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review 2019-04-16 08:49
Jugendliteratur, verkleidet als Buch für Erwachsene
The Wolves of Winter - Tyrell Johnson

Autor_innen müssen ehrlich zu sich selbst sein. Die eigene Arbeit realistisch einschätzen zu können, ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um schriftstellerisch erfolgreich zu sein. Tyrell Johnsons Debütroman „The Wolves of Winter“ ist das Ergebnis einer aufrichtigen Bewertung seiner Fähigkeiten. Obwohl Johnson mit Fantasy-Literatur aufwuchs und diese liebt, wusste er, als Autor würde er in diesem Genre stets nur durchschnittlich sein. Sein Stil, seine Stimme verlangten nach einem modernen Setting. Er entschied, seine Kreativität in postapokalyptischer Science-Fiction auszuleben, die ihm ebenso erlaubte, eine eigene Welt zu erschaffen. Mit „The Wolves of Winter“ führt er seine Leser_innen in eine Zukunft, in der menschliches Überleben nur in den ungastlichen Gegenden der Erde möglich ist.

 

Schließt Lynn McBride die Augen, fantasiert sie von Wärme, von einer Welt ohne Eis und Schnee. Öffnet sie ihre Augen wieder, begrüßt sie die winterlich harsche Wirklichkeit des kanadischen Yukon. In den Jahren, seit eine verheerende Grippepandemie ihre Familie in den Norden trieb, entwickelte sich Lynn zu einer taffen Überlebenskünstlerin. Ihr verstorbener Vater wäre stolz auf sie. Sie lernte, zu jagen und ihre kleine Siedlung zu ernähren. Sie lernte, sich zu behaupten. Doch als ihr eines Tages in der Wildnis der undurchsichtige Jax begegnet, muss sie all ihr Können aufwenden, um ihre Familie zu beschützen. Denn Jax bewahrt ein furchtbares Geheimnis, das sie alle in Gefahr bringt. Er weiß etwas, dass die ehemalige Regierungsbehörde Immunity um jeden Preis geheim halten will und das Lynns Leben für immer verändern wird…

 

Ich möchte ebenso ehrlich wie Tyrell Johnson sein. Ich habe überhaupt keine Lust, diese Rezension zu schreiben. Ich mochte „The Wolves of Winter“ nicht und die Gründe dafür sind so typisch für das Genre, dass ich unmotiviert bin, sie aufzuzählen. Da ich mich als Buchbloggerin euch gegenüber allerdings verpflichtet fühle, kneife ich jetzt meinen Gluteus Maximus zusammen und beiße mich durch.
„The Wolves of Winter“ fokussiert die 23-jährige Lynn McBride, die mit ihrer Familie im kanadischen Yukon lebt, seit die Welt den Bach runterging. Johnsons Katastrophenszenario ist klassisch: ein Angriff auf das Pentagon, Krieg, die globale Ausbreitung der Grippe, Zusammenbruch der Zivilisation. Diese Variante ist vielleicht etwas uninspiriert, aber vorstellbar und mir gefiel es, dass die Menschheit von einer scheinbar banalen Krankheit in die Knie gezwungen wurde. Da die Viren Kälte nicht vertragen, zogen die McBrides nach Norden und errichteten mitten in der Wildnis eine winzige Siedlung. Die Familie besteht aus der Ich-Erzählerin Lynn, ihrem älteren Bruder Ken, ihrer Mutter, ihrem Onkel Jeryl und dessen Ziehsohn Ramsey. Körperlich abwesend und dennoch präsent ist Lynns verstorbener Vater, den sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Himmel lobt. Alle paar Seiten durfte ich mir anhören, wie toll er doch war, was mich ziemlich nervte. Das Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Bruder erschien dagegen lächerlich blass. Ihre Beziehung zu Jeryl ist deutlich intensiver – keine Überraschung, schließlich ist er der einzige Kandidat für einen Vaterersatz. Ihre Fixierung auf männliche Bezugspersonen überzeugte Lynn, dass Weiblichkeit und Gefühle Schwäche bedeuten. Trotz ihres Alters ist sie eine Heldin, wie man sie häufig in Young Adult – Literatur findet: ultrataff, distanziert, arrogant, bissig und unsympathisch. Sie ist nicht mal zu Tieren nett. Meist ist sie allein in der verschneiten Wildnis unterwegs, weshalb ich oft das Gefühl hatte, eine langweilige Survival-Doku zu lesen, ungeachtet der eindrucksvollen Naturbeschreibungen. Ich fand Lynn übertrieben maskulin und fragte mich, wieso Tyrell Johnson überhaupt eine weibliche Hauptfigur wählte. Natürlich eröffnete sich ihm so ein billiger Weg, seinen Leser_innen den Charakter seiner postapokalyptischen Welt zu vermitteln. „The Wolves of Winter“ enthält zwei Vergewaltigungsszenen (ohne Penetration), die illustrieren sollen, wie hart Lynns Realität ist. Noch einmal zum Mitschreiben: niemals sollten Autor_innen ihren Figuren so etwas antun, nur um zu beweisen, wie schrecklich die Welt ist, in der sie leben, besonders nicht, wenn – wie in diesem Fall – der Täter völlig irrelevant für die Geschichte ist. Tyrell Johnson nutzt die Vergewaltigungen, um Lynns Misstrauen erst gegenüber Jax, später gegenüber Immunity zu rechtfertigen. Immunity, eine ehemalige Seuchenschutzbehörde, inszeniert er als Bösewicht, was sich mir bis zum Ende nicht ganz erschloss. Ihre Methoden sind brutal und aggressiv, entsprechen jedoch der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Lynns Zweifel an ihren Absichten empfand ich angesichts ihres Wissensstandes als haltlos und unbegründet. Sie zieht nicht einmal in Betracht, mit ihnen zusammenzuarbeiten, obwohl sie nach einem Heilmittel für die Grippe forschen. Lieber riskiert sie für einen dubiosen Typen, den sie erst kurz kennt, ihr Leben. Es geht ja nur um die Zukunft der Menschheit.

 

„The Wolves of Winter“ ist ein verkleideter Young Adult – Roman, der sich als Buch für Erwachsene ausgibt. Es spielt keine Rolle, dass die Protagonistin Lynn zu alt für diese Kategorisierung ist, die inhaltlichen Abläufe erinnerten mich unverwechselbar an Jugendliteratur. Leider schließt das die üblichen Mängel ein, die ich schon so oft kritisieren musste: Logiklöcher, eine übertrieben harte Heldin und unmotivierte Gewalt gegenüber den Figuren. Das Schlimme daran ist, dass all diese Punkte nicht nur meiner Fantasie entspringen; ich habe mehrere Interviews mit Tyrell Johnson gelesen, die sie bestätigen, obwohl er diese Aspekte natürlich nicht als Defizite auffasst. Johnson erwähnte außerdem, dass er eventuell eine Fortsetzung schreiben möchte. Von mir aus darf „The Wolves of Winter“ gern ein Einzelband bleiben. Ich würde einen Folgeband ohnehin nicht lesen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/16/tyrell-johnson-the-wolves-of-winter
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review 2016-01-29 10:31
Düstere Southern Gothic
Beautiful Darkness - Margaret Stohl,Kami Garcia

Wusstet ihr, dass weder Kami Garcia noch Margaret Stohl aus den Südstaaten der USA stammen? Garcia wurde in Washington, D.C. geboren und lebt heute in Los Angeles, Stohl in Pasadena, Kalifornien. Mich hat das sehr überrascht, denn angesichts ihrer überzeugenden Darstellung der Südstaaten-Kleinstadt Gatlin in den „Caster Chronicles“ hätte ich erwartet, dass zumindest eine der beiden im Süden aufgewachsen ist. Vielleicht ist es aber gerade diese Distanz, die es ihnen erlaubte, Gatlin mit einem Augenzwinkern zu charakterisieren.

 

Lenas 16. Geburtstag hinterließ tiefe Wunden. Zwar konnte sie ihre Berufung verhindern und ihrer dunklen Mutter Sarafine die Stirn bieten, doch der Preis für ihren Widerstand war entsetzlich. Zerfressen von Kummer und Schuld zieht sich Lena immer weiter zurück. Sie erträgt es nicht, Ethan anzusehen. Ethan hingegen versucht, ihr so viel Zeit und Raum zu geben, wie sie braucht, spürt allerdings, dass ihm die Liebe seines Lebens zu entgleiten droht. Als er abermals von mysteriösen Visionen heimgesucht wird und ein neuer Song das Unheil des Siebzehnten Mondes voraussagt, kann er nicht länger zusehen, wie Lena sich selbst zerstört. Unterstützt von seinen Freunden wagt sich Ethan in das Labyrinth der Caster-Tunnel, um sie vor sich selbst zu retten. Doch der Feind schläft nicht und verfolgt weiterhin furchterregende Pläne. Wird Ethan Lena aus ihrem Strudel des Schmerzes und der Gefahr befreien können?

 

„Beautiful Darkness“ ist sehr viel düsterer als „Beautiful Creatures“ und verdient sich meiner Meinung nach erst recht einen Platz im Genre der Southern Gothic. Die Ereignisse des ersten Bandes werfen ihren schwermütigen Schatten auf Ethan und Lena und stellen sie vor neue Herausforderungen. Ihre Beziehung steht auf dem Prüfstand; sie müssen einander beweisen, dass sie gemeinsam nicht nur mit äußeren Faktoren zurechtkommen, sondern auch mit den Problemen, die sie selbst verursachen. Mir gefiel es außerordentlich gut, dass Garcia und Stohl die Handlung aus „Beautiful Creatures“ konsequent weiterführen und keine heile Welt präsentieren. Sie wagen es, ihr ProtagonistInnen-Pärchen von einer neuen Seite zu zeigen, wodurch die Geschichte einen realistischen Weg einschlägt. Friede, Freude, Eierkuchen hätte ich ihnen nicht abgekauft. Den Handlungsverlauf von „Beautiful Darkness“ empfand ich weniger gradlinig, denn unsere beiden Hauptcharaktere arbeiten nicht auf ein klar definiertes Ziel hin. Stattdessen vermittelt Ethan als Ich-Erzähler ein Maß an Verzweiflung, Verwirrung und Hilflosigkeit, das mir wirklich zu Herzen ging. Er weiß nicht, wie er Lena in ihrer selbst errichteten Festung des Kummers erreichen soll. Das Mädchen, das er liebt, distanziert sich mehr und mehr von ihm und er hat lange Zeit das Gefühl, nichts dagegen unternehmen zu können. Ich hätte gern eingegriffen, Lena geschüttelt oder ihr eine saftige Ohrfeige verpasst, damit sie wieder zur Besinnung kommt. Ich wollte Ethan beschützen, denn obwohl ich Lenas Schmerz durchaus verstehen konnte, fand ich, dass sie sich extrem verhält. Sie merkt nicht, dass sie in dem Bestreben, sich selbst zu bestrafen, auch andere bestraft und wegstößt, allen voran natürlich Ethan. Ich war froh, dass Ethan nicht nur seine Familie an seiner Seite hat, sondern auch einen großartigen besten Freund: Link. Link ist für ihn da, während Lena es nicht ist. Ethan kann sich zu 100% auf ihn verlassen, ganz gleich wie haarsträubend und gefährlich die Situation zu werden droht. Trotzdem hinterlässt Lenas Rückzug selbstverständlich eine physische und emotionale Lücke, in die Garcia und Stohl eine neue Figur treten lassen. Liv ist Britin, Marians studentische Hilfskraft und ein totaler Nerd. Ich mochte sie von der ersten Sekunde an. Ethan ist mit ihrem Auftauchen überfordert, weil zwischen den beiden eine unleugbare Anziehungskraft wirkt. Liv verkörpert all das, was Ethan haben könnte, wenn er nicht hoffnungslos in ein Caster-Mädchen verliebt wäre: ein normales, einfaches Leben voller Glück und Lachen, ohne magische Verwicklungen. Kein Wunder, dass ihn ihre Anwesenheit durcheinanderbringt. Vielleicht ist sie einer der Gründe dafür, dass Ethan sehr lange wartet, bis er einschreitet, um Lena vor sich selbst zu retten. Meiner Meinung nach ergreift er zu spät die Initiative. Lenas Trauerprozess in allen Ehren, aber er hätte ihren Eskapaden viel früher ein Ende setzen müssen, denn sie entwickelt sich zu einer ernsthaften Gefahr für die Menschen, die ihm etwas bedeuten. Er ist zu nachsichtig mit ihr. Schließlich interveniert er aber doch und folgt Lena in die Caster-Tunnel, die sich durch den ganzen Süden der USA (und vermutlich weit darüber hinaus) ziehen. Als Setting gefielen mir die Tunnel gut, da sie rätselhaft und ein bisschen unheimlich sind, allerdings bringen sie auch Unruhe in die Geschichte. Sie sind schwer fassbar und verändern sich ständig. Ich hatte hin und wieder Probleme, sie mir vorzustellen. Das Gleiche gilt für den finalen Kampf gegen Ende des Buches, der zwar spannend, meinem Empfinden nach jedoch nicht plastisch genug beschrieben ist.

 

Insgesamt fand ich „Beautiful Darkness“ anders als „Beautiful Creatures“. Nicht besser oder schlechter, sondern eben einfach anders. Genau das gefiel mir. Kami Garcia und Margaret Stohl rollen die Geschichte des ersten Bandes nicht noch einmal auf, sondern führen sie logisch weiter. Sie gestehen ihren Charakteren Entwicklung zu und trauen sich, die psychologischen Konsequenzen des Vorgängers zu verdeutlichen. Die liebevoll gezeichneten Charaktere fesselten mich an die Handlung; besonders Ethan habe ich wirklich ins Herz geschlossen, aber auch Link, Liv und Ethans gesamte Familie. Meine heiß entflammte Liebe zu den „Caster Chronicles“ ist ungebrochen. Diese Reihe ist wirklich magisch und ich freue mich darauf, zu erfahren, wie es in Gatlin weitergeht!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/01/29/kami-garcia-margaret-stohl-beautiful-darkness
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