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review 2019-02-05 10:45
Ich muss hellseherische Kräfte haben
Partials (Partials, #1) - Dan Wells

Dan Wells und ich haben eines gemeinsam: wir haben beide „Die Welt ohne uns“ von Alan Weisman gelesen. In meinem Fall führte die Leseerfahrung zu der Erkenntnis, dass unser Fußabdruck auf der Erde fast ausschließlich negativ wäre, würden wir plötzlich verschwinden. In Dan Wells‘ Fall beeinflusste die Lektüre das Design der Dystopie in seiner Young Adult Science-Fiction-Trilogie „Partials Sequence“. Er orientierte sich bei seiner Beschreibung einer verlassenen Welt stark an Weismans wissenschaftlichem Gedankenspiel. Das war ihm nur möglich, weil seine Zukunftsvision nicht auf physischer Zerstörung beruht, beispielsweise durch eine Bombe. In seiner Apokalypse kam die Katastrophe auf leisen Sohlen: in Form eines Virus.

 

Beinahe jeden Tag hält die 16-jährige Medizinstudentin Kira ein totgeweihtes Neugeborenes in ihren Armen. Seit die Partials vor über einem Jahrzehnt das RM-Virus freisetzten, das die Menschheit nahezu ausrottete, wurde kein einziges gesundes Baby geboren. Die meisten Säuglinge überleben nur wenige Tage. Nicht einmal verzweifelte Fortpflanzungsgesetze können das Unausweichliche aufhalten. Ohne ein Heilmittel stirbt Kiras Gemeinschaft auf Long Island langsam aus. Als ihre Ziehschwester Madison schwanger wird, hält sie ihre Hilflosigkeit nicht länger aus. Es muss eine Heilung geben. Die Forschung muss etwas übersehen haben. Um Madisons Baby zu retten, entwickelt Kira einen waghalsigen Plan. Will sie RM besiegen, braucht sie Antworten von denjenigen, die das Virus erschufen: den Partials. Sie muss eine der biomechanischen künstlichen Intelligenzen gefangen nehmen, sie befragen und untersuchen. Sie weiß, dass sie einen weiteren Krieg riskiert. Aber ist die Zukunft der Menschheit das Risiko nicht wert?

 

Ich bin schwer enttäuscht von Dan Wells. „Partials“ fehlt genau das, was mich an seiner „John Cleaver“-Reihe beeindruckt: Glaubwürdigkeit und Originalität. Peinlich, bedenkt man, dass der jugendliche Soziopath gegen übernatürliche Dämonen kämpft, während die gesamte Konzeption des YA-SciFi-Trilogieauftakts auf wissenschaftlichen Erklärungen beruht. Ich fühlte mich zu clever für das Buch und kaufte Wells entscheidende Details einfach nicht ab. Erstaunlicherweise war es jedoch nicht die Dystopie selbst, die meine Stirn in zweifelnde Falten legte. Zwar trägt der Konflikt zwischen Schöpfer und Schöpfung, verkörpert durch Menschheit und die K.I. Partials, längst einen grauen Bart, aber mir gefiel die Ergänzung des Virus RM, dessen tödliche Auswirkungen den Fortbestand der menschlichen Spezies bedrohen. Eine interessante Idee, die Wells mit gebührender Konsequenz verfolgt. Jede Facette des Lebens der 16-jährigen Protagonistin Kira wird von RM beeinflusst. Da es bisher kein Heilmittel gibt, sieht die notdürftige Regierung keine andere Möglichkeit, als junge Frauen zur Fortpflanzung zu verpflichten. In der Hoffnung, dass irgendwann ein immunes Baby geboren wird, setzen sie das Alter für eine Schwangerschaft immer weiter herunter, was natürlich nicht nur auf Zustimmung stößt. Die Gesellschaft ist gespalten und die Angst vor den Partials sitzt vor allem der älteren Bevölkerung, die sich bewusst an den Krieg erinnert, tief in den Knochen. Mit diesen Rahmenbedingungen konnte ich mich gut anfreunden. Womit ich mich hingegen nicht anfreunden konnte, war die viel zu große Rolle, die Wells seiner Protagonistin aufzwang. Als ihre Ziehschwester Madison schwanger wird, beschließt Kira, im Alleingang und in Rekordzeit das zu schaffen, was wesentlich klügeren Köpfen misslang: RM zu heilen. Nun habe ich überhaupt kein Problem mit ehrgeizigen Ambitionen – ich verstand Kiras Beweggründe und gestand ihr einen Versuch zu. Mein Problem bestand darin, dass Dan Wells in „Partials“ niemals in Frage stellt, ob es für eine 16-jährige Medizinstudentin nicht vielleicht etwas unrealistisch sein könnte, allein innerhalb weniger Wochen ein Virus zu heilen, das die Menschheit seit einem Jahrzehnt plagt. Sie mag ja ein begnadetes Talent für Virologie besitzen, aber meines Wissens nach ist die Suche nach einem Heilmittel ein Projekt, dem eine ganze Armee voll ausgebildeter Wissenschaftler_innen ihr gesamtes Leben widmen muss. Ebenso halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass vor ihr angeblich niemand die Partials untersuchen wollte, besonders angesichts des hohen kollektiven Leidensdrucks. Angst hin oder her, zu Zeiten des Krieges muss es Kriegsgefangene gegeben haben. Die Menschheit ist nicht so nobel, dass mit diesen nicht experimentiert worden wäre.  Aber klar, Kira ist die Heldin, die wagt, was außer ihr niemand wagt und hat dabei natürlich auch noch echte Chancen auf Erfolg. Logisch. Durch diesen Heldinnenstatus ist „Partials“ ermüdend vorhersehbar. Ich erinnere mich, dass ich während der Lektüre eines Abends differenziert über den weiteren Handlungsverlauf spekulierte – ich lag mit jeder Mutmaßung richtig. Entweder habe ich hellseherische Kräfte, oder das Buch ist wirklich so berechenbar.

 

Ich wünschte, „Partials“ wäre überraschender gewesen. Ich wünschte, ich hätte nicht zusehen müssen, wie exakt das eintrat, was auch in der Handlung jeder anderen beliebigen YA-Dystopie hätte passieren können. Strahlende Heldin, plakative Dramatik, Verrat, Geheimnisse, große Offenbarung, bla bla bla. Zwischendrin tanzen mal blasse Nebenfiguren über die Bühne, die sich ebenso wenig wie Kira mit der präzisen, psychologisch fundierten Charakterisierung eines John Cleaver messen können. Alles ist so… gewöhnlich. Ich habe nicht erwartet, von Dan Wells dermaßen enttäuscht zu werden. Ich habe ihm nicht zugetraut, dass er einen Roman schreiben könnte, der in diesem Maße von Stereotypen und Klischees gebeutelt ist. Ich dachte, er wäre ein Autor, auf dessen unkonventionelle Ideen ich mich verlassen könnte. Tja, da hat die Young Adult – Falle wohl zugeschnappt. Ich verzichte darauf, die „Partials Sequence“ weiterzulesen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/05/dan-wells-partials
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review 2017-06-07 09:18
Keine Struktur, kein roter Faden
Die Dunkelmagierin - Arthur Philipp

Pseudonyme sind für mich ein ständiges Ärgernis. Es wurmt mich, wenn ich nicht weiß, wer ein Buch geschrieben hat und ich keine zusätzlichen Informationen recherchieren kann. „Die Dunkelmagierin“, ein Rezensionsexemplar von Random House, erschien ebenfalls unter einem Pseudonym. Arthur Philipp ist ein erfolgreicher deutscher Autor, der 1965 geboren wurde und heute in Mainz als Journalist und Kabarettist arbeitet. Diese Hinweise sind so markant, dass eine simple Suchanfrage die Antwort darauf lieferte, wer Arthur Philipp höchstwahrscheinlich ist. Das war fast zu leicht, weshalb ich mich frage, welchen Zweck das Pseudonym erfüllen soll. Aber keine Sorge liebe Random House Gruppe, ich werde es nicht verraten.

 

Einst waren die Utorer gezwungen, ihr Königreich zu verlassen und den Lavaströmen eines wütenden Vulkans zu überlassen. Sie fanden eine neue Heimat auf der Insel Edun, die bis in den letzten Winkel von Magie durchdrungen war. Die Zauberer des Königs zapften die Magie an, blind für den Schaden, den sie anrichteten. Denn Edun war keineswegs unbewohnt. Das Volk der Weren musste hilflos zusehen, wie ihnen ihre Heimat entrissen wurde und die zauberhafte Kraft, die alles verband, langsam versiegte. Sie nannten die Eindringlinge Aschlinge.
Viele Jahre später wird die junge Feja in den Orden der Grauen Magier aufgenommen und dort ausgebildet. Fejas magisches Talent ist ein Rohdiamant: stark und rein, aber ungeschliffen. Ihre Meister erkennen ihr ungeheures Potential und wollen ihre Macht nutzen, um den Orden zu alter Größe zurückzuführen. Doch der Orden ist tief gespalten und Feja muss schnell lernen, dass sie niemandem trauen kann. Ihr Schicksal ist ungewiss. Ist Feja möglicherweise nicht die Zukunft des Grauen Ordens, sondern die Erfüllung einer alten Prophezeiung der Weren, laut der ein Held das unterjochte Volk befreien und die Herrschaft der Aschlinge brechen wird?

 

Ich tat mich furchtbar schwer damit, den Inhalt von „Die Dunkelmagierin“ zusammenzufassen. Manchmal sind diese Schwierigkeiten ein Anzeichen dafür, dass ein Buch komplexer ist, als ich angenommen hatte, in diesem Fall sind sie allerdings eher eine Bestätigung dessen, was ich bereits während der Lektüre empfand: „Die Dunkelmagierin“ ist wirr und unnötig umständlich. Ich gebe es ungern zu, aber ich habe kaum Gutes über diesen Reihenauftakt zu berichten. Meiner Meinung nach wollte Arthur Philipp einfach zu viel. Die Geschichte enthält einige interessante, spannende Ansätze, diese versinken jedoch in einer Flut inkohärent und inkonsequent aneinander gereihter Komponenten. Mir fehlte Struktur, eine klare, logische Ordnung, die alles verbindet, als hätte der Autor seine Ideen in die Luft geworfen und just so aufgeschrieben, wie sie landeten.
Wir lernen die etwa 14-jährige Protagonistin Feja kennen, bevor sie in den Grauen Orden aufgenommen wird. Die Graumagier haben Interesse an ihr, weil ihr magisches Talent aufgrund der Mondkonstellation zum Zeitpunkt ihrer Geburt beträchtlich ist. Ich mochte das Konzept der Mondmagie sehr, doch leider erweiterte und verkomplizierte Arthur Philipp sein Magiesystem mit Fejas Eintritt in den Orden fortwährend, sodass ich rückblickend nicht in der Lage bin, es zu erklären. Ich habe nicht verstanden, wie alles zusammenhängt, woher Magier_innen nun Macht beziehen und wieso es neben dem Orden der Graumagier weitere Orden gibt. Himmel, ich habe ja nicht einmal begriffen, wie der Graue Orden strukturiert ist und nach welchen Regeln und Gesetzen seine Mitglieder leben. Sind sie Assassinen? Ich weiß es nicht. Ihr Hauptquartier, die Graufeste, wirkte wie ein Bauernhof mit einem großen grauen Klotz in der Mitte, in dem Feja hauptsächlich Hilfsarbeiten erledigt, statt eine geordnete Ausbildung zu erhalten. Philipp ließ mich kaum an ihrem Unterricht teilhaben, weshalb ich nicht definieren könnte, was genau sie dort eigentlich lernt. Oh, doch, Fechten. Das muss eine Zauberin unbedingt können. Ich habe nicht das Gefühl, dass ihr die Aufnahme in den Orden irgendeinen Vorteil brachte, weil sie die entscheidenden Schritte bezüglich der Kontrolle ihrer Fähigkeiten ohnehin eigenständig absolvieren muss. Dass sie diese Hürden meistert, erschien mir wie ein Wunder, da sich Feja meiner Ansicht nach nicht mal allein die Schuhe zubinden kann. Sie ist eine fürchterliche Heldin, schwach und infantil. Ich fand sie unfassbar nervig und hatte überhaupt keinen Draht zu ihr. Sie ist naiv, weltfremd, gutgläubig und lächerlich mühelos zu manipulieren. Außerdem seufzt das Mädchen ständig! Ehrlich, Seufzen ist ihre Standardreaktion, als wäre sie eine weltverdrossene alte Schachtel. Und die soll die große Hoffnung der Weren sein? Na Prost Mahlzeit.

 

„Die Dunkelmagierin“ begann verheißungsvoll und verschlechterte sich dann Seite um Seite. Wie viel hätte Arthur Philipp aus der reizvollen Ausgangssituation herausholen können, hätte er nicht all seine Ideen wild durcheinandergewirbelt. Ich erkenne keine ordnende Hand, keine Autorität seitens des Autors und kann mit diesem Chaos nichts anfangen. Verwirrung war das vorherrschende Gefühl während der Lektüre, denn ich begriff nicht, worauf er hinauswollte und empfand die Handlung als irritierend ziellos. Normalerweise habe ich Verständnis dafür, dass ein Reihenauftakt die schwere Aufgabe erfüllen muss, eine komplett neue Welt zu etablieren, aber Arthur Philipp versagte dabei meiner Meinung nach. Ich denke, er hatte zu wenig Geduld, wollte sofort jeden Aspekt seines Universums vorstellen, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Es ist nichts falsch daran, einige Geheimnisse und Facetten erst in den Folgebänden zu offenbaren. Für mich erstickte die schiere Fülle unzusammenhängender Informationen jedes Bedürfnis, die Reihe „Der Graue Orden“ weiterzuverfolgen. Nicht einmal das offene Ende von „Die Dunkelmagierin“ kann mich davon überzeugen, der Fortsetzung „Die Feuerdiebin“ eine Chance zu geben.

 

Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House und den Verlag blanvalet für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/06/07/arthur-philipp-die-dunkelmagierin
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review 2016-10-25 10:00
Fressen oder gefressen werden
Red Moon - Benjamin Percy

„Red Moon“ von Benjamin Percy wurde mir im Oktober 2014 von Klingenfänger empfohlen, nachdem ich in einer Rezension den Gedanken äußerte, dass ich gern eine Werwolf-Vampir-Dystopie lesen würde. Ich wollte eine Geschichte erleben, die Vampirismus und/oder Lykanthropie aus der Fantasy-Ecke heraushebt und sie in den Kontext der Science-Fiction setzt. Wissenschaftliche Ansätze statt Magie. Percy ist ein vielfältiger Autor, der nicht nur Romane und Kurzgeschichten verfasst, sondern auch für DC Comics arbeitet und sich zusätzlich als Drehbuchautor verdingt. Ein richtiger Allrounder. Ich war gespannt, welche wissenschaftliche Erklärung er mir für die Existenz von Werwölfen anbieten würde.

 

Lykaner sind ein Teil der Gesellschaft. Sie sind integriert. Sie leben unauffällig und angepasst. Sie beugen sich den Gesetzen, die die USA erließen, um nicht-infizierte Menschen zu schützen. Sie sind Taxifahrer_innen, Lehrer_innen, Handwerker_innen. Sie sind deine Nachbarn. Sie sind die schlafende Bedrohung in unserer Mitte. Die Regierung beteuert, die Situation unter Kontrolle zu haben. Eine verhängnisvolle Lüge. Im Untergrund regt sich der Widerstand: Lykaner, die nicht davor zurückschrecken, Menschenleben zu opfern, um ihre Forderungen durchzusetzen. Radikale Anschläge verbreiten Angst und Terror. Schon bald werden die Grenzen der Menschlichkeit auf die Probe gestellt. Graut der Morgen nach der Nacht des roten Mondes, wird eine neue Welt geboren, in der Menschen nicht länger die Spitze der Nahrungskette sind.

 

Benjamin Percy hat meinen Wunsch nach einem wissenschaftlichen Werwolf-Szenario voll und ganz erfüllt. „Red Moon“ ist ein spannender Mix aus Werwolf-Roman und politischem Thriller, eine faszinierende Analogie zu unserer Realität. Es weist sowohl Merkmale der Urban Fantasy als auch der Science-Fiction auf, ist aber doch ganz anders. Individuell. Überraschend. Anfangs wollte ich das Buch als Dystopie einordnen, musste allerdings einsehen, dass diese Klassifizierung unzutreffend ist, weil „Red Moon“ nicht der Duden-Definition einer „fiktionale[n], in der Zukunft spielende[n] Erzählung mit negativem Ausgang“ entspricht. „Red Moon“ spielt nicht in der Zukunft. Es spielt im Hier und Jetzt, in einer alternativen Gegenwart, in der Werwölfe ein fester Bestandteil der Weltgeschichte sind. Percy schildert nicht den Ausbruch der Lykanthropie, er beleuchtet deren Folgen anhand der Schicksale dreier Hauptcharaktere. In der Rolle des Chronisten malt er nüchtern das Bild einer Gesellschaft, die Angst vor sich selbst hat. Ich bewundere ihn für seine scharfsichtige Analyse, für die realistische Antwort auf die Frage, wie unsere Welt aussähe, gäbe es ein Virus, das Menschen in Lykaner verwandelt. Wer glaubte, Menschen und Werwölfe könnten friedlich koexistieren, hat das Wesen der Menschheit nicht begriffen. Wir sind eine aggressive Spezies, die alles zerstört, was als Bedrohung erscheint. Angriff ist die beste Verteidigung. Fressen oder gefressen werden. Ironischerweise eskalieren die Ereignisse in „Red Moon“ aufgrund dieser Einstellung, nicht aufgrund des Bedrohungspotentials der Lykaner. Die Versuche der Regierung, Kontrolle auszuüben, bringen die Lykaner in eine unmögliche, inakzeptable Lage. Im Verlauf der Handlung werden alle Lykaner unter Generalverdacht gestellt, ihre Bürgerrechte, auf die die USA so viel Wert legen, werden mit Füßen getreten. Ein Schelm, wer da Parallelen zum reellen Kampf gegen den islamistischen Terror sieht. Sie werden für ein genetisches Merkmal diskriminiert. Sie müssen sich als Lykaner markieren lassen, müssen eine Droge ein Medikament einnehmen, das sie daran hindert, sich zu verwandeln und ihren Verstand in ein Gefängnis sperrt. Wer Volpexx nicht schluckt, bricht das Gesetz – Lykaner haben nur die Wahl, hirntot oder kriminell zu sein. Erst die unwürdigen Regulierungen zwingen viele Werwölfe zu handeln, nachdem sie Großteils jahrzehntelang friedlich und angepasst lebten. Die meisten Lykaner empfinden sich als Menschen, obwohl sie theoretisch eine überlegene, weiterentwickelte Mutation sind. Sie haben kein Interesse daran, ihre Position als Spitzenprädatoren auszuleben und wollen nur in Ruhe gelassen werden. Der radikale Widerstand ist eine Minderheit innerhalb der Werwolf-Population, wird jedoch von Medien und Regierung größer gemacht, als er tatsächlich ist und provoziert auf diese Weise übertriebene, kopflose, unlogische Angstreaktionen. Die Situation putscht sich hoch bis zum Bürgerkrieg – hat da jemand „Happy End“ gesagt? Am Ende eines realistischen Szenarios wie „Red Moon“ kann es keinen Ritt in den Sonnenuntergang geben und ich bin froh, dass Benjamin Percy es gar nicht erst versuchte. Stattdessen endet das Buch so, wie es enden musste: offen, voller ungeklärter Fragen und viel Raum für Zukunftsspekulationen.

 

„Red Moon“ ist mit dem gemeinen Werwolf-Roman nicht zu vergleichen. Es ist kompromissloser. Origineller. Intelligenter. Es ist die Chronik einer gespaltenen Gesellschaft, ein Spiegelbild der unseren, in der die Lykaner symbolisch für all die Gruppen stehen, die in der Realität ausgegrenzt und diskriminiert werden. Hass erzeugt Hass. Gewalt erzeugt Gewalt. Benjamin Percy bietet keine Lösung für soziale Konflikte an, sein Buch vermittelt keine Moral. Er bildet lediglich ab und überspitzt die Situation, indem er nicht Menschen gegen Menschen, sondern Spezies gegen Spezies kämpfen lässt. Ich kann darüber hinwegsehen, dass sich sein Schreibstil etwas schwerfällig liest und ich mich während der Lektüre antreiben musste, um vorwärts zu kommen, denn der Aufwand hat sich gelohnt. „Red Moon“ faszinierte mich, in all seiner brutalen Scharfsinnigkeit. Meiner Ansicht nach ist es äußerst lesenswert. Sollte euch allerdings an einem romantisierten, idealisierten Bild von Werwölfen gelegen sein, solltet ihr einen Bogen darum machen. Kuschlig und schmusig? Nein. Bestialisch.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/10/25/benjamin-percy-red-moon
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review 2016-07-30 11:06
I would die for my country but I'd rather kill for it
The Autumn Republic - Brian McClellan

Die monatelange Reise hinter feindlichen Linien, stets auf der Flucht vor den Kez, hat ein Ende. Feldmarschall Tamas und seine Pulvermagier sind wieder in Adro. Der Feldmarschall ahnt nicht, dass ihn in seiner Heimat unangenehme Überraschungen erwarten. Er plant, sich schnellstmöglich mit den verbliebenen Truppen Adros zu vereinigen, doch die Armee ist durch Verrat tief gespalten und wurde in eine desaströse Lage manövriert. Sein Sohn Taniel Two-shot ist gezwungen, sich vor seinen eigenen Kameraden in den Bergen zu verstecken. Seine einzige Verbündete ist Ka-Poel, deren fremdartige, beängstigende Magie den Gott Kresimir in Ketten legte. Nun befindet sich die Essenz des Gottes in den Händen einer jungen Frau, die rein instinktiv handelt. Taniel muss sie und ihre riskante Fracht unbeschadet nach Adro bringen, weit weg von den Kez, um zu verhindern, dass der Gott erneut erwacht und in den Krieg eingreift.
Währenddessen wird in Adros Hauptstadt Adopest die erste demokratische Wahl vorbereitet. Die Ernennung eines Ersten Ministers soll das Machtvakuum füllen, das Tamas‘ Putsch hinterließ. Einer der Kandidaten ist der undurchsichtige Lord Claremonte, dessen Geheimnisse Inspektor Adamat beunruhigen. Er ist überzeugt, dass Claremonte mehr ist, als er zu sein vorgibt und sein Wahlsieg katastrophale Folgen hätte.
Adro gleicht einem Pulverfass. Das Land steht am Scheideweg. Erwartet die Menschen eine Zukunft in Frieden und Freiheit oder eine Zukunft im Zeichen der Gewalt?

 

Es verblüfft mich immer noch, dass mich militärische Fantasy zu begeistern vermag. Brian McClellans fabelhafte „Powder Mage“ – Trilogie überzeugte mich von diesem Subgenre und beseitigte meine Skrupel, sodass ich nun bereit bin, es für mich zu erforschen. Ich habe entdeckt, dass ich für das Gemeinschaftsgefühl und die Loyalität einer Armee sehr empfänglich bin. Ich kann nachvollziehen, warum sich Männer und Frauen entscheiden, unter einem charismatischen Anführer wie Feldmarschall Tamas zu dienen und ihm bis in den Tod folgen. Seine Überzeugungskraft ist unglaublich. Lauscht man seinen Worten, besteht kein Zweifel, dass man für das Richtige kämpft, dass seine Ideen es wert sind, das eigene Leben zu opfern – für eine bessere Zukunft, die in „The Autumn Republic“ mit einer Präsidialrepublik gleichgesetzt ist. Adro an der Schwelle zur Demokratie zu erleben fand ich unheimlich aufregend. Zum ersten Mal erhält das Volk eine Stimme und betritt einen Weg, der idealerweise zu mehr Gerechtigkeit und Freiheit für alle führt. Leider ist in diesem krisengeplagten Land niemals etwas einfach, weshalb es mich nicht überraschte, dass der nebulöse Lord Claremonte fest entschlossen ist, in Adros Politik einzugreifen. Mein tief verwurzeltes Misstrauen ihm gegenüber teilte ich mit Adamat, der sich der Aufgabe annimmt, Claremonte zu demaskieren. Er findet heraus, dass Claremonte seine Fühler schon viel länger nach Adro ausstreckt, als er öffentlich behauptet, was impliziert, dass er bestimmte Ereignisse zu seinen Gunsten manipulierte. Wer weiß, vielleicht hatte er auch beim Putsch die Finger im Spiel? Die Möglichkeit, dass Tamas all die Jahre von äußeren Mächten beeinflusst wurde, empfand ich als ungeheuerlich. Er würde alles für sein Land tun, strebt immerzu das Beste für Adro an und ist eventuell doch nur eine unwissende Marionette in einem Spiel, das sich seiner Kontrolle entzieht. Meiner Ansicht nach unterstreicht das die Tragik, die seine Figur umgibt und betont seine Erschöpfung, die erst jetzt zu spüren war. Zu Beginn der Trilogie strahlte er eine unbeugsame, eisenharte Energie aus, doch nun ist er müde. Er will nicht mehr kämpfen. Diese durchaus realistische Entwicklung erschreckte mich, weil ich Tamas gern als unbesiegbar betrachte. Die Entwicklung seines Sohnes Taniel hingegen war sehr erfreulich. Taniel durchlebt einen umfassenden, überzeugenden Reifungsprozess. Ein verzogener, wütender Junge wächst zu einem verantwortungsbewussten Mann heran. Sicherlich trägt Ka-Poel ihren Teil dazu bei, denn trotz ihrer Wehrhaftigkeit sorgt sich Taniel permanent um sie. Ihre Kräfte erscheinen mir noch immer mysteriös, während ich die Elementarmagie der Privilegierten nun sehr viel besser begreife. Es gefiel mir außerordentlich, dass Brian McClellan sich im finalen Band seiner Trilogie noch die Zeit nimmt, diese wichtige Komponente seines Universums zu erklären. Er wartete den perfekten Moment ab, sodass seine Erläuterungen elegant und natürlich wirken, statt losgelöst von der Handlung im Raum zu schweben. Obwohl er meiner Meinung nach ein hohes Maß an Kontrolle ausübt, beweist McClellan auf diese Weise, dass er seinen Figuren und seiner Geschichte genau den Raum zur Entfaltung zugesteht, die sie benötigen. Es lohnt sich, ihm zu vertrauen.

 

Die „Powder Mage“ – Trilogie ist mit „The Autumn Republic“ abgeschlossen. Doch die Geschichte Adros ist es meiner Empfindung nach nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn Brian McClellan irgendwann in der Zukunft noch einmal dorthin zurückkehrt. Ich hoffe es, schließlich verlässt man das Land zu Beginn einer neuen Ära. Adro erwarten wilde Zeiten und ich möchte nicht eine Sekunde davon verpassen. Vorerst werde ich mich allerdings damit zufriedengeben, ein anderes Land in McClellans Universum kennenzulernen: Fatrasta. Fatrasta ist der Schauplatz seiner nächsten Trilogie (?), deren erster Band „Sins of Empire“ im März 2017 erscheinen soll, welchen ich mir natürlich nicht entgehen lassen werde. Die „Powder Mage“ – Trilogie überzeugte mich von McClellans schriftstellerischem Talent und eröffnete mir eine Sparte der Fantasy, von der ich bisher annahm, sie würde nicht zu mir passen. Die drei Bände strotzen nur so vor Kreativität, Originalität, politischem Verständnis und strategisch-militärischem Wissen, vernachlässigen aber auch das Emotionale nicht. Ich fand diese Mischung großartig und kann euch die Trilogie guten Gewissens empfehlen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/07/29/brian-mcclellan-the-autumn-republic
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