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review 2019-07-24 09:55
Kamera, Licht, Tod
Dark Wood: Horrorthriller - Thomas Finn

Es ist erstaunlich, wie viele deutsche Fantastik-Autor_innen ihre Wurzeln in dem populären Pen-&-Paper-Rollenspiel Das Schwarze Auge sehen. Thomas Finn ist einer von ihnen. Seit 1984 ist er ein begeisterter Fan und arbeitete nach einigen beruflichen Umwegen sogar als Redakteur für den Herausgeber, den Schmidt-Spiele Verlag. Bis heute bemüht er sich, sich einmal die Woche mit Freunden zu einem Rollenspielabend zu treffen. DSA hatte erheblichen Einfluss auf seine literarische Laufbahn, weil ihn die Position als Spielleiter „das komplette Handwerkszeug der Dramaturgie“ lehrte, ihm beibrachte, wie man eine Zielgruppe spannend unterhält und ihn auf Auftritte vor Publikum (z.B. bei Lesungen) vorbereitete. Außerdem ist ein fantastisches Rollenspiel selbstverständlich hervorragender Nährboden für Romanideen. So basiert auch sein Horror-Thriller „Dark Wood“ auf einem Rollenspiel-Abenteuer.

 

Worauf haben sie sich da nur eingelassen? Drei Tage in der norwegischen Wildnis, allzeit umgeben von Kameras. Riskante Aufgaben, die ihre Teamfähigkeit unter Beweis stellen sollen. Eine Produktionsfirma, die von ihnen publikumswirksames Drama sehen will. Stünde die Hamburger Werbefirma STUDIO Alsterblick nicht am Rande des Bankrotts, hätten sich die sechs Angestellten Dagmar, Gunnar, Sören, Lars, Bernd und Katja niemals dazu überreden lassen, an der TV-Reality-Show SURVIVE teilzunehmen. Das Preisgeld von 500.000 Euro kann das Fortbestehen der Firma sichern – und demzufolge auch ihre Jobs. Fest entschlossen, das Geld einzustreichen, ohne sich manipulieren zu lassen, treten die sechs die Reise in die düsteren, einsamen Wälder Norwegens an. Doch kaum sind sie dort angekommen, beginnt die Situation außer Kontrolle zu geraten. Nicht alle sind an der Rettung der Agentur interessiert. Streit, Lügen und Geheimnisse vergiften die Stimmung, sodass das Team zu spät bemerkt, dass sie nicht allein sind. Sie werden beobachtet – und schon bald müssen sie tatsächlich um ihr Überleben kämpfen…

 

Wie bringt man sechs Menschen dazu, sich so richtig schön an die Gurgel zu gehen? Man setzt sie in der norwegischen Wildnis aus, richtet Kameras auf sie, zerrt ihre dunkelsten Geheimnisse ans Licht und konfrontiert sie mit einer unheimlichen Bedrohung. „Dark Wood“ war eine atemlos aufregende Lektüre, die mich auf verschiedenen Ebenen äußerst gut unterhielt. Wir mögen das Reality-TV belächeln und als geschmacklos kritisieren, aber niemand kann angesichts der Einschaltquoten leugnen, dass das Prinzip funktioniert. Dieses erfolgreiche Prinzip macht sich Thomas Finn für seinen Thriller hervorragend zu Nutze. „Dark Wood“ ist eine mitreißende Mischung aus voyeuristischer Reality-Show und unheimlichem Horrorstreifen. Sechs Angestellte sollen in Norwegens Wäldern ihre Hamburger Werbeagentur vor dem finanziellen Ruin bewahren und sich dabei im Fernsehen möglichst effektvoll zum Affen machen. Anfangs schwören sie alle, die psychologischen Mechanismen der Show durchschaut zu haben und keinesfalls auf die Manipulationen der Produktionsfirma hereinzufallen. Sie geloben Zusammenhalt für den guten Zweck – nur um dann in „vertraulichen“ Einzelinterviews bei der kleinsten Provokation vor laufenden Kameras pikante Firmeninterna und ernste Anschuldigungen auszuplaudern. So weit her ist es mit der Harmonie zwischen ihnen nämlich nicht und die Zukunft der Firma kümmert sie maximal sekundär. Sie alle bringen ihre persönliche Agenda mit, was ihre Gruppendynamik maßgeblich beeinträchtigt. Dadurch entstand von Beginn an eine reizbare Atmosphäre von Misstrauen und Unfrieden, die sich verhängnisvoll mit der finsteren, überzeugenden Ausstrahlung des Settings verband und der ich mich nicht entziehen konnte. Ich fragte mich ständig, was an den gegenseitigen Vorwürfen dran ist und fieberte mit einer gehörigen Portion Sensationslust neuen Enthüllungen entgegen. Tatsächlich empfand ich die allzu menschliche Tendenz des Teams, unter Stress schmutzige Wäsche zu waschen, prickelnder als die äußeren Gefahrenquellen, die ihnen Finn zusätzlich aufhalst. „Dark Wood“ verfügt sowohl über historische als auch über paranormale Aspekte, die der Autor glaubwürdig und selbstbewusst händelt. Bizarre Wesen, Wikingerartefakte und Überbleibsel aus der NS-Zeit sorgen für abwechslungsreichen Nervenkitzel, meine Angstfantasien sprachen sie aber leider nicht an. Ich gruselte mich nicht, möchte dies jedoch als rein subjektiven Kritikpunkt festhalten. Horror ist stets sehr individuell und intim und es ist nicht Thomas Finn anzukreiden, dass er bei mir daneben lag. Dennoch fand ich, dass er seinen Leser_innen sehr früh verrät, welche Kreaturen dort im Wald lauern. Mir hätte es besser gefallen, wenn er meine Fantasie etwas länger sich selbst überlassen hätte, denn nichts ist schauriger als die eigene Vorstellungskraft. Trotz dessen gebe ich gern zu, dass er mich am Ende noch mal gewaltig überraschte. Ich muss ziemlich verdattert dreingeschaut haben – mit dieser Wendung hatte ich absolut nicht gerechnet!

 

„Dark Wood“ bescherte mir packende Lesestunden. Es ist ein guter, fesselnder mystischer Thriller, der sich erfrischend leicht liest. Mir gefiel vor allem die Analogie zu TV-Reality-Shows. Ich beobachtete fasziniert, wie die gleichen Abläufe, die ich in bestimmten Fernsehformaten ohne zu zögern verteufeln würde, in diesem Buch bei mir griffen und mich gierig Seite um Seite verschlingen ließen. Doch auch abgesehen vom bissigen Kleinkrieg der Figuren fand ich „Dark Wood“ wirklich unterhaltsam und souverän konzipiert. Obwohl sich die Geschichte aus recht vielen Komponenten zusammensetzt, wirkt sie nicht überfrachtet, denn Thomas Finn balanciert sie mühelos aus. Ich schätze das Buch als die perfekte Urlaubslektüre für Leser_innen ein, die es in den Ferien nervenaufreibend und kurzweilig mögen. Nur wer Urlaub in Norwegen macht, sollte vielleicht lieber darauf verzichten. ;-)

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/24/thomas-finn-dark-wood
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review 2017-04-28 09:42
Subtile Gesellschaftskritik statt leichtem Mystery-Thriller
Smoke: Roman - Katrin Segerer,Dan Vyleta

Dan Vyleta ist ein Kind des Potts. Ja, ihr habt richtig gelesen! Sein Weg führte ihn zwar über England in die USA und bis nach Kanada, aber er wurde 1974 als Sohn tschechischer Einwanderer im Ruhrgebiet geboren. Ich frage mich, wie viel Pott noch in ihm steckt. Seinen aktuellen Roman „Smoke“ verfasste er jedenfalls nicht in Deutsch, sondern in Englisch. Unseren Markt erreichte das Buch durch die Random House Gruppe, die es mir als Rezensionsexemplar anbot. Ich nahm das Angebot an, da der Klappentext wirklich interessant klang. Meine Neugier war geweckt.

 

Thomas und Charlie sind privilegiert. Als Schüler eines elitären Internats werden sie auf ihr späteres Leben an der Spitze der Gesellschaft vorbereitet. Sie sind normale Jungen – doch ihre Gedanken sind unrein. Jeder weiß es, denn der Rauch zerrt all ihre Verfehlungen ans Tageslicht. Der Rauch brandmarkt die Menschen als Sünder, er dringt aus Poren und Körperöffnungen und hinterlässt schmierigen Ruß, der an der Haut klebt, Kleidung befleckt und Gebäude in einen schwarzen Schleier hüllt. Jede Lüge, jede Gehässigkeit, jede Missetat wird unweigerlich offengelegt. Der Rauch ist der sichtbare Graben zwischen Oberschicht und Pöbel. Niemals wäre es Thomas und Charlie eingefallen, seine Gesetze zu hinterfragen, bis ein verstörender Schulausflug nach London die Freunde ratlos zurücklässt. Wieso würde jemand den Ruß von Mördern sammeln? Wie ist es möglich, dass ein Mensch kein einziges Fädchen Rauch absondert? Aufgewühlt begeben sich Thomas und Charlie auf die Suche nach den Ursprüngen des Rauchs und stoßen auf eine Verschwörung nationalen Ausmaßes, die sie vor eine haarsträubende Entscheidung stellt: ist ihre Welt es wert, gerettet zu werden?

 

Uff. Nach der Lektüre von „Smoke“ musste ich mich erst einmal zurücklehnen, tief durchatmen und darüber nachdenken, was ich da eigentlich gerade gelesen hatte. Dieser Roman ist weit bedeutungsvoller und philosophischer, als ich erwartet hatte. Es ist definitiv kein leichter Mystery-Thriller, sondern eine erstaunliche komplexe Gesellschaftskritik. Dan Vyleta entführt seine Leser_innen in das 19. Jahrhundert, zeigt England auf dem Höhepunkt der industriellen Revolution und konfrontiert sie mit einer alternativen Realität, die sich vor allem in einem offensichtlichen Punkt von der unseren unterscheidet: die Menschen rauchen. Starke Gefühle wie Zorn, Neid, Lust, aber auch Freude und Glück lösen eine biochemische Reaktion im Körper aus, deren Resultat der Rauch ist, der aus allen Körperöffnungen dringt. Folglich ist der Rauch die visuelle Manifestation des menschlichen Wesens. Er ist weder gut noch böse, er ist einfach nur. Nichtsdestotrotz wird er in Vyletas Version des Vereinigten Königreichs als göttliches Zeichen und sichtbarer Beweis für das Böse in einem Menschen aufgefasst. Der Rauch wird instrumentalisiert; er dient als Legitimation, die Bevölkerung zu kontrollieren und die Klassenunterschiede stetig zu verschärfen. Die beiden jugendlichen Protagonisten Thomas und Charlie werden bereits im Internat indoktriniert. Als Elite des Landes müsse die Oberschicht mit gutem, sauberen Beispiel vorangehen, um das gemeine Volk führen zu können. Wer aus dem Adel stammt, sollte idealerweise niemals rauchen. Selbstkontrolle als Religion. Natürlich können weder Thomas noch Charlie dieses Ideal erfüllen, obwohl Charlie ihm deutlich näherkommt als sein Freund. Thomas ist ein reizbarer, leidenschaftlicher junger Mann, dessen Gefühle schnell überkochen. Dementsprechend raucht er stark und viel, während Charlies gutmütige, ehrliche und offene Persönlichkeit eher selten kleine Rauchfähnchen produziert. Sie verkörpern vollkommen verschiedene Formen von Rauchern. Betrachtet man die beiden als die Endpunkte einer Skala, kann man getrost behaupten, dass ihnen auf ihrer Suche nach Antworten die Myriaden Zwischenstufen dieser Skala begegnen. Sie lernen unterschiedliche Lebensweisen mit und Herangehensweisen an den Rauch kennen, was ich als sehr spannend empfand. Ich denke, Dan Vyleta konstruierte für „Smoke“ absichtlich eine sich selbst treibende Handlung, die seitens der Figuren wenig Initiative bedurfte. Thomas und Charlie lenken die Geschichte nicht, sie werden von ihr gelenkt, wodurch sich zahlreiche Situationen ergeben, die ihren Horizont erweitern. Sie erleben Unrecht und Grausamkeit, Güte und Großzügigkeit und entwickeln anhand dieser Erlebnisse eine eigene Weltanschauung. Meiner Ansicht nach ist „Smoke“ daher eine ungewöhnliche, aber überzeugende Coming-of-Age-Geschichte, die den Konflikt zwischen Individuum und System erfrischend originell und tiefgründig interpretiert.

 

„Smoke“ ist eines dieser Bücher, die weniger gefallen als faszinieren. Dan Vyleta versucht meines Erachtens nach nicht, sich bei seinen Leser_innen anzubiedern, sondern präsentiert eine subtile, feinsinnige Gesellschaftskritik, die zum Nachdenken anregt. Dafür nimmt er eine gewisse Trägheit der Geschichte in Kauf, weil diese intellektuell statt emotional mitreißen soll. Für mich hat dieses Konzept funktioniert, obwohl ich der Meinung bin, dass Vyleta haarscharf an der Grenze zur gesellschaftsphilosophischen Überladung vorbeischlitterte. Beinahe hätte er zu viel von mir verlangt. Glücklicherweise zügelte er sich, sodass ich den immensen gedanklichen Spielraum und das stimulierende Potential des Buches sehr zu schätzen wusste.
Meiner Meinung nach ist „Smoke“ äußerst lesenswert, es setzt allerdings ein hohes Maß an eigenständiger, geistiger Beweglichkeit voraus. Es ist keine locker-flockige Lektüre für Zwischendurch. Stellt euch zum Warmwerden vor dem Lesen eine Frage: was bedeutete es für die Gesellschaft, wäre jede starke Emotion jedes Menschen nicht länger verborgen, sondern sichtbar?

 

Vielen Dank an Random House und carl’s books für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/04/28/dan-vyleta-smoke
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review 2017-04-18 09:02
Kein Abschiedsschmerz, kein böses Blut, keine Fragezeichen
Herrscher des Lichts - Brandon Sanderson,Michael Siefener

Die „Mistborn“ – Reihe von Brandon Sanderson ist vermutlich die Ungewöhnlichste, die mein Regal zu bieten hat. Nach den ersten drei Bänden macht die Geschichte einen Zeitsprung von sage und schreibe 300 Jahren. In Band 4 „Jäger der Macht“ ist alles neu: neues Setting, neue Ära, neue Figuren. Die einzige Konstante sind die Fähigkeiten der Nebelgeborenen. So gesehen handelt es sich bei „Mistborn“ also um eine Trilogie, gefolgt von einer Tetralogie. Mich erinnert das an die Arcs von Anime-Serien und ich finde es interessant, dass Sanderson mit seinem Magiesystem in verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungsstufen experimentiert. „Herrscher des Lichts“ ist das Finale des ersten Arcs und schließt die Geschichte der Nebelgeborenen Vin ab.

 

Die Prophezeiung war eine Lüge. Geschickt verdreht und verzerrt von Ruin, der bösartigen Macht, die der Oberste Herrscher ein Jahrtausend in Schach hielt. Nun ist Ruin frei und Vin, die glaubte, ihr Schicksal zu erfüllen, ist dafür verantwortlich, dass das Letzte Reich am Rande der Zerstörung steht. Kolosse terrorisieren das Volk, pausenlos regnet giftige Asche aus der Atmosphäre und Erdbeben lassen das Land erzittern. Ernten drohen auszufallen und die Inquisitoren gehorchen Ruins Befehlen wie Marionetten. Elant und Vin hetzen von einer Katastrophe zur nächsten und können doch nicht überall zugleich sein. Ihre letzte Hoffnung ist das Vermächtnis des Obersten Herrschers. Er allein kannte die Geheimnisse der Nebelgeborenen. Er allein wusste um die Bedrohung durch Ruin. Aber wusste er auch, wie die uralte Macht besiegt werden kann? Elant, Vin und ihre Verbündeten müssen Antworten finden, bevor ihre Welt endgültig auseinanderbricht. Fieberhaft durchkämmen sie das Reich nach Hinweisen des alten Regenten. Ist die Legende des mysteriösen „Held aller Zeiten“ ihre einzige Rettung?

 

Meiner Ansicht nach steigert sich die „Mistborn“ – Reihe von Band zu Band. „Herrscher des Lichts“ gefiel mir definitiv am besten, weil all das unselige Rätselraten und Im-Dunkeln-Tappen nun endlich vorbei ist. Es hat mich so genervt, nicht alles über Sandersons Universum zu wissen und nicht jede Facette zu verstehen, dass ich angesichts der erhellenden Informationsflut des Finales wirklich erleichtert bin. Es klickte beim Lesen am laufenden Band; Puzzleteile schoben sich knirschend an ihren Platz und vervollständigten das Gesamtbild. Ganz kann ich Sandersons Infogeiz nicht verzeihen, doch ich begreife jetzt, dass er mich in die gleiche Situation brachte, in der sich Vin, Elant und all die anderen Figuren befanden. Sie sind wie Kinder, die durch eine Welt taumeln, die sie nicht erfassen. Der Oberste Herrscher hielt sein Volk seit jeher in einer Blase der Unwissenheit gefangen. Er beschnitt den Fortschritt und unterdrückte die präzise Kenntnis von Vergangenheit und Gegenwart. Er bewachte seine Geheimnisse fanatisch und war der einzige, der alle Wahrheiten kannte. Paradoxerweise ist er somit ausgerechnet Kelsier sehr ähnlich, obwohl ihre Motivation zur Geheimniskrämerei sicher vollkommen unterschiedlich war. Man kann dem Obersten Herrscher vieles vorwerfen, doch er versuchte stets, sein Volk so gut wie möglich zu schützen. Er mag ein Tyrann gewesen sein, aber er war kein böser Mensch. Er wusste sich einfach nicht anders zu helfen. Natürlich erweist sich seine Verschwiegenheit nachträglich als fatal, denn dadurch sind Vin, Elant und ihre Freunde Ruin gegenüber nahezu hilflos. Nur Vins unfehlbare Intuition verschafft ihnen eine echte Chance. Ich bewundere sie dafür, wie beharrlich sie an ihren Überzeugungen festhält, obwohl ich finde, dass sie eindeutig zu viel Freude am Kampf und am Töten hat. Dadurch wirkt sie kaltblütig und mordlüstern; eine Facette ihrer Persönlichkeit, die ich beinahe als abstoßend empfinde und die mich hin und wieder vergessen ließ, dass sie auch eine weiche, zarte Seite hat. Meist ist es Elant, der diesen Teil herauskitzelt. Es ist schade, dass die beiden ihre Beziehung eigentlich nie ausleben können. Umso besser gefiel es mir, dass Sanderson ihnen eine sehr schöne Szene schenkt, in der sie zumindest ihren längst überfälligen Tanz nachholen können. Durch seinen schnörkellosen, pragmatischen Schreibstil erschien mir die Situation überhaupt nicht kitschig, sondern einfach… richtig. Sie brauchten diesen intimen Moment miteinander, um daran erinnert zu werden, wofür sie kämpfen. Es berührte mich, wie viel Kraft sie aus ihren Gefühlen für einander schöpfen. Ich wünschte, Sazed hätte auf einen ähnlichen Quell der Stärke zugreifen können. Er verkraftet den Tod seiner großen Liebe Tindwyl sehr schlecht und bürdet sich eine Mission der Selbstgeißelung auf, die ich völlig unsinnig fand. Trauer folgt eben einer eigenen Logik. Ich fand Sazed in „Herrscher des Lichts“ daher schwer zu ertragen, verstehe aber, dass Sanderson ihn in dieses schwarze Loch schubsen musste, um seine kathartische Epiphanie am Ende des Buches wirkungsvoller zu gestalten. Drama, Baby!

 

„Herrscher des Lichts“ ist meiner Meinung nach der stärkste Band des ersten „Mistborn“-Arcs. Das Finale der Trilogie ist unerwartet philosophisch und beschäftigt sich mit der Dreieinigkeit von Erschaffen, Bewahren und Zerstören. Die meisten Rätsel und Geheimnisse werden aufgeklärt, sodass ich das Letzte Reich angenehm befriedigt verlasse. Die Lektüre fühlte sich wirklich wie ein Abschluss an – ohne Abschiedsschmerz, ohne böses Blut, ohne Fragezeichen. Ich empfinde eine friedvolle, wohlwollende Ausgeglichenheit und blicke nun gespannt in die Zukunft. Wie wird sich die Welt der Nebelgeborenen in 300 Jahren verändert haben?
Ich bin noch immer überzeugt, dass die „Mistborn“-Trilogie einen guten Einstieg in die High Fantasy darstellt: nicht zu anspruchsvoll, nicht zu experimentell, dafür kreativ und aufregend. Selbst wenn dieses Genre normalerweise nicht eure Heimatbasis ist, wird euch die Macht der Metalle sicher für sich gewinnen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/04/18/brandon-sanderson-herrscher-des-lichts
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