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review 2017-04-05 11:06
Das Spiel spitzt sich zu
Die Knochenjäger - Steven Erikson

Hinweis: Diese Rezension bespricht sowohl „Die Feuer der Rebellion“ als auch „Die Knochenjäger“. Im Original erschien der sechste Band unter dem Titel „The Bonehunters, für den deutschen Markt wurde dieser geteilt.

 

Imperatrix Laseen entsendete Mandata Tavore mit einem eindeutigen Auftrag ins Reich der Sieben Städte: sie sollte die Rebellion des Wirbelwinds samt ihren Wurzeln herausreißen und das Land erneut befrieden. Nach dem verhängnisvollen Blutbad im Sand der Raraku ist der Aufstand niedergeschlagen; Sha’ik ist tot und die Göttin wurde bezwungen. Doch eine kleine Schar ihrer Anhänger entkam. Angeführt von Sha’iks gefürchtetem Leibwächter Leoman von den Dreschflegeln fliehen die Überlebenden in die uralte Festungsstadt Y’Ghatan. Tavore hat keine andere Wahl, als sie mit der erschöpften 14. Armee zu verfolgen, obwohl sie weiß, dass Y’Ghatan für das malazanische Imperium in der Vergangenheit nichts als Kummer und Schmerz bereithielt. Hier starb Dassem Ultor, das Erste Schwert, der größte Held der Malazaner. Trotz dessen muss Tavore ihre Soldat_innen in den Kampf gegen die Feuer der Rebellion schicken. Scheitern ist keine Option, denn sie darf der Imperatrix keine Vorwände liefern. In den letzten Monaten wurden Laseens Pläne und Absichten stetig undurchschaubarer, sie selbst unberechenbarer. Würde sie sich aus Machthunger gegen ihr eigenes Volk wenden und sich im brodelnden Krieg der Götter auf ein gefährliches Spiel einlassen? Würde sie sich mit dem Verkrüppelten Gott verbünden?

 

Ich liebe, liebe, LIEBE „Das Spiel der Götter“ von Steven Erikson! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie großartig es ist, zu beobachten, wie sich all die Handlungsstränge Stück für Stück verdichten und langsam zuspitzen. Ich war mehr als nur ein wenig erleichtert, mich im zweigeteilten sechsten Band „Die Feuer der Rebellion“ und „Die Knochenjäger“ wieder in den gewohnten Bahnen der Geschichte zu bewegen und zu bekannten Figuren zurückzukehren. Nach dem Ausflug in das Reich der Tiste Edur und der Letherii hätte ich vor lauter Wiedersehensfreude Luftsprünge machen können. Trotz dessen verstehe ich nun, warum Erikson diesen extremen inhaltlichen Bruch wagte. Die Tiste Edur spielen eine bedeutende Rolle im Krieg der Götter und werden vom Verkrüppelten Gott skrupellos manipuliert. Ohne den tiefen Einblick in ihre Geschichte und Kultur hätte ich niemals begriffen, wieso sie für seine Einflüsterungen außergewöhnlich empfänglich sind. Sie sehnen sich so verzweifelt nach Identität und Bestimmung für ihr Volk, dass sie nicht erkennen, dass er sie hemmungslos belügt. Sie bemerken nicht, dass sie sich weiter und weiter vom Schattenreich und Kurald Emurlahn entfernen.
Vermutlich ist ihre Distanz der einzige Grund, warum Ammanas und Cotillion das Gewirr der Schatten in Besitz nehmen konnten. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Mensch – selbst ein Aufgestiegener – ein nicht-menschliches Gewirr für sich beanspruchen konnte. Allerdings glaube ich, dass die Eroberung der Schattensphäre nicht spurlos an Ammanas vorbeiging. Ich habe gewaltige Schwierigkeiten, seine Persönlichkeit als Herr des Hohen Hauses Schatten und seine Persönlichkeit als Imperator Kellanved miteinander in Verbindung zu bringen. Meiner Ansicht nach passen sie nicht zusammen. Ich denke, das Aufsteigen, die Transformation in Schattenthron, veränderte Kellanved stark. Als hätte die fremde Macht des Gewirrs seinen Verstand angegriffen.
Ich bin Steven Erikson sehr dankbar, dass er endlich erklärt, wie das System des Aufsteigens funktioniert. Es gefiel mir hervorragend, dass Erikson Ganoes Paran diese zusätzlichen Fakten über das Universum erläutern lässt, denn meiner Ansicht nach ist Ganoes‘ Rolle die spannendste der gesamten Geschichte. Er ist der Herr der Drachenkarten, die, wenn sie ausgespielt werden, meinen Puls in die Höhe jagen und meinen Körper mit Gänsehaut überziehen. Als dieser steht er außerhalb des Konflikts der Götter, scheint aber nicht zu Neutralität verpflichtet zu sein. Seine oberste Priorität ist der Schutz der Sterblichen vor allzu radikalen Eingriffen der Götter. Folglich besitzt er eine gewisse Macht über sie, die er eindrucksvoll zum Einsatz bringt.
Ganoes ist jedoch nicht der einzige Charakter, der sich aktiv in den Krieg einmischt. Mittlerweile ist die Situation erstaunlich vielen Figuren bewusst. Es bildet sich eine unerwartete Allianz gegen den Verkrüppelten Gott, die die Sterblichen unablässig in günstige Positionen schiebt. Interessanterweise betrifft das auch Icarium. Icarium erfüllt nur einen einzigen Daseinszweck: er ist eine Waffe. Eine furchterregende Waffe, die während eines Kampfes in blinde Raserei verfällt. Ich war schockiert. Wie vom Donner gerührt. Ich kannte die Legenden über ihn natürlich, aber niemals hätte ich erwartet, dass dieses witzige, sanftmütige, philosophisch bewanderte Halbblut zu einem Monster mutieren könnte. Kein Wunder, dass er seit Jahrhunderten einen Aufpasser hat. Wenn die Jaghut-Tyrannen so waren wie er, kann ich gut verstehen, dass sich die T’lan Imass auflehnten und schworen, alle Jaghut auszurotten.

 

Wann immer ich eine Rezension zu einem Band von „Das Spiel der Götter“ schreibe, bin ich frustriert, nicht alle herausragenden Aspekte ansprechen zu können. Ich wünschte, ich könnte euch haargenau darlegen, wie tief mich die Loyalität und Kameradschaft der 14. Armee berührte, wie spannend und nervenaufreibend die Schlacht in Y’Ghatan war, wie faszinierend die philosophischen, theologischen Überlegungen Steven Eriksons sind und wie viel Misstrauen ich Imperatrix Laseen gegenüber empfinde. Ich könnte zu jedem Fragment der einzelnen Handlungsstränge ganze Abhandlungen schreiben. Die Geschichte der Reihe ist eigentlich viel zu komplex, um sich an Zeichenzahlen zu halten. Vielleicht werde ich in Zukunft alle selbstauferlegten Richtlinien in den Wind schießen und frei von der Leber weg drauf los schwärmen. Denn darum geht es hier ja schließlich: euch von der mit Abstand besten Reihe zu erzählen, die das Genre der High Fantasy zu bieten hat und die mein Herz ehrfurchtsvoll höherschlagen lässt.

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review 2017-04-05 10:58
Das Spiel spitzt sich zu
Die Feuer der Rebellion - Steven Erikson

Hinweis: Diese Rezension bespricht sowohl „Die Feuer der Rebellion“ als auch „Die Knochenjäger“. Im Original erschien der sechste Band unter dem Titel „The Bonehunters, für den deutschen Markt wurde dieser geteilt.

 

Imperatrix Laseen entsendete Mandata Tavore mit einem eindeutigen Auftrag ins Reich der Sieben Städte: sie sollte die Rebellion des Wirbelwinds samt ihren Wurzeln herausreißen und das Land erneut befrieden. Nach dem verhängnisvollen Blutbad im Sand der Raraku ist der Aufstand niedergeschlagen; Sha’ik ist tot und die Göttin wurde bezwungen. Doch eine kleine Schar ihrer Anhänger entkam. Angeführt von Sha’iks gefürchtetem Leibwächter Leoman von den Dreschflegeln fliehen die Überlebenden in die uralte Festungsstadt Y’Ghatan. Tavore hat keine andere Wahl, als sie mit der erschöpften 14. Armee zu verfolgen, obwohl sie weiß, dass Y’Ghatan für das malazanische Imperium in der Vergangenheit nichts als Kummer und Schmerz bereithielt. Hier starb Dassem Ultor, das Erste Schwert, der größte Held der Malazaner. Trotz dessen muss Tavore ihre Soldat_innen in den Kampf gegen die Feuer der Rebellion schicken. Scheitern ist keine Option, denn sie darf der Imperatrix keine Vorwände liefern. In den letzten Monaten wurden Laseens Pläne und Absichten stetig undurchschaubarer, sie selbst unberechenbarer. Würde sie sich aus Machthunger gegen ihr eigenes Volk wenden und sich im brodelnden Krieg der Götter auf ein gefährliches Spiel einlassen? Würde sie sich mit dem Verkrüppelten Gott verbünden?

 

Ich liebe, liebe, LIEBE „Das Spiel der Götter“ von Steven Erikson! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie großartig es ist, zu beobachten, wie sich all die Handlungsstränge Stück für Stück verdichten und langsam zuspitzen. Ich war mehr als nur ein wenig erleichtert, mich im zweigeteilten sechsten Band „Die Feuer der Rebellion“ und „Die Knochenjäger“ wieder in den gewohnten Bahnen der Geschichte zu bewegen und zu bekannten Figuren zurückzukehren. Nach dem Ausflug in das Reich der Tiste Edur und der Letherii hätte ich vor lauter Wiedersehensfreude Luftsprünge machen können. Trotz dessen verstehe ich nun, warum Erikson diesen extremen inhaltlichen Bruch wagte. Die Tiste Edur spielen eine bedeutende Rolle im Krieg der Götter und werden vom Verkrüppelten Gott skrupellos manipuliert. Ohne den tiefen Einblick in ihre Geschichte und Kultur hätte ich niemals begriffen, wieso sie für seine Einflüsterungen außergewöhnlich empfänglich sind. Sie sehnen sich so verzweifelt nach Identität und Bestimmung für ihr Volk, dass sie nicht erkennen, dass er sie hemmungslos belügt. Sie bemerken nicht, dass sie sich weiter und weiter vom Schattenreich und Kurald Emurlahn entfernen.
Vermutlich ist ihre Distanz der einzige Grund, warum Ammanas und Cotillion das Gewirr der Schatten in Besitz nehmen konnten. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Mensch – selbst ein Aufgestiegener – ein nicht-menschliches Gewirr für sich beanspruchen konnte. Allerdings glaube ich, dass die Eroberung der Schattensphäre nicht spurlos an Ammanas vorbeiging. Ich habe gewaltige Schwierigkeiten, seine Persönlichkeit als Herr des Hohen Hauses Schatten und seine Persönlichkeit als Imperator Kellanved miteinander in Verbindung zu bringen. Meiner Ansicht nach passen sie nicht zusammen. Ich denke, das Aufsteigen, die Transformation in Schattenthron, veränderte Kellanved stark. Als hätte die fremde Macht des Gewirrs seinen Verstand angegriffen.
Ich bin Steven Erikson sehr dankbar, dass er endlich erklärt, wie das System des Aufsteigens funktioniert. Es gefiel mir hervorragend, dass Erikson Ganoes Paran diese zusätzlichen Fakten über das Universum erläutern lässt, denn meiner Ansicht nach ist Ganoes‘ Rolle die spannendste der gesamten Geschichte. Er ist der Herr der Drachenkarten, die, wenn sie ausgespielt werden, meinen Puls in die Höhe jagen und meinen Körper mit Gänsehaut überziehen. Als dieser steht er außerhalb des Konflikts der Götter, scheint aber nicht zu Neutralität verpflichtet zu sein. Seine oberste Priorität ist der Schutz der Sterblichen vor allzu radikalen Eingriffen der Götter. Folglich besitzt er eine gewisse Macht über sie, die er eindrucksvoll zum Einsatz bringt.
Ganoes ist jedoch nicht der einzige Charakter, der sich aktiv in den Krieg einmischt. Mittlerweile ist die Situation erstaunlich vielen Figuren bewusst. Es bildet sich eine unerwartete Allianz gegen den Verkrüppelten Gott, die die Sterblichen unablässig in günstige Positionen schiebt. Interessanterweise betrifft das auch Icarium. Icarium erfüllt nur einen einzigen Daseinszweck: er ist eine Waffe. Eine furchterregende Waffe, die während eines Kampfes in blinde Raserei verfällt. Ich war schockiert. Wie vom Donner gerührt. Ich kannte die Legenden über ihn natürlich, aber niemals hätte ich erwartet, dass dieses witzige, sanftmütige, philosophisch bewanderte Halbblut zu einem Monster mutieren könnte. Kein Wunder, dass er seit Jahrhunderten einen Aufpasser hat. Wenn die Jaghut-Tyrannen so waren wie er, kann ich gut verstehen, dass sich die T’lan Imass auflehnten und schworen, alle Jaghut auszurotten.

 

Wann immer ich eine Rezension zu einem Band von „Das Spiel der Götter“ schreibe, bin ich frustriert, nicht alle herausragenden Aspekte ansprechen zu können. Ich wünschte, ich könnte euch haargenau darlegen, wie tief mich die Loyalität und Kameradschaft der 14. Armee berührte, wie spannend und nervenaufreibend die Schlacht in Y’Ghatan war, wie faszinierend die philosophischen, theologischen Überlegungen Steven Eriksons sind und wie viel Misstrauen ich Imperatrix Laseen gegenüber empfinde. Ich könnte zu jedem Fragment der einzelnen Handlungsstränge ganze Abhandlungen schreiben. Die Geschichte der Reihe ist eigentlich viel zu komplex, um sich an Zeichenzahlen zu halten. Vielleicht werde ich in Zukunft alle selbstauferlegten Richtlinien in den Wind schießen und frei von der Leber weg drauf los schwärmen. Denn darum geht es hier ja schließlich: euch von der mit Abstand besten Reihe zu erzählen, die das Genre der High Fantasy zu bieten hat und die mein Herz ehrfurchtsvoll höherschlagen lässt.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/04/05/steven-erikson-die-feuer-der-rebellion-die-knochenjaeger
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review 2016-08-24 11:18
Der König der High Fantasy
Im Bann der Wüste - Tim Straetmann,Steven Erikson

Hinweis: Diese Rezension bespricht sowohl „Das Reich der Sieben Städte“ als auch „Im Bann der Wüste“. Im Original erschien der zweite Band unter dem Titel "Deadhouse Gates", für den deutschen Markt wurde dieser geteilt.

 

Im Reich der Sieben Städte existiert eine alte Prophezeiung. Wenn die Zeit reif ist, wird sich die Göttin des Wirbelwinds in der heiligen Wüste Raraku erheben und den Kontinent in einen Aufstand führen, der die Menschen vom Joch ihrer Unterdrücker befreit. Als die Rebellion mit blutdürstiger Wut ausbricht, trifft sie die malazanischen Besatzer jedoch völlig unvorbereitet. Einzig Faust Coltaine schätzte die Situation richtig ein. Nun liegt das Leben tausender malazanischer Flüchtlinge in seinen Händen. Ihre verzweifelte Reise führt sie quer über den Kontinent und wird in die Geschichte eingehen.
Die Säuberungen der Imperatrix ließen den Adel ausbluten. Die neue Mandata setzt den Willen ihrer Herrin erbarmungslos durch. Sie schickte sogar ihre eigene Schwester, Felisin Paran, als Sklavin in die Otataral-Minen. Doch Felisins Schicksal nimmt durch die Rebellion des Wirbelwinds eine unerwartete Wende und so tastet sie sich blind voran in eine Zukunft, die mehr als ungewiss ist.
Währenddessen erreichen zwei abtrünnige Brückenverbrenner unbemerkt von den Augen der Imperatrix ebenfalls das Reich der Sieben Städte. Kalam Mekhar und Fiedler haben geschworen, Apsalar nach Hause zu bringen, ihre Mission verfolgt allerdings noch ein weiteres Ziel. Ein Ziel, das potentiell tödlich ist.
Der Wirbelwind erfasst sie alle. Wenn der Staub sich legt, welche Geheimnisse wird er offenbaren?

 

Ich möchte Lobeshymnen singen, die das gesamte Universum erreichen. Man weiß nicht, was wirklich gute Fantasy – Literatur ist, bevor man „Das Spiel der Götter“, dieses harmonisch komponierte Epos, gelesen und verstanden hat, was in diesem Genre alles möglich ist. Erikson geht in der Konzipierung seines Meisterwerks einen Schritt weiter als alle anderen Fantasy – Autor_innen, die mir bisher begegnet sind. Er hat keine Angst vor den gigantischen Dimensionen seiner Welt und füllt diese mühelos mit Leben. Im zweiten Band, der für den deutschen Markt in „Das Reich der Sieben Städte“ und „Im Bann der Wüste“ geteilt wurde, geleitet er seine Leser_innen in das Reich der Sieben Städte – ein harter, ungastlicher Wüstenkontinent, von der Sonne gebleicht und ausgetrocknet. Die Menschen, die dort leben, sind nicht minder hart und unnachgiebig. Heiße Wut und Leidenschaft erfüllen ihr Blut, sie sehnen sich nach Freiheit. Es wunderte mich, dass die Imperatrix ihre Unzufriedenheit so lange übersah, denn die spannungsgeladene Atmosphäre der Feindseligkeit war zum Schneiden dick und unmöglich zu ignorieren. Die Prophezeiung des Wirbelwinds ist alt, es hätten zahlreiche Möglichkeiten bestanden, die Rebellion im Keim zu ersticken. Erikson deutet an, dass der alte Imperator genau das getan hätte, was mich zu der Überlegung führte, ob das Imperium mittlerweile Ausmaße erreicht hat, die für die Imperatrix nicht mehr zu kontrollieren sind. Ist sie überhaupt geeignet, das malazanische Imperium zu regieren? Im Reich der Sieben Städte versagt sie auf ganzer Linie und lässt das Land in einen blutigen, extrem brutalen Bürgerkrieg stürzen, dem sich keiner der Charaktere entziehen kann. Mir gefiel die Mischung aus neuen und bereits bekannten Figuren außerordentlich gut, was auch daran liegt, dass Erikson zwar ein völlig neues Setting etabliert und eine neue Geschichte erzählt, aber niemals die bisherigen Ereignisse aus den Augen verliert. Er arbeitet die neue Handlung in den bestehenden Kontext ein, wodurch der inhaltliche Bruch weniger radikal ausfällt, als ich erwartet hatte. Ich hatte keine Schwierigkeiten, Beziehungen zu den neuen Charakteren aufzubauen und war besonders von Duiker angetan, einem Historiker, der Coltaines Flüchtlingszug begleitet. Felisin hingegen ist eine dieser Figuren, die faszinieren, ohne zu sympathisieren. Ihr tragisches Schicksal fesselte mich, obwohl ich sie selbst unerträglich fand. In ihren jungen Jahren ist sie bereits verbittert, hasserfüllt, gemein und niederträchtig, doch Erikson lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihre furchtbare Persönlichkeit ausschließlich das Ergebnis dessen ist, was ihr widerfährt. Ich schwankte bei Felisin stets zwischen Mitleid und tiefer Abneigung, wollte sie abwechselnd in den Arm nehmen und erwürgen. Dieses Spiel meiner Gefühle machte mir unheimlich viel Spaß, weil ich es äußerst unterhaltsam fand, mich beim Lesen selbst zu beobachten. Irgendwann im Laufe dieser Selbstreflexion wurde mir auch klar, dass Erikson die Wege seiner Figuren so anlegt, dass sie sich früher oder später begegnen müssen. Er schlüpft in die Rolle des Schicksals und verknüpft ihre Leben durch eine höhere Bedeutung, ohne dabei seinen schrägen Sinn für Humor zu verlieren. Ganz nebenbei bietet er darüber hinaus eine Vielzahl von Informationen über sein komplexes Universum an, sodass ich beiläufig dazu lernte und sich mein Bild dieser Welt verdichtete. Ich liebe ihn dafür.

 

Wie konnte ich nur glauben, ich wüsste irgendetwas über die High Fantasy? Wie konnte ich glauben, ich hätte Erfahrung mit diesem Genre? Gar nichts wusste ich. Es fühlt sich an, als hätte ich das Genre all die Jahre nur in verwaschenen Farbtönen gesehen. Erst Steven Erikson öffnete mir die Augen und ließ für mich strahlende, brillante Farben explodieren, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt. Er ist ein wahrer Meister, der König der High Fantasy, vor dem ich mein Knie voller Ehrfurcht beuge. Er versetzt mich in Erstaunen, lässt mich lachen und weinen und fordert mich mit jedem Satz heraus. Seiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und ich kann einfach immer noch nicht fassen, dass ein einzelner Mann in der Lage ist, eine Geschichte zu schreiben, die so… so… mir fehlen die Worte. Es gibt wirklich keinen Begriff, der die schiere Perfektion der Reihe „Das Spiel der Götter“ hinreichend beschreibt. Aber eines weiß ich. Im Duden sollte neben dem Ausdruck „schriftstellerische Brillanz“ ein Foto von Steven Erikson abgebildet sein.

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review 2016-08-24 11:09
Der König der High Fantasy
Das Reich der Sieben Städte - Steven Erikson

Hinweis: Diese Rezension bespricht sowohl „Das Reich der Sieben Städte“ als auch „Im Bann der Wüste“. Im Original erschien der zweite Band unter dem Titel "Deadhouse Gates", für den deutschen Markt wurde dieser geteilt.

 

Im Reich der Sieben Städte existiert eine alte Prophezeiung. Wenn die Zeit reif ist, wird sich die Göttin des Wirbelwinds in der heiligen Wüste Raraku erheben und den Kontinent in einen Aufstand führen, der die Menschen vom Joch ihrer Unterdrücker befreit. Als die Rebellion mit blutdürstiger Wut ausbricht, trifft sie die malazanischen Besatzer jedoch völlig unvorbereitet. Einzig Faust Coltaine schätzte die Situation richtig ein. Nun liegt das Leben tausender malazanischer Flüchtlinge in seinen Händen. Ihre verzweifelte Reise führt sie quer über den Kontinent und wird in die Geschichte eingehen.
Die Säuberungen der Imperatrix ließen den Adel ausbluten. Die neue Mandata setzt den Willen ihrer Herrin erbarmungslos durch. Sie schickte sogar ihre eigene Schwester, Felisin Paran, als Sklavin in die Otataral-Minen. Doch Felisins Schicksal nimmt durch die Rebellion des Wirbelwinds eine unerwartete Wende und so tastet sie sich blind voran in eine Zukunft, die mehr als ungewiss ist.
Währenddessen erreichen zwei abtrünnige Brückenverbrenner unbemerkt von den Augen der Imperatrix ebenfalls das Reich der Sieben Städte. Kalam Mekhar und Fiedler haben geschworen, Apsalar nach Hause zu bringen, ihre Mission verfolgt allerdings noch ein weiteres Ziel. Ein Ziel, das potentiell tödlich ist.
Der Wirbelwind erfasst sie alle. Wenn der Staub sich legt, welche Geheimnisse wird er offenbaren?

 

Ich möchte Lobeshymnen singen, die das gesamte Universum erreichen. Man weiß nicht, was wirklich gute Fantasy – Literatur ist, bevor man „Das Spiel der Götter“, dieses harmonisch komponierte Epos, gelesen und verstanden hat, was in diesem Genre alles möglich ist. Erikson geht in der Konzipierung seines Meisterwerks einen Schritt weiter als alle anderen Fantasy – Autor_innen, die mir bisher begegnet sind. Er hat keine Angst vor den gigantischen Dimensionen seiner Welt und füllt diese mühelos mit Leben. Im zweiten Band, der für den deutschen Markt in „Das Reich der Sieben Städte“ und „Im Bann der Wüste“ geteilt wurde, geleitet er seine Leser_innen in das Reich der Sieben Städte – ein harter, ungastlicher Wüstenkontinent, von der Sonne gebleicht und ausgetrocknet. Die Menschen, die dort leben, sind nicht minder hart und unnachgiebig. Heiße Wut und Leidenschaft erfüllen ihr Blut, sie sehnen sich nach Freiheit. Es wunderte mich, dass die Imperatrix ihre Unzufriedenheit so lange übersah, denn die spannungsgeladene Atmosphäre der Feindseligkeit war zum Schneiden dick und unmöglich zu ignorieren. Die Prophezeiung des Wirbelwinds ist alt, es hätten zahlreiche Möglichkeiten bestanden, die Rebellion im Keim zu ersticken. Erikson deutet an, dass der alte Imperator genau das getan hätte, was mich zu der Überlegung führte, ob das Imperium mittlerweile Ausmaße erreicht hat, die für die Imperatrix nicht mehr zu kontrollieren sind. Ist sie überhaupt geeignet, das malazanische Imperium zu regieren? Im Reich der Sieben Städte versagt sie auf ganzer Linie und lässt das Land in einen blutigen, extrem brutalen Bürgerkrieg stürzen, dem sich keiner der Charaktere entziehen kann. Mir gefiel die Mischung aus neuen und bereits bekannten Figuren außerordentlich gut, was auch daran liegt, dass Erikson zwar ein völlig neues Setting etabliert und eine neue Geschichte erzählt, aber niemals die bisherigen Ereignisse aus den Augen verliert. Er arbeitet die neue Handlung in den bestehenden Kontext ein, wodurch der inhaltliche Bruch weniger radikal ausfällt, als ich erwartet hatte. Ich hatte keine Schwierigkeiten, Beziehungen zu den neuen Charakteren aufzubauen und war besonders von Duiker angetan, einem Historiker, der Coltaines Flüchtlingszug begleitet. Felisin hingegen ist eine dieser Figuren, die faszinieren, ohne zu sympathisieren. Ihr tragisches Schicksal fesselte mich, obwohl ich sie selbst unerträglich fand. In ihren jungen Jahren ist sie bereits verbittert, hasserfüllt, gemein und niederträchtig, doch Erikson lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihre furchtbare Persönlichkeit ausschließlich das Ergebnis dessen ist, was ihr widerfährt. Ich schwankte bei Felisin stets zwischen Mitleid und tiefer Abneigung, wollte sie abwechselnd in den Arm nehmen und erwürgen. Dieses Spiel meiner Gefühle machte mir unheimlich viel Spaß, weil ich es äußerst unterhaltsam fand, mich beim Lesen selbst zu beobachten. Irgendwann im Laufe dieser Selbstreflexion wurde mir auch klar, dass Erikson die Wege seiner Figuren so anlegt, dass sie sich früher oder später begegnen müssen. Er schlüpft in die Rolle des Schicksals und verknüpft ihre Leben durch eine höhere Bedeutung, ohne dabei seinen schrägen Sinn für Humor zu verlieren. Ganz nebenbei bietet er darüber hinaus eine Vielzahl von Informationen über sein komplexes Universum an, sodass ich beiläufig dazu lernte und sich mein Bild dieser Welt verdichtete. Ich liebe ihn dafür.

 

Wie konnte ich nur glauben, ich wüsste irgendetwas über die High Fantasy? Wie konnte ich glauben, ich hätte Erfahrung mit diesem Genre? Gar nichts wusste ich. Es fühlt sich an, als hätte ich das Genre all die Jahre nur in verwaschenen Farbtönen gesehen. Erst Steven Erikson öffnete mir die Augen und ließ für mich strahlende, brillante Farben explodieren, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt. Er ist ein wahrer Meister, der König der High Fantasy, vor dem ich mein Knie voller Ehrfurcht beuge. Er versetzt mich in Erstaunen, lässt mich lachen und weinen und fordert mich mit jedem Satz heraus. Seiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und ich kann einfach immer noch nicht fassen, dass ein einzelner Mann in der Lage ist, eine Geschichte zu schreiben, die so… so… mir fehlen die Worte. Es gibt wirklich keinen Begriff, der die schiere Perfektion der Reihe „Das Spiel der Götter“ hinreichend beschreibt. Aber eines weiß ich. Im Duden sollte neben dem Ausdruck „schriftstellerische Brillanz“ ein Foto von Steven Erikson abgebildet sein.

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review 2015-12-12 11:15
Mit Hoodoo und Bullshit wird's schon gehen!
Aloha from Hell - Richard Kadrey

Richard Kadrey ist mein Lieblings-Urban-Fantasy-Autor. Er ist einfach der Beste, wenn es darum geht, harte, witzige, makabre Geschichten zu schreiben, die Magie und Übernatürliches in unsere Welt katapultieren. Bei ihm gibt es keine glitzernden Vampire, keine schmusigen Werwölfe und erst recht keine jungen Frauen, die sich in all ihrem Herzschmerz mit Wonne suhlen. Seine Welt ist die Welt von James Stark aka Sandman Slim, mäßig begabter Hexer, Nephilim und Ex-Höllengladiator. Er ist nicht nett, er hat ein Alkoholproblem und sein Motto lautet „Mit Hoodoo und Bullshit wird’s schon gehen“. Kurz gesagt: ich liebe ihn! „Aloha from Hell“ ist der dritte Band der Reihe und ich freute mich riesig auf ein Wiedersehen mit Stark, seinen Gefährten und seinen Feinden!

 

Wieder einmal regiert die Langeweile in Starks Leben. Das Golden Vigil ist zerschlagen und Luzifer kehrte in den Himmel zurück. Seit er Los Angeles abermals rettete, war Stark brav und arrangierte sich mit dem Engel in seinem Kopf. Aber Stark wäre nicht Stark, hätte er nicht noch ein paar offene Rechnungen, die beglichen werden wollen. Da sich Luzifer kurzerhand aus dem Staub machte, versinkt die Hölle dank Mason im Chaos. Das könnte Stark natürlich egal sein, hätte Mason sich nicht mit Aelita verbündet, die weiterhin der fixen Idee nachjagt, Gott zu töten. Gemeinsam planen sie, Himmel und Hölle zu zerstören und dabei auch gleich noch Stark zu beseitigen. Sie spielen seine größte Schwachstelle gegen ihn aus und entführen Alice aus dem Himmel. Stark hat keine Wahl. Er muss ein weiteres Mal in die Hölle hinabsteigen. Sandman Slim kehrt heim.

 

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr ein Buch aufschlagt, ein paar Sätze lest und es ist wie nach Hause kommen? So empfinde ich die Bände der „Sandman Slim“ – Reihe. Ich habe stets das Gefühl, Stark so gut zu kennen, als wäre er mein Freund, mit dem ich mich regelmäßig auf ein Bier treffe. Er erzählt mir von seinen Abenteuern und obwohl ich mir recht gut vorstellen kann, worauf seine Geschichten hinauslaufen, überrascht er mich doch jedes Mal mit den Details. Er ist ein Bastard, aber ein Bastard, den man einfach lieben muss. Manchmal vergesse ich, dass er nicht real ist, denn er ist so realistisch und greifbar gezeichnet, dass ich mich ihm ungeheuer nah fühle. Für mich ist es genau das, was die Reihe auszeichnet. In der Urban Fantasy bekommt man es oft mit Charakteren zu tun, deren Eindimensionalität durch eine actiongeladene Handlung vertuscht werden soll. Richard Kadrey hingegen vereint Action, fiesen Galgenhumor und einen psychologisch vielschichtigen Protagonisten zu einem stimmigen Gesamtbild. Stark ist unter seiner harten Schale noch immer verloren und ziellos. Daher habe ich mich über seine Rückkehr in die Hölle überhaupt nicht gewundert. Offiziell steigt er natürlich nur hinab, um Alice zu retten, aber inoffiziell war es lediglich eine Frage der Zeit, wann er das Leben auf der Erde nicht mehr ertragen würde. Stark findet keinen Lebenssinn. Die Arena und die Spielregeln der Hölle waren mehr als 10 Jahre seine Welt und so sehr er es auch zu leugnen versucht, diese Welt ist ihm vertrauter als unsere. Er ist noch immer nicht über Alice hinweg und kann nicht loslassen. Mir war gar nicht klar, wie unheimlich präsent sie all die Zeit über in seinen Gedanken war; das wurde mir erst bewusst, als er ihr in der Hölle begegnet. Sie hat nichts von all dem mitbekommen, was Stark jahrelang erlebt hat und erdulden musste – und doch war es für mich so, als wäre sie da gewesen, weil sie eben nie aus seinem (Unter-)Bewusstsein verschwunden ist. Dass Kadrey ihre emotionale Verbindung auf eine Weise herausarbeitete, die sogar mich vergessen ließ, dass Alice seit vielen Jahren tot ist, spricht von einem Talent, das wirklich beeindruckend ist.
Trotzdem sehe ich „Aloha from Hell“ nicht völlig unkritisch. Ich fand, dass Kadrey die Szenen in der Hölle zu schnell abhandelte. Im Vergleich zum Vorgeplänkel war mir dieser Part zu kurz und etwas zu unübersichtlich. Ich weiß zwar, dass Kadrey großen Spaß daran hat, seine Leser_innen vor vollendete Tatsachen zu stellen, sie zu schockieren und ihnen Haarsträubendes um die Ohren zu schlagen, ohne eine Erklärung abzugeben, aber da die Hölle für Stark ein Ort ist, mit dem er viele widerstreitende Gefühle verbindet, hätte ich mir mehr Tiefe in der Handlung gewünscht. Außerdem verschenkte Kadrey meiner Meinung nach einiges an Potential, indem er ein Zusammentreffen mit einer faszinierenden Persönlichkeit aus der Geschichte oberflächlich und beiläufig gestaltete.
Letztendlich hatte ich aber doch wieder eine Menge Spaß mit Stark. „Aloha from Hell“ ist vielleicht nicht perfekt, mein Lesevergnügen war jedoch enorm. Und darauf kommt es schließlich an.

 

Ich hoffe wirklich, dass Richard Kadrey nie aufhört, „Sandman Slim“ – Romane zu schreiben. In Kombination bieten Stark und seine übernatürliche Welt eine schier endlose Fläche zur Entwicklung, eine bunte Spielwiese, auf der jede noch so obszöne Idee ein Plätzchen finden kann. Ich hoffe, Kadrey schreibt sie alle auf. Ich möchte mich niemals von Stark verabschieden müssen. Irgendwann wird sich das vermutlich nicht vermeiden lassen, doch noch ist es nicht so weit.
Das Großartige an dieser Reihe ist, dass sie so unberechenbar ist, obwohl man vor dem Lesen genau weiß, worauf man sich einlässt. Stark ist ein Wirbelwind aus chaotischer Energie, der am Beginn einer Geschichte selbst nie weiß, wo er landen wird.
Kadreys Reihe ist eine Bereicherung für die Urban Fantasy – es ist eine Schande, dass sie so unbekannt ist. Darum kann ich euch nur einen Rat geben: geht los, kauft einen „Sandman Slim“ – Roman und lernt meinen Freund Stark kennen!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/12/12/richard-kadrey-aloha-from-hell
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