Der Widerstand hat den Angriff der Adamitischen Akademie überlebt und in der Residenz der Faerfax ein neues Heim gefunden. Nun gilt es, zurückzuschlagen. Gerüchten zufolge besitzt Marduk, König von Libropolis‘ Unterwelt, eine Karte zum Sanktuarium, dem geheimnisvollen Versammlungsort der Drei Häuser. Mit der Sanktuariumskarte könnte der Widerstand die Akademie an ihrer empfindlichsten Stelle treffen. Allerdings wird Marduk das wertvolle Artefakt kaum freiwillig hergeben – so beschließen Furia, Cat, Finnian und Isis ihn mithilfe der Exlibri und Summerbelle, einer weiteren Bibliomantin, zu bestehlen. Doch ihr sorgfältig ausgearbeiteter Plan misslingt. In Marduks Hauptquartier zeigt sich, dass Furias Veränderung der bibliomantischen Welt gravierende Folgen hatte. Sie werden von einem Agenten der Akademie gestellt: Atticus Arbogast, Isis‘ früherer Mentor. Er ist bereit, alle anderen entkommen zu lassen, wenn Isis mit ihm geht und sich anhört, was er ihr zu sagen hat. Um ihre Freunde zu schützen, willigt Isis ein. Zurück in der Residenz wachsen jedoch die Zweifel an ihren Motiven. Ist Isis eine Verräterin? Furia ist empört und verteidigt ihre Freundin; sie will nicht glauben, dass Isis sie im Stich gelassen haben könnte. Als ein Unbekannter in die Residenz eindringt und der Widerstand einen weiteren herben Verlust verkraften muss, spitzt sich die Situation zu. Die bibliomantische Welt befindet sich im Wandel. Wird Furia Isis‘ Unschuld beweisen und die Adamitische Akademie in ihre Schranken weisen können?
Ich glaube, ich muss mir eingestehen, dass meine Euphorie für „Die Seiten der Welt“ vielleicht ein wenig… oberflächlich war. Als ich mich mit der Aufgabe konfrontiert sah, „Nachtland“ zu rezensieren, sind mir ein paar Punkte an dieser Fortsetzung aufgefallen, die auch auf den Trilogieauftakt zutreffen, die ich aber willentlich übersehen habe. Ich war hingerissen von der Bibliomantik und wollte mich unbedingt von der Geschichte begeistern lassen, sodass ich ignoriert habe, dass meine Gefühlswelt keineswegs vollends zufrieden war. Die Tatsache, dass ich Schwierigkeiten hatte, eine Rezension zu „Die Seiten der Welt“ zu Papier zu bringen, hätte Hinweis genug sein müssen. Die gleichen Schwierigkeiten durchlebe ich nun mit „Nachtland“ erneut; also sträube ich mich nicht länger und gebe zu, dass mein Urteil etwas vorschnell war. Was der emotionalen Ebene meines Ichs bei beiden Büchern zu schaffen machte, ist der Mangel an Emotionen. Ich ließ mich von der Handlung mitreißen und bestaunte die Wunder der bibliomantischen Welt, aber ich fieberte nicht mit den Figuren mit. Sie erzeugen bei mir kaum emotionale Resonanz. Das ist unheimlich schade, weil das ganze Drumherum stimmt. All die Magie, verpackt in einen aufregenden Abenteuerroman, holt mich wirklich ab; ich könnte stundenlang davon träumen, selbst bibliomantische Kräfte zu besitzen. Aber genau das ist es eben auch – ich träume davon, selbst Bibliomantin zu sein, die Figuren spielen in meinen Tagträumen keine Rolle. Ich kann lediglich raten, woran das liegt, denn sie sind mir durchaus sympathisch. Ich vermute, meine Distanz hängt damit zusammen, dass ich mich nicht mit ihnen identifizieren und ihre Entscheidungen und Taten selten nachvollziehen kann, im Kleinen wie im Großen. Nehmen wir Furia als Beispiel. Als der Widerstand heimatlos ist, entscheidet sie, die ganze Bande in ihr Haus ziehen zu lassen. Das ist sehr großzügig. Aber mal ehrlich, wer macht sowas? Das sind Großteils völlig fremde Leute. Woher nimmt sie das Vertrauen, dass niemand sie verrät oder – ganz banal – beklaut? Dann sind da Cat und Finnian. Ich finde es gut, dass Kai Meyer ihre kleine Liebesgeschichte weder zu kitschig noch zu dominant beschreibt, doch mir fällt es schwer, sie überhaupt als Paar wahrzunehmen. Die beiden streiten im Grunde ununterbrochen. Wenn man niemals einer Meinung ist, sollte man sich vielleicht noch mal überlegen, ob eine Beziehung eine sinnvolle, gesunde Idee ist. Insgesamt erschien mir der Widerstand nicht als die geeinte Front, die er eigentlich sein sollte. Alleingänge sind an der Tagesordnung, weil keine Kompromisse geschlossen werden. Ich kann mich nicht entsinnen, dass auch nur einmal gemeinsam entschieden würde, was für alle das Beste ist. Sie verhalten sich wie Kinder, die Revolution spielen – kein Wunder, dass die Adamitische Akademie sie nicht ernst nimmt. Was ihnen meiner Ansicht nach fehlt, ist ein_e Erwachsene_r, der/die sie leitet. Vom Alter her könnte Isis diese Rolle übernehmen, nur verfügt sie leider über keinerlei Führungsqualitäten. In „Nachtland“ erfuhr ich einiges über Isis‘ Vergangenheit, was mir gut gefiel und mich ansatzweise verstehen ließ, warum sie eine solche Einzelgängerin ist, aber die grundlegende Aggressivität ihres Charakters ist mir ein Rätsel. Isis löst Probleme nicht, sie tötet sie. Mit allen Mitteln, das ist ihre Devise. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, denn ihre Gewalttätigkeit widerspricht meiner Auffassung der Bibliomantik als friedliche, positive Kunst. Letztendlich kann ich mir allerdings sowieso kein Urteil erlauben, da Funktionsweise, Grenzen und Regeln der Bibliomantik für mich noch immer unklar sind.
Manchmal verfluche ich mich dafür, nicht einfach abschalten und ein Buch so nehmen zu können, wie es ist. Ich hasse es, an „Nachtland“ und „Die Seiten der Welt“ herumzukritisieren, weil es so vieles gibt, das mich daran begeistert, allem voran natürlich die zahllosen faszinierenden Details der bibliomantischen Welt. Aber ich kann mir nichts vormachen. Ich kann nicht ignorieren, dass ich den Figuren nicht nahekomme. Ich bin es mir selbst und euch schuldig, ehrlich zu sein. Daher musste ich die Bewertung von „Nachtland“ nachträglich von 4 Sternen auf 3 Sterne heruntersetzen. Herr Meyer, nichts für ungut. Ich liebe Ihr Universum. Das Lesen hat mir großen Spaß bereitet. Nur Ihre Charaktere treffen für mich leider nicht ins Schwarze.