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review 2015-12-12 11:15
Mit Hoodoo und Bullshit wird's schon gehen!
Aloha from Hell - Richard Kadrey

Richard Kadrey ist mein Lieblings-Urban-Fantasy-Autor. Er ist einfach der Beste, wenn es darum geht, harte, witzige, makabre Geschichten zu schreiben, die Magie und Übernatürliches in unsere Welt katapultieren. Bei ihm gibt es keine glitzernden Vampire, keine schmusigen Werwölfe und erst recht keine jungen Frauen, die sich in all ihrem Herzschmerz mit Wonne suhlen. Seine Welt ist die Welt von James Stark aka Sandman Slim, mäßig begabter Hexer, Nephilim und Ex-Höllengladiator. Er ist nicht nett, er hat ein Alkoholproblem und sein Motto lautet „Mit Hoodoo und Bullshit wird’s schon gehen“. Kurz gesagt: ich liebe ihn! „Aloha from Hell“ ist der dritte Band der Reihe und ich freute mich riesig auf ein Wiedersehen mit Stark, seinen Gefährten und seinen Feinden!

 

Wieder einmal regiert die Langeweile in Starks Leben. Das Golden Vigil ist zerschlagen und Luzifer kehrte in den Himmel zurück. Seit er Los Angeles abermals rettete, war Stark brav und arrangierte sich mit dem Engel in seinem Kopf. Aber Stark wäre nicht Stark, hätte er nicht noch ein paar offene Rechnungen, die beglichen werden wollen. Da sich Luzifer kurzerhand aus dem Staub machte, versinkt die Hölle dank Mason im Chaos. Das könnte Stark natürlich egal sein, hätte Mason sich nicht mit Aelita verbündet, die weiterhin der fixen Idee nachjagt, Gott zu töten. Gemeinsam planen sie, Himmel und Hölle zu zerstören und dabei auch gleich noch Stark zu beseitigen. Sie spielen seine größte Schwachstelle gegen ihn aus und entführen Alice aus dem Himmel. Stark hat keine Wahl. Er muss ein weiteres Mal in die Hölle hinabsteigen. Sandman Slim kehrt heim.

 

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr ein Buch aufschlagt, ein paar Sätze lest und es ist wie nach Hause kommen? So empfinde ich die Bände der „Sandman Slim“ – Reihe. Ich habe stets das Gefühl, Stark so gut zu kennen, als wäre er mein Freund, mit dem ich mich regelmäßig auf ein Bier treffe. Er erzählt mir von seinen Abenteuern und obwohl ich mir recht gut vorstellen kann, worauf seine Geschichten hinauslaufen, überrascht er mich doch jedes Mal mit den Details. Er ist ein Bastard, aber ein Bastard, den man einfach lieben muss. Manchmal vergesse ich, dass er nicht real ist, denn er ist so realistisch und greifbar gezeichnet, dass ich mich ihm ungeheuer nah fühle. Für mich ist es genau das, was die Reihe auszeichnet. In der Urban Fantasy bekommt man es oft mit Charakteren zu tun, deren Eindimensionalität durch eine actiongeladene Handlung vertuscht werden soll. Richard Kadrey hingegen vereint Action, fiesen Galgenhumor und einen psychologisch vielschichtigen Protagonisten zu einem stimmigen Gesamtbild. Stark ist unter seiner harten Schale noch immer verloren und ziellos. Daher habe ich mich über seine Rückkehr in die Hölle überhaupt nicht gewundert. Offiziell steigt er natürlich nur hinab, um Alice zu retten, aber inoffiziell war es lediglich eine Frage der Zeit, wann er das Leben auf der Erde nicht mehr ertragen würde. Stark findet keinen Lebenssinn. Die Arena und die Spielregeln der Hölle waren mehr als 10 Jahre seine Welt und so sehr er es auch zu leugnen versucht, diese Welt ist ihm vertrauter als unsere. Er ist noch immer nicht über Alice hinweg und kann nicht loslassen. Mir war gar nicht klar, wie unheimlich präsent sie all die Zeit über in seinen Gedanken war; das wurde mir erst bewusst, als er ihr in der Hölle begegnet. Sie hat nichts von all dem mitbekommen, was Stark jahrelang erlebt hat und erdulden musste – und doch war es für mich so, als wäre sie da gewesen, weil sie eben nie aus seinem (Unter-)Bewusstsein verschwunden ist. Dass Kadrey ihre emotionale Verbindung auf eine Weise herausarbeitete, die sogar mich vergessen ließ, dass Alice seit vielen Jahren tot ist, spricht von einem Talent, das wirklich beeindruckend ist.
Trotzdem sehe ich „Aloha from Hell“ nicht völlig unkritisch. Ich fand, dass Kadrey die Szenen in der Hölle zu schnell abhandelte. Im Vergleich zum Vorgeplänkel war mir dieser Part zu kurz und etwas zu unübersichtlich. Ich weiß zwar, dass Kadrey großen Spaß daran hat, seine Leser_innen vor vollendete Tatsachen zu stellen, sie zu schockieren und ihnen Haarsträubendes um die Ohren zu schlagen, ohne eine Erklärung abzugeben, aber da die Hölle für Stark ein Ort ist, mit dem er viele widerstreitende Gefühle verbindet, hätte ich mir mehr Tiefe in der Handlung gewünscht. Außerdem verschenkte Kadrey meiner Meinung nach einiges an Potential, indem er ein Zusammentreffen mit einer faszinierenden Persönlichkeit aus der Geschichte oberflächlich und beiläufig gestaltete.
Letztendlich hatte ich aber doch wieder eine Menge Spaß mit Stark. „Aloha from Hell“ ist vielleicht nicht perfekt, mein Lesevergnügen war jedoch enorm. Und darauf kommt es schließlich an.

 

Ich hoffe wirklich, dass Richard Kadrey nie aufhört, „Sandman Slim“ – Romane zu schreiben. In Kombination bieten Stark und seine übernatürliche Welt eine schier endlose Fläche zur Entwicklung, eine bunte Spielwiese, auf der jede noch so obszöne Idee ein Plätzchen finden kann. Ich hoffe, Kadrey schreibt sie alle auf. Ich möchte mich niemals von Stark verabschieden müssen. Irgendwann wird sich das vermutlich nicht vermeiden lassen, doch noch ist es nicht so weit.
Das Großartige an dieser Reihe ist, dass sie so unberechenbar ist, obwohl man vor dem Lesen genau weiß, worauf man sich einlässt. Stark ist ein Wirbelwind aus chaotischer Energie, der am Beginn einer Geschichte selbst nie weiß, wo er landen wird.
Kadreys Reihe ist eine Bereicherung für die Urban Fantasy – es ist eine Schande, dass sie so unbekannt ist. Darum kann ich euch nur einen Rat geben: geht los, kauft einen „Sandman Slim“ – Roman und lernt meinen Freund Stark kennen!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/12/12/richard-kadrey-aloha-from-hell
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review 2015-11-18 10:04
Ein Meisterwerk - ich war so blind!
A Game of Thrones - George R.R. Martin

Ich habe dem Hype um George R.R. Martins populäre High Fantasy Reihe „A Song of Ice and Fire“ sehr lange widerstanden. Es gibt eigentlich keinen plausiblen Grund dafür. Ich empfand einen diffusen Widerwillen der Reihe gegenüber, der einfach damit zu tun hatte, dass alle Welt sie in den Himmel lobt. Die Verfilmung als Serie machte es noch schlimmer, weil plötzlich sogar Menschen davon schwärmten, die sonst kaum oder gar nicht lesen. Das war kleinlich, ich weiß. Ende letzten Jahres habe ich dann nachgegeben und den ersten Band gekauft. Die Neugier siegte. Doch bis ich bereit war, „A Game of Thrones“ auch zu lesen, musste noch einmal einige Zeit vergehen.

 

Lord Eddard Stark von Winterfell wäre vollauf zufrieden gewesen, sein Leben lang über seine Ländereien im kalten Norden zu herrschen, Seite an Seite mit seiner Frau Lady Catelyn und umgeben von seinen Kindern. Doch das Schicksal hat andere Pläne. Als Lord Jon Arryn, die Hand des Königs, überraschend verstirbt, kündigt König Robert Baratheon seinen Besuch in Winterfell an. Der König und Eddard sind alte Freunde, Waffenbrüder, haben sich jedoch viele Jahre nicht gesehen. Eddard vermutet, dass Robert den weiten Weg nach Winterfell nicht ohne Grund auf sich genommen hat. Er behält Recht. Robert erwartet von ihm, dass er das Amt der Hand übernimmt. Obwohl Eddard keinerlei Interesse daran hat und den Norden nicht verlassen möchte, bleibt ihm keine andere Wahl, denn er ist einer perfiden Verschwörung auf der Spur. Der plötzliche Tod Jon Arryns war scheinbar nicht natürlichen Ursprungs. Er wurde ermordet. Eddard und Catelyn verdächtigen Haus Lannister, die machthungrige Familie der Königin. Welche Geheimnisse könnte Lord Arryn aufgedeckt haben, die ihn das Leben kosteten? Eddard begibt sich in das Herz der Macht. Das gefährliche Spiel der Throne beginnt…

 

Gott, war ich dämlich. Ich hätte wissen müssen, dass „A Game of Thrones“ und die Reihe „A Song of Ice and Fire“ die perfekte Lektüre für mich sind. Wie konnte ich nur so verbohrt sein? Ich hätte schon viel früher in die phänomenale Welt von George R.R. Martin eintauchen können und habe es aus eigener Blödheit abgelehnt. Ich kann nur den Kopf über mich selbst schütteln. Doch glücklicherweise werden Bücher ja nicht schlecht und ich konnte diese exorbitante Fehleinschätzung meinerseits korrigieren. Ich denke, ich wusste bereits auf der ersten Seite, dass „A Game of Thrones“ wie geschaffen für mich ist. Ich glitt ganz flüssig und problemlos in die Geschichte hinein, musste mich überhaupt nicht akklimatisieren und fand mich sofort zurecht. Martin hat eine großartige Art und Weise, seine Leser_innen von der ersten Sekunde an zu fesseln und regelrecht in sein Buch hinein zu saugen. Ich bin begeistert, mit welcher Leichtigkeit er einen soliden, kontinuierlichen und ruhigen Spannungsbogen konstruierte. Die Ereignisse überschlagen sich nicht, sie entwickeln sich natürlich auf anhaltend hohem Niveau. Er braucht keine reißerischen Actionkicks, sondern integriert an strategisch sinnvollen Stellen wohl durchdachte Spannungshochs. Er erschafft eine bombastische, greifbare Atmosphäre und malt ein Landschaftsgemälde mit Worten. Jedes Fleckchen seiner Welt hat einen eigenen, realistischen Charakter, von der eisigen Härte der Mauer am nördlichen Rand der Sieben Königreiche bis zur endlosen Weite des Dothrakischen Meers. Inmitten dieser wilden Schönheit spielen die Menschen ihr Spiel um Macht und Einfluss. Ich liebe die vielen Intrigen und Geheimnisse; in Westeros hat jede_r Dreck am Stecken, von den Kindern mal abgesehen, die einfach noch nicht alt genug sind, um bereits Leichen in ihrem Keller anzuhäufen. Noch. Selbst in den jüngsten sehe ich schon jetzt das Potential zu einer weiteren Generation der Ränkeschmiede und kann es kaum abwarten zu erleben, wie sie erwachsen werden. Werden sie auch nur ansatzweise so verschlagen und manipulativ wie ihre Eltern, sehe ich schwarz für eine friedliche Zukunft. Die Animositäten zwischen den Familien haben fast schon Tradition; jedes Haus verfolgt eigene Ziele und Pläne. Dadurch fiel es mir leicht, die vielen Figuren auseinander zu halten, denn sie erschienen mir real und wahrhaft lebendig. Kein einziger Charakter ist nur oberflächlich oder nachlässig gezeichnet – George R.R. Martin schreibt keine Komparsen. Er schreibt dominante, präsente, starke Persönlichkeiten, die meine Aufmerksamkeit nicht nur eroberten, sondern nachdrücklich einforderten. Aus Handlung und Figuren ergab sich so das Gesamtbild einer hochgradig komplexen Geschichte, die ihr wahres Gesicht meiner Ansicht nach noch gar nicht gezeigt hat. „A Game of Thrones“ scheint die Dokumentation extensiver Familienfehden und Machtkämpfe zu sein, doch ich bin sicher, deutliche Hinweise auf eine wesentlich unheimlichere, gefährlichere Entwicklung erkannt zu haben. Winter is coming

 

„A Game of Thrones“ ist ein Meisterwerk. Ich flippe (innerlich) völlig aus, wenn ich daran denke, dass da eine ganze Reihe auf mich wartet, jeder einzelne Band ähnlich brillant wie der erste. Ich kann nicht glauben, dass ich mich so lange gewehrt habe und begreife nicht, wie ich so blind sein konnte. Den ersten Band wollte ich nicht mehr aus der Hand legen und ich verkünde hiermit stolz, dass ich nun auch zu den Infizierten gehöre. Und zu den coolen Kids. ;)
Wer High Fantasy liebt, muss „A Game of Thrones“ einfach lesen. Obwohl die Geschichte bisher nur dezente übernatürliche Elemente enthält, hat sie alles, was wir an diesem Genre so sehr schätzen. Der erste Band ist ein schriftgewordenes Versprechen auf all das, was da noch kommen mag. Macht nicht den gleichen Fehler wie ich. Versagt euch „A Game of Thrones“ nicht, nur, weil euch der Hype nervt. Der Hype besteht zu Recht. Das Buch verdient ihn, wird ihm gerecht und übertrifft ihn noch.

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