Die „Edelstein-Trilogie“ wurde von 2013 bis 2016 in Deutschland verfilmt. Kerstin Gier war mit der Umsetzung ihrer Romane zufrieden. Einige ihrer Fans schickten ihr hingegen enttäuschte Nachrichten. Auslöser ihres Unmuts waren die Abweichungen der Filme von den Büchern. Beispielsweise beschwerten sie sich über Leslies falsche Haarfarbe und über die Farbe der Schuluniform, die eigentlich Kartoffelpüree-Gelb ist. Gier selbst empfindet die Unterschiede nicht als dramatisch, da die Filme den Geist ihrer Geschichte vermitteln würden und ohnehin als Ergänzung betrachtet werden sollten, nicht als Ersatz. Ich werde trotzdem darauf verzichten, mir die Filme anzusehen. Die Diskrepanzen sind zu groß, als dass ich einen Mehrwert darin erkennen könnte. Besonders das Finale „Smaragdgrün“ wurde entscheidend umgeschrieben. Ich möchte mich lieber an Kerstin Giers Showdown erinnern, nicht an die Auslegung einer Filmproduktionsfirma.
Gwendolyn fühlt sich wie eine Idiotin. Wie konnte sie nur so dumm sein, auf Gideon reinzufallen? Dass ihr ausgerechnet der Graf von Saint Germain die Augen öffnete, macht es nur noch schlimmer. Allerdings ist sie zu beschäftigt, um im Liebeskummer zu versinken. Dank der tatkräftigen Unterstützung ihres Großvaters ist sie der Wahrheit bereits sehr nahegekommen. Lucy und Paul stahlen den Chronografen nicht aus selbstsüchtigen Gründen. Vielmehr misstrauen sie dem Grafen und seinen Motiven. Gwen teilt ihre Vorbehalte. Wie vertrauenswürdig kann ein Mann schon sein, der Mädchenherzen bricht, ohne mit der Wimper zu zucken? Es wird höchste Zeit, die Geheimnisse des obskuren Adligen aufzudecken – die Schließung des Kreises der Zwölf steht kurz bevor. Mutig stürzt sich Gwen erneut in die Vergangenheit, tanzt auf Bällen, schleicht durch unterirdische Gänge und riskiert ihr Leben, um ihren gerissenen Gegenspieler zu überlisten. Denn eine Weisheit hat der Graf nicht bedacht: Liebe geht durch alle Zeiten und überwindet jedes Hindernis.
Ha! Ich wusste doch, dass dem Grafen von Saint Germain nicht zu trauen ist! Da ich ziemlich gern Recht habe, empfand ich die Lektüre von „Smaragdgrün“ als angenehm befriedigend. Viele meiner Vermutungen und Theorien wurden bestätigt. Ich könnte jetzt natürlich herumnörgeln, dass die „Edelstein-Trilogie“ insgesamt zu vorhersehbar und das Finale zu hastig geraten ist. Aber das würde keinen Spaß machen. Ich möchte nicht meckern, selbst wenn es vielleicht der Wahrheit entspricht. Lieber möchte ich mich noch ein bisschen länger darüber freuen, dass ich in Giers Geschichte von Anfang an den richtigen Riecher hatte. Ich möchte meine positive Leseerfahrung noch etwas auskosten und Kerstin Gier vergnügt dafür applaudieren, dass ich die entscheidende Wendung in „Smaragdgrün“ eben nicht vorauszusagen vermochte. Ich bin immer noch baff, wie viel Freude ich mit „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ hatte – obwohl ich zweifellos aus dem Alter raus bin, in dem mich Gwens Liebesdebakel zu schmachtenden Tagträumen verleitet hätte. Die Trilogie ist witzig, mitreißend und hinsichtlich der Zeitreisen überraschend clever. Meiner Ansicht nach ist sie die perfekte Lektüre, um einem jungen Publikum das Lesen schmackhaft zu machen, weil sie eine starke emotionale Resonanz erzeugt und ganz sanft die Vorstellungskraft stimuliert. Mir gefielen die Episoden, die in der Vergangenheit spielen, hervorragend. In „Smaragdgrün“ besuchen Gwen und Gideon einen glamourösen Ball im 18. Jahrhundert, den Kerstin Gier wunderbar nutzt, um zu vermitteln, dass die Menschen der damaligen Zeit vermutlich weniger steif und affektiert waren, als wir es uns vorstellen. Im Rahmen der zulässigen Etikette waren sie ebenso genussfreudig und lebenslustig wie wir es heute sind. Ich fand diese Szenen sehr hübsch inszeniert, trotz des drohenden Damoklesschwertes der Gefahr, das über der Protagonistin Gwen schwebt. Was ich an Gwen von Herzen schätze, ist ihre Normalität. Im Kern bleibt sie im gesamten Verlauf der Trilogie das stinknormale Mädchen von nebenan, deren Gefühle leicht nachzuvollziehen sind und die weder übertrieben attraktiv, noch aggressiv, noch nervtötend wehleidig ist. Sogar die liebenswerten Nebenfiguren sind, wenn zum Teil wohl eher ungewöhnlich (Xemerius, alter Kumpel!), erfrischend unspektakulär charakterisiert, was definitiv als Kompliment zu werten ist. Tatsächlich hätte Kerstin Gier für meinen Geschmack etwas dicker auftragen können, da ich es schade fand, dass sie die Assoziation der 12 Zeitreisenden mit Edelsteinen, Tieren, Bäumen, Tonarten und der Alchemie nie erläutert. Ich bedauere das, weil ich glaube, dieses Detail hätte für weitere spannende und mysteriöse Verwicklungen sorgen können. Ich verstehe allerdings, dass die Autorin offenbar einen eher schmalen Rahmen für ihre Geschichte anstrebte und folglich darauf verzichtete, diesen Ansatz zu verfolgen. Ihre Bescheidenheit stand der „Edelstein-Trilogie“ gut zu Gesicht.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir die „Edelstein-Trilogie“ so gut gefallen würde. Kerstin Gier sagte in einem Interview einmal, dass sie Bücher schreibt, „in denen man sich vor der Welt verstecken kann“. Ich finde diese Herangehensweise an das Schreiben wundervoll und nach der Lektüre der drei Bände „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ bescheinige ich ihr, dass ihre Einschätzung der Wahrheit entspricht. In diese Trilogie kann man sich exzellent flüchten. Die rasch fortschreitende Handlung ergibt kombiniert mit der starken emotionalen Sogkraft der geschickt eingearbeiteten Liebesgeschichte eine bewegende Lektüre, über der man die Realität problemlos vergessen kann. Ich begeistere mich für die leichte und unbeschwerte Ausstrahlung der Bücher und bin bereit, mich in „Silber“ erneut verzaubern zu lassen. Ich pfeife auf die professionelle Literaturkritik. Kerstin Gier weiß sehr genau, worauf es beim Lesen wirklich ankommt: Freude, Herz und Spannung.