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review 2017-07-19 09:07
Ist Magie ein Vorrecht der Kindheit?
The Magician's Land - Lev Grossman

Wieder einmal steht Quentin Coldwater vor dem Nichts. Aus Fillory verbannt, ist er gezwungen, zur Erde zurückzukehren. Er muss sich ein neues Leben aufbauen, noch einmal von vorn anfangen. Fast von selbst lenken ihn seine Schritte zum Brakebills College für magische Erziehung. Der verlorene Sohn geht heim. Seine alte Schule empfängt ihn mit offenen Armen und langsam beginnt Quentin, sich in der irdischen Realität zu akklimatisieren. Er arbeitet hart und bleibt meist für sich. Doch seine Vergangenheit lässt ihm keine Ruhe. Noch immer quält ihn der Gedanke an Alice, seine große Liebe. Entschlossen, herauszufinden, was mit ihr geschehen ist und unterstützt von der begabten Schülerin Plum wagt sich Quentin in die zwielichtigen, gefährlichen Gefilde der Magie, in der Hoffnung, Alice vielleicht zurückzuholen.
Währenddessen spitzt sich die Lage in Fillory zu. Das verzauberte Land stirbt. Verzweifelt begeben sich Eliot und Janet auf eine letzte, alles entscheidende Quest, um ihr Königreich zu bewahren. Allein können die beiden allerdings wenig ausrichten. Sie brauchen Hilfe. Hilfe von dem einzigen Menschen, der mehr über Fillory weiß, als irgendjemand sonst: Quentin, dessen Schicksal untrennbar mit dem magischen Land verbunden zu sein scheint. Welten und Leben stehen auf dem Spiel. Wird Quentin Fillory retten können und endlich Vergebung für seine Sünden finden?

 

Das nenne ich mal einen Abschluss! Lev Grossman versteht es wirklich, eine Geschichte emotional befriedigend zu beenden. „The Magician’s Land“ ist meiner Meinung nach mit Abstand der beste Band der Trilogie „The Magicians“. Ich bin begeistert und war am Schluss sogar zu Tränen gerührt. Während all der Zeit, die ich mit dem Protagonisten Quentin in den Vorgängern „The Magicians“ und „The Magician King“ verbrachte, war ich enttäuscht von ihm, weil er einfach nicht zu schätzen wusste, welche Privilegien ihm zuteilwurden. Seine ziellose Rastlosigkeit faszinierte mich, entsetzte mich allerdings auch, da ich nicht verstand, was er denn eigentlich noch wollte. Er wusste es ja selbst nicht. Jetzt wird Quentin endlich erwachsen und schließt mit all den losen Enden in seinem Leben ab. Zum ersten Mal habe ich ihn als echten Magier wahrgenommen, der begreift, mit welchen Kräften er arbeitet. Aus Fillory rausgeworfen zu werden, war das Beste, das ihm passieren konnte. Andernfalls wäre er auf ewig der kindliche, naive Träumer geblieben, der sich stur weigerte, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Er konnte dort nicht leben, er musste raus aus diesem zauberhaften, magischen Land, weil er es viel zu sehr brauchte. Er war zu abhängig davon, was ihn ausgerechnet mit Martin Chatwin verbindet, der ebenfalls nicht loslassen konnte und wollte, als es Zeit war. Martins zerstörerisches Schicksal, das Grossman in „The Magician’s Land“ erfreulicherweise noch einmal ausführlich beleuchtet, hätte ebenso gut Quentins Schicksal sein können. Er klammerte sich so fest an Fillory, dass er gar nicht merkte, dass es ihm irgendwann nicht mehr um das Königreich an sich ging. Es ging um ihn selbst, um seine egoistischen Empfindungen und Unzulänglichkeiten. Ich denke, das ist der Grund, warum jedes Kind, das Fillory besucht, nicht mehr eingeladen wird, sobald es beginnt, erwachsen zu werden. Das ist keine willkürliche Grausamkeit, wie Quentin behauptet, sondern ein Schutzmechanismus. In Fillory kann man nicht erwachsen werden. Das Land ist dafür nicht geschaffen. Es ist der Unschuld der Kindheit vorbehalten. Magie dieser Art verdirbt durch die Anwesenheit irdischer Erwachsener, was der Verlauf der Regentschaft von Eliot und Janet eindrucksvoll beweist. Obwohl sie Fillory niemals direkt schadeten, kann es kaum Zufall sein, dass ihr Königreich nur wenige Jahre (in der Zeitrechnung Fillorys) nach ihrer Machtübernahme im Sterben liegt. Es war nie vorgesehen, dass Erwachsene die Throne beanspruchen. So läuft das nicht. Ich bin fest überzeugt, dass Quentin Fillory gerade noch rechtzeitig verließ, um endlich die längst überfällige persönliche Entwicklung zu durchleben, die ihn paradoxerweise als den einzigen Menschen zeichnet, der Fillory retten könnte. Grossman beschreibt seine Entfaltung brillant, zeigt all ihre schmerzhaften, desillusionierenden Facetten extrem ehrlich und realistisch. Endlich ist er der Magier, der er immer sein wollte: er gebietet über die düsteren, unberechenbaren Mächte der Zauberei, indem er sich ihnen mit einer Mischung aus kindlicher, begeisterungsfähiger Neugier und erwachsenem Verantwortungsbewusstsein nähert. Ich bin unglaublich stolz auf ihn.

 

„The Magician’s Land“ vermittelt eine andere Atmosphäre als die vorangegangenen Bände der Trilogie. Diese ist zwar noch immer bedrohlich und verdreht, doch darunter liegt eine gewisse majestätische Ausgeglichenheit, die meiner Ansicht nach aus Quentin als Protagonist entspringt. Ich habe mich ihm so nahe gefühlt wie noch nie zuvor und mache mir keinerlei Sorgen um seine Zukunft. Er wird seinen Weg gehen. Ich bin sehr glücklich mit dem Finale dieser bizarren Geschichte, die über das Motiv des Zauberlehrlings weit hinauswächst und diesem eine Tiefe verleiht, die ich am Beginn von „The Magicians“ niemals erwartet hätte. Lev Grossman hat ein Epos erschaffen, das meinem Empfinden nach tatsächlich der würdige Nachfahre der „Chroniken von Narnia“ ist, wenn auch erwachsener, moderner und ernsthafter. Subtil stellt er sich der philosophischen Frage, ob Magie ein Vorrecht der Kindheit ist und ob der Verlust der Unschuld beim Erwachsenwerden den Verlust der Magie impliziert. Natürlich gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Ihr werdet den verwirrenden Fall durchs Kaninchenloch gemeinsam mit Quentin selbst wagen müssen, um sie zu finden. Geht es nach mir, solltet ihr das unbedingt tun, denn gerade Bücherwürmer, die mit einer reichen Fantasie gesegnet sind, können durch die Trilogie viel über die Träume ihrer Kindheit lernen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/07/19/lev-grossman-the-magicians-land
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review 2017-07-04 11:10
Die seltsamste Rezension, die ich je geschrieben habe
Harry Potter: Harry Potter und das verwunschene Kind. Teil eins und zwei (Special Rehearsal Edition Script) - J.K. Rowling,John Kerr Tiffany,Jack Thorne,Anja Hansen-Schmidt,Klaus Fritz

Die Rezension zu „Harry Potter und Das verwunschene Kind“ ist vermutlich die seltsamste, die ich jemals geschrieben habe. Die ganze Situation ist maßlos seltsam. Bereits die Aussicht, nach all den Jahren ins Potter-Universum zurückzukehren, erst durch den Reread (gemeinsam mit meiner Schwester im Geiste Marina aka DarkFairy) und jetzt durch eine neue Geschichte, löste in mir eine wahre Flut verschiedener, teils gegensätzlicher Emotionen aus.

 

Als ich erfuhr, dass sich Joanne K. Rowling mit dem Drehbuchautor Jack Thorne und dem Theater-Regisseur John Tiffany zusammengetan hatte, um die „Harry Potter“ – Reihe mit einem Theaterstück weiterzuführen und dieses als Buch erscheinen sollte, war ich erst nicht sicher, ob ich es überhaupt lesen wollte. Vielleicht erging es einigen von euch ähnlich. Die Romane dieser Reihe sind mir heilig; sie sind ein bedeutender Teil meiner Kindheit, Jugend und meines erwachsenen Lebens. Der ursprünglich letzte Band „Harry Potter und Die Heiligtümer des Todes“ erschien 2007 – 2016, neun Jahre später, sollte es nun also eine Fortsetzung für die Bühne geben? Das erschien mir wie ein Sakrileg. Blasphemie. Hatten Jack Thorne und John Tiffany überhaupt eine Ahnung von „Harry Potter“? Wussten die beiden Männer, welches enorme Erbe sie antreten wollten und wie viel Verantwortung sie damit auf ihre Schultern luden? Potterheads sind empfindliche, verletzliche Wesen, deren Zorn furchtbar sein kann, beschmutzt man das Andenken an „ihre“ Bücher. Ich bin da keine Ausnahme. Die Geschichte des Zauberlehrlings ist für uns eben nicht nur eine Geschichte. Sie ist literarische Magie. Wir lachten, weinten, bangten mit Harry und wurden an seiner Seite erwachsen. Dieses ominöse Stück, „Harry Potter und Das verwunschene Kind“, musste schon verdammt gut sein, um der Erinnerung an Jahre der Liebe und Verbundenheit gerecht zu werden.

Was mich letztendlich überzeugte, das Bühnenstück doch zu lesen, war – neben purer Neugierde – Joanne K. Rowlings Mitarbeit. Ich dachte, wenn Harrys schriftstellerische Mutter das Projekt überwachte, für gut befand und darauf achtete, dass es sich homogen in die Reihe einfügte, konnte mein Risiko nicht allzu groß sein. Ich gestand ihr einen Vertrauensvorschuss zu und wollte daran glauben, dass sie niemals zulassen würde, dass Harry in diesem neuen Buch lächerlich gemacht würde. Sie kennt die Fans. Sie weiß, was Harry uns bedeutet. Ich bin überzeugt, dass er ihr mindestens genauso viel bedeutet. Also ließ ich mich auf das Experiment ein und kaufte „Harry Potter und Das verwunschene Kind“, womit es übrigens der erste Potter überhaupt ist, den ich selbst bezahlte.

 

19 Jahre ist es her, dass Harry Potter Lord Voldemort bezwang und die Welt rettete. Der verzweifelte Waisenjunge wurde erwachsenen. Er wurde ein überarbeiteter Ministeriumsangestellter, ein Ehemann, der Vater dreier Kinder. Harry liebt seine Familie, nur sein mittlerer Sohn Albus Severus bereitet ihm Sorgen. Albus ist nicht wie seine Geschwister James und Lily. Er ist anders und kann mit dem Vermächtnis seines berühmten Nachnamens nicht umgehen. Er will mit dem Erbe seiner Geburt nichts zu tun haben. Als ihn der Sprechende Hut bei seiner Aufnahme in Hogwarts nach Slytherin schickt und er sich ausgerechnet mit Scorpius Malfoy, Draco Malfoys Sohn, anfreundet, reißen die Gräben zwischen Vater und Sohn stetig weiter auf. Dunkle Zeichen werfen ihre Schatten am Horizont und plötzlich scheint es, als hole Harry die Vergangenheit ein. Wird er seinen Sohn vor den gleichen finsteren Mächten beschützen können, die einst auch sein Leben bedrohten? Oder ist die Kluft zwischen ihnen längst zu groß?

 

Als ich „Harry Potter und Das verwunschene Kind“ aufschlug, wusste ich, dass Harry nicht mehr derselbe sein würde. Der Held meiner Kindheit ist erwachsen geworden. Ich war bereit, ihn noch einmal ganz neu kennenzulernen. Ich freute mich darauf, seine Familie zu treffen, auf die ich am Ende des letzten Bandes „Harry Potter und Die Heiligtümer des Todes“ einen kurzen Blick werfen durfte. Tatsächlich beginnt „Das verwunschene Kind“ mit genau dieser hoffnungsfrohen, berührenden Szene in King’s Cross, in der Harry und Ginny ihre beiden Söhne am Hogwartsexpress verabschieden. Ich fühlte mich auf den älteren Harry vorbereitet. Worauf ich hingegen nicht vorbereitet war, ist das Konzept des Bühnenstücks. Es fiel mir unheimlich schwer, mich auf das Skript einzulassen und mich daran zu gewöhnen, dass die Geschichte aus vielen kurzen Szenen besteht, die die Handlung rasant vorantreiben. Mal davon abgesehen, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie diese rasche Abfolge von Szenenwechseln auf der Bühne umsetzbar ist, stotterte und stockte mein Kopfkino gewaltig. Ich war erst zu Beginn des zweiten Aktes wirklich drin, obwohl die Regieanweisungen erstaunlich umfangreich sind und beinahe an Prosa erinnern. Ich hatte das Gefühl, dass sich Joanne K. Rowling arg zurückhalten musste, um die Szenen nicht zu ausschweifend zu beschreiben. Grundsätzlich stört dieser Detailreichtum selbstverständlich nicht, doch ein Teil von mir begann sich schmollend zu fragen, wieso sie nicht gleich einen Roman schrieb, wenn sie so viel zu sagen hatte. Wieso ein Stück, mit all seinen Begrenzungen und Einschränkungen?

 

Die Geschichte fokussiert einerseits den erwachsenen Harry Potter und andererseits seinen komplizierten, mittleren Sohn Albus Severus. Der erste Akt rauscht durch Albus‘ erste Jahre in Hogwarts und zeigt, wie schwer er es sowohl in seiner Familie als auch in der Schule für Zauberei hat. Albus gehört nirgendwo richtig dazu; er ist anders als seine Geschwister und fühlt sich in Hogwarts nicht wohl. Er empfindet sich selbst als das berüchtigte schwarze Schaf. Er kann den Erwartungen, die in ihn als Sohn des berühmten Harry Potter gesetzt werden, nicht gerecht werden und erlebt seine Schulzeit daher als Außenseiter. Seine Freundschaft zu Scorpius Malfoy erschwert seine Situation zusätzlich, da über Scorpius grauenvolle Gerüchte kursieren und dieser ebenso ausgegrenzt wird wie Albus selbst. Ich mochte die beiden trotzdem sehr gern. Ich erkannte in Albus die Züge seines Vaters: sein gutes Herz, seinen Mut, seine Abenteuerlust, aber auch die Trotzhaltung, die Harry vor allem im fünften Band „Der Orden des Phönix“ an den Tag legte. Scorpius hingegen ist völlig anders als sein Vater. Ich sah in ihm nichts, was mich an Draco erinnerte – das könnt ihr durchaus als Kompliment werten. Angesichts der grausamen Dinge, die über Scorpius behauptet werden, finde ich, dass er sogar bemerkenswert gut geraten ist. Es überraschte mich nicht, dass Albus sich in die Freundschaft zu ihm flüchtet, weil er sich in seiner Familie missverstanden und ausgeschlossen fühlt.

 

Die Beziehung zwischen Albus und Harry brach mir fast das Herz. Es ist furchtbar traurig, dass sie überhaupt keinen Draht zueinander haben, obwohl sie sich so ähnlich sind. Marina, mit der ich mich während der Lektüre weiterhin alle 100 Seiten austauschte, bemerkte, dass Harry erneut beweist, wie wenig Einfühlungsvermögen er besitzt. Mein erster Impuls war, ihn heftig zu verteidigen, doch je länger ich darüber nachdachte, desto bewusster wurde mir, wie Recht sie hat. Es ist wahr, Harry ist überhaupt nicht in der Lage, sich in seinen „missratenen“ Sohn hineinzuversetzen. Es war, als würden sie in unterschiedlichen Sprachen permanent aneinander vorbeireden. Albus tat mir schrecklich leid, weil Harry in seiner Rolle als Vater in diversen Szenen kläglich versagt. Es ist nicht Albus‘ Schuld, dass er sich nicht mit seiner Familie identifizieren kann; es ist die Aufgabe seiner Eltern, ihm Liebe, Geborgenheit und Verständnis zu vermitteln.

 

Es war ein wenig befremdlich, wenn auch interessant, Hogwarts mit den Augen eines Protagonisten zu sehen, der sich dort nicht Zuhause fühlt. Ich bin so daran gewöhnt, die Schule als romantisiertes, idealisiertes Paradies für heimatlose, einsame Kinder wahrzunehmen, dass es mir schwerfiel, mich daran zu erinnern, dass es immer Schüler_innen gab, die Hogwarts nicht als Antwort auf ihre Gebete erlebten. Mobbing, Lästereien und fiese Gerüchte gehören ebenso zum Alltag wie der Unterricht. Harry erfuhr am eigenen Leib, wie gemein seine Mitschüler_innen sein konnten, doch die Ablehnung, die ihm entgegenschlug, hatte ja meist mit seiner speziellen Position innerhalb der Gemeinschaft von Zauberern und Hexen zu tun. Ich übersah dadurch, dass es durchaus Kinder gab, die ohne besonderen Grund gehänselt wurden, nur, weil sie anders aussahen, ärmer als die anderen oder tollpatschig waren wie Neville Longbottom. Severus Snape, Albus Severus‘ Namensvetter, war in Hogwarts vermutlich niemals glücklich und Draco Malfoy ebenfalls nicht. Es betrübt mich, dass sein Sohn das Gleiche erleben muss.

 

Inhaltlich ist „Das verwunschene Kind“ eine logische Fortsetzung der Originalreihe. Natürlich ist der Zeitsprung enorm – in den knapp 20 Jahren, die seit der Schlacht von Hogwarts vergingen, ist einiges passiert, doch das Universum wurde nicht vollkommen auf den Kopf gestellt. Im Gegenteil, Rowling verdichtet ihre Welt sogar weiterhin und offenbart das eine oder andere Detail, das bisher im Dunkeln lag. Es gefiel mir hervorragend, dass sie sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruht.
Die Handlung knüpft an ein altes Unrecht aus Harrys Teenagerzeit an, was ich einfach großartig fand, weil es meiner Meinung nach naheliegend und realistisch ist. Selbst nach all dieser Zeit lässt diese spezielle Wunde Harry keine Ruhe und belastet sein Gewissen schwer. Angesichts dessen, dass ich mich während des Rereads mental intensiv mit diesem Vorfall auseinandergesetzt habe und zu dem Schluss kam, dass dieser extrem wichtig für seine Entwicklung war, wunderte es mich überhaupt nicht, dass Harry noch immer unter den Erinnerungen leidet. Er hat sich nie verziehen, was damals geschehen ist.

 

Diese Empfindungen sind der Ausgangspunkt der Ereignisse des Stücks, die in der Folge zu den für die „Harry Potter“ – Bände typischen turbulenten Verwicklungen führen. Action, Humor, Dramatik, philosophische Tiefe, Kreativität und große Emotionen ergeben erneut die Mischung, die ich seit meinem neunten Lebensjahr liebe. Es war fabelhaft, alte Bekannte wiederzutreffen und zu sehen, was aus ihnen geworden ist, obwohl nicht alle Lebensläufe meinen Erwartungen entsprachen. Harry zum Beispiel ist beruflich wesentlich erfolgreicher, als ich angenommen hatte und Hermine… Hermine ist noch immer außergewöhnlich. Belassen wir es dabei. ;) Der einzige, mit dessen Rolle ich unglücklich war, ist Ron. Wo ist der loyale, gutherzige Junge geblieben, der für seine Freunde über Leichen gehen würde? Ich habe ihn kaum wiedererkannt, denn in „Das verwunschene Kind“ ist er zum lächerlichen Kaspar verkommen, über dessen Scherze niemand wirklich lachen kann. Er ist der vermeintlich witzige Sidekick, der am laufenden Band unpassende Kommentare absondert. Ich finde das ungerecht, weil er diese Position meines Erachtens nach nicht verdient. Ron ist Harrys bester Freund, kein seichter Möchtegern-Witzbold.

 

Ich habe für „Harry Potter und Das verwunschene Kind“ gerade mal 2 Tage gebraucht. Kaum angefangen, war ich schon wieder durch. Schwupps. Ich muss gestehen, es ging mir zu schnell. Die Geschichte war zu kurz. Ich weiß, ich weiß, das liegt daran, dass es ein Stück ist, aber wie bereits erwähnt, sagt mir dieses Konzept grundsätzlich nicht zu. Ich vermute, dass Jack Thorne und John Tiffany damals an J.K. Rowling herantraten, nicht andersherum und die Geschichte deshalb genau auf die Bühne zugeschnitten ist – aber ich bin irgendwie ein bisschen enttäuscht. Was hätte Rowling aus diesem Stoff herausholen können, hätte sie sich für einen Roman entschieden? Wir hätten garantiert wieder einen 600 Seiten – Wälzer vorgesetzt bekommen. Ich kann einfach nicht leugnen, dass mir das besser gefallen hätte. Ich hätte mich gern zum Abschluss noch einmal richtig im Potter-Universum gesuhlt, wäre gern ganz tief eingetaucht und hätte jeden Satz so lange ausgekostet, bis quasi nichts mehr von ihm übrig wäre. Durch den Rahmen des Schauspiels ging das nicht, weil das Tempo und die Taktung vollkommen anders sind, eben an die Bühne angepasst, auf zwei Abende der Unterhaltung ausgelegt. Es ist nicht die Geschichte an sich – die gefällt mir sehr, aber ich bin überzeugt, dass ich von einem Roman mehr gehabt hätte. Schade. Trotzdem, sollte das Stück jemals nach Deutschland und Berlin kommen, werde ich es mir ansehen.

 

Insgesamt bin ich glücklich mit „Harry Potter und Das verwunschene Kind“. Vielleicht hätte es diese Fortsetzung nicht unbedingt gebraucht, vielleicht war sie nicht notwendig, doch ich finde, das Stück ist inhaltlich eine angemessene Ergänzung der Originalreihe und für wahre Potterheads ein Muss. Ich bin allerdings traurig, dass es nun endgültig vorbei ist. Der Abschiedsschmerz lastet schwer auf meinem Herz. Ich möchte Harry nicht Lebewohl sagen. Wobei, eine kleine Chance besteht. Bei J.K. Rowling weiß man ja nie. Möglicherweise packt es sie eines Tages doch noch mal. Ich bin sonst kein Fan davon, eine Geschichte ewig weiterzuführen und ihr nicht den Abschluss zu gönnen, den sie verdient, aber in diesem Fall… Ich liebe das Universum einfach zu sehr. Ich möchte zurückkehren. Ich möchte neue Abenteuer. Aber dann bitte als Roman.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/07/04/joanne-k-rowling-jack-thorne-john-tiffany-harry-potter-und-das-verwunschene-kind
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review 2016-01-28 17:45
Fingerhut-Sommer
Fingerhut-Sommer: Roman (dtv Unterhaltung) ( 21. August 2015 ) - Ben Aaronovitch

Story:

Das Verschwinden zweier Kinder in der ländlichen Provinz Herefordshire ruft auch das Folly auf den Plan. Immerhin kann man bei derartigen Fällen nicht ausschließen, das Praktizierende ihre Finger im Spiel haben. So wird Peter Grant, Polizist und Zauberlehrling aufs Land geschickt, um die Vorfälle zu überprüfen. Zudem stellt ihm sein Chef Nightingale die hübsche Flussgöttin Beverly Brooks zur Seite, da er London nicht verlassen kann. Schon bald stößt Peter auf Hinweise, dass das Verschwinden der Kinder in seinen Zuständigkeitsbereich gefällt, denn mordlustige Einhörner, seltsame Erscheinungen und eine Reihe von ungeklärten Zwischenfällen sprechen eine eindeutige Sprache. Zusammen mit Beverly und dem schwulen Dorfpolizisten Dominik macht er sich auf die Suche nach den Kindern und den Hintergründen …


Meinung:

Ben Aaronovitchs bekannte Urban Fantasy Reihe um den Zauberlehrling Peter Grant geht in die fünfte Runde. Weitere Romane sind in Arbeit ("The Hanging Tree" soll im Sommer 2016 in Englisch erscheinen), zudem existiert eine Graphic Novel mit dem Titel "Body Work", die zeitlich nach Band 1 angesiedelt ist und eine eigene Geschichte erzählt.

 

Die Geschichte spielt dieses Mal nicht in London, sondern führt Peter Grant und den Leser aufs Land, um das Verschwinden zweier Kinder aufzuklären. Damit ergibt sich gleich zu Beginn ein leichter Bruch in der Erzählstruktur, denn nach dem furiosen Finale von "Der böse Ort" wird nicht direkt mit der Hauptgeschichte fortgefahren, sondern ein anderer Handlungsbogen eingeschlagen. So spannend die Vorfälle in Herefordshire sind und so atmosphärisch der Autor den Kriminalfall in Szene gesetzt hat, es stört doch, dass man kaum etwas zu den Ereignissen erfährt, die nach Leslies Verrat das Folly beschäftigen. Man fühlt sich fast ein wenig hingehalten, denn bis auf einige SMS seitens Lesley gibt es nichts Neues zum Gesichtslosen und der eigentlichen Hintergrundgeschichte. Stattdessen darf sich Peter außerhalb von London austoben, teils um Leslies Verrat zu verarbeiten, teils um (wie es scheint) nicht im Weg zu stehen. Dementsprechend enttäuschend ist es für den Leser, dass die Haupthandlung stagniert und einige Charaktere nur am Rande vorkommen.

 

Nichtsdestotrotz ist die Geschichte um die beiden verschwundenen Mädchen spannend, wenngleich Peter teilweise arg lange braucht, bis er auf der richtigen Spur ist. So nutzt er die Quellen, die ihm eigentlich zur Verfügung stehen nur sporadisch, um offene Fragen zu beantworten. Aufgrund der ländlichen Umgebung ist die Atmosphäre des Romans anders als bisher, bleibt jedoch sehr authentisch und gut nachvollziehbar. So taucht man schnell in die Geschichte ein und lässt sich von der Suche nach den Kindern gefangen nehmen.

 

Während die Hintergrundgeschichte auf der Strecke bleibt, bekommen die Charaktere mehr Tiefgang - Peter darf zeigen, wie er in einer fremden Umgebung und mit dem Vertrauensbruch seiner Freundin zurechtkommt, Beverly Brooks, die bisher nur in den ersten Bänden vorkam, spielt eine größere Rolle. So lernt der Leser die Flussgöttin wesentlich besser kennen, zumal sie für die Auflösung des Falles wichtig ist. Über Molly, die geheimnisvolle Haushälterin des Folly, erfährt man ebenfalls eine Menge, obwohl sie keine aktive Rolle spielt. Sehr sympathisch ist auch Dominik, der Peter bei seinen Recherchen unterstützt und der hoffentlich in den Folgebänden auftaucht. Leider kommt Nightingale in "Fingerhut-Sommer" definitiv zu kurz, da er in London bleibt und Peter nur telefonisch unterstützen kann. Es bleibt zu hoffen, dass er in Band 6 wieder mit von der Partie ist.

 

Stilistisch gibt es nichts zu bemängeln - Ben Aaronovitch hat einen wunderbar fesselnden, sarkastischen und amüsanten Stil, der durch eine gute Mischung aus Spannung, Action, witzigen Dialogen und einer gehörigen Portion schwarzen Humor besticht. Die Charaktere sind gut in Szene gesetzt - wie immer ist man Peter am nächsten, da die Geschichte aus seiner (Ich-)Perspektive erzählt wird. Man ist schnell in der Geschichte, vermisst jedoch ein wenig die Atmosphäre der Großstadt und das Chaos Londons.


Fazit:

Der fünfte Band der Peter-Grant-Reihe bietet Fans angenehme Lesestunden und einige interessante Hintergrundinformationen zu Molly, Nightingale und Beverly. Leider kommt in "Fingerhut-Sommer" die Geschichte um den Gesichtslosen gänzlich zu erliegen, was nach dem Finale in Band 4 doch ein wenig enttäuscht. Nichtsdestotrotz macht auch der Fall in Herefordshire Spaß, was an Ben Aaronovitchs fesselndem Stil und den sympathischen, authentischen Charaktere liegt. Wer die ersten Bände mochte, wird auch den vorliegenden Roman mögen, allerdings bleibt zu hoffen, dass der Autor in seinem nächsten Buch zu seiner groß angelegten Hintergrundintrige zurückkehrt.

Source: www.splashbooks.de
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review 2013-08-05 09:30
Die Schule der Magier: Das geheime Portal
Das geheime Portal: Das Schule der Magier Band 1 - Henry H. Neff,Michaela Link

Der 12-jährige Max McDaniels bekommt die Chance, an der Rowan-Academy seine Magier-Ausbildung zu beginnen. Überschattet wird das Schuljahr von mysteriösen Ereignissen: Kinder werden entführt, bevor sie ihre Ausbildung an der Schule beginnen können und wertvolle Gemälde werden auf der ganzen Welt gestohlen. Ein uralter Feind scheint sich einen Weg in diese Welt zu Bahnen zu wollen.

 

Zugeben, die Handlung hört sich teilweise sehr nach "Harry Potter" an und immer wieder habe ich mich an den Zauberlehrling aus J.K. Rowlings Feder erinnert gefühlt. Trotzdem habe ich diesen ersten Band der "Schule der Magier" sehr gerne gelesen und einiges hat Henry Neff für mein empfinden besser hinbekommen als J.K. Rowling.

Henry Neffs Schreibstil sagt mir mehr zu als der von J.K. Rowling, da er etwas moderner, frischer und leichter zu lesen ist. Zudem ist die ganze Geschichte mysteriöser aufgebaut. Jetzt am Ende des ersten Bandes weiß ich immer noch nicht, welche Funktion Max genau in der Handlung einnimmt. Bei Harry Potter war dies immer klar: Er wird irgendwann die Welt retten und Voldemorts Verhängnis sein. Max´ Exzistens ist da weitaus mysteriöser. Was ist mit seiner Mutter? Hat er überhaupt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Böse und wenn ja, welche? Und was hat es mit David, Max´ Zimmergenosse, auf sich? Und endlich wird hier eine Erklärung geliefert, warum einige Kinder magische Fähigkeiten besitzten und andere nicht. Dadurch wird das ganze Konzept der Zauberei und Magie mal in einen globalen Zusammenhang gebracht und die normale und die magische Welt existieren nicht einfach nur nebeneinander her.

 

Und was hat mir nicht bzw. weniger gefallen? Henry Neff hat er leider nicht geschafft, den Lehrern ein eigenes Profil und Tiefe zu geben und ist somit meilenweit von der ikonischen Lehrerriege Hogwarths entfernt. Dies ist sehr schade, da er die Charakterisierung der Schüler ganz gut hinbekommen hat. Ich hoffe mal einfach, dass man in den nächsten Büchern etwas mehr über die Erwachsenen der Geschichte zu erfahren bekommt.

 

Mein Fazit: Ein spannendes Jugenbuch mit Anleihen bei Harry Potter, welches sich im Laufe der Geschichte aber immer weiter von seinem Vorbild entfernt. Da der erste Band mit vielen ungeklärten Fragen endet, werde ich den zweite Band sehr bald lesen.

 

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review 2013-02-16 09:29
Erin Morgenstern: Der Nachtzirkus (Hörbuch)

Als das Buch „Der Nachtzirkus“ erschien, spürte ich, dass ich dieses Buch auf jeden Fall haben möchte. Die Inhaltsangabe klang verschwörerisch und geheimnisvoll. Der Wunsch versank im Getümmel anderer Bücher, die bei mir eintrafen und erst kürzlich, als ich eine Reportage über Matthias Brandt sah, stieß ich wieder auf diese magische Geschichte. Als Schauspieler schätze ich Brandt sehr und beschloss, dass, wenn er mich nicht von Hörbüchern überzeugen könnte, es wohl niemand kann auf dieser Welt. Als ich bei Audible.de seine gesprochenen Bücher durchblätterte, stieß ich auf „Der Nachtzirkus“. Ohne überlegen zu müssen, stellte ich es es in meine digitale Hörbuchbibliothek und wir beide, der Zirkus und ich, warteten gespannt auf unseren ersten gemeinsamen Tag.

 

Kurzinfos zum Buch

Veröffentlicht: 30. März 2012
Verlag: Hörbuch Hamburg
Spieldauer: 14 Std. 09 Minuten (ungekürzt)
ISBN: 3899033558
Preis: 19.99 Euro (Gebundene Ausgabe)
Gesprochen von: Matthias Brandt

Kauf mich bei Audible.de!

Die englischsprachige Homepage der Autorin:
www.erinmorgenstern.com
 

 

Darum geht es:

“Er kommt ohne Ankündigung und hat nur bei Nacht geöffnet: der Cirque des Rêves – Zirkus der Träume. Um ein geheimnisvolles Freudenfeuer herum scharen sich fantastische Zelte, jedes eine Welt für sich, einzigartig und nie gesehen. Doch hinter den Kulissen findet der unerbittliche Wettbewerb zweier verfeindeter Magier statt. Sie bereiten ihre Kinder darauf vor, zu vollenden, was sie selber nie geschafft haben: den Kampf auf Leben und Tod zu entscheiden. Doch als Celia und Marco einander schließlich begegnen, geschieht, was nicht vorgesehen war: Sie verlieben sich rettungslos ineinander. Von ihren Vätern unlösbar an den Zirkus und ihren tödlichen Wettstreit gebunden, ringen sie verzweifelt um ihre Liebe, ihr Leben und eine traumhafte Welt, die für immer unterzugehen droht.”

© Klappentext: Ullstein

 

Meine Bewertung:

Zirkussen an sich haftet eine sehr gauklerische, atmosphärische Stimmung an. Sie entführen einen für eine kurze Weile aus der Welt, hinein in eine andere mit Fantasie, Zauber und Mystik (so habe ich mir jedenfalls als Kind Zirkusse vorgestellt). Man bestaunt artistische, unterhaltsame und trickreiche Kunststücke, und meist wird das Reich des Zirkus erst durch Gedankenspiele eine andere Welt, weil man um die Tricks weiß, derer sich bedient wird. Der Nachtzirkus jedoch, der Cirque des Rêves – der Zirkus der Träume – ist ein Zirkus, den man sich anstelle der anderen gerne wünscht. Denn in ihm gibt es die wirkliche Magie. Eine, die ohne Tricks auskommt. Er beherbergt Zelte, die an Zauber kaum zu übertreffen sind, jedes eine eigene Traumwelt aus der man nicht auftauchen möchte. Zauberkünstler, Artisten, bunte Feuer und Wunschbäume reihen sich aneinander und wissen die Menschen zu begeistern. Er taucht unangekündigt auf und öffnet nur nachts seine Zelte. Was die Besucher nicht wissen, ist, dass der Zirkus als Austragungsort eines Wettkampfes geschaffen wurde. Einem Wettstreit zwischen den Erwählten zweier alter Zauberer, der den Tod als Ende hat. Celia und Marco sind es, die ihn auszutragen haben – und sie verlieben sich ineinander.

Fantasy-Geschichten stehe ich insgesamt sehr skeptisch gegenüber. Eine Erzählung über Magie und Zauberei zähle ich jetzt einfach mal zu diesem Genre. Normalerweise bin ich diesem nicht zugetan. Und doch gibt es ein paar Bücher, die ich ganz wunderbar finde. Auch ich bin ein gebranntes Kind was Harry Potter angeht. Ich habe alle HP-Bücher verschlungen und konnte kaum erwarten, dass das nächste erscheinen würde. Auch die Trilogie von Tolkien hat mir gut gefallen, wobei ich gestehen muss, die Bücher nie gelesen zu haben. Dafür aber den kleinen Hobbit, ein ganz wunderbares Märchen aus dem Auenland, das ich auf jeden Fall zu einem meiner liebsten Bücher zählen würde. Schließlich gibt es noch die Trilogie von Philipp Pullman (Der goldene Kompass, Das magische Messer und Das Bernstein-Teleskop), die ich auf meiner Liste stehen habe und von denen ich mir sehr viel verspreche. Die Idee dahinter hat es mir jedenfalls im ersten Film der Reihe sehr angetan. Insgesamt kann ich festhalten, dass dies alles Geschichten sind, in denen Zauber und Magie eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Ich fürchte jedoch, dass das Thema mittlerweile sehr durchgekaut ist und es sich als schwierig erweist, meiner Fantasie wohltuende Bücher zu finden, die ein Genuss an Einfallsreichtum sind.

Beim Nachtzirkus hatte ich von Anfang an das Gefühl, es würde sich nach langer Zeit mal wieder lohnen, in das Reich der Bücherträume zu verschwinden. Tatsächlich wurde ich Teil einer wunderbaren Welt, bei der ich es sehr bedauerlich finde, dass sie nur ein Fantasiegebilde ist und meinen echten Sinnen verschlossen bleiben wird. Die Idee eines heimlich wandernden Zirkus voller echter Magie und Zauberei an sich, gefällt mir ausgesprochen gut. Sie hat wahnsinnig viel Potential. Und das hat Erin Morgenstern in ihrem Debütroman aus meiner Sicht ausgeschöpft. Ihre Sprache ist so voller Liebe zum Detail, dass man beim Hören das Gefühl hat, man könnte den Vorhang berühren, der wie Regen klingt, wenn die kleinen Perlen aneinanderstoßen. Man könnte diese Luft, die nach Karamell riecht, einatmen. Als stünde man selbst in der Menge der Begeisterten, die vor Staunen den Mund nicht mehr schließen können und von einer Unglaublichkeit in die nächste stolpern. Ihre Worte sind so zart gewählt, dass sie eine subtile Stimmung erzeugen, die sanft über die Haut streift und einen damit unbemerkt fesselt, einen auch nach der letzten Seite nicht mehr loslässt. Sie sind wie die wärmenden Strahlen der ersten Frühlingssonne, wie weiche Wolken, und die eiskalten Blütenblätter der gefrorenen Rosen im Eisgarten. Wie das feine Rascheln der kleinen Tiere, die sich über die leise knackenden Ästchen eines mächtigen Baumes bewegen. Man spürt das Knistern des Feuers, und die Knitter des Papiers, auf denen die magischen Geheimnisse festgehalten sind.

Die Figuren von denen „Der Nachtzirkus“ erzählt, sind es jede für sich allein schon wert, das Buch zu lesen. Alle hüllen sich in kristallklaren Nebel – man sieht sie und doch wieder nicht. Man gleitet ein wenig über ihre Geheimnisse, glaubt sie zu fassen und verliert sie, bevor man sie ganz begreifen kann. Sie sind fantastisch. Dazu braucht es noch nicht einmal die sanfte Liebesgeschichte zwischen Celia und Marco. Wie sollte es anders sein, als dass sich ausgerechnet die beiden ineinander verlieben, die gegeneinander um Leben und Tod zu kämpfen haben. Und doch tropft die Romantik ihrer Beziehung nur stellenweise offensichtlich aus der Geschichte, dass sie niemals die Oberhand gewinnt. Sie bleibt unaufdringlich im Hintergrund, stellt den Zirkus als solches in den Fokus der Erzählung und bewahrt so auch vor kitschigen Dialogen und überflüssigen Wortwechseln. Ihre Liebesszenen sind verkleidet in Sprachspielereien, die man fast nicht berühren möchte, aus Angst sie zu zerbrechen. Doch nicht nur die beiden Erwählten, sondern die gesamte Gesellschaft des Zirkus sind es Wert, ihn zu besuchen. Ob es die Artisten und Künstler an sich sind, oder die begeisterten und treuen Anhänger des Zirkus, allen voran der deutsche Uhrenmacher Thiessen.

Ich habe den Nachtzirkus auditiv besucht und ich denke, meine Begeisterung gebührt auch zu einem nicht geringen Teil dem Sprecher Matthias Brandt, den ich mir ab jetzt für jeden Abend als Gute-Nacht-Geschichten-Erzähler wünsche. (Mein Opa kann auch sehr gut Geschichten erzählen, aber an dieser Stelle muss ich Herrn Brandt den Vorzug geben.) Er hat dem Zirkus sehr viel Leben eingehaucht und ihn bunter gefärbt, als er nicht an sich schon war. Seine facettenreiche Stimme hat jede Figur als solche noch einmal neu bekleidet, ihnen Charme und Charakter verliehen. Besonders die Passagen, die sich direkt an den Leser wenden, wirken sehr eindringlich und tief. Und wenn ich mir das Buch gleich kaufen gehe, und es noch einmal lesen werde, dann habe ich sicher stets seine Stimme im Ohr, die mir alles vorliest.

 

Fazit:

Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass ich jemals ohne diese Geschichte ausgekommen bin. Während beim Lesen ein Gefühl mitschwingt, sie sei schon hunderte Jahre alt, ist sie doch erst in diesem Jahr aufgeschrieben worden. Sie ist schlicht, aber brillant, denn sie strahlt durch die Liebe der Autorin zu ihrer eigenen Geschichte. Ich finde den „Nachtzirkus“ absolut wunderbar. Wer sich nicht zwischen Hörbuch und Buch entscheiden kann: nehmt einfach beides. Ich kann euch das Hörbuch wärmstens empfehlen. Matthias Brandt als Sprecher hat ganz herausragende Arbeit geleistet.
 

Source: www.lesewiese.net/?p=3392
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