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review 2019-10-15 10:25
Platzt aus allen Nähten
The Unremembered - Peter Orullian

Peter Orullian hasst Klappentexte. Seiner Ansicht nach führt der Versuch, eine Geschichte zusammenzufassen, nur dazu, dass ihr Kern verkannt wird. Er selbst verlässt sich nicht auf die Inhaltsangaben auf den Rückseiten von Büchern, sondern liest grundsätzlich einfach die erste Seite. Dennoch sieht der Autor ein, dass sie ein notwendiges Übel sind. Deshalb existiert der Klappentext seines High Fantasy – Romans „The Unremembered“, Auftakt der Reihe „Vault of Heaven“, in mehreren Varianten. Ich habe gleich drei gefunden. Was Peter Orullian wohl von einer vierten – meiner Version – halten würde?

 

Als Aeshau Vaal vom Rat der Schöpfer geschaffen wurde, strebten sie Balance an. Doch einer der ihren kümmerte sich nicht um das sensible Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Er verdarb seine Schöpfung, bevölkerte Aeshau Vaal mit scheußlichen Kreaturen, die Blut und Tod verbreiteten. Der Rat bestrafte ihn mit dem Fluch der Stille und verbannte ihn in den Born, getrennt von der übrigen Schöpfung.
Der junge Jägersmann Tahn liebt die alten Legenden, glaubte allerdings nie, dass sie wahr sein könnten. Bis zu dem Tag, an dem er im Wald einem Velle begegnet, einem stilletreuen Magier, der die Energie der Welt missbraucht. Von Furcht überwältigt flieht Tahn – doch seinem Schicksal kann er nicht entkommen. Der schützende Schleier zum Born schwindet. Der Stille regt sich in seinen Ketten. Begleitet von seinem besten Freund Sutter, seiner Schwester Wendra, dem Gelehrten Braethen, der Fern Mira und dem Sheason Vendanj zieht Tahn aus, um den Vormarsch der Stilletreuen aufzuhalten, denn nur er besitzt die Macht, Aeshau Vaal zu retten. Leider bleibt ihre Mission nicht unbemerkt und schon bald wird Tahn vom Jäger zum Gejagten…

 

Peter Orullian behauptet also, Klappentexte zu hassen. Die bösartige kleine Stimme in meinem Kopf fragt sich, ob er diese Meinung erst entwickelte, als eine Inhaltsangabe für „The Unremembered“ entworfen werden musste. Dieses Buch lässt sich unmöglich zusammenfassen, das musste ich selbst auf die harte Tour feststellen. Meine Variante eines Klappentextes ist definitiv unvollständig, das gebe ich freimütig zu. „The Unremembered“ platzt aus allen Nähten. Ich beziehe mich dabei nicht auf die Seitenanzahl, die sicherlich im oberen Bereich angesiedelt ist. Nein, ich meine den Inhalt an sich. Ich hatte mit dem Reihenauftakt von „Vault of Heaven“ keine schöne Leseerfahrung, denn dieser ist so unglaublich vollgestopft, dass bei mir sehr wenig hängen blieb und ich die Lektüre als extrem anstrengend und schwerfällig empfand. Ich habe allein etwa 300 Seiten gebraucht, um überhaupt reinzukommen, was viel zu lange ist. Da ich reichlich Erfahrung mit High Fantasy habe, bin ich eine ausdauernde Leserin und lasse mich normalerweise von einem behäbigen Einstieg nicht ins Bockshorn jagen, aber dieses Ausmaß an Geduld kann wirklich niemand erwarten. Das Problem bestand nicht darin, dass sich die Handlung zu langsam entwickeln würde, sondern, dass ich einfach nicht verstand, was Orullian mir da aufzutischen versuchte. In diversen Interviews erklärte er, er wollte die klassischen HF-Motive wie Heldenreise und Quest, die sich in „The Unremembered“ mühelos ausfindig machen lassen, neu erfinden, um seine Leser_innen an völlig unbekannte Orte zu führen, die seine unverkennbare Handschrift tragen. Ein nobles Anliegen, das in meinem Fall leider gründlich misslang, weil sein Worldbuilding zu verflixt kompliziert ist, um es beiläufig einfließen zu lassen und die Handlung meiner Meinung nach ein undurchschaubares Dickicht nicht nachvollziehbarer Motivationen darstellt. Ich kann es nicht leiden, wenn man mir nicht verrät, warum Figuren dieses oder jenes tun müssen. Eine Weile ertrage ich Geheimniskrämerei, doch irgendwann müssen die Karten auf den Tisch. In „The Unremembered“ habe ich bis zum Ende nicht kapiert, was die Stilletreuen von dem Protagonisten Tahn wollen und wieso sie ihn verfolgen. Ich habe auch nicht ergründen können, was der junge Jäger eigentlich unternehmen soll, um Aeshau Vaal zu retten. Es frustrierte mich, dass Tahn von dem Magier Sheason Vendanj keine Antworten erhält, obwohl er ihn oft genug fragt. Ich mochte seine Schwester Wendra nicht, die ärgerlicherweise auf ihre Mutterrolle reduziert ist. Ich konnte mir die Stilletreuen nicht vorstellen. All die originellen Ideen, die Orullian mir präsentierte, prallten effektlos an mir ab, weil ich mich in der Geschichte nicht zurechtfand. Es ist ja sehr löblich, dass der Autor Kreativität forcierte – unglücklicherweise hinderte mich diese allerdings daran, zu durchschauen, welche Reise er für mich und die Figuren vorsah.

 

Das ist es nicht wert. Trotz aller Hochachtung, die ich Peter Orullian entgegenbringe, weil Originalität seine oberste Priorität war, bereitete mir „The Unremembered“ zu wenig Lesespaß, um die Reihe „Vault of Heaven“ weiterzuverfolgen, die durch zahlreiche Kurzgeschichten ohnehin recht unübersichtlich gestaltet ist. Das Buch erschöpfte mich. Ich konnte das komplexe Weltendesign nicht mit der undurchsichtigen Handlung in Einklang bringen. Ich weiß, dass Orullian die Etablierung von Aeshau Vaal natürlich und langsam am Rande vornehmen wollte, ohne allzu offensichtliche Geschichtsstunden zu involvieren, aber meiner Ansicht nach kam ihm dabei die Nachvollziehbarkeit abhanden. Ich glaube außerdem, dass „The Unremembered“ von einem geringeren Umfang profitiert hätte. Kürzere Episoden, leichter verdauliche Handlungsabschnitte, mit anschaulichen Informationen zum Worldbuilding angereichert, hätten die Geschichte meinem Empfinden nach besser transportiert. Der erste Band musste kein 900-Seiten-Wälzer sein. Indem Orullian auf diese Länge bestand, opferte er die Eingängigkeit seines Reihenauftakts und verlor mich weit bevor die Handlung Fahrt aufnahm. Ich bin nicht bereit, mir das noch einmal anzutun und verabschiede mich hiermit aus Aeshau Vaal.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/15/peter-orullian-the-unremembered
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review 2019-07-03 10:13
Teenagerdrama, Mordermittlung, Geheimnisse und ganz viel Magie
The Novice - Trudi Canavan

Die Autorin Trudi Canavan stammt aus Australien. Ihr Heimatland ist die Fantasy betreffend etwas eigen. In einem Interview von 2011, als viele australische Schriftstellerinnen den Weltmarkt stürmten, beschrieb sie, dass in Australien eine klare Genderdiskrepanz in der Literatur zu beobachten ist: Frauen lesen und schreiben Fantasy, Männer lesen und schreiben Science-Fiction. Merkwürdig, denn in Europa und Nordamerika ist gerade die High Fantasy ja noch immer eher „Männersache“, wie man so schön sagt. Scheint, als müsste ich mich mal in Down Under umschauen, um weibliche High Fantasy meiner Bibliothek hinzuzufügen. Canavan gilt als Vorreiterin, ihre „The Black Magician Trilogy“ feierte global Erfolge. „The Novice“ ist der zweite Band, in den ich große Hoffnungen setzte.

 

Sonea ist ein historisches Phänomen. Als erstes Kind der Slums wird sie in der Magier-Gilde von Imardin ausgebildet. Nachdem ihre beachtlichen Kräfte unkontrolliert aus ihr hervorbrachen, fiel es ihr schwer, ihr Misstrauen den Magier_innen gegenüber zu überwinden. Doch nun ist sie eine von ihnen, eine Novizin. Leider wird sie von ihren Mitschüler_innen, Sprösslingen der Adelshäuser, nicht mit offenen Armen empfangen. Jeden Tag lassen sie sie spüren, dass sie anders ist. Nur ihre Freundschaft mit ihrem Mentor Lord Rothen hilft ihr, die grausamen Streiche zu erdulden und sich auf ihr Ziel zu konzentrieren. Gemeinsam tragen sie die Bürde des Wissens um die finsteren Machenschaften des Gildenmeisters Akkarin. Auf Geheiß des Gildenverwalters Lorlen bewahren sie das Geheimnis. Ihre einzige Chance, Akkarin das Handwerk zu legen, ist Lord Dannyl, der als Botschafter nach Elyne berufen wurde und dort heimlich in der Vergangenheit des Gildenmeisters forscht, um herauszufinden, wie dieser von schwarzer Magie verführt wurde. Wird er ihnen die dringend benötigten Antworten liefern, bevor Akkarin die Gilde korrumpieren kann?

 

„The Novice“ war ein famoser Spaß. Der zweite Band entpuppte sich für mich als absolute Wohlfühl-Lektüre, die mich hervorragend unterhielt und meine Hoffnungen, dass die Geschichte der „The Black Magician Trilogy“ nach der etwas langatmigen Etablierung des Universums in „The Magician’s Guild“ Fahrt aufnimmt, voll erfüllte. Ich habe das Buch wirklich genossen. Wie könnte ich auch nicht, schließlich verblüffte mich Trudi Canavan am laufenden Band. Ich wusste nie, wohin sich „The Novice“ entwickeln und was als nächstes geschehen würde. Es gelang ihr, ihre mitreißende Mischung aus Teenagerdrama, Mordermittlung, Geheimnissen und ganz viel Magie vollkommen unvorhersehbar zu gestalten, sodass ich von allen Wendungen ehrlich überrascht war. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert und dafür danke ich der Autorin von Herzen.
Die Geschichte spielt hauptsächlich in Imardin, der Hauptstadt Kyralias, in der die Protagonistin Sonea nun eine Novizin der Magier-Gilde ist. Sie wusste vorher, dass sie es als Slumkind zwischen all den adligen Söhnen und Töchtern schwer haben würde, aber das Ausmaß der Ablehnung, das ihr entgegenschlägt, konnte niemand prophezeien. Ich litt aufrichtig mit ihr, da sie mir jetzt deutlich sympathischer war und sie nicht nur von ihren Mitschüler_innen drangsaliert wird, sondern auch die meisten ihrer Lehrer_innen an ihr zweifeln. Ich zürnte ihnen allen solidarisch, obwohl ich es ein bisschen schade fand, dass Soneas private Probleme ihre Ausbildung überdeckten. Ich hätte gern mehr ihres Unterrichts miterlebt, bin diesbezüglich aber wohl einfach „Harry Potter“-verwöhnt und fand auch ihr persönliches Drama sehr spannend, deshalb handelt es sich hier lediglich um einen kleinen Kritikpunkt.
Parallel zu Soneas Perspektive in Imardin, die durch Lord Rothens und Verwalter Lorlens Blickwinkel ergänzt wird, begleiten die Leser_innen Lord Dannyl, der als Botschafter der Gilde durch die Nachbarländer reist und die dunklen Praktiken des Gildenmeisters Akkarin aufzudecken versucht. Sein diplomatischer Auftrag war ein cleverer Schachzug Canavans, der es ihr erlaubt, die an bekannte Kulturen des mediterranen Raums erinnernden Nationen rund um Kyralia vorzustellen. Einzig Sachaka bleibt ein Mysterium, was mir sofort verdächtig erschien. Die Vermutung, dass Akkarin dort mit schwarzer Magie in Kontakt kam, liegt nahe. Wie genau sich schwarze Magie in diesem Universum eigentlich definiert, behält Canavan weiterhin für sich. Niemand scheint zu wissen, welche Fähigkeiten damit verbunden sind – seltsam, denn sonst sind die magischen Grenzen in traditioneller High Fantasy meist sehr klar abgesteckt. Daher weiß auch niemand, was Akkarin plant. Persönlich bin ich ja ziemlich sicher, dass er nicht der skrupellose Schurke ist, für den gerade Sonea ihn hält. Ich glaube, er hat gute Gründe, schwarze Magie einzusetzen, selbst wenn ich mir noch nicht vorstellen kann, wie diese aussehen mögen. Ich werde mich wohl bis zum finalen Band „The High Lord“ gedulden müssen.

 

Trudi Canavan erklärte, müsste sie ihre Bücher für jemanden beschreiben, der/die keine Erfahrung mit Fantasy hat, würde sie sie irgendwo zwischen „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ einordnen. Ich finde, auf „The Novice“ trifft diese Kategorisierung ausnehmend gut zu. Der zweite Band der „The Black Magician Trilogy“ ist klassische, nicht allzu anspruchsvolle High Fantasy, die moderne Schwerpunkte anspricht und somit einen greifbaren Realitätsbezug herstellt. Homophobie und Mobbing sind wiederkehrende Themen, die die Handlung jedoch nicht dominieren. Canavan findet die Balance zwischen einer altmodischen, magisch beeinflussten Gesellschaft und ihren zeitgemäßen, wirklichkeitsnahen sozialen Konflikten, was mich intellektuell ebenso wie emotional begeisterte. Ich fühlte mich mit dieser Fortsetzung pudelwohl und freue mich, dass sich mein Optimismus auszahlte. „The Black Magician Trilogy“ bietet offenbar doch genau den Lesespaß, den ich von Anfang an darin vermutete.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/03/trudi-canavan-the-novice
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review 2017-09-26 12:15
Leuchtende Pilz-Pfade können mir den Buckel runterrutschen
The Goblins of Bellwater - Molly Ringle

„The Goblins of Bellwater“ von Molly Ringle ist von dem Gedicht „The Goblin Market“ von Christina Rossetti inspiriert, das 1863 veröffentlicht wurde und die Geschichte zweier Schwestern erzählt, die sich auf einen gefährlichen Handel mit Goblins einlassen. Über die Jahrzehnte wurde das arme Gedicht beinahe zu Tode analysiert. Was da nicht alles reingelesen wurde: Gesellschaftskritik, Wirtschaftskritik, Anti-Semitismus. Ich kann darüber nur den Kopf schütteln. Meiner Meinung nach geht es um die verwegene, düstere Verlockung des Übernatürlichen, die Rossetti durch eine für das Zeitalter beispiellos sexualisierte Sprache schildert. Molly Ringle sah das vermutlich ähnlich, denn „The Goblins of Bellwater“ orientiert sich an dem, was schwarz auf weiß geschrieben steht, nicht an weit hergeholten Interpretationen.

 

Folge nicht ihrem Pfad. Nimm nichts an, was sie dir anbieten. Diese zwei simplen Verhaltensregeln hätten Skye vor einem furchtbaren Fehler bewahren können. Leider weiß kaum jemand, was sich in den Wäldern rund um das Städtchen Bellwater verbirgt. Niemand warnte sie vor den Goblins. Jetzt ist es zu spät. Skye ist verflucht. Schon bald wird der Drang, sich dem Klan anzuschließen und selbst ein Goblin zu werden, übermächtig sein. Sie kann sich niemandem mitteilen, nicht einmal ihrer großen Schwester Livy, denn der Fluch beschneidet ihre Fähigkeit, zu sprechen. Aber wer würde ihr auch glauben? Sie ahnt nicht, dass es einen Menschen in Bellwater gibt, der die Wahrheit über die Goblins kennt. Livys Freund Kit leidet seit Jahren unter den Auswirkungen eines alten Vertrags, den seine Vorfahren mit dem Klan schlossen. Als Kits Cousin Grady Bellwater besucht und Skye im Wald begegnet, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Plötzlich ist Livy die einzige, die Skye und Grady retten kann. Doch dafür muss sie einen gefährlichen Weg einschlagen und sich der Natur selbst als würdig erweisen.

 

Ich glaube, „The Goblins of Bellwater“ sollte als moderne Variante eines traditionellen Märchens gelesen und verstanden werden. Es ist kein durchschnittlicher Urban Fantasy – Roman, vielmehr ist es ein Buch, das sich auf die Elemente der Urban Fantasy VOR der alles ertränkenden Vampir- und Werwolfwelle zurückbesinnt. Dadurch ist „The Goblins of Bellwater“ außergewöhnlich, denn es ist selten geworden, dass eine Geschichte so subtil aber deutlich mit den klassischen Charakteristiken des Erzählens arbeitet und diese in ein überzeugend zeitgenössisches Gewand kleidet. Ich habe mich mit der Lektüre äußerst wohlgefühlt, genoss die Reife der Geschichte und den angenehm geringen Kitschfaktor. Die verwunschene Atmosphäre düsterer Verlockung erreichte mich mühelos. Zeigte man mir einen Winterwald, der so aussieht, wie Ringle ihn beschreibt, glaubte ich sofort, dass dort Goblins leben könnten. Die Autorin spricht durch ihr Setting die uralte Furcht der Menschheit vor dem Unbekannten an und betont unser zwiespältiges Verhältnis zur Natur. Wir sind von der Natur fasziniert, ohne sie tatsächlich zu begreifen. Die irrationale Vorstellung, dass sich in den Bäumen boshafte, hinterlistige, skrupellose Goblins verbergen könnten, die Menschen zum Spaß ins Verderben stürzen, jagt uns einen Schauer über den Rücken, weil wir den Wald selbst als rätselhaftes, lebendiges Wesen wahrnehmen. Die Protagonistin Skye verkörpert die schlimmste Form eines Waldspaziergangs mit Folgen. Ich habe mich intensiv mit ihrer Situation beschäftigt, weil ich verstehen wollte, was mit ihr auf der Bedeutungsebene geschieht. Skye erlebt einen Kontrollverlust, der mit dem Verlust ihrer Menschlichkeit gleichzusetzen ist. Sie wird bestraft, weil sie sich bereitwillig vom Übernatürlichen verführen ließ; der Fluch ist die Konsequenz ihrer mangelnden Standhaftigkeit. Wer würde in einem Wald zur Dämmerung schon einem Pfad leuchtender Pilze folgen, der kurz zuvor noch nicht da war? Skye ignorierte die Alarmglocken der Vernunft und verhielt sich naiv und lebensgefährlich dumm. Ringle lastet ihr ihre Neugier niemals an, aber alle folgenden Ereignisse sind auf diese eine Fehlentscheidung zurückzuführen. Skye kam vom Weg ab und muss dafür leiden, ebenfalls eine Thematik, die aus diversen Märchen bekannt ist. Sie ist die Prinzessin in Nöten – im Gegensatz zu altmodischen Märchen ist ihr Ritter in schimmernder Rüstung allerdings eine Frau: ihre Schwester Livy, die für ihren respektvollen Umgang mit der Natur belohnt wird. Es gefiel mir sehr, dass „The Goblins of Bellwater“ fast ausschließlich von Frauen gelenkt wird. Livy und Skye treffen alle tragenden Entscheidungen; Kit und Grady empfand ich zwar als gleichberechtigt, doch der frauenzentrierte Tenor des Buches ist nicht zu leugnen.

 

„The Goblins of Bellwater“ ist trotz der Parallelen zu zahllosen Märchen und „The Goblin Market“ von Christina Rossetti eine völlig eigenständige, originelle Geschichte. Meiner Meinung nach verfügt Molly Ringle über ein erstaunliches schriftstellerisches Talent. Sie konfrontiert ihre realistischen, liebenswerten Figuren mit den Motiven unserer Kindheitserzählungen und lässt sie erwachsen auf diese Herausforderungen reagieren. Sie müssen sich selbst aus ihrer aussichtslosen Lage retten, die tückischen, arglistigen Goblins austricksen und das Paranormale mit couragierter Menschlichkeit besiegen. Da die Urban Fantasy ein Genre ist, in dem einfache Menschen bedauerlicherweise mittlerweile kaum eine Chance haben und beinahe als uninteressant gelten, finde ich Ringles alternative Herangehensweise aufmunternd und belebend. Empfindet ihr ähnlich, seid ihr all der superduperkrassen übernatürlichen Held_innen müde, möchte ich euch „The Goblins of Bellwater“ wärmstens ans Herz legen. Denn mal ehrlich, ich möchte weder Vampir, noch Werwolf, noch Goblin sein. Ich bin gerne ein Mensch. Plötzlich erscheinende, leuchtende Pfade aus Pilzen im Wald können mir getrost den Buckel runterrutschen.

 

Vielen Dank an Netgalley und den Verlang Central Avenue Publishing für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/09/26/molly-ringle-the-goblins-of-bellwater
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review 2016-06-14 10:43
In der Warteschleife
Die weiße Flamme - Richard Schwartz

Richard Schwartz ist nicht der Geburtsname des Autors der Zyklen „Das Geheimnis von Askir“ und „Die Götterkriege“. Er ist ein Pseudonym – eines von fünf. Es ist nicht öffentlich bekannt, wie der Mann tatsächlich heißt. Offiziell bestätigt ist nur, dass es sich bei Richard Schwartz und Carl A. deWitt um ein und dieselbe Person handelt. Seit diesem Jahr veröffentlicht Piper „Die Lytar-Chronik“ unter dem Namen Richard Schwartz, obwohl diese Trilogie ursprünglich als Zweiteiler von Carl A. deWitt bei blanvalet erschienen ist. Ich werde mir die drei Bände irgendwann von Piper zulegen, weil die Ausgaben überarbeitet wurden. Zuerst liegen jedoch noch einige Bände von „Die Götterkriege“ vor mir.

 

Havald, Engel des Soltar, ist aus seinem Schlaf erwacht, doch sein Gedächtnis kehrt nur langsam zurück. Solange er sich lediglich vage daran erinnert, wer er ist, ist jede Hoffnung, die Askir in ihn setzt, vergeblich. Leandra und Serafine sind enttäuscht, haben mit ihren Pflichten allerdings alle Hände voll zu tun. Leandra muss schnellstmöglich nach Illian reisen, um ihren Thron einzunehmen und den Rat daran zu hindern, die Stadt an den feindlichen thalakischen Kriegsherren Corvulus zu übergeben. Vorher hat sie jedoch ein Versprechen zu erfüllen: sie versprach, Byrwylde zu erschlagen, die riesige Schlange, die sich durch die Umleitung des Weltenstroms befreien konnte. Währenddessen befinden sich Wiesel und Marla bereits in Illian und müssen feststellen, dass die Stadt mit Intrigen verseucht ist und jeden Tag Unschuldige auf den Scheiterhaufen der Weißen Flamme brennen. Leandras Leben steht auf dem Spiel, finden Wiesel und Marla vor ihrer Ankunft keine Verbündeten, die sie unterstützen. Werden sie die Stadt gemeinsam vor sich selbst schützen können?

 

Kennt ihr diese Bücher, die man liest, für gut befindet und danach fast sofort wieder vergisst? So ergeht es mir bisher mit den Bänden von „Die Götterkriege“. Mir gefiel der Auftakt „Die Rose von Illian“ und ich mochte auch den zweiten Band „Die Weiße Flamme“, aber bleibenden Eindruck haben sie leider kaum hinterlassen. Es fällt mir schwer, Positives und Negatives zu definieren, weil mich die Geschichte emotional nicht richtig berührt. Irgendetwas fehlt. Es fühlt sich an, als könnte ich ein objektives Urteil abgeben, aber kein subjektives. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass ich den Eindruck habe, dass diese beiden Bände nur das Vorgeplänkel der eigentlichen Handlung darstellen. Die Geschichte nimmt sehr langsam Fahrt auf. Meiner Meinung nach zielt Richard Schwartz darauf ab, Havald erneut als ihr Zentrum zu etablieren, konnte damit allerdings noch nicht beginnen, weil er ihn selbst ins Aus geschrieben hat. Da Havald durch die Ereignisse am Ende des ersten Zyklus „Das Geheimnis von Askir“ zwischen Leben und Tod schwebte, musste er ihn erst zurückholen und sich erholen lassen, bevor er ihm in den nachfolgenden Bänden abermals die führende Rolle der Geschichte auf den Leib schneidern kann. Ich finde nicht, dass ihm das besonders elegant gelungen ist. „Die Rose von Illian“ und „Die Weiße Flamme“ hinterließen bei mir den Nachgeschmack einer Warteschleife. Obwohl ich die Figuren der Reihe mag und ihnen gern folge, weist keine die gleiche Zugkraft wie Havald auf. Vielleicht liegt mir die gradlinige Zuschreibung von Gut und Böse nicht; normalerweise sind es gerade die ambivalenten Charaktere, die mich am meisten faszinieren. Ich bin nicht überzeugt, dass Schwartz in der Lage ist, zwiespältige Persönlichkeiten zu konzipieren, denn selbst Marla und Wiesel verfolgen ehrenwerte Ziele. Mir erschienen sie aus genau diesem Grund mit der Situation in Illian überfordert, gleichwohl man meinen sollte, zwei Diebe kämen mit einer Schlangengrube voller Intrigen zurecht. Ich denke, Schwartz hat sich mit dieser Darstellung der Stadt keinen Gefallen getan, denn auf mich wirkte sie etwas ungelenk. Erst die Auflösung des Intrigengeflechts durch Leandras Ankunft konnte mich richtig fesseln.
Was mir hingegen sehr gut gefällt, ist die Tatsache, dass Schwartz das Militär Askirs als gleichberechtigte Institution beschreibt. Viele hochrangige Positionen werden von Frauen bekleidet. In der High Fantasy trifft man selten auf eine so fortschrittliche Streitmacht, doch zu Askir passt es hervorragend, schließlich wird das Reich von einer Frau regiert. Lustigerweise habe ich trotzdem Schwierigkeiten, Desina als Kaiserin wahrzunehmen. Ich empfinde sie primär als Eule und glaube, dass ihr das selbst ähnlich geht. Die Magie nimmt in Schwartz‘ Universum einen interessanten Stellenwert ein. Sie ist ein mächtiges Werkzeug mit vielen Einsatzmöglichkeiten, beinhaltet aber nicht die Antwort auf jedes Problem. Weder Desina, noch Leandra oder Asela verlassen sich uneingeschränkt auf sie. Es gefällt mir, dass in Schwartz‘ Welt sowohl Platz für Magie als auch für rudimentäre Technik ist, denn ich fand nie, dass das eine das andere ausschließt.

 

Ich hoffe sehr, dass „Die Götterkriege“ im nächsten Band „Das Blutige Land“ endlich richtig durchstarten. Es wäre zu schade, würden sie weiter vor sich hinplätschern, denn ich möchte mich begeistern lassen. Das Potential ist da und ich habe das Gefühl, dass die Geschichte erzählt werden will, doch bisher fehlt einfach das gewisse Etwas, diese spezielle Anziehungskraft, die sie unwiderstehlich werden ließe. Vielleicht braucht es dafür erst Havald, der in „Das Blutige Land“ wieder in den Fokus rückt. Ich bin äußerst neugierig, in welche Richtung er die Geschichte führen wird und ob Richard Schwartz aus ihm tatsächlich die zentrale Figur macht, die ich in ihm vermute.
„Die Weiße Flamme“ ist ein solider, unterhaltsamer High Fantasy – Roman voller klassischer Elemente. Daran gibt es nichts zu rütteln. Ich wünschte nur, zwischen den Seiten würde sich ein wenig mehr emotionaler Zauber verstecken.

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