänge im Gerichtssaal, sowie Augen- und Zeitzeugenberichte. Obwohl das Buch durch eine ausgeglichene, sachliche Schilderung der Ereignisse beeindruckt, gelang es Toobin, seine private Meinung subtil auf der Metaebene einfließen zu lassen. Er kritisiert und urteilt diskret, ohne Spekulationen anzustellen oder seine Leser_innen aggressiv zu beeinflussen. Ich erhielt nicht nur einen einzigartig intensiven Einblick in die Fakten des Prozesses, es war mir auch problemlos möglich, eigene Ansichten zu entwickeln.

 

Für mich besteht kein Zweifel, dass O.J. Simpson schuldig ist. Er ist ein Mörder. Er tötete Nicole Brown Simpson und Ronald Goldman. Das Urteil der Jury war eine kolossale gerichtliche Fehlentscheidung und nicht gerecht. Die Beweislast war erdrückend; er hätte verurteilt werden müssen. Ich begreife nicht, wie die 12 Geschworenen seinen Lügen Glauben schenken konnten. Aus meiner Sicht hätte es vollkommen unerheblich sein müssen, dass sie in ihm ein Symbol sahen. Es hätte keine Rolle spielen dürfen, dass er schwarz und berühmt ist. Es ist richtig, dass das L.A.P.D. Schwierigkeiten mit rassistischen Beamten hatte und dass der Polizist Mark Fuhrman, der den berüchtigten Handschuh auf O.J.s Grundstück fand und im Prozess traurige Berühmtheit erlangte, ein beschämendes Negativbeispiel für diese Schwierigkeiten darstellte, aber seine menschenverachtenden Ansichten schlugen sich nicht auf seine Arbeit am Tatort nieder. Er verhielt sich vorschriftsgemäß. Es gab keine Verschwörung. Es wurden weder Beweise platziert noch manipuliert. Die Schritte, die dafür nötig gewesen wären, waren viel zu kompliziert und unrealistisch, um sie tatsächlich zu vollziehen. Es mag sein, dass während der Ermittlungen Fehler geschahen und sich einige Mitarbeiter_innen fahrlässig verhielten, doch nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass keiner dieser Fehler die Fakten kompromittierte. Die Fakten, das waren Blut- und DNA-Spuren, Faserrückstände, Fußabdrücke, zeitliche Abläufe und die tragische Vorgeschichte des Ehepaars Simpson. O.J. Simpson hatte Motiv und Gelegenheit und nichts, was seine Verteidigung, sein „Dreamteam“, während des Prozesses aus dem Hut zauberte, überzeugte mich vom Gegenteil. Ich wiederhole mich: O.J. Simpson ist ein Mörder. Seine Hautfarbe und sein sozialer Status hatten keinen Einfluss auf die Fakten, folglich hätte die Jury den Simpson-Fall nicht missbrauchen dürfen, um ein Exempel zu statuieren. Sie verwehrten Nicole und Ron Gerechtigkeit.

 

Ich werfe diesen fatalen Justizirrtum sowohl der Anklage als auch der Verteidigung vor. Die Rassendimension des Falls wurzelt tief in den Konflikten der US-amerikanischen Gesellschaft, in der Rassismus ein anhaltendes, konkretes, nicht zu leugnendes Problem ist. Auf gewisse Weise ist das L.A.P.D. selbst verantwortlich für die Wendung, die der Prozess gegen O.J. Simpson nahm, indem es von Hass getriebene Personen wie Mark Fuhrman beschäftigte und vermutlich bis heute beschäftigt. Trotz dessen war es die Verteidigung rund um Johnnie Cochran, die Rassismus als beherrschenden Aspekt der Verhandlung inszenierte und der Presse, dem 13. Jurymitglied, zum Fraß vorwarf, um von der Schuld ihres Mandanten abzulenken. Es oblag der Anklage, diese Fehlinterpretation der Fakten als Nonsens zu entkräften und die Jury von einem vernunftbasierten Urteil zu überzeugen. Sie versagten. Natürlich wurden sie durch willkürliche, schwer nachzuvollziehende und teils schlicht falsche Entscheidungen des Richters Lance Ito behindert, aber die Beweise hätten ungeachtet dieser Komplikationen zu einer sicheren Verurteilung führen müssen. Ich hatte den Eindruck, dass Marcia Clark und ihr Team den Fall durch Arroganz, Unfähigkeit und Unerfahrenheit an die Wand fuhren. Sie dachten, sie hätten bereits gewonnen. Manchmal wollte ich ins Buch greifen und die Staatsanwaltschaft geschlossen schütteln, weil sie einige wirklich dumme Fehler machten, die der Verteidigung direkt in die Hände spielten.

 

Über das legendäre „Dreamteam“ könnte ich eine seitenlange Schimpftirade verfassen. Es erschließt sich mir nicht, wie sich überhaupt jemand finden konnte, der den völlig offensichtlich schuldigen O.J. Simpson reinen Gewissens vertreten konnte. Rational weiß ich natürlich, dass ihr Gewissen die geringste Sorge seiner defensiven Armada war. Die Antwort, warum sich Anwälte darum rissen, ihn zu vertreten, ist sehr einfach: Geld. Geld und Ruhm. Jeder einzelne seiner Verteidiger nutzte den Mordprozess für eine private Agenda, die vor allem aus der Pflege ihrer Egos bestand. Ich finde sie alle abstoßend. Es spricht Bände, dass ich mich bewusst dagegen entschied, eines ihrer Bücher zu lesen. Ich muss nicht Zeugin werden, wie sich Robert Shapiro als missverstandener Edelmann porträtiert, dem übel mitgespielt wurde. Nein, danke, ich könnte auch einfach verschimmelte Lebensmittel herunterwürgen, wenn ich Brechreiz verspüren möchte.

 

Obwohl ich sie alle für egozentrische Verbrecher in teuren Anzügen halte, erkämpfte sich Johnnie Cochran einen speziellen Platz im Zentrum meiner Abneigung. Ich hatte nie das Gefühl, dass sein Einsatz für die afroamerikanische Bevölkerung aufrichtig war. Vielleicht schätze ich ihn falsch ein, aber das Credo „Der Zweck heiligt die Mittel“, das er im Simpson-Prozess verfolgte, lässt mich an seinen Motiven zweifeln. Der Kampf um Gerechtigkeit darf niemals zugunsten des Unrechts geführt werden. Hätte Johnnie Cochran wirklich daran gelegen, die Situation für Afroamerikaner_innen zu verbessern, hätte er dann in Kauf genommen, dass ein Mörder davonkommt? Ich glaube, er sah im Prozess gegen O.J. Simpson eine profitable Einnahmequelle und eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, das Rampenlicht zu beanspruchen. Eine weitere Schlacht in seinem heiligen Krieg gegen Rassismus und Willkür in den Rängen der Polizei. Ich vermute, dass sein Kampf eher gegen die Polizei als für die schwarze Bevölkerung ausgerichtet war. Er instrumentalisierte den Fall auf Kosten der Familien der Opfer – für einen Mann, der sich niemals um seine afroamerikanischen Wurzeln scherte. Cochran wird gewusst haben, dass Simpson sich nicht als schwarz identifizierte und ich denke auch, dass Cochran wusste, dass sein Mandant schuldig ist. Er glaubte ebenso wenig an eine Verschwörung des L.A.P.D. wie die Anklage. Den Fokus des Falls trotz dessen auf das Thema Rassismus zu lenken, war zutiefst unmoralisch, womit er sich allerdings in bester Gesellschaft befand.

 

Angeblich soll sich Simpson anfangs höchstpersönlich gegen das Ausspielen der „Rassenkarte“ gestellt haben. Das Zitat „Ich bin nicht schwarz, ich bin O.J.“ tauchte sowohl in „American Crime Story“ als auch in „The Run of His Life“ auf und – ich kann es nicht anders sagen – es passt zu O.J. Simpson. Letztendlich ließ er sich dennoch davon überzeugen, diese Strategie zu verfolgen, weil sie erfolgsversprechend war, aber es handelte sich dabei um wenig mehr als eine clevere Farce. Sein Image hatte für O.J. Simpson stets oberste Priorität. Auch er nutzte den Prozess zur Selbstdarstellung. Weder interessierte er sich tatsächlich für die Zukunft seiner Kinder, die er immer nur dann vorschob, wenn er Mitleid erregen wollte, noch verschwendete er jemals einen Gedanken an Nicole, Ron oder ihre Familien. Ich halte ihn für einen ganz und gar widerlichen Menschen. Er ist ein narzisstischer Frauenschläger, ungebildet, prahlerisch und wehleidig. O.J. Simpsons Existenz dreht sich ausschließlich um O.J. Simpson. Es will mir nicht in den Kopf, wie man so werden kann. Ein Psychotherapeut hätte vermutlich seine wahre Freude an ihm. Ich kann mir vorstellen, dass er über einige psychische Dysfunktionen verfügt. Er erweckt in mir eine so starke Antipathie, dass ich ihm den tiefen sozialen Fall, den er nach seinem Freispruch erlebte, von Herzen gönne. O.J. Simpson wanderte nämlich doch noch ins Gefängnis. Nicht für die Morde an Nicole und Ron, sondern für einen bewaffneten Raubüberfall, den er am 13. September 2007 in Las Vegas verübte. Er saß fast neun Jahre und wurde erst letztes Jahr, im Oktober 2017, auf Bewährung entlassen. Zwar bringt diese Strafe Nicole und Ron nicht zurück und ist lediglich ein trauriger Ersatz für die Gerechtigkeit, die sie verdient hätten, aber es verschafft mir eine bösartige Genugtuung, dass ihn sein (vergangener) Ruhm und seine Hautfarbe dieses Mal nicht retten konnten. Keine Lügen mehr, keine Ausreden, gehe nicht über Los. Tragen Sie die Konsequenzen ihrer Taten, Mr. Simpson.

 

Mit „The Run of His Life“ konnte ich meine Mission, mein Wissen zum Fall O.J. Simpson zu erweitern, definitiv erfüllen. Die erste Staffel von „American Crime Story“ bewegte sich zwar sehr dicht an Jeffrey Toobins Buch, musste jedoch selbstverständlich vieles deutlich kürzen. Ich bin froh, dass mich meine Neugier dazu trieb, die vielen Details und Feinheiten, die diesen Prozess bestimmten, zu ermitteln und mein Verständnis dessen, wie dieser gewaltige Justizirrtum möglich war, zu vertiefen. Toobin hat sich selbst übertroffen und mit seinen exorbitanten Recherchen ein wichtiges Zeugnis unserer Zeit erschaffen. So unwahrscheinlich es mir auch erscheint, solltet ihr jemals das Bedürfnis verspüren, euch selbst mit dem Fall O.J. Simpson zu beschäftigen, kann ich euch diese detaillierte, zuverlässige und spannend geschriebene Dokumentation nur ans Herzen legen.


Wir haben das Fundament errichtet. Morgen wird es hier die nächste Rezension zum Thema „O.J. Simpson“ geben, die das zweifellos umstrittenste Buch aus meiner Auswahl bespricht: „If I Did It“, das Simpson mithilfe eines Ghostwriters nach dem Prozess schrieb. Wie der Titel bereits vermuten lässt, handelt es sich dabei um ein hypothetisches Geständnis, in dem Simpson beschreibt, wie die Morde an Nicole Brown Simpson und Ronald Goldman geschehen wären, hätte er sie begangen. Das Buch ist untrennbar mit dem Zivilprozess der Familien der Opfer gegen Simpson verknüpft, das heißt, hierzu werde ich erneut einige Hintergrundinformationen bereitstellen. Schaut vorbei, wenn ihr erfahren wollt, was es mit diesem fragwürdigen Buch auf sich hat und wie O.J. Simpson die Tatnacht erinnert – natürlich rein hypothetisch.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/09/25/jeffrey-toobin-the-run-of-his-life-the-people-v-o-j-simpson
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review 2016-06-20 20:04
Freundschaft als Einbahnstraße
Unschuldig? - Bruno Woda

Die Handlung:


Mark sitzt im Gefängnis, weil er Janine, seine Geliebte, vergewaltigt und in eine lebensgefährliche Situation gebracht haben soll. Sieben Monate lang geht das Leben seiner Freunde weiter, ohne dass ihn jemand besucht oder sich groß Gedanken über seine Situation macht. Nur seine Ex-Freundin Helen besucht ihn, und als sie Wolfgang, einem der Freunde, davon erzählt, packt den das schlechte Gewissen - hätte er Mark so schnell abschreiben dürfen? Denn eigentlich traut er Mark so eine Tag doch gar nicht zu... Oder? Helen und Wolfgang tun sich zusammen, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen und Marks Unschuld zu beweisen. Aber als Wolfgang Janine aufsucht, die er in Gedanken eigentlich schon zur intriganten Verführerin gemacht hat, muss er feststellen, dass Schuld und Unschuld hier eine Gratwanderung sind.

 

Meine Meinung:

Titelbild und Klappentext ließen mich einen Thriller erwarten, aber das ist das Buch meines Erachtens nicht. Was ich stattdessen vorfand, war ein Roman, der zwar spannende Themen aufgreift, in dem es aber vor allem um das Zwischenmenschliche geht - besonders um das, was ungesagt und ungetan bleibt. Schuld und Unschuld sind immer wiederkehrende Motive, ebenso Religion und Missbrauchsfälle in der Kirche, aber in meinen Augen steht vor allem die Freundschaft im Mittelpunkt.

 

Ist es Freundschaft, wenn man einen Freund einfach abschreibt, weil er ins Gefängnis kommt? Ist es Freundschaft, wenn man gar nicht mitbekommt, dass ein Freund Probleme hat oder unglücklich ist?Die Grundsituation fand ich sehr interessant: Menschen, die bisher nur eine oberflächliche Freundschaft verbunden hat, finden sich in einer Situation wieder, wo sie für sich ergründen müssen, was ihnen diese Freundschaft - oder Freundschaft überhaupt! - wert ist.

 

Die Umsetzung konnte mich aber leider nicht vollständig überzeugen. Das lag meines Erachtens vor allem daran, dass ich mit den wichtigsten Charakteren nicht so recht warm wurde. Ich konnte ihre Entscheidungen und ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen, und manche Entwicklungen gingen mir einfach viel zu schnell!

 

Zum Beispiel ist Wolfgang anfangs überzeugt, dass Janine ein ruchloses Flittchen ist, das den unschuldigen Mark zu Drogen und Bondage verführt und ihn damit in die Situation gebracht hat, die zu seiner Verurteilung führte. Wolfgang besucht Janine zuhause, und obwohl sie ihn kaum kennt, zerrt sie ihn direkt in ihr Schlafzimmer, legt sich nackt ins Bett und beginnt damit, ihren Arm ans Geländer zu fesseln, um ihm vorzuführen, was Mark mit ihr gemacht hat - wobei sehr deutlich wird, dass sie nichts dagegen hätte, wenn Wolfgang ein bisschen mitspielen würde...

 

Anfangs wirkt sie wirklich wie das Luder, das Wolfgang erwartet hat. Sie spricht derbe, trinkt, nimmt Drogen, scheint ungebildet und abgebrüht. Aber sie entwickelt sich in rasantem Tempo zur souveränen, gebildeten Frau, die sogar Literaturseminare besucht.

Auch Wolfgangs Gefühle für Janine machen schon nach einem oder zwei Treffen eine Wendung um 180 Grad - da hätte ich mir gewünscht, dass der Roman vielleicht 100 Seiten länger wäre und diese Beziehung sich dafür langsamer entfalten und tiefer ausgelotet werden würde.

 

Und im Grunde gilt das für alle Beziehungen in diesem Buch, denn es geht hier doch ums Zwischenmenschliche! Vor allem Mark blieb für mich seltsam blass, denn sein Fall wirft zwar viele ethische Fragen auf und veranlasst seine Freunde, in sich zu gehen und ihre Ansichten zu hinterfragen, aber als Mensch habe ich ihn kaum kennengelernt.

 

Der Roman hatte für mich immer mal wieder kleinere Spannungsflauten, in denen sich der Fall nicht richtig weiterentwickelt und die Gedanken der Protagonisten sich im Kreise drehen. Manchmal erschienen mir die Abläufe auch etwas verworren. Dennoch hatte ich das Buch schnell durch, denn ich fand es trotz meiner Schwierigkeiten mit den Charakteren unterhaltsam.

 

Schade fand ich, dass das Thema Missbrauch in der Kirche zwar angesprochen wird, dann aber nie wirklich zum Zug kommt - es bleibt bei Andeutungen.

 

Der Schreibstil hat mir überwiegend gut gefallen; viele Formulierungen fand ich gut gelungen, die Beschreibungen sind meist lebendig. Nur die Dialoge kamen mir gelegentlich etwas hölzern vor, und ich bekam kein richtiges Gespür für die "Stimmen" der verschiedenen Charaktere.

 

Zitat:

"Die Freundschaft in der Clique war eine Einbahnstraße. Alle hatten die gleiche Richtung: das gemeinsame Ziel, Spaß und Unterhaltung zu haben. Alle genossen den Weg zu diesem Ziel. (...) Hilfe in Not und Verzweiflung wurde natürlich gewährt, wenn angefordert. Doch Hilfe schon bereitzustellen, eher der Hilfesuchende sich auf den Weg macht, vermag nur wachsame Freundschaft, die in der Seele Ausschau hält."

 

Fazit:

In "Unschuldig?" geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, besonders um die Bedeutung von Freundschaft. Mark wird als Vergewaltiger zu einer siebenjährigen Haft verurteilt, und seine Freunde fragen sich zunehmend beklommen, ob die sogenannte "Freundschaft" in ihrer Clique überhaupt etwas wert ist.

 

Die Themen fand ich sehr interessant, aber ich tat mich schwer mit den Charakteren, denn die entwickeln sich oft sehr sprunghaft und drastisch. Die Spannung konnte sich für mich nicht immer halten, aber dennoch ließ sich das Buch gut und flüssig lesen.

Source: mikkaliest.blogspot.de/2016/06/unschuldig-von-bruno-woda.html
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review 2015-11-20 10:23
Ein Traum bittersüßer, behutsamer Melancholie
Golem und Dschinn - Eine Liebe nicht von dieser Welt: Roman - Annette Grube,Helene Wecker

„Golem und Dschinn“ von Helene Wecker habe ich als Rezensionsexemplar über das Bloggerportal von Random House angefragt. Diese Entscheidung war das Blogger-Äquivalent eines Spontankaufs, denn das Buch stand nie auf meiner Wunschliste. Der Klappentext hat mich einfach neugierig gemacht. Ich suche immer nach neuen Ideen in der Urban Fantasy und bisher habe ich noch kein Buch dieses Genres gelesen, in dem ein Golem und/oder ein Dschinn die Hauptrolle übernehmen. Ein wenig skeptisch war ich trotz dessen, da der Untertitel „Eine Liebe nicht von dieser Welt“ nicht gerade meinem Beuteschema entspricht. Doch was wäre das Lese-Leben ohne Risiken?

 

Chavas Leben beginnt mitten auf dem Ozean, auf der Überfahrt von Polen nach New York, als ihr Meister sie erweckt. Chava ist kein Mensch – sie ist ein Golem, geschaffen von einem unmoralischen Rabbi, um zu dienen und zu gehorchen. Doch ihr Meister verstirbt noch bevor sie New York erreichen. Ihrem Daseinszweck beraubt, spürt und hört sie die Wünsche, Sorgen und Sehnsüchte aller Menschen um sich herum. Allein in einer fremden Stadt muss sie lernen, sich zurecht zu finden, ohne aufzufallen. Nie hätte sie erwartet, eine verwandte Seele zu treffen; jemanden, der sich ebenso verloren, einsam und anders fühlt wie sie. Ahmad ist ein Dschinn, lebendiges Feuer. Vor Jahrhunderten wurden ihm von einem mächtigen Zauberer seine Kräfte genommen. Eingesperrt in einer Kupferflasche trägt ihn das Schicksal in das syrische Viertel in New York.
Zwischen Millionen von Menschen versuchen Chava und Ahmad, gegen einen gefährlichen Feind zu bestehen und Liebe, Freundschaft und ihren Platz in einer Welt zu finden, in die sie eigentlich nicht gehören.

 

„Golem und Dschinn“ ist Juwel; ein unentdeckter Diamant in einem Genre, das von bedeutungslosen, austauschbaren Geschichten regelrecht überflutet wird. Literatur wie diese ist selten und deswegen umso kostbarer. Meine Skepsis war überflüssig, denn das Buch ist weder kitschig, noch übertrieben oder billig. Helene Wecker verfolgt ihren ganz eigenen Stil und beweist, wie viel Originalität die Kategorie der Urban Fantasy für diejenigen zulässt, die sich trauen, abseits der Massenware zu schreiben. „Golem und Dschinn“ ist sanft, leise und zärtlich; es ist ein Traum bittersüßer, behutsamer Melancholie. Die Autorin pflegt einen poetischen, blumigen Schreibstil, mit dem sie ihre Leser_innen im Handumdrehen in eine Welt voller kleinerer und größerer Schicksale entführt, deren Verbundenheit sich erst nach und nach offenbart. Ihre Liebe zu Details, zu den zahllosen winzigen Facetten der Leben ihrer Figuren ist herzergreifend. Sie vereint Nähe und Distanz, indem sie mit den Blickwinkeln spielt, ohne die Erzählperspektive zu ändern. Durch Chavas und Ahmads Augen erlaubt sie sich und den Leser_innen, die Menschheit von verschiedenen Seiten zu betrachten. Sie sehen Schönheit, Reinheit, Absurdität und Leid im alltäglichen Wahnsinn – Kleinigkeiten, die wir selbst nicht wahrnehmen. Ich fand es faszinierend, sie bei dem Versuch zu beobachten, sich zu integrieren, denn eben diese Kleinigkeiten bereiten ihnen die größten Schwierigkeiten. Dabei gehen sie ganz unterschiedlich damit um. Während Chava sich versteckt und furchtbare Angst davor hat, dass ihre wahre Natur offenbart wird, liebt Ahmad das Risiko und flüchtet sich immer wieder in spontane, waghalsige Unternehmungen. Sie sind wahrhaft gegensätzlich, ergänzen sich aber genau deswegen perfekt. Die Beziehung dieser beiden unheimlich realistischen Persönlichkeiten ist rein, unschuldig und ehrlich, denn nur mit einander können sie tatsächlich sie selbst sein. Sie geben sich gegenseitig Halt. Ich bin Helene Wecker so dankbar, dass sie der Versuchung widerstand, Chava und Ahmad in eine klischeebeladene Liebesaffäre zu zwingen und das Wesen ihrer komplizierten Verbindung stattdessen differenziert herausarbeitete. Den deutschen Untertitel des Buches finde ich daher etwas irreführend, denn Liebe spielt in Weckers Geschichte nur sehr subtil eine Rolle. Alle Lebewesen suchen nach Liebe, ob Mensch oder nicht. Triefende, schwülstige Romantik hat damit nicht das Geringste zu tun. Ich denke, genau diese Einstellung hat „Golem und Dschinn“ für mich zu einer außergewöhnlichen Lektüre gemacht. Ihre Suche nach Liebe ist für die Figuren die wahre Herausforderung in ihrem Leben, der Grund, warum sie sich Tag für Tag abrackern und jeden Morgen aufstehen, selbst wenn ihr alltäglicher Kampf aussichtslos erscheint. Ich konnte mich hervorragend mit ihnen identifizieren, weil ich mich in den Hindernissen ihres Daseins wiederfinden konnte. Käfige sind vielfältig und nicht alle kann man sehen. Die vielen kleinen Geschichten geben dem Buch seine besondere Atmosphäre – nicht traurig, aber auf gewisse Weise schwermütig, wie ein Seufzer, der aus tiefstem Herzen kommt.

 

Ich fand „Golem und Dschinn“ überraschend und berührend. Es ist eine wundervolle Geschichte vom Leben, von der Liebe, von tiefer Freundschaft und von den Konsequenzen des freien Willens. Letzterer bringt uns manchmal an gute und manchmal an schlechte Orte – die Frage ist, was man daraus macht. Chava und Ahmad beweisen, dass jede_r ein Recht auf ein eigenes Schicksal hat, auf eigene Entscheidungen und dass es nicht ausschließlich unsere Herkunft oder Veranlagung ist, die uns definiert. Wir haben unser Leben in der Hand und können jeder Zeit über uns selbst hinauswachsen.
Ich möchte euch „Golem und Dschinn“ nachdrücklich und vehement empfehlen. Das Buch ist seit langem das Beste, was ich aus der erwachsenen Urban Fantasy gelesen habe: originell, kreativ und bezaubernd. Es ist ganz bestimmt keine Durchschnittslektüre, sondern herzerwärmend und einzigartig. Es ist eine Geschichte, die sich wie Balsam um die Seele legt.

 

Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/11/20/helene-wecker-golem-und-dschinn
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review 2013-10-13 17:19
'Pretty Little Liars - Unschuldig' von Sara Shepard
Unschuldig - Sara Shepard,Violeta Topalova

Kosten:

Gebundene Ausgabe: 7,95€

eBook Ausgabe: 6,99€

 

Inhalt:

Aria, Emily, Spencer, Hanna und Alison sind beste Freundinnen. Doch eines Tages verschwindet Alison spurlos und die Mädchengruppe zerfällt. Zweieinhalb Jahre später hat sich ihr Leben völlig verändert, doch Alison konnte keine von ihnen vergessen. Eines Tages beginnen die Mädchen seltsame Nachrichten zu bekommen. Absender ist jemand, der sich selbst als A bezeichnet. Ist es möglich, dass Alison noch lebt und ein perverses Spiel mit ihnen treibt?

 

Cover:

Das Cover zeigt die vier Hauptcharaktere. 

Und es spricht mich null an.

 

Erster Satz:

'Dreh die Uhr ein paar Jahre zurück, und stell dir vor, es sind die Sommerferien zwischen der siebten und achten Klasse.'

 

Meine Meinung:

Da ich die Serie 'Pretty Little Liars' total super finde, wollte ich nun mal die Buchversion lesen.

Im Prinzip passieren im Buch die gleichen Dinge wie in der Serie, jedoch hat man hier bessere Einsicht in die Gefühlswelt des jeweiligen Mädchen.

Die Kapitel sind kurz, was mir gut gefällt und in jedem geht es um die Ereignisse oder Sichtweisen einer der Mädels.

Der Schreibstil ist einfach und schnell zu lesen. 

Es hat mich aber massiv gestört, dass ich zu Beginn mit Markennamen regelrecht erschlagen wurde.

 

Fazit:

Auf geht's mit dem zweiten Band. :)

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review 2013-08-26 12:39
[Rezension] "Pretty Little Liars - Unschuldig" Sara Shepard
Unschuldig - Sara Shepard,Violeta Topalova

Titel: Pretty Little Liars - Unschuldig
Autor: Sara Shepard
Verlag: cbt
Originaltitel: Pretty Little Liars 
Preis (Taschenbuch): 7,95€
Seitenanzahl: 320
ISBN: 978-3570305621
Erscheinungstermin: 6.Juli 2009
Buchreihe: Ja (Pretty-Little-Liars)
Punktanzahl: 5 von 5 Punkten

Inhalt:
Vier Mädchen, ein dunkles Geheimnis

Geheimnisvolle Nachrichten von einer gewissen A. versetzen Spencer und ihre Freundinnen in Angst und Schrecken. Woher kennt A. ihre intimsten Geheimnisse? Steckt dahinter Alison, die eines Tages spurlos verschwunden war? (Quelle)


Meine Meinung:
Dieses Buch hat mir eine gute Freundin geliehen, weil sie von dieser Serie begeistert war/ist. Und auch im Web gibt es zu diesem Buch sehr viele postive Bewertungen und Rezensionen. 
Das Cover finde ich ganz OK, wobei es auch viel schönere und kreativere Covers zur Auswahl gibt. Doch es passt eigentlich sehr gut zum Inhalt, genauso wie der Titel.
Die ersten paar Seiten waren schwierig zu lesen, weil es wirklich ein Einstieg in eine andere Welt ist - die Welt der Superreichen und Superschönen; kurz - Amerika:D
Doch wenn man einmal drinnen ist, kommt man nicht so schnell wieder raus. Das erklärt auch, dass ich das Buch an nur einem Tag fertiggelesen habe. 
Der Schreibstil ist flüssig und total schön zu lesen. Das Buch ist aus vier Perspektiven geschrieben, aus der Sicht von Emely, Hanna, Spencer und Aria. Diese Perspektiven wechseln jedes Kapitel.
Ein minimaler Minuspunkt gibt es aber, da eigentlich alle Charaktere und Figuren sich SEHR ähneln bzw. gleich sind. Mir hätte vielleicht noch jemand gefehlt, der ein bisschen aus der Masse raussticht und anders ist. 

Fazit:
Ein total schönes Buch, dass man nicht so schnell vergisst. Ich werde mir auf jeden Fall  noch die folgenden Bände ausleihen. 5 von 5 Punkten.

Leseprobe

Hier Pretty Little Liars-Unschuldig kaufen

Viel Spaß beim Lesen!
Eure Mary♥

 

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